Kreuzzeichen

Ein kleines Gefäß mit Weihwasser gefüllt, gehört zu meinen frühesten kindlichen Erfahrungen. Unsere Großmutter ließ es sich nicht nehmen, jeden Abend an mein Bett zu treten, ihre Finger ins geweihte Wasser, zu tauchen, und mich im Namen des Vaters, des Sohnes und Heiligen Geistes zu segnen. Es war mir dabei immer ein wenig feierlich zu Mute. Im Schutze dieser liebevollen Geste konnte ich dann ruhig einschlafen. Ich konnte es kaum erwarten, bis ich mich später wie die Erwachsenen, beim Betreten und Verlassen der Kirche, selbst mit Weihwasser besprengen und bekreuzigen durfte.

Tief beeindruckt haben mich auch die gelegentlichen Krankenbesuche unseres Pfarrers. Ein Beistelltisch wurde weiß eingedeckt, und darauf ein kleines Standkreuz und zwei silberne Kerzenständer mit brennenden weißen Kerzen gestellt. Wenn der Priester sich in Ehrfurcht bekreuzigte und vor dem Allerheiligsten niederkniete, erfüllte mich ein feierlicher Schauer. Zur vertrauten Umgebung gehörte auch das von unserem Großvater selbst geschnitzte, und naturbelassene Kreuz aus Lindenholz, in Gestalt eines Weinstocks an der Wand. Ein Leben lang begleiten uns Christen das Weihwasser und das Kreuz, als Zeichen der Erlösung, des Segens und der Hoffnung, bis über den Tod hinaus. Ist das nicht Grund genug, wieder einmal zu bedenken, was geschieht, wenn wir zum Kreuz aufschauen, und uns selbst oder andere bekreuzigend, den Segen empfangen oder einander spenden?

Ich gehöre noch zu der Generation katholischer Christen, die sich darüber freuen, wenn die Kirchenglocken uns zur Heiligen Messe und kirchlichen Festen einladen, und wir uns im Jahresreigen um den Altar versammeln. Unsere Priester waren sehr geachtet, und wir Kinder begrüßten sie mit einem fröhlichen „Gelobt sei Jesus Christus“. Wir schätzten den Religionsunterricht und unsere Geistlichen, die uns die Bedeutung der Zeichen und Sakramente erklärten, und mit uns die Geheimnisse unseres Glaubens feierten. Ein heiliger Schauer kann uns befallen, wenn wir vom Kreuz berührt, und aus unseren Träumen wachgerüttelt bemerken, wie sehr uns Gott liebt und braucht, um an SEINER Stelle in anderen Menschen Hoffnung und Segen zu erwecken, und dass wir in IHM und durch IHN, ein Zeichen SEINER Gegenwart in unserer Zeit sein sollen. Vielleicht meint es Gott in SEINER zarten Liebe und unendlichen Geduld mit uns sogar gut, wenn ER SEINE alles überragende Majestät vor uns verbirgt, und uns schwache Menschen benutzt, um in den Spielwiesen des Alltags, anderen unseren Glauben so zu bezeugen, dass sie sich vor uns und dem Herrn nicht zu sehr erschrecken müssen. Denn auch wir dürfen fest darauf vertrauen, dass der Herr die Schwächen und Nöte Seiner Zeugen kennt, und auch durch unsere kleinen Gesten das Wunder wahrer Gottesbegegnung bewirken kann.

Die Begegnung mit der überwältigenden Fülle der Liebe des dreifaltigen Herrn, würde uns Kleingläubige doch sicher noch mehr erschrecken, als den mit fester Speise des Glaubens vertrauten Petrus, der beim Hahnenschrei seinen Verrat erkennend, bitterlich weinen musste. Das kraftvolle Kreuzzeichen der Liebe Gottes kann unsere Schuld und verborgenes Chaotisches in uns und um uns aufdecken. Es kann uns aber auch zur Erkenntnis führen, wie unsagbar wir darauf angewiesen sind, die barmherzige Nähe Gottes, und SEINE Vergebung im schlichten Kreuzzeichen immer wieder zu erfahren. Von Geburt bis in den Tod und in die Auferstehung hinein, ist das Kreuzzeichen ein Ausdruck dafür, dass Gott nie aufhört Chaos in Kosmos zu wandeln. Wer, wenn nicht die Heiligste Dreifaltigkeit weiß besser, was für uns alle wirklich umfassend gut ist. Gottes Fürsorge für das, was er in SEINER unendlichen Güte und Liebe geschaffen hat, und allezeit am Leben erhält, ist wahrlich schon des Dankes wert. Unsere Heiligen sind auf ihre je eigene Weise, wie der Heilige Franziskus, mein Namenspatron, Zeugen der erlösenden Liebe Gottes. Wie nahe durfte dieser Heilige dem dreifaltigen Herrn kommen. Ein Beichtspiegel ist er für uns alle: Sind wir so still, demütig, aufmerksam und offen, dass der alle Geschöpfe durchwaltende Segen göttlicher Liebe auch uns erfüllen, und durch unsere Armut hindurch zu einem wirksamen Zeichen der Liebe werden kann? Hängen wir die Kreuze nie ab und bleiben wir allzeit gesegnet im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Der Herr ist für uns gestorben und vom Tod auferstanden-

 

Kirschblüten

Manche Märchen könnten so beginnen: Es war einmal eine große Familie. Der Vater hatte wie alle Väter viel zu tun, um im Auf und Ab des Lebens das Nötige zu besorgen. Er wusste, wie fast alle Väter, was eigentlich wichtig war, und nur zu oft übersehen wurde. Aber ihm war das Glück beschert, von Jugend an mit Mutter Natur in gutem Einvernehmen zu leben. Sie gebar ja immer wieder neues Leben und sorgte still und ohne Unterlass dafür, dass alle ihre Kinder wohl gedeihen konnten. Glaubt mir, es gab unter ihrem Schutz schon lange und bis heute unermesslich viele Pflanzen und Tiere aller Art und sogar auch vernunftbegabte Menschen auf Erden. Allen diesen Lebewesen gewährte sie für eine genau zugemessene Zeit in immer wieder neuen Formen ein auskömmliches Dasein. Und nicht nur das. Sie freute sich bis zum heutigen Tag von Herzen, wenn alle ihre Kinder sich voll entfalteten und mit ihren Artgenossen zusammen ein eigenes Leben führten. Über all dies hinaus, barg sie sorgsam die vielen Geheimnisse des Lebens und die Weisheit, dass auf jeden Herbst und Winter wieder ein neuer Frühling und Sommer folgte.

Unter dem Segen der Natur brachte einst ein Kirschbaum im Garten, als die Vögel und Menschen längst die leckeren Früchte eines Jahres verzehrt hatten, wieder neue Schösslinge hervor. Eine lange Zeit des Reifens und Wartens lag nun vor ihnen. Nachdem die Herbstwinde die fahl gewordenen Blätter abgeschüttelt hatten, konnte man endlich den Stamm und die vielen Zweige besser erkennen. Wirklich schön war er, auch ohne Laub. An der den Winden zugekehrten Seite hatte der Kirschbaum Moos angesetzt. Das bedeutete, dass er an dieser Stelle schon viele Jahre lang seinen Platz behauptete.  Wer es einmal versucht hatte, diesen einmaligen Stamm mit seinen vielfältigen Verzweigungen zu zeichnen, konnte erfahren, welch schönes Kunstwerk die Natur geschaffen hatte. Aber nur einem staunend schweigenden Betrachter, gab der Kirschbaum in beglückenden Augenblicken etwas von seiner Würde preis. Selbst ein Poet brauchte sensible Augen und Ohren, damit diese Zwiesprache gelingen konnte. Sagte doch neulich ein Schössling zum andern: «Du Nachbar, findest Du es nicht schön, dass uns die Mutter Natur vor Einbruch der kalten Jahreszeit in ein so feines Mäntelchen gepackt hat, um uns vor Wind und Kälte zu schützen?» «Gewiss, sagte ihr Nachbar, und ich bin mir auch sicher, dass sie uns schützend während des langen Wartens bis zum nächsten Frühling begleiten wird». «Selbst die Tiere haben aber im Unterschied zu uns einen sehr großen Vorteil, entgegnete der Andere nachdenklich. Sie können wenigstens Laute von sich geben, wenn es ihnen gut oder schlecht geht. Und außerdem gibt es ja auch noch die vielen klugen Menschen, die denken und reden können.» Da geriet sein Nachbar ins Philosophieren und gab -neun Mal klug- zur Antwort: «Stimmt schon, aber hast Du nicht bemerkt, dass manche Menschen weder richtig sehen, hören, noch fühlen können und dass sie manchmal so seltsame Dinge tun?»

Da wurde der Andere ein wenig traurig und antwortete: «Ich weiß, uns fehlt einiges von dem, was Menschen auszeichnet. Ich jedenfalls leide sehr darunter, wenn sie unsere Mühen für sie da sein zu wollen, gar nicht so recht bemerken». Das ging dem anderen Schössling zu Herzen. Er wollte seinen Nachbarn trösten und bemerkte: «Schau, gerade jetzt hat sich ein vom Wind zerzauster Sperling auf unseren Zweig gesetzt und singt der Kälte und dem Regen trotzend, für uns ein frohes Lied». Nun erinnerten sich beide Schösslinge an derartige schöne Erlebnisse im vergangenen Frühling und Sommer bis tief in den Herbst hinein und daran, dass ihnen in dieser Zeit viele Vögel und Insekten Gesellschaft geleistet hatten. Nach dieser erfreulichen Erkenntnis, bargen sie sich wieder in ihre wärmenden Mäntelchen, um mit den Gefährten, dem nächsten Frühling entgegen zu träumen. Sie waren sich sicher, dass die Mutter Natur sie durch den strengen Winter bringen und danach wieder zu neuem Leben erwecken werde. So kam es dann auch.

Nach einem langen Winter hielt sich die Frühjahrssonne mit Ihrer Wärme noch sehr zurück. Die Schösslinge wunderten sich. Sie hatten lange gewartet und spürten nun ein Drängen, sich zu entfalten. Unsere beiden Schösslinge gehörten zu den ersten, die es wagten, die ersten Sonnenstrahlen zu nutzen, um sich aus ihren Mäntelchen zu schälen. Welch ein Wunder! Die anderen Blüten folgten ihnen, und über Nacht schlüpften auch sie aus ihren Winterkleidern. Die Zweige mochten sich recken und strecken und hatten dennoch keine Chance mehr, selbst gesehen zu werden. Denn ein weißes Blütenmeer hüllte den Kirschbaum wie in ein Festtagsgewand ein. Die vielen Blüten platzten vor Stolz und freuten sich über die emsigen Bienen, Insekten und die fröhlich zwitschernden Vögel, die ihnen Gesellschaft leisteten. Die beiden Schösslinge bekamen feuchte Augen, als sie sich, von einem Windhauch bewegt, gegenseitig in ihrer vollen Schönheit bewunderten und zunickten. Sie wurden dabei fast ein wenig fromm, und dankten gerührt der Mutter Natur für ihre Gaben. «Was hast DU denn», fragte der eine, zur Blüte gewordene Schössling, den anderen besorgt, «Du schaust ja trotz all Deiner Blütenpracht ein wenig traurig aus?». «Ach», sagte dieser: «Mir gefällt zwar mein Frühlingskleid, aber ich habe mich doch auch für alle Tiere und Menschen hübsch gemacht und wünschte mir, dass sie sich über unsere Pracht freuen könnten. Es dauert doch nur wenige Stunden, dann nimmt uns der Wind die feinen Röckchen wieder ab». Diese Worte gingen der anderen Blüte so zu Herzen, dass Sie nur mit Mühe ihre Tränen zurückhalten konnte. Dann wollte sie Trost spenden und entgegnete: «Aber schau doch auf die vielen Bienen, Insekten und Vögel, die uns besuchen. Und siehe da, das kleine Mädchen an der Hand der Mutter. Höre wie es staunend jauchzt und mit seinem Finger auf die Blütenpracht nach oben zeigt». «Ich habe den Jubel und den Finger wohl bemerkt, entgegnete die andere Blüte, aber ich kann ja nicht sprechen, um dem Kind meine Freude zu zeigen und meine Trauer, dass so viele andere Menschen uns das ganze Jahr über bei all ihren Geschäften gar nicht wahrnehmen». «Stimmt und stimmt doch nicht ganz, entgegnete die andere Blüte. Ich kenne einen Poeten, von dem weiß ich, dass er uns und die Mutter Natur bemerkt. Ja ich glaube sogar, dass er uns liebt und Mitleid mit uns hat, weil wir nicht reden können. Noch mehr, ich traue ihm zu, dass er es versucht, an unserer Stelle mit seinen Artgenossen darüber zu reden».  «Du glaubst wirklich, dass es einen Menschen gibt, der für uns Blüten und die ganze schweigende Natur ein gutes Wort einlegt?» «Das weiß ich nicht so genau, gab die die andere Blüte zu bedenken, aber ich bin sicher, dass er uns und den Kirschbaum liebt». «Woher willst Du das so genau wissen, entgegnete die andere Blüte.» «Ich kann das auch ohne Worte in seinen Augen und seinem Herzen erkennen, entgegnete die Andere. Wenn der Poet mich manchmal aus seinem Fenster so innig anschaut, dann bin ich mir dessen sicher, dass er unsere schweigende Blütensprache versteht und ich bin dann sehr glücklich darüber, dass er unsere Anmut und Pracht schön findet.» «Ja und wenn im Herbst unsere Blütenblätter abgefallen und vom Winde verweht sind, und in der kalten Jahreszeit von unseren Frühlingskleidern nichts mehr zu sehen ist, fragte die andere Blüte?» «Ja, auch dann schaut er oft aus seinem Fenster und sein Blick sagt mir, dass er auch unseren kahlen Baum und die entblätterten Zweige liebt.» Die andere Blüte reckte und streckte sich danach ein wenig und sagte mit einigem Stolz: «Allmählich beginne ich zu hoffen, dass unser Dasein auch anderen Lebewesen Freude bereitet». Genau in diesem Augenblick gelang es dieser Blüte mit einem verständnisvollen Lächeln, dem sanften Winde eines ihrer schönsten Blütenblätter anzuvertrauen. Dann fügte sie glücklich hinzu: «Ich habe nun gar keine Angst mehr, mich von der Mutter Natur, wie es uns gemäß ist, von einer Kirsche wieder in eine Knospe verwandeln zu lassen, die warten muss, bis sie im Frühling für einige Stunden wieder zu neuem Leben erweckt wird.» «Und was macht Dein Poet, in dieser Zeit, fügte sie fragend hinzu?» «Er nimmt alles, was er mit uns erlebte, wahr und schreibt eine Geschichte, um die Menschen an uns zu erinnern und ihnen Augen und Ohren für die Schönheit der Natur zu öffnen.

Kirschblüzen

 

Gebet

O Gott unser Vater
und Schöpfer wir sind
zutiefst erschüttert
und von Liebe berührt

Dass DU uns durch
DEINEN Sohn im
heiligen Geist in
unser Leben liebst

Geheiligt werde DEIN
allerheiligster Name
DU Einziger in drei
Personen Ewiger

Als begnadete Sünder
danken wir DIR für alles
besonders für die Gnade
die wir von DIR empfangen

Dass DU uns in DEINEM
Sohn von aller Schuld
und Sünde reinigst zu
Kindern DEINER Liebe

Zu dankbaren Söhnen
Töchtern Brüdern und
Schwestern Erben und
Zeugen in DEINEM Volk

Der weltweiten Kirche
im Himmel und auf
Erden machst damit wir
Dir mit allen DEINEN

Werken allezeit danken
loben und DICH mit allem
was wir sind und haben ewig
anbetend preisen und ehren

Dankgebet

 

Fußwaschung

Herr Jesus Christus
Gottes und der Menschen
Sohn erbarme DICH
unser

DU der Höchste gibst
uns ein Beispiel und
kniest DICH nieder
uns die Füße zu waschen

DU der Herr erweist
uns diesen Liebesdienst
damit auch wir einander
die Füße waschen

Lassen wir es an uns
geschehen was ER tut
damit SEINE Liebe sich
auch durch uns erfüllt

Der Herr ist unsere Speise auf der Pilgerreise

 

Feriengrüße

Heute besprachen wir beim Frühstück  unsere bevorstehende Abreise am kommenden Freitag. Nur noch zwei Tage! Wie im Flug sind die erlebnisreichen beiden Wochen vergangen. Es fällt schwer, mich an den Gedanken zu gewöhnen, Sonne, Strand, Wellen und unser schönes Ferienhaus wieder zu verlassen. In der Absicht, etwas von diesen Tagen fest zu halten, kommt mir die Idee, unseren Freunden von den Erlebnissen in einer kleinen Geschichte zu erzählen.

Im vergangen Jahr bewohnten wir in S´ Gravensande schon einmal ein Ferienhaus. Es bot uns allerdings mehr Schutz vor den hier, trotz Sonne, immer heftig wehenden Winden. Dieser Ferienpark ist nahezu ausgebucht. Viele Holländer nutzen die Schulferien, um  sich an der See zu erholen. Uns direkt gegenüber haben “ständige Bewohner“  ihr Eigenheim liebevoll mit bunten Blumen und zahlreichen Büschen umgeben. Ein schwerer, weiß gestrichener Anker, auf dem eine Möwe im Flug thront, soll wohl andeuten, dass sie beabsichtigen, für längere Zeit anzudocken. Sicherheitshalber befestigten sie ihr Schmuckstück mit einer starken Kette an einem Holz-Polder. Wem könnte es aber schon in den Sinn kommen, sich an einem so schweren Schiffs-Anker zu vergreifen? Ich versuchte anfänglich, unsere Nachbarn, die oft auf der windgeschützten Seite ihrer Terrasse saßen, anzusprechen, spürte aber fast körperlich deren Abneigung, sich auf nur vorübergehend hier wohnende Gäste einzulassen. Bei den vielen, häufig wechselnden Feriengästen, die uns an die rasch vergehende Zeit erinnern, ist es sehr wohltuend, in den Holländern, die für längere Zeit „Anker geworfen“ haben, als Gegengewicht zur Veränderung, Stabilität zu spüren. Die hier „ansässigen Holländer“ bieten jedenfalls Gewähr, dass auch wir wieder Gefallen an S´ Gravensande finden können.

Viele Kinder bereichern mit ihren Spielen auf den Strassen unseren Ferienalltag: Sie fahren begeistert mit großen Kettcars herum. Hunde aller Rassen werden hier von ihren stolzen Besitzern ausgeführt. Bei genauerem Hinsehen, passen die großen oder kleinen Vierbeiner oft auffallend gut zu ihren Frauchen oder Herrchen. Hinter unserem Haus haben wir freien Blick auf einen kleinen Binnensee. Enten, Reiher und vor allem Möwen vergnügen sich dort im Flug. Sie möchten bewundert und gefüttert werden. Zur Nacht wiegen uns die quakenden Frösche mit einem ausdauernden, eintönigen Konzert in den Schlaf. Die um den See verteilten, schmucken Häuser spiegeln sich bei Tageslicht und nachts im Schein der Laternen im Wasser, als ob sie sich durch ihr reflektiertes Spiegelbild von ihrer Schönheit überzeugen wollten. Alles um uns, drückt Leben und Veränderung aus. Wir lassen uns auf diese Stimmung ein und genießen die vielen Eindrücke in vollen Zügen.

Gestern befanden wir uns wieder einmal auf einem längeren Spaziergang den Strand entlang, Richtung Hoek van Holland. Im Rücken eine kräftige Briese, über uns ein strahlend blauer, unendlich weit gedehnter Himmel. Hinter uns und vor uns, so weit das Auge reicht, die heranstürmenden Wogen, die sich schäumend überschlagen und in immer matterer Bewegung am Strand auslaufen. Ein nach ehernen Gesetzen geregelter Ablauf: Wie ein unruhig pochendes Herz der See, so kommt und geht das Wasser im steten Wellenschlag seit undenklichen Zeiten. Der weit gewölbte Horizont und die anstürmenden Wassermassen, lassen den Betrachter klein werden. Welch staunenswerte Kräfte bändigt die Natur in einem einzigartigen, großzügigen Spiel? Wie bedeutungslos erscheint demgegenüber das Bemühen der Menschen, wenigsten einen kleinen Teil dieser Reserven zu nutzen. Unzählige, vielfarbige, bunt gestreifte Muscheln, ordnen sich beim Ausschreiten unter unseren Füßen zu Mosaiken. Sie wollen offensichtlich gesehen und gesammelt werden. Wir raten daher unserer Enkeltochter, die seit Beginn der Ferien bei uns wohnt, nach den schönsten Muscheln zu suchen. In unserer Ferienwohnung sind inzwischen einige der staunenswerten Fundstücke zur Dekoration auf einer Fensterbank ausgelegt. Gerade eben kommt die Enkelin wieder ins Haus zurück. Sie benötigt dringend altes Brot, um ein Entenpaar, das ganz zutraulich vor unserer Tür bettelt, zu füttern. Immer wieder läuft sie aus dem Haus, hin zu einer Freundin oder besteigt stolz ihr Einrad, um nach einer Weile wieder zurückzukehren und von ihren Erlebnissen zu berichten. Im Moment ist sie dabei, Steine, die sie zusammen mit ihrer Freundin sammelte, auf einem Stück Papier in Reihen aufzukleben. Sie ist eine sehr aufmerksame Beobachterin. Auf unseren Wanderungen stellt sie uns unermüdlich neue Fragen. Warum sich alles so verhalte, wie wir es beobachten? Warum das Meer komme und wieder zurückfließe, woher die Muscheln am Strande kämen und vieles andere. Gelegentlich erinnert mich dieses fast philosophische Frage-Spiel an Parmenides, der lange vor unserer Zeit, sich und uns die Frage stellte, warum es überhaupt etwas gebe und nicht nichts? Zuweilen berührt sie zu meiner Verwunderung auch religiöse Themen. So beschäftigt sie die Frage sehr, ob es Gott gebe, wie die Christen glaubten, oder ob es Gott nicht gebe. Manche Fragen bringen uns dazu, Antworten offen zu lassen und das Fragespiel meiner Enkelin durch unsere Fragen ergänzend zu vertiefen. Sie bringt mit ihren wachen Sinnen viel Farbe und Leben in unseren Ferienalltag. Mit großer Hartnäckigkeit hält sie vor allem an Liedern fest, die ihr besonders zusagen. Das alte Studenten-Liedchen „als die Römer frech geworden“ geistert unentwegt durch unseren Ferienalltag.  Am Morgen, am Mittag, auf unseren Wanderungen oder im Auto ist das Liederbuch dabei und los geht es mit den „Römern, die frech geworden sind“.

Zeit und EwigkeitKehren wir aber nun wieder zurück zu unserer Wanderung am Strand: Wir kommen inzwischen Hoek van Holland immer näher. In der Ferne können wir schon deutlich die hochbeladenen Container-Schiffe sehen, die mit der Flut auslaufen. Wir werden sicher während unseres Urlaubs noch Gelegenheit finden, näher an Hoek van Holland heran zu wandern. Seit geraumer Zeit beobachte ich -so nebenbei- Küstenfischer in einem Motorboot. Sie haben beidseits Netze zum Fang ausgelegt und kreuzen bei der Suche nach den besten Fischgründen hin und her. Eine unzählige Schar kreischender Möwen, deren Schreie ab und zu vom Wind heran getragen werden, umkreist die Boote. Die mühselige Arbeit dieser Fischer lässt mich unwillkürlich daran denken, dass es vor langer Zeit ebenfalls Fischer waren, die sich eine ganze Nacht vergeblich um einen guten Fang bemühten und nichts fingen. Die dann erneut ihre Netze auswarfen, als der Herr sie dazu aufforderte, und eine so große Zahl Fische fingen, dass das Boot sie kaum bergen konnte. Für einen Moment steht mir auch die andere Szene deutlich vor Augen, wie Petrus, der den Herrn dreimal verleugnete, sich spontan das Obergewand umwirft, in den See stürzt und Jesus entgegen schwimmt, als er den Auferstandenen erkennt. Die reale Beobachtung der Küstenfischer und die daran anknüpfende Erinnerung schien die dazwischen liegende Zeit so aufzuheben, dass auch ich einen Hauch nachösterlichen Erlebens spürte. Unsere Enkelin riss mich indes mit der erschrockenen Bemerkung: „Ich muss ja noch zum Reiten!“ aus meinen Betrachtungen, und führte uns unmittelbar in unseren realen Ferienalltag zurück. Ein Blick auf die Uhr. Es konnte noch reichen, wenn wir uns sehr beeilten. In beschleunigtem Tempo ging es nun hinter den Dünen wieder zurück in unser Ferienhaus und dann zu den Pferden, um unsere Enkelin beim Reiten zu bewundern. Wir würden uns freuen, wenn Sie liebe Freunde, angeregt durch die geschilderten Eindrücke, die Dankbarkeit über einen gelungenen Urlaub in Holland mit uns teilen könnten.

Zeit und Ewigkeit

factum est

Um uns in Oppenweiler ist es noch dunkel. Doch ein Licht freudiger Erwartung leuchtet schon seit Tagen in mir. Es ist ein seltsames Drängen, wie ich es in einem meiner früheren Aufsätze beschrieb. Eine Art Schwangerschaft; recht außergewöhnlich für einen Mann. Meine Seele zittert und jubelt in der Stille. Da bekommt das Drängen einen Namen. Er unser Gott kommt, ja er kommt unverdienter Weise in unser Dasein. Der Herr braucht aber eine Wohnung. Ich habe nicht viel vorzuweisen. Ganz sicher wird ER mit dem vorliebnehmen, was ich IHM bieten kann. Dann aber werde ich mit allen und allem was mir wert und teuer ist, ein Fest der Liebe feiern. Die Engel ziehen schon die schönsten Röckchen an und putzen ihre Heiligenscheine, damit die Ehrerbietung an der Krippe zusammen mit uns Menschen nicht allzu dürftig ausfällt. Mit der Himmlischen Heerschar, dem Heiligen Josef, der Gottesmutter, mit Ochs und Esel zusammen, kann das Fest beginnen.  Es wird schön sein, wenn wir dem Gottessohn, dem „semper maior“, unsere Lieder singen. Warten wir doch alle im Advent unseres Lebens immer wieder auf die Ankunft des Herrn. Denn wir wissen, dass keine fremden Götter sondern nur ER unsere Sehnsucht zu stillen vermag. Es könnte sogar ein Wunder geschehen. Wer weiß das schon. Der Herr stände dann in SEINER, jeden Kalender sprengenden Liebe, sogar jetzt um Einlass bittend vor unserer Tür, und wollte möglicherweise sogar in uns geboren werden. Am liebsten würde ich dann die ganze Menschheitsfamilie zur Geburtsfeier einladen. Ich fürchte aber, meine Herberge könnte für so viele zu klein sein. Daher laufe ich lieber als „schwangerer Mann“ zu Euch, wie einst Maria zu Elisabeth, um über eine jeder Zeit mögliche Geburt des Gotteswortes in uns zu reden.

Meine Frau, die seit ihrer Pensionierung Vorlesungen an der Uni Stuttgart besucht, brachte mir einen schlichten, in grüner Farbe der Hoffnung gehaltenen Computerausdruck. mit Weihnachtsgrüßen ihres Professors nach Hause. Sie wurde für mich, wie viele Frauen vor ihr, zur Überbringerin einer wahrhaft guten Nachricht. Dieser Gruß hatte es nämlich in sich. Das muss ich Euch erzählen; aber auch noch anderes. Hört gut zu! Um die überlieferten Worte Gottes in der Heiligen Schrift zu verstehen, habe ich einst Latein und  Griechisch gelernt – wie meine Frau als Ärztin. Das war nötig, um die mit dem Gruß des Professors gestellte Aufgabe zu lösen. Die Nachricht war in Latein verfasst. Ich las und verstand sofort wie meine Frau. Welche Freude: „Wir haben die Sprache nicht umsonst gelernt!“ Auch ich werde nun ein Bote und reiche die Wünsche um besinnliche Weihnachtstage einfach an Euch weiter; ergänze sie aber mit einer kleinen Betrachtung. Der in Latein geschriebene, vertraute Text, handelt von der Geburt des Herrn nach Lukas 2,1-20. Er stammt aus der Stiftsbibliothek St.Gallen(Cod. Sang.51, S. 134f). Seit dem Konzil von Trient (16. Jh.) wurde mit der Vulgata Latein in der Katholischen Kirche zur maßgeblichen Sprache der Bibelübersetzung. Ich nehme das Geschenk des Professors in die Hand und lese wie neu diesen mir von Kindheit an vertrauten Text mit seiner „umstürzenden Botschaft“ an uns alle. Die prägnante, ausdrucksstarke lateinische Sprache packt mich. Immer fester wird meine Stimme beim Lesen, während ich die „Worte im Herzen erwäge“. Meine Frau zeigt ihr Interesse an dem Text. Gemeinsam fühlen wir uns, im langen tradierten Sprachraum des Lateins, wie zu Hause. Die Weihnachtsbotschaft sprengt ja an sich alle inneren und äußeren Grenzen. Selbst in den Niederungen der Weihnachtslieder, die wir in den Geschäften und auf den Märkten zu  hören bekommen, verbirgt sich noch eine geheime Sehnsucht und Hoffnung.

Wie anders ging es aber einst unseren Vätern an Weihnachten 1942, die im sinnlosen Morden des zweiten Weltkrieges im Kessel von Stalingrad, der Kälte und dem blanken Entsetzen ausgeliefert, nur noch Tod oder Gefangenschaft vor Augen hatten. Von der Führung der Partei verraten, zerbrach bei nicht wenigen von ihnen jegliche Hoffnung auf Gottes Güte. Einige aber wandten sich für alle anderen in ihrer unaussprechlichen Not an die Gottesmutter – und beteten vor deren Bildnis, das ein Arzt geschaffen hatte. Ähnliche Situationen gibt es leider auch noch heute in unserer Welt überall dort, wo Macht und Gewalt Triumphe feiern. Nur Gott selbst kann uns gewähren, dass wir dem Unverständnis preisgegeben, in der Barmherzigkeit und Liebe des Menschensohnes verankert bleiben. Aber nicht mit Gewalt oder Macht greift der Schöpfergott wieder in die Geschichte ein. In einem wehrlosen Kind, dem Menschensohn, wirbt der Retter, der geboren wird, um Heil und Segen in unser inneres und äußeres Dasein zu bringen, um unser Herz. Ein Kind, das zum Manne herangewachsen, den Kosmos umspannend, einer von uns wird, um durch Seine Geburt, Seinen Tod und die Auferstehung alle Schuld zu tilgen, Gerechtigkeit und wahren Frieden wieder herzustellen. Ja das Weihnachtsfest ist gehaltvoll, nicht nur süß. Es erinnert uns immer wieder daran, um welch hohen Preis wir erlöst sind. Aber auch an die unerschütterliche Treue Gottes, der alles Geschaffene, wie die Heilige Schrift in der Genesis bezeugt, für gut befindet und fortwährend in Seiner unerforschlichen Liebe erhält, der wir staunend antworten dürfen. „Factum est in diebus illis“, so beginnt der Text im Lukasevangelium wie ein Paukenschlag. Von einer Tatsache ist hier die Rede von einem real fassbaren Geschehen in jenen Tagen. „Factum est“, will sagen – Gott greift in das Weltgeschehen ein. Er unser Herr ist in Sorge um uns, will unser wirkliches Wohl und Heil. Das ist keine Fabel, kein Traum, sondern „factum est“ es ist ein wirkliches Ereignis. Gott ist nicht tot. Als unfassbares Geheimnis will ER in Seinem Sohn unter uns sein. Die Schrift weist akribisch nach, wann wo und wie dies geschieht. Es ist von Joseph die Rede, der aus dem Hause Davids stammt und von Galiläa aus Nazareth mit seiner schwangeren Verlobten nach Bethlehem unterwegs ist, um sich, der Sitte gemäß, eintragen zu lassen. Dort gebiert sie ihren ersten Sohn, hüllt ihn in Windeln und legt ihn in eine Krippe, denn „in diversorio“ – in der Herberge finden sie keinen Platz. Ist das nicht genau unsere Glaubenssituation, dass Gott oft vor einem Bollwerk unserer Vorbehalte steht, und wir nicht zulassen wollen, dass er uns vor aller Zeit und auf unserem manchmal beschwerlichen Pilgerweg durch seinen Sohn zärtlich liebend, bis in die ewigen Wohnungen geleiten will? Hirten, Menschen wie Du und ich, hielten in jener Heiligen Nacht Wache bei ihrer Herde. Da stand plötzlich ein Engel Gottes bei ihnen „et claritas Dei circumfulsit illos et timuerunt timore magno “  – Und der Glanz Gottes umhüllte sie, sodass sie sich sehr fürchteten und erschraken. „Nolite timere!“ Fürchtet Euch nicht, ruft ihnen der Engel, und auch uns Trostbedürftigen zu. Habt keine Angst Euch von Gott lieben zu lassen. Fürchtet Euch nicht vor Eurem Bruder, einem wehrlosen Kind in der Krippe. Und weiter wie Fanfarenstöße: Seht ich verkündige Euch eine große Freude, die allem Volk zuteilwerden soll. Denn heute, ist Euch der Retter geboren, Christus der Herr, in der Davidsstadt. Und ihr werdet ein Kind finden das in Windeln gehüllt in einer Krippe liegt. Und plötzlich, aber nicht nur damals, war der Engel von einer großen himmlischer Heerschar umgeben, die voll Freude preisend und lobend sangen:  „Gloria in altissimis Deo et in terra pax hominibus“ Ehre sei Gott in den Höhen und Friede den Menschen auf Erden. Möge durch die Gnade des Heilandes und Retters, das Wort Gottes, auch in uns geboren werden und uns zur Vollgestalt eines Christen heranwachsen lassen. Dass wir dann vom Heiligen Geist befeuert, bestärkt und gedrängt, selbst Wort und Hand werden, um anderen Menschen die Liebe und Sehnsucht des Dreifaltigen Gottes nach uns zu verkünden, der uns nicht nur an Weihnachten SEINEN Sohn schenkt, um unsere Not, Schuld und Hoffnung im göttlichen Erbarmen zu bergen. Ein Kind, von dem gesagt worden war: Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen die Hirten erzählten. „Maria autem conservabat omnia verba haec conferens in corde suo“ Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. Beten und leben wir die Gnade zu verkünden, dass die Geburt des Gottessohnes durch Maria, wie die Hirten gehört und gesehen, und die Schrift bezeugt, „factum est“ wirklich geschehen ist.

Die Auferstehung der ewigen Liebe.

 

 

 

 

 

 

Herre Christ

DU Spiegel der
Dreifaltigkeit
zum Trost
der ganzen
Christenheit

Das All erglänzt
in DEINEM Licht
auch wenn das
arme Herze bricht

DU Herr der
Herz und Sinn
erhellt der
alles eint in
dieser Welt

DU hast´s
vollbracht und
neues Leben
uns gebracht

Der Herr ist wahrhaft auferstanden.

 

 

 

 

 

 

 

Abschied

Grausam
hast Du Tod
uns ein Lieb
genommen

Wir sind in
herbe Not
und Schmerz
gekommen

Doch Kummer
quält nicht
mehr Du lebst
in Frieden

Du bist nah
Dein Grab
ist leer und
Erinnerung
geblieben

Du Bruder
Tod in Ehren
Liebe kannst
DU nicht
zerstören
denn

Blumen
Ostern
und Lieder
trösten uns
wieder

Das Kreuz der Erlösung und Hoffnung

 

                                  

Ein treuer Freund

Ein Ehepaar hatte sich mit einem Freund vereinbart. Er sagte zu seiner Frau: »Auf ihn können wir uns verlassen, Josef wird sicher pünktlich sein. « Sie zweifelte und meinte: » Er hat doch eine weite Reise vor sich. Bei dem lebhaften Verkehr auf den Straßen, muss man immer mit Staus rechnen. « Er blickte auf seine Uhr und sagte: „ Es sind noch zehn Minuten, bis zum vereinbarten Termin.“

In vielen Jahren gemeinsamer Tätigkeit in einer Firma, hatte er seinen Freund als einen tüchtigen, verlässlichen Menschen kennen und schätzen gelernt. Josef war ein bescheidener, lebensfroher und intelligenter Mensch, der sich nicht nur in seinem Beruf, sondern auch in vielen Belangen des täglichen Lebens zurecht fand: Er verstand es, sein Motorrad in Teile zu zerlegen und wieder zusammen zu bauen, ohne dass etwas übrig blieb. Sportlich vielseitig interessiert, gehörte er in seiner Altersgruppe als Marathonläufer, und in anderen Sportarten zu den Besten. Josef erledigte alle ihm übertragenen Aufgaben sehr gewissenhaft, liebte die klassische Musik, und interessierte sich für philosophische und ethische Themen. Er stand zu seiner christlich geprägten Weltanschauung, und ertrug mit Würde seine skurril anmutenden Sonderheiten:

Josef war ein überzeugter Vegetarier und trug aus Gründen der Pietät, auch aus der Mode gekommene Schuhe und Kleidungsstücke seines Onkels, der als Pädagoge an einem Gymnasium tätig war. Mit Frauen tat er sich schwer: Eines Tages kam es zwischen ihm und einer attraktiven Sekretärin zu einer lebhaften Auseinandersetzung. Josef versuchte sich ihr auf philosophischem Wege zu nähern, und brachte dadurch die Sekretärin, die nichts von Philosophie verstand, zur Weißglut. In Ihrem Zorn nahm sie ein viereckiges, an den Kanten metallverstärktes Lineal zur Hand, und schlug damit so hart auf den »Philosophen« ein, dass es in Stücke zerbrach. Josef wehrte sich nicht sonderlich, und schützte seinen Kopf nur notdürftig mit den Armen. Er verzichtete aber notgedrungen auf den von der Sekretärin nicht erwünschten philosophischen Dialog, und flüchtete im Rückwärtsgang aus deren Büro. Wie Josef dennoch eine lebenstüchtige, charmante Vegetarierin fand, und mit ihr zusammen in langjähriger Ehe einer Schar Kinder die Wege in deren Leben ebnete, grenzte an ein Wunder. An diesem Eheglück waren Josefs Kollegen nicht zufällig beteiligt, denn sie informierten Josef darüber, dass in der Nähe eine hübsche Apothekerin arbeite. Dies hatte zur Folge, dass er noch am selben Tage deren Dackel Gassi führte. Für alles, was sich daraus ergab, trugen aber Josef und seine hübsche Vegetarierin gern die volle Verantwortung. Viele Jahre hatte der Mann seinen Freund nicht mehr gesehen. Nun ergab sich aber ein Anlass, ihn zu einem Besuch einzuladen, denn. das Ehepaar trug sich mit dem Gedanken, ein älteres Haus zu kaufen. Das Objekt sollte von einem Fachmann besichtigt, auf versteckte Mängel untersucht, und die Kosten für deren Beseitigung eingeschätzt werden, Der Ehemann erinnerte sich an seinen Freund, der als erfahrener Bauingenieur zu dieser Aufgabe geeignet schien, besprach sich mit seiner Frau, und bat ihn um die Begutachtung des Hauses. Josef  sagte zu; und wenn er einmal zusagte, galt sein Wort. Da fuhr auch schon, fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit, ein Auto vor, und er stieg aus. Obwohl Josef wie früher schlank und athletisch geblieben war, hatten die Jahre doch Spuren in seinem Äußern hinterlassen. Die Freunde begrüßten sich freundlich. Der Ehemann stellte ihm seine Frau vor und sagte: »Josef, treibst Du immer noch so viel Sport wie früher? « Er antwortete: »Eigentlich nicht. Ich habe in den letzten Jahren nur noch an Marathonläufen in meiner Altersgruppe teilgenommen, um mich fit zu halten.

Sie besichtigten zusammen das Haus, und hatten es Josef zu verdanken, sich nicht auf den Kauf, bei einem erheblichen finanziellen Aufwand wegen des notwendigen Umbaus, eingelassen zu haben. Der Freund nahm gern die Einladung zu einem Gespräch in der Wohnung des Ehepaares an. Josef lehnte aber mit einer freundlichen Geste die angebotene schwäbische Spezialität „Käsespätzle mit Salat“ ab, und bat an dessen Stelle nur um trockenes Brot. Genüsslich kauend versicherte er den Gastgebern, wie gut es ihm schmecke. Ja, Josef war in mancher Hinsicht ein „Sonderling“, aber ein äußerst liebenswerter, und ein treuer Freund.

Frühlingserwachen

 

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