Spuren des Glaubens

Franz nannte man mich. Ich trage den Namen meines Vaters, und ich trage ihn stolz. Mit meinem Vater verbindet mich die Liebe zu seiner Herkunft, zu Bayern, das ich erst zu einer späteren Zeit erwanderte. Es war ergreifend, all die Wege zu gehen, die mein Vater liebte. Wir sind bei einem Berggottesdienst: Die Männer stehen, wie meine Kusine behauptet, gut in der Tracht. Sie tragen ihre Stutzen, Gemsbärte an ihren Hüten, die breiten ledernen Riemen halten die in den Jahren mit einer Patina versehenen Lederhosen. Die Dirndel haben sich fein gemacht. Jede ein Individuum in  eigener Tracht, verbunden mit ihrer Tradition. Der Priester, ergriffen von der stillen Macht der Berge und grünen Wiesen, kann sich vor Begeisterung kaum an den vorgeschriebenen Text halten. Er empfiehlt uns seine Heimat in begeisterten Worten, als das von Gott ihm nicht nur zugewiesene Plätzchen. Er vergißt auch nicht, mit einem schelmischen Lächeln darauf zu verweisen, dass nach dem Gottesdienst „Händel und eine Maß“ beim Dorfwirt unten im Tal auf uns warten. Mitten unter unseren Freunden aus dem Land meines Vaters saßen wir auf einfachen Bänken bei bei Speise und Trank in geselliger Runde. Noch war aber der Hunger und Durst meine Seele das Land meines Vaters , das sich uns auf Reisen mit der Familie in Bayern  erschloss, nicht gestillt.

Ich entdeckte auch  erst im späteren  Glaubensleben, dass der Name, den mir meine Eltern gaben, ein Ehrenname besonderer Art war. Hatten ihn doch einst der Heilige Franz und Kaiser stolz getragen. Ich kann mich zwar nicht mehr an meine eigene Taufe erinnern. Um so vertrauter ist mir aber der Ort, an dem ich getauft wurde. Mein Glaubensleben hat Wurzeln in Reinfelden(Baden):  Ich fand meine geistliche Heimat in der Pfarrgemeinde von St. Josef. Die Seele weitet sich, wenn ich an meine geliebte Heimatstadt denke, der ich später einige Jahre als Stadtrat dienen durfte. Die St.Josefskirche aber bewahrt kostbare Erinnerungen an das Leben in einer Glaubensfamilie. Ich kenne sie inn- und auswendig, nicht einmal die Risse in der Decke, die sie im Laufe der Geschichte erleiden musste, konnten meinem liebenden Blick entgehen. Wie oft bin ich in der kleinen Marienkapelle neben dem Hochalter gekniet. Die Gottesmutter ist meine Zeugin, dass ich ihr alles vortrug, was mein kindliches Herz erlitt und erfreute. Eingebettet in die Pfarrgemeinde St. Josef  hat mich Pfarrer Dold in der katholischen Kirche beheimatet. Wenn ich heute das Kreuzzeichen mache, gehöre ich mit Maria und Josef, zu Jesu Familie, der uns  in der Taufe zusagt, dass wir SEINER segnenden Hand nie entgleiten können. Könige wurden gesalbt, um sie in ihre Aufgaben einzuführen. Ich danke Dir, Mutter Kirche, für den Chrisam, den ich von Pfarrer Dold empfing, um unter den Schutz Mariens gestellt, einer Kirche anzugehören deren Pforten weltweit geöffnet sind. In St. Josef wurde ich eingesegnet in die großen Geheimnisse und Traditionen der katholischen Kirche. Alle Priester, die später in diesem Gotteshaus mit uns die Eucharistie feierten, sind mir vertraut. In mir klingen sie nach, diese Stunden, in denen uns der Herr besonders nahe erschien. Wenn ich heute am Klavier sitze und das „HEILIG, HEILIIG,  HEILIG“ der Schubert-Messe intoniere oder wenn ich nachvollziehe, dass für mich auch noch heute „die Christenheit  andächtig vor dem Allerheiligsten im Staub liegt“, dann ist immer hohe Zeit.

Zu Hause in der Familie, war es vor allem meine Großmutter, die mir in ihrer stillen Frömmigkeit vermittelte, dass der Glaube ihr Lebenselixier war. Sie betete oft und fromm den Rosenkranz, spendete mir zur Nacht das Weihwasser, ihren Segen, und las oft in der Heiligen Schrift. Was mir immer -vielleicht würden es moderne Theologen wenig respektvoll abtun-  geheimnisvoll blieb, und bleiben muss: Sie trug auf dem Herzen unter ihrem Mieder in Tuch eingeschlagen ein „Scapulier – irgend eine fromme Schrift“, die ihr viel bedeutete. Ich stellte respektvoll nie Fragen hierzu. Dieses Geheimnis sollte meine Großmutter für sich behalten dürfen. Ihr Rosenkranz blieb mir aber erhalten. Er liegt unter meinem Kopfkissen. Er begleitet mich durch mein ganzes Leben. Ich kann nicht einschlafen, auch wenn es sehr spät wurde, ohne „ein Gesätz“ zu beten, und das fort zu setzen, was meiner Großmutter viel bedeutete.

Pfarrer Dold und seine Vikare, bereiteten mich und meine Freunde und die Mädchen auf die erste Heilige Kommunion gewissenhaft vor. Dann kam de große Tag: Die Stadtmusik mit feierlichem Choral voraus, zogen wir in einer Schleife vom nahe gelegenen Kindergarten zur St.Josefskirche, deren Glocken uns schon von weit her grüßten. Wir nahmen unsere Ehrenplätze ein. Die Kerzen wurden vor uns hingestellt. Es ist mit Worten kaum auszudrücken, was mich bewegte, als ich zum ersten Mal im Verlauf des Gottesdienste erleben durfte, dass der Unendliche, der Mensch geworden, der Herr der am Kreuz endete und wahrhaft auferstand, sich in Gestalt der schlichten Hostie zu mir kommen, und sich wie ein Stückchen Brot von mir verzehren lassen wollte. Es war der Anfang eines gemeinsamen Weges mit Christus. Und wie oft durfte ich mich durch IHN stärken lassen. Wie oft kniete ich unerkannt vor dem Allerheiligsten bei einem Kirchgang oder feierte das Gotteslob vor ausgesetztem Allerheiligsten. Die Kanzel und Predigt in den sonntäglichen Gottesdiensten setzte die Einweihung in die Glaubensgeheimnisse fort. Wir ließen es uns auch nicht nehmen im Dritten Reich, als wir hinein gezogen in die damaligen Rituale, an den Sportfesten, den Standortapellen teilnehmen mussten, und den “Führerreden“ im Turnsaal der Schule zu lauschen hatten, unseren Glauben zu bezeugen. Wir zogen gleichzeitig andächtig bei der Fronleichnamsprozession durch die Strassen der Stadt und stellten uns bei den mit Blumen geschmückten Altären auf, um dem Evangelium zu lauschen und den Segen des Priesters mit der Monstranz zu empfangen. In St. Josef wurde ich auch gefirmt und für die anstehenden Kämpfe und Auseinandesetzungen mit dem Zeitgeist vorbereitet. So blieb mir mit Gottes Hilfe immer klar, wer der eigentliche Herr der Geschichte war. Das Gebot, Du sollst den Herrn Deinen Gott lieben aus Deiner ganzen Seele aus Deinem ganzen Gemüt und mit allen Deinen Kräften, wurde tief eingeprägt in mein ganzes Wesen:

Unter den Vikaren möchte ich besondern einen hervorheben, der einer marianischen Kongregation nahe stand und uns besonders anregte, uns nicht grenzenlos an den vorherrschenden Zeitgeist anzupassen. Ein anderer war unser geschätzter Vikar Hemmerle, der spätere Bischof von Aachen, der mit einem kindlichen Humor ausgestattet, mit brillanter Intelligenz begabt, eine Vorliebe entwickelte, Worte aus ihrem Sinnzusammenhang  heraus zu lösen und zu verdrehen. Der geneigte Leser mag sich vorstellen, wie es dem damaligen „Kirchenvolk“ zu Mute war, als Hemmerle in einer tiefschürfenden theologischen Fastenbetrachtung vom Herrn erzählte, der „in Kesseln gefettet“ war. Ein befreiendes österliches Lachen platzte mitten in die ernste Angelegenheit von Jesu Leiden. Das Bild dieses Bischofs, dem ich später als Theologe zu Füßen saß, ziert meinen Schreibtisch. Ich halte oft Zwiesprache mit dem auf diesem Bild von seiner schweren Krankheit gezeichneten Seelenfreund.

Dank der Mutter Kirche

 

 

 

Franz Schwald
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