Der Aschermittwoch unserer Politiker mit den üblichen gegenseitigen Vorwürfen und Schuldzuweisungen liegt hinter uns. Das sich rasch wandelnde mediale Interesse, hat wieder andere aktuelle Ereignisse im Blick. Unser Aschenkreuz, das wir Christen empfangen, behält aber über die 40 Tage der Fastenzeit hinaus, bleibende Bedeutung. Es will uns ja nicht nur an unsere Endlichkeit erinnern, dass wir Staub sind, und zu Staub zurückkehren, sondern auch durch die Erfahrung von Schuld und Vergebung, für Barmherzigkeit und Liebe öffnen. Zu einer, unser christliches Selbstverständnis berührenden Betrachtung von Schuld und Vergebung, möchte ich Sie heute einladen.
Wir leben in einer Zeit der Umbrüche und Völkerwanderungen, und sind berufen, uns dieser Welt und den Menschen zuzuwenden, um als Christen nach Kräften mitzuwirken, damit Gottes Reich wie im Himmel, so auch auf Erden wachse. Barmherzigkeit, Liebe, Gerechtigkeit, Einheit und Frieden, sollen anstelle von Zwietracht und Hass unter uns und in unseren Herzen wohnen. Mit anderen Worten: Gott, jedem Menschen und Geschöpf das Seine zu gönnen, dazu sind wir aufgerufen. Bitten wir daher den Heiligen Geist, uns bei einer Gewissenserforschung zu Beginn der Fastenzeit gnädig beizustehen.
Unserem wachen Blick auf uns selbst und die Beziehungen im Alltag, kann nicht entgehen, dass wir im Streit der Meinungen einander, gewollt oder ungewollt, auch Kränkungen und Verletzungen zufügen. Die stündlichen Nachrichten über militärische Interventionen, Terror, und Konflikte in unserer Gesellschaft, Wirtschaft und Kirche, bis hinein in unsere Familien, machen dies erschreckend deutlich. Es gibt daher zu Beginn der Fastenzeit Grund genug, uns an die Brust zu klopfen, denn wir erfahren uns als Menschen in vielfältiger Schuld, und angewiesen einander zu verzeihen. In jedem Vaterunser bitten wir daher Gott um Vergebung, und um die Gnade, vergeben zu können, um immer wieder aufs Neue unseren Groll und Hader mit Gott, den Mitmenschen und uns selbst begraben zu können.
Schuld und Vergebung, das spürt jeder Mensch, sind keine abstrakten Begriffe. Sie betreffen unser Verhältnis zu Gott, den Mitmenschen und uns selbst. Offensichtlich sollen wir in einer Schule der Demut immer wieder an unsere persönliche Schuld und die erlösende Vergebung erinnert werden. Da ist es ein Trost, wenn der Herr zur Sünderin sagt: „Wer frei ist von Schuld, werfe den ersten Stein…!“, wenn er auf die Frage, wie oft wir vergeben sollen, die Zahl von sieben Mal siebzig Mal nennt, oder wenn er fordert, dass wir barmherzig sein sollen, wie unser Vater im Himmel. Der Herr zeigt uns liebevoll, wer wir sind, und was Gott unser Vater von uns erwartet. Er lässt uns aber durch sein Erlösungswerk mit unserer Schuld, die der Vergebung bedarf, nicht allein. Dass der Herr nichts Unbilliges von uns verlangt, versuche ich durch meine eigenen Erfahrungen zu belegen.
Wenn ich über meine Beichtpraxis vieler Jahre nachdenke, dann kommen mir nicht in erster Linie skrupulöse Ängste vor einem strafenden Gott, sondern vielmehr die in der Absolution durch den Priester erfahrene Liebe und Güte Gottes in den Sinn. Ja, sieben Mal siebzig Mal, das heißt immer, erwies sich Gottes Barmherzigkeit vertrauenswürdig und als eine Ermunterung, auch zu meinen Mitmenschen barmherzig zu sein. Was in den vielen Gesprächen von Kindheit an auch reifen konnte, ist ein sensibles, an der christlichen Botschaft orientiertes Gewissen, für das ich dankbar bin.
An der Tatsache, dass der Empfang des Bußsakramentes segensreich und wünschenswert ist, besteht für mich kein Zweifel. Wie aber soll ein Priester, der die Hauptlast der Seelsorge für 4600 Katholiken trägt, diese wichtige Aufgabe erfüllen? Wäre es da nicht angebracht, auch über andere Formen christlicher Gewissensbildung nachzudenken? In früheren Jahren war es beispielsweise üblich, zu Beginn der Heiligen Messe im Stufengebet unsere Schuld zu bekennen, und Gott und unsere Brüder und Schwestern um Vergebung zu bitten. Mir ist wohl bewusst, dass uns das Bekenntnis der Schuld gegenüber Gott und den Menschen nicht leicht fällt, aber unser barmherziger Vater deckt ja allen Schaden zu.
Folgen wir daher unserem Papst Franziskus, der nicht müde wird, uns einzuladen für ihn die Kirche und uns alle bei Gott um Vergebung zu bitten. Versuchen wir mit Gottes Gnade, wie unser Vater im Himmel barmherzig zu sein, jedem das Seine zu gönnen und einander zu lieben, wie der Herr uns liebt. Bitten wir in unseren Tagen aber besonders darum, fähig zu bleiben, unsere Schuld gegenüber Gott, anderen Menschen oder uns selbst, zu erkennen, und der Erlösung zu bedürfen