Der Kreuzweg unseres Lebens

In schmerzlichen Trennungen von lieben Menschen, beim Leiden unter den Grenzen unseres Daseins, in Angst, Schuld und Einsamkeit, hat es mir oft die Sprache verschlagen. Aber auch im Verstummen blieb noch die Hoffnung, dass Gott der Herr, unsere Klagen hören, und alles zum Guten wenden könne. Ich kenne jedoch auch Situationen, in denen mich der Schmerz so gefangen nahm, als gäbe es nur mein überwältigendes Leid. Jeder Mensch erfährt wie ich, in seinem Leben unausweichlich sein eigenes Kreuz. Wir Christen dürfen darauf vertrauen, dass uns der Herr in allem beisteht und uns hilft, die Last zu tragen. Vielleicht möchte uns der liebende Gott durch Kreuz und Leiden auch nur von ungeordneten Strebungen befreien. Ich kann mir Gott den Herrn, der seine Schöpfung für gut befindet, nur als „deus caritas est“ vorstellen. Mich erschreckt zutiefst, dass wir der Versuchung erliegen könnten, unser Kreuz, das uns mit Jesus Christus verbindet, zu verleugnen. Dies wäre das reine Entsetzen, ein Abweichen von Gottes Wegen, um Götzen zu dienen.

Wohin uns die Anbetung fremder Götter nach „unserem Bild und Gleichnis“ führen kann, das ist auch in unseren Tagen auf vielfache Weise zu beobachten. Scheint doch die Verweltlichung und Abkehr der Menschen von Gott wie allgegenwärtig. Wir können das uns auferlegte Kreuz im Zerbrechen von Beziehungen, bei gegenseitiger Entwürdigung, im Leid, Elend und all unseren Grenzen im Alltag hautnah erleben. Wie wohl tut es dann, wenn Christen bei einander wohnend, sich die Hand reichen, das Mögliche unternehmen, sich gegenseitig trösten, und Gott unsere Not klagend, um SEIN Erbarmen anrufen. Wie nötig ist doch im Leid das tröstende Wort, die bergende Hand, oder ein verständnisvolles Schweigen. Dass auf diese Weise manchmal ein Stück Himmel auf Erden, Gottes Reich wahrer Liebe ein wenig aufleuchten kann, durfte ich in der Arbeit als Psychotherapeut und in anderen Begegnungen mit Menschen gelegentlich erfahren. In solchen Situationen kann man dann erkennen, was es bedeutet, wenn einer der anderen Last trägt.

Das ist aber für uns Christen noch nicht die ganze Wahrheit. Denn aus allem Scheitern und Leiden erwächst ja auch immer wieder neue Hoffnung, Vertrauen und Liebe zu einander und zu Gott unserem Vater. Er vermag in uns die Barmherzigkeit, und das Mitleid für einander zu erwecken, dessen es bedarf, um Sein Reich des wahren Friedens aufzubauen. Unser Herr und Meister Jesus Christus geht uns auf diesem Weg voran, und lehrt uns IHM mit unserem eigenen Kreuz zu folgen. Dabei kann es geschehen, dass wir manchmal mehr unser eigenes, und nicht so sehr Jesu und Gottes Leid sehen und beklagen. Wer aber vermag zu ermessen, was der Herr an physischer und psychischer Gewalt bei SEINER Kreuzigung, und durch die Ablehnung SEINER Liebe und Sendung, für uns gelitten hat? Wie sehr muss Gott, unser Vater, menschlich gesprochen, immer wieder leiden, wenn wir IHM die kalte Schulter zeigen, als müssten wir einen Störenfried aus unserem Leben beseitigen. Gott aber lässt trotz allem, nicht ab von SEINER Liebe. Mit offenen Armen geht ER immer wieder auf uns zu, oder trägt uns wie ein verirrtes Schaf, auf Seinen Schultern ins Reich des Friedens zurück. Das Kreuz und Leid in unserem Leben erinnert uns immer wieder daran, wie nötig wir den Herrgott brauchen. Lassen wir daher vom göttlichen Winzer alle ungeordneten Strebungen in uns beschneiden, damit der wahre Gott, der Gegenwärtige, uns im Kreuz und der Auferstehung Seines Sohnes begegnen, und im Heiligen Geist trösten, beleben und stärken kann. Aller Willkür und dem Spott ausgeliefert, fragt uns der Herr vom Kreuz herab, ist einer da, der Mitleid mit mir hat. Ich sage: Ja mein Herr und mein Gott „ adsum“. Immer wieder habe ich schwer darunter gelitten, wenn man DIR, einem meiner Brüder oder Schwestern ein Leid zufügte. Erbarme DICH meiner, erbarme DICH unser. Ich höre wie von ferne DEINE Worte „heute noch wirst Du mit mir im Paradiese sein“. Lassen wir Kreuzträger diese tröstenden Worte Jesu, tief in unsere geschundenen Herzen dringen. Welch ein Jubel, welch ein Trost für uns alle.

Bleiben Sie im Segen!

Ihr Franz Schwald aus Oppenweiler

Der Herr ist für uns gestorben und vom Tod auferstanden-

Gruß nach Pfingsten

Würden wir die Meldungen über alle Katastrophen und das tatsächlich Böse in unseren Tagen anbeten, dann müssten wir in Angst und Schrecken verharren. Wir übersehen dies alles nicht. Aber es gibt ja auch noch Pfingsten und den Heiligen Geist. Wir dürfen uns daher mit gutem Recht gegenseitig daran erinnern, dass wir immer auf den Heiligen Geist hoffen dürfen, denn auch unsere Zeit ist Gottes Zeit. Und der Geist, der uns allezeit hoffen lässt, wirkt auch in uns und durch uns. Ich darf uns mit einem freundlichen Gruß vom Heiligen Geist und dem Lachen der Erlösten daran erinnern, dass wir als Christen getauft und gefirmt sind, um vor allen Menschen zu bekennen, zu welcher Hoffnung wir in Gott berufen und unterwegs sind. Ihnen allen wünsche ich daher im Alltag nach Pfingsten eine gesegnete Zeit und frohes Schaffen. Mögen wir reichlich von den Gaben des Heiligen Geistes, im Glauben Hoffen und Lieben Gebrauch machen, und SEINEN Trost, Beistand und die Ermutigung mit einander teilen. Die Freude und das Lachen der Erlösten, begleite Sie und alle die Ihnen am Herzen liegen.

Gott befohlen! Iris und Franz

Komm Heiliger Geist

Ut unum sint

Verneigen wir uns tief und voll Vertrauen, vor Gott unserem Vater, dem Schöpfer des Himmels der Erde, im Universum SEINER ewigen Liebe. Vor IHM dem ALLMÄCHTIGEN, BARMHERZIGEN, GERECHTEN, GEGENWÄRTIGEN, SEINEM Sohn Jesus Christus, unserem Erlöser, dem Weg der Wahrheit und des Lebens, und dem Heiligen Geist unserem Tröster und Beistand. Vor IHM, dem DREIFALTIGEN, EINEN GOTT allen Lebens, dem Anbetung, Dank Lobpreis und Herrlichkeit in Zeit und Ewigkeit gebührt Bekennen wir im Licht SEINER Gnade IHM, allen Heiligen und Seligen, der Heiligen Maria, allen Engeln und himmlische Heerscharen, und Euch Brüder und Schwestern im Herrn, dass wir seit Menschengedenken viel gesündigt haben, in Gedanken Worten und Werken, durch unsere übergroße Schuld. Wir haben DIR o Gott im Laufe der Geschichte nicht vertraut, und sind den Götzen des eigenen Willens nachgelaufen. DIR bringen wir als Buße und Opfergabe die Reue über unsere Verfehlungen, und die Missachtung DEINER Gebote der Weltordnung dar. Wir erkennen vor DEINEM Angesicht auch die Schuld aneinander und die schmerzlichen Folgen durch Streit, Spaltung, Hass, Gewalt, Krieg, und Zerstörung des Daseinsraumes unserer Menschheitsfamilie, vom Anfang der Zeit bis heute.

DU aber, Allerheiligster Gott, hast uns in DEINEM Sohn, durch SEIN Leben den Tod und die Auferstehung, nach DEINEM Willen von Schuld und Sünde entsühnt, und als versöhnte Brüder und Schwestern, zu Bausteinen DEINER Kirche gemacht. DU bist und bleibst im Heiligen Geist das Leben auf Erden, und die Einheit im Universum DEINER Liebe aller Völker DEINER Kirche, und in der Vielfalt der Schöpfung im Himmel und auf Erden. DEINEM eingeborenen Sohn unserem Herrn, ist alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben. In IHM, durch IHN und mit IHM, leben wir in der Einheit mit dem Vater im Heiligen Geist, im Glauben und Lieben in der Zeit, in der sicheren Hoffnung auf ewiges Leben. Lass uns DEIN Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, mit allen Menschen und Geschöpfen teilen, bis DU Herr Jesu wiederkommst, Gericht zu halten über Lebende und Tote. Der Vater Sohn und Heilige Geist segne uns.

Die Ehre sei dem Vater Sohn und Heiligen Geist

Wunderbarer Gott

Im Namen des Vaters des Sohnes und des Heiligen Geistes. Mir wurde eine Betrachtung geschenkt, die ich mit Euch, an diesem schönen Tag, teilen möchte. Ich hatte mich nach dem Erwachen an den Flügel gesetzt, und ein wenig improvisiert. Dann nahm ich in meinem geliebten Sessel Platz, und schloss die Augen vor dem von meinem Großvater geschnitzten Kreuz, der Maria mit dem Jesuskind, und einer Kirchenikone an der Wand. Ich folge jetzt meiner Meditation: O Gott, der DU vor aller Zeit in der ewigen dreimal heiligen Unendlichkeit DEINER selbst bist, war alles was es gibt schon in DIR. Dann sprichst DU DEIN Schöpferwort, und alles was ist, und je in der Zeit sein wird „factum est“ geschieht. DU bist die Quelle, der Herzschlag und Atem, in allem was in der Zeit lebt. Die ganze Schöpfung verneigt sich ohne Worte im Dank und Drang des Lebens und Sterbens vor DIR. DU zeugst auch uns Menschen und schenkst uns Geist, Stimme und Wort. Und DU, wunderbarer Gott und Herr gehst mit uns, als der Allerheiligste Gegenwärtige durch die Zeit. DU erfüllst unser Leben in Sehnsucht nach DIR, durch DEINEN eingeborenen Sohn. In IHM mit IHM und durch IHN schenkst DU uns im Glauben und in der tätigen Liebe die Hoffnung, auf ewiges Leben im Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, als DEINE Söhne und Töchter, im ewigen Himmel DEINER Gegenwart hier und in DEINER neuen Schöpfung. Als DEINE Kirche erleben wir, wunderbarer Gott, auf der Wanderung mit DEINEM Sohn, in Freude und Leid des Lebens, immer wieder Zeichen DEINER Herrschaft. In der Taufe, in den Sakramenten der Kirche, und im Wirken DEINES Heiligen Geistes, entreißt DU uns der Macht des Bösen, und hüllst uns in das Kleid DEINER Liebe und DEINES Erbarmens. O wunderbarer guter Gott, Du herrliche unfassbare göttiche Gegenwart in uns, um uns und über uns; alles was wir sind und haben, drängt in der Hoffnung DEINES Sohnes im Heiligen Geist nach Dir. In allen unseren Herzschlägen und Atemzügen, Gedanken und Gefühlen, und in allen unseren Sehnsüchten des Glaubens, Hoffens und Liebens, bist DU die Quelle. der wir alle Höhepunkte des Lebens verdanken, das heilende Wort der Erinnerung, und der hoffenden Sehnsucht nach DIR. DU bist aber auch in allen Leiden, Enttäuschungen und im Versagen, der wunderbare Gott, der uns im Mitleid und Erbarmen DEINES Sohnes umarmt. O wunderbarer Gott, DU erbarmst DICH unserer Armut, Schuld, Sünde, Krankheiten, Kümmernisse, Sorgen Ängste und Nöte durch DEINEN Sohn. Wir danken SEINER Mutter, die IHN den Gottes- und Menschensohn und uns im Leid Tod und Auferstehung in Liebe nahe ist. Aber selbst die schrecklichste Angst, die Liebe zu DIR o Gott verlieren zu können, ist noch hinein genommen in Jesu Schrei „mein Gott warum hast DU mich verlassen“, und in SEIN Trostwort „es ist vollbracht“. In diesem Ja, wunderbarer Gott, im Herzen DEINES Sohnes, gehört unser Leben, die Freude und das bitterste Leiden DIR. SEIN Tod am Kreuz sühnt die Sünde und Schuld der Welt. In SEINEM „vollbracht“ ist alle satanische Macht und der Tod besiegt. Der letzte Lebenshauch DEINES Sohnes hinterlässt uns aber jetzt m Heiligen Geist, die Hoffnung auf Auferstehung jetzt und nach unserem Tod, im Reich der Gerechtigkeit und des ewigen Friedens in einer neuen Schöpfung bei DIR, wunderbarer Gott, unserem Vater, Sohn und Heiligen Geist.

Dank Lob Ehre Herrlichkeit dem Vater Sohn und Heiligen Geist

Unschuldige Liebe

Allerheiligster, ehrenwertester, allerliebster Vater aller Väter, DU derSchöpfer allen Lebens, hast uns Jesus Christus, von der Jungfrau Maria im Heiligen Geist empfangen, als Gottes- und Menschensohn geschenkt. Zum Erlöser und Retter geboren, hat ER für uns unter Pontius Pilatus gelitten. Gekreuzigt, gestorben und begraben ist ER vom Tod auferstanden. ER ist in den Himmel aufgefahren, sitzt zu Rechten des Vaters und wird wieder kommen in Herrlichkeit zum Gericht über Lebende und Tote. In Einheit mit dem Vater und dem Heiligen Geist ist ER von Ewigkeit zu Ewigkeit in SEINEM Reich der Gerechtigkeit und des Friedens im Himmel und auf Erden gegenwärtig. Wir beten DICH, den Vater Sohn und Heiligen Geist als unseren einen, Allerheiligsten Gott, der Quelle alles Guten, die unseren unendlichen Durst nach Liebe zu stillen vermag, von ganzem Herzen mit allen Sinnen an.
DU hast uns die unschuldige, heilige Liebe. die DICH und alles was es gibt, den Himmel, die Erde die Menschen und Geschöpfe, und die unendlichen Möglichkeiten DEINES Liebeswirkens geschenkt. DIR, dem Vater, Sohn und Heiligen Geist, dem „ICH bin der ich bin da“ verdanken wir alles was wir sind und haben. Im Reich DEINER Gerechtigkeit und des Friedens sind wir im Glauben Hoffen und Lieben mit dem Papst, allen Gläubigen und Geschöpfen, im Schutz der Gottesmutter in DEINEM Namen und Anliegen, im Gebet um DEINEN Gabentisch in Wort und Sakrament vereint. DU sendest uns zu unseren Brüdern und Schwestern, um zu verkünden, dass DU uns unendlich nahe bist, die Flamme der ewigen Liebe in uns bewachst, und austeilst. Gestärkt durch DEINE Gnaden dürfen wir DICH und alles was DEIN ist rühmen, und alle Armen, Blinden, Lahmen, Kranken, Leidenden, Sterbenden, Enttäuschten an DEINEN Gabentisch einladen, um uns mit ihnen die Liebe und Freude über Gott schenken zu lassen. Möge der Heilige Geist alles Wirkliche und Mögliche mit SEINER heiligen Liebe durchdringen, dass wir dankbar und vertrauensvoll Gott für die Gnade der unschuldigen Liebe, die uns mit IHM und mit einander in allem, was wir sind und haben, im Geist und Wahrheit verbindet danken. Anbetung, Ehre und Herrlichkeit sei dem Vater Sohn und Heiligen Geist allezeit und in Ewigkeit.

Die Ehre sei dem Vater Sohn und Heiligen Geist

Veni creator

Ein Tropfen DEINER
Liebesfülle bewegt
der Herzen Stille
und es wird Licht

Wo Gottes Wort
in uns zerbricht
erhebst DU Sinne
und Gemüt damit es
wieder neu erblüht

Sind Gottes Worte
wie neu geboren
trösten sie unsre
armen Ohren

Des Vaters und
des Sohnes Erbe
ist zu sehen im
Wort und Werke

Komm Heiliger Geist

Über Wahrheit

Vom Heiligen Thomas stammt der Wahrheitsbegriff: „ veritas est adaequatio intellectus ad rem“ – Wahrheit ist Anpassung der Erkenntnis an die Sache. Manchmal braucht es seine Zeit, bis sich der Kern einer solchen theologischen Aussage wieder so aus dem verdunkelnden Meinungsstreit herausschält, dass er sich dem wachen Bewusstsein der Gläubigen neu zu erschließen vermag. So ging es auch mir. Längere Zeit legte auch ich, dem modernen Verständnis folgend, die philosophisch und theologisch begründete Aussage des Heiligen Thomas, dass „Wahrheit eine Anpassung des Erkennens an die Sache“ sei, als überflüssig zur Seite. Die alte Pilatusfrage aber, „was ist Wahrheit“, behauptete sich hartnäckig und ließ sich nicht so leicht entsorgen. Sie tauchte aus der Dunkelheit der Verdrängung immer wieder auf.

Seit meiner Pensionierung vor Jahren und dem dadurch gewonnenen Freiraum, bin ich Erfahrungen auf der Spur, die mir zunehmend gestatten, mein eigenes Fühlen, Denken und Urteilen zu gebrauchen, um der drängenden Suche nach Wahrheit, Weg und Leben folgend, auch philosophisch-theologische Aussagen auf ihre Tauglichkeit für uns heute zu prüfen. Dadurch kam es zu einer Veränderung meines Verhaltens und der Einstellungen zur Welt im Ganzen, die mich immer mehr ins Staunen versetzte. Ich erlebte mich in diesem Prozess zunehmend wie ein Geführter, der sich einer notwendigen Aufgabe nicht mehr entziehen durfte. Die Realität von Gut und Böse, Krieg und Frieden, Schuld und Sühne, Leben und Tod, die Sorge um die ökologischen, kulturellen und religiösen Daseinbedingungen der Menschen, verlangten meine Antwort. Der entscheidenden Frage, warum es mich und alles Seiende gibt und der Erkenntnis, dass es in mir eine empirisch nicht zu erklärende Liebe zur Einheit und Vielfalt aller Phänomene im Mikro- und Makrokosmos gibt, konnte ich nicht mehr ausweichen.

Diese Frage führte mich wieder in die Nähe der Erkenntnis des Heiligen Thomas, der die Meinung vertrat, dass Wahrheit sich in einem Prozess der Anpassung von Erkenntnis an die Sache, an das schon Da-Seiende ereignet. Es mag unseren Hochmut, selbst alles machen zu können zwar kränken, kann uns aber auch entlasten, wenn die widerständigen Dinge sich letztlich unserem erkennenden Zugriff in gewisser Weise entziehen. Wir erschaffen sie ja nicht, auch wenn wir durchaus in der Lage sind, bereits Vorhandenes umzugestalten. Dem liebenden Blick gläubiger Erkenntnis,erschließt sich aber darüber hinaus in allen Dingen eine ihnen eignende Überfülle, die auf einen Schöpfer verweist. Nun wurde mir immer klarer, warum ich mein und aller Leben, die Einheit und Vielfalt, Gott und die Welt unbedingt liebe. Ich bemerkte in der Folge, wie sehr diese Erkenntnis mit meinen innersten Bedürfnissen übereinstimmte und mich zu einem lebendigeren Bezug zu Menschen und Dingen führte. Pascal verweist in ähnlichem Zusammenhang sinngemäß darauf, dass unser Herz, die personale Mitte unserer selbst, seine eigenen Gründe hat. Vernunft Glauben und Liebe müssen daher keine unversöhnlichen Gegensätze sein. Sie können als treibende und steuernde Kraft der in uns wirkenden und gestaltenden Gottebenbildlichkeit verstanden werden. Wohl den Menschen, die in Frieden mit sich, der Welt und allen Geschaffenen im Hause Gottes wohnen dürfen. Mein Staunen über all diese Dinge führte mich erneut zu den erhellenden Worten des Heiligen Thomas „veritas est adaequatio intellectus ad rem“. Ich erkannte aber nun die zeitlos wahre Botschaft die sie enthalten. Ebenso klar wurde mir, dass wir die Dinge in ihrer Eigenart und Überfülle nur erkennen und lieben können, weil Gott der die Liebe ist, mit uns und durch unliebt. Welch ein großes Wunder. Wer es fassen kann, der fasse es! Wie ein Paukenschlag zur Eröffnung der Symphonie des Himmels berührt uns die Nähe Gottes, Seine Gegenwart, „die Fleischwerdung des Wortes“ in all Seinen Werken. Die ewige Wahrheit, die wir suchen, ist eben auch in den einfachsten Dingen der Welt verborgen. Glücklich der Mensch, dem diese Handschrift Gottes aufgeht.

Gleichzeitig trat aber auch eine andere Erfahrung aus der Dunkelheit menschlicher Not, Angst und Zweifelns ins tröstliche Licht. Etwas noch Erhabeneres, nämlich die erschütternde Begegnung mit Gott selbst, dem DREIFALTIGEN, dem BARMHERZIGEN dem DEUS SEMPER MAIOR, dem immer GRÖSSEREN, der durch nichts zu beseitigen ist, dem VATER, der uns in Seinen offenen Armen bergen will. Alles in uns drängt nach IHM, das ist auch Teil der Wahrheit unseres Lebens. Es gibt demnach auch eine Annäherung menschlichen Erkennens an den Gott in uns, um uns und über uns, eine „adaequatio hominis ad deum“. Im Menschensohn, im wehrlosen Kind in der Krippe, wirbt ER, der Herr, um unsere Liebe. Die in uns allezeit begleitende Sehnsucht nach Glück und Frieden soll sich immer wieder neu erfüllen. Der Aussage des Heiligen Thomas füge ich daher beglückt hinzu: “veritas est adaequatio intellectus et sensus ad deum“. Die Wahrheit ist Anpassung des Erkennens und Fühlens an Gottes Gegenwart. Herr, von dem alles Gute kommt, verwandle das was wir sind und haben in eine Gabe. Lasse DU, dem wir immer schon gehören, nicht zu, dass wir Dich je verfehlen. Deine Worte mögen so in uns Fleisch werden, dass wir Menschen nicht all zu sehr erschrecken, wenn wir miteinander darüber reden.

Die Ehre sei dem Vater Sohn und Heiligen Geist

KIndheitserinnerungen

In Oppenweiler herrscht zu dieser frühen Stunde tiefe Dunkelheit. Einige Fenster des nahe gelegenen Altersheims sind erleuchtet wie mein Arbeitszimmer. Offensichtlich sind andere Menschen auch schon tätig. Es regnet. An den Fenstern finden die Tropfen keinen Halt. Sie lösen sich und zaubern Perlenketten an die Scheiben. Ob der Regen den Durst der Pflanzen, Büsche und Bäume zu stillen vermag? Um mich und in mir herrscht Stille. Was will aus diesem lebendigen Schweigen ans Licht treten, sich mitteilen? Von einem innigen Lauschen erfasst, überlasse ich mich der Führung meiner Erinnerungen und Fantasien.

Die Freude über die letzten beiden Reisen in meine Heimatstadt, einen Spaziergang im Elsass und die Gespräche mit Freunden und Bekannten aus der Region, kommen mir in den Sinn. Ich sehe sie wieder vor mir, die weich gepolsterten, gelegentlich aber auch steinigen Wege auf unserer Wanderung in den Vogesen mit dem weiten Blick, auf die sich im dunstigen Horizont auflösenden weichen Linien der Höhen. Ebenso nachhaltig bewegt mich der anschließende Aufenthalt in meiner Geburtsstadt Rheinfelden(Baden). Die mir so vertraute Muttersprache klingt in mir nach, wie eine schöne Melodie. Ich genoss es, mit meinen Freunden wieder einmal im Badischen – Dialekt zu schwelgen. Mit meiner Frau gehe ich in Gedanken noch einmal über die Brücke mit dem Burgkastell, die Rheinfelden(Baden) mit der Altstadt von Schweizer – Rheinfelden und deren belebten Marktstraße verbinden. Auf Schritt und Tritt begleiten mich Erinnerungen an Kindheit und Jugend und an Menschen, mit denen ich in dieser Region bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr zusammen lebte. Es waren aber nicht nur Erinnerungen. Ich konnte auf meiner Reise die Orte meiner Kindheit und Jugend erneut erleben. Es gibt das Rheintal, den Rhein, die Brücke, das Burgkastell und die beiden Städte wirklich noch, und meine Heimatsprache. Wie wohl ist mir dabei zumute!

Unvermutet dringen bei diesen Gedanken die wiederholten Bitten unserer Kinder an mein Ohr: „Papa, erzähle uns aus Deiner Kindheit und Jugend. Du hast doch sicher viel mehr erlebt als das, was wir aus den Gesprächen mit Dir bisher kennen. Bitte schreibe es für uns auf!“ Der Bitte will ich nun entsprechen und versuchen, meinen Kindern Enkeln, Verwandten Freunden und Ihnen liebe Leser, in dankbarer literarischer Form Erinnerungen und Geschichten aus meiner Kindheit und Jugend zu erzählen:

Unser vierstöckiges Wohnhaus in Badisch – Rheinfelden, kommt mir in den Sinn, in dem und um das herum ich lebte und spielte. In der dritten Etage wohnte unsere Familie, die anderen Wohnungen waren vermietet. Ähnlich hohe Gebäude bildeten ein zur Bahnseite geöffnetes Viereck. In dem großflächigen Innenraum hatten die Anwohner Obst und Gemüsegärten angelegt. Zu unserem Haus gehörten eine Hoffläche, ein Holzschuppen, ein Gemüsegarten, und eine kleine Grasfläche zum Trocknen der Wäsche. Um die Gärten herum führte ein Weg, unsere Spielstraße, an dem alle nur erdenklichen Handwerker ihre Werkstätten eingerichtet hatten. Davon soll später noch die Rede sein. In diesem Haus und in dieser Umgebung wurde ich vor fünfundneimzig Jahren geboren. Ich kam als ein kräftiger, gesunder Junge zur Welt, erhielt den Namen eines bedeutenden Heiligen “Franz” und wurde katholisch getauft. Angeblich sehr lebhaft und interessiert, erkundete ich nach und nach meine Umwelt.

Aus frühester Zeit erinnere ich mich an beruhigende Geräusche, wenn die Mutter oder Großmutter mit Tellern und Töpfen hantierten. Ich habe mich sicher, nach ergiebigem Schlaf, wie andere Kinder bemerkbar gemacht, wenn ich hungrig war oder der Pflege bedurfte. Erste stabile Erinnerungen führen nahe an diese frühe Zeit heran: Ich liege geborgen in unserer Wohnküche in zwei aneinander geschobenen Korbstühlen, die mit weichen Kissen gepolstert sind. Als kleiner Knabe war ich immer mit dabei, und verfolgte das Geschehen in der Küche. Deutlicher kann ich mich an unsere damalige Wohnstube erinnern. In dieser Zeit bewegte ich mich vornehmlich auf dem Boden. Ich rutschte gekonnt, das rechte Bein unter dem Hintern, unter Tisch und Stühlen herum. Der Tisch erschien mir damals aus dieser Perspektive riesengroß. Obwohl ich den Tonfall der Stimmen hören konnte, entging mir leider, was sich auf dem Tisch zwischen den Erwachsenen abspielte. Mit zunehmendem Wachstum und der Fähigkeit, mich am Tischbein hochzuziehen, erweiterte sich mein Blickfeld und es gelang mir besser, einzelne Gegenstände im Raum zu erkennen:

Da stand ein viereckiger Schrank mit einer Glastüre. Mich faszinierte dessen bunt bemalte Scheibe. Darauf war in einer bergigen Landschaft ein Bauernhaus zu erkennen, das sich mit tief gezogenem Dach unter dunkle Tannen duckte. Mein Großvater, ein von mir hoch verehrter Holzbildhauer, hatte den Schrank mit allerlei Schnitzwerk versehen. Er war oben von einer Ornament-Blende begrenzt. Die vier Ecken schmückten kunstvoll bearbeite Holztürmchen. In späteren Jahren setzte sich bei mir die Vorstellung fest, dass es sich bei diesem Schrank um eine umgebaute Musikorgel gehandelt haben könnte. Ich bin mir dessen aber heute nicht mehr ganz so sicher. In einer Mischung von Neugier und Furcht blickte ich oft zu dem auf dem Schrank liegenden, geschnitzten Totenkopf hinauf. Dort lagerten in einer Holzkiste, vor meinem Zugriff geschützt, auch die für mich höchst attraktive Schnitzler-Werkzeuge. In einem speziellen Etui, das ich nur selten zu Gesicht bekam, wurden die ganz feinen Stichel und Feilen aufbewahrt. Die ganze Einrichtung der Stube hatte mein Großvater künstlerisch ausgestaltet.

In der Raummitte befand sich ein handgearbeiteter großer Tisch, umgeben von Stühlen mit unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten Schlangen-Motiven der Rückenlehnen, von denen sich heute noch ein Stuhl in unserem Besitz befindet. Hinter der Tür stand ein hoher dunkelgrüner Kachelofen, der eine behagliche Wärme ausstrahlte. Die Wände schmückten Bilder mit bäuerlichen Motiven in geschnitzten Holzrahmen. An einer hervorgehobenen Stelle zwischen den Fenstern zur Straße fand das Gesellenstück des Großvaters seinen Platz. Auf einem aus Lindenholz gefertigten Kreuz in Form eines Rebstockes war der leidende Herr befestigt. Der Rebstock wurde leider in der Kriegszeit gegen Lebensmittel getauscht. Die Christusfigur habe ich später auf einem anderen schlichten Holzkreuz anbringen lassen. Es hängt heute an einen Ehrenplatz in unserem Wohnzimmer neben einem Marienbild.

Das vierstöckige Haus, in dem wir wohnten, kam durch Erbschaft meiner Großmutter in unseren Besitz. Mein Großvater, ein politisch interessierter Künstler, der in den Krisenzeiten nach dem ersten Weltkrieg mit seinen Schnitzarbeiten wenig verdienen konnte, wasehr stolz auf unser Anwesen. Er zog durch seine Körpergröße, dem grauen Vollbart und seinem wachen, kritischen Blick, die Aufmerksamkeit der Menschen an. Unser Großvater gab in der Familie den Ton an, und ließ es nicht zu, dass meine Mutter meinen unvermögenden Vater heiratete. Sie nahm es aber trotzdem auf sich, als allein erziehende junge Frau, in einer kritischen Umwelt, für mich zu sorgen. Ihrer Liebe und Pflege verdanke ich mein Leben, sonst könnte ich diese Geschichte nicht schreiben. Bis zu meinem dritten Lebensjahr erlebte ich meinen Vater noch in Rheinfelden. Die Erinnerungen sind aber spärlich. Ich übernachtete öfters bei ihm und seiner späteren Frau, in seiner nahe gelegenen Wohnung im „Gräbele“ zwischen beiden. Da er dann in den Kriegsjahren wie alle Männer als Soldat diente, vermisste ich meinen Vater für eine längere Zeit nicht so sehr. Einige Feldpostbriefe, eine Tapferkeitsauszeichnung und zwei von ihm gemalte Ölbilder, habe ich als kostbare Andenken an ihn aufbewahrt. Ich rechne es meiner Mutter hoch an, dass sie in all den Jahren immer zu erkennen gab, dass sie meinen Vater liebte und nie schlecht über ihn redete. Auch ich hatte ihn, trotz der Trennung in mein Herz geschlossen. Über spätere Begegnungen mit ihm berichte ich an anderer Stelle. Auch meine Mutter lernte wieder einen Mann kennen und heiratete. Als ich vier Jahre alt war, wurde mein Bruder Hans geboren. Eine große Freude, denn nun war ich nicht mehr allein. Wir traten auch später, bis zum heutigen Tag, in guten und in schlechten Zeiten immer für einander ein.

Nach Großvaters Tod richtete meine Mutter unsere Wohnungteilweise nach ihren Vorstellungen neu ein. Die Wohnküche war in den Kriegsjahren, um Heizmaterial zu sparen, unser Aufenthaltsraum. Die anderen Zimmer wurden nur nach Bedarf beheizt. Die Küche war mit einem modernen Tisch, Stühlen, einem mit Holz und Kohle beheizbaren, weiß emaillierten Herd, einem einfachen Granitspülstein und mit einem eleganten weißen Küchenschrank eingerichtet. Über den Flur gelangte man in die geräumige Wohnstube, und zum Schlafzimmer der Großmutter. Daneben befand sich, der Straßezugewandt, das Schlafzimmer der Mutter. In dieser Wohnung kannte ich mich bald recht gut aus.

Es war für mich nicht störend, dass sich nach der Geburt meines Bruders zwei Wohngemeinschaften bildeten. Ich schlief als Junge zusammen mit meiner Großmutter in deren Zimmer. Meine Mutter schlief ab meinem vierten Lebensjahr mit meinem Bruder und ihrem Mann, solange dieser noch mit ihr zusammen lebte, in ihrem Zimmer. Wenn ich mich recht erinnere, wechselten die Großmutter und meine Mutter oft bei der Zubereitung der Mahlzeiten für uns. Unsere Mutter regelte die übrigen Angelegenheiten des gemeinsamen Haushaltes und kümmerte sich um unsere Kleidung. Es gab auch gelegentliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Mutter und Großmutter. Ich fühlte mich aber insgesamt geborgen und hatte keinen Anlass, mich zu beklagen. Meinen sportlich-drahtigen, groß gewachsenen, dunkelhaarigen Stiefvater habe ich in guter Erinnerung und war stolz, wenn ich ihn bei Waldfesten als einen erfolgreichen Sportlerm Wettkampf beobachten konnte. Er war immer freundlich zu mir und gab mir Geschenke wie meinem Bruder Hans. Ich erinnere mich an ein besonderes Geschenk zu Weihnachten: Es war ein reichhaltiger Märklin-Baukasten, der mir gestattete, aus Einzelteilen immer wieder neue Fahrzeuge zusammen zu schrauben. Als Bruder Hans etwas größer war, spielten wir oft zusammen in der Wohnung. Mein Stiefvater war allerdings als Monteur sehr viel unterwegs, sodass unsere Mutter und Großmutter sich die Aufgabe teilten, die lebhaften Buben in Schranken zu weisen.

Die Großmutter betete viel, las in der Heiligen Schrift, oder hielt den Rosenkranz in Händen. Sie hatte gütige Augen und war, trachtenähnlich, mit langem Rock und blauer Halbschürze gekleidet. Im Oberteil ihrer Kleidung trug sie ein Büchlein, das in Leinen gehüllt war. Ich hatte mir ohne zu fragen vorgestellt, dass es sich bei diesem geheimnisvollen Büchlein. um ein religiöses Symbol handelte. Mein Bett befand sich direkt hinter dem Eingang zu ihrem Zimmer. Die Großmutter schlief auf der gleichen Seite an der Längswand des Raumes. Abends vor dem zu Bett gehen, spendete sie mir Weihwasser und das Kreuzzeichen. Sie hatte die Haare zu einem Zopf geflochten, den sie täglich zu einer Schnecke im Nacken zusammenrollte und pfleglich mit Nadeln sicherte. Sie war in ihrer ruhigen, liebevollen Art wie ein sicherer Hafen, in den ich nach meinen Ausflügen wieder zurückkehren konnte. Krankheitsbedingt war ich allerdings einmal für eine längere Zeit ans Bett gefesselt. Eine langweilige Angelegenheit. Um mir die Zeit zu verkürzen, beschäftigte ich mich mit einer stabilen „Milchflasche“. Es gelang mir nach und nach ein ziemlich großes Loch in die Wand neben meinem Bett zu schlagen, ohne dass dies die befürchteten ernstlichen Folgen nach sich zog.

Sehr beeindruckt war ich immer, wenn unser Pfarrer meiner
Großmutter die Krankenkommunion in unser Haus brachte. Auf einem Tisch mit weißer Decke stand ein Kreuz. Daneben leuchteten zwei Kerzen. Der Pfarrer sprach davor seine Gebete. Die Vorstellung, dass der unendliche große Gott zu uns einfachen Menschen zu Besuch kam, hat mich immer tief berührt. Eine andere Szene in der Küche, blieb eher wegen der damit verbundenen Schmerzen fest im Gedächtnis haften: Damals konnte ich schon gehen. Meine Mutter hatte Wäsche gewaschen und diese in einen auf dem Boden abgestellten Eimer gegeben. Ohne dass sie es bemerken konnte, war ich neugierig hinzugetreten, verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings in den Eimer mit der heißen Wäsche. Meine Mutter und Großmutter reagierten entsetzt. Die Brandwunden sind aber ohne Narben zu hinterlassen längst geheilt.

Es fehlen mir einige Erinnerungen als Bindeglieder zwischen dem Kleinkind – Alter und der Zeit, als ich in den Kindergarten ging. Vom Kindergarten erinnere ich nur den „eigenen, etwas strengen Geruch“ des Sandkastens und die katholischen Schwestern in ihrer Ordenskleidung, die uns zu Spielen anregten und darauf achteten, dass wir die Regeln einhielten. Bei meinem täglichen Fußmarsch in den Kindergarten trug ich mein Vesperbrot in einer bunt bemalten Blechbüchse bei mir. In der kalten Jahreszeit hatte ich widerwillig einen Strumpfgürtel zu tragen, an dem die langen Wollstrümpfe befestigt wurden. In diese Zeit hinein fallen auch erste Erlebnisse mit unseren Nachbarn. Die Umgebung, in der wir wohnten, bot vielfältigste Anregungen und Gelegenheit, die kindliche Neugierde zu befriedigen: Im reichhaltigen Angebot des Milch- und Kolonialwarenladens “Hina” gab es immer etwas zu entdecken. Ich war dort ein gern gesehener Einkäufer vornehmlich von Frischmilch und anderen Dingen des täglichen Bedarfs, wie Butter und Marmelade etc. Dabei hatte ich es zur technischen Perfektion entwickelt, die volle Milchkanne so im Kreise zu schwenken, dass aufgrund der Fliehkraft nicht zu viel Milch bei diesen Drehungen verschüttet wurde. Direkt gegenüber befand sich die Metzgerei “Baumer”. Dort gab es nicht nur Wurst und Fleisch, sondern von der freundlichen Frau Baumer für den kleinen Franz immer ein Scheibe Wurst extra. Das Malergeschäft Sutter am Ende der Straße war bei uns Kindern weniger beliebt, denn die unzugängliche Frau des Malers, kritisierte uns oft heftig.

Direkt neben unserem Haus befand sich das Bekleidungsgeschäft “Hunsinger”. Herr Hunsinger, ein emsiger Geschäftsmann, der Frauen sehr schätzte, besaß einen Opel P 4. Es ist nicht zu beschreiben, wie viele Kinder in diesem Fahrzeug Platz fanden, wenn wir an Sommertagen an den Rhein zum Baden fuhren. Wir Kinder spielten meistens am Ufer, während die Erwachsenen sich flussabwärts treiben ließen und auf dem Rückweg damit beschäftigt waren, mit Zweigen die lästigen Bremen zu verscheuchen. Es gab dort auch ein Boot, Bagger genannt, ein Lastkahn zur Säuberung des Rheinbettes, auf dem es sich gut sonnen ließ. Man musste bei höheren Temperaturen nur darauf achten, sich keine Brandwunden zu holen. Auf dem Grundstück der Familie Hunsinger stand im Hinterhof auch eine geräumige Schneiderwerkstatt. Dort saß der Schneidergeselle mit untergeschlagenen Beinen auf dem Tisch und hatte seine helle Freude daran, uns Kinder beim Nähen mit der Nadel zu pieksen. Später fand ich als Knabe auch Gefallen an den hübschen Schneiderinnen, besonders an aus Grenzach, die ich in achtbarer Distanz wie ein verliebter Kater anhimmelte. Im gleichen Haus lebten die “alten Hunsingers”. Die Seniorin, eine freundliche und hilfsbereite Großmutter, deren Küche immer ein wenig unaufgeräumt wirkte, war uns Kindern wohl gesonnen. Bei ihr fiel immer wieder etwas Nahrhaftes für mich ab. Ihr Mann ein Küfermeister, arbeitete in der Schweiz und unterhielt einen großen Gemüsegarten. Er war der Rosenvater schlechthin. Mit seinen abgearbeiteten starken Händen, hantierte er mit großer Zärtlichkeit an seinen Rosensträuchern. Wenn die Mädchen zu ihm kamen, um an Fronleichnam einige Rosenblätter zu ergattern, die dann vor dem Allerheiligsten bei der Prozession ausgestreut wurden, glänzte er mit einem charmanten Geiz. Er gab nur Rosenblätter ab, die sich eh nicht mehr lang am Strauch gehalten hätten. Unterhaltend war für mich die Freundschaft mit dem Sohn des Schneiders. Seine immer schick gekleidete Mutter unterstützte unsere Kontakte, denn Rolf war ein Einzelkind. Von den Eltern wohl gehalten, verfügte er über viele Spielsachen, von denen mein Kinderherz nur träumen konnte. Vornehmlich Soldaten, Panzer und andere Fahrzeuge, die wir dann in langen Reihen in der Küche aufmarschieren ließen. Damals in den Dreißigerjahren verstärkten die Nationalsozialisten in allen Bereichen ihren Einfluss. Dies wirkte sich auch auf das Spielzeugangebot aus.

Mehr und mehr fand ich auch Kontakt zu anderen Kindern aus der Nachbarschaft. Auch mein Bruder war so weit herangewachsen, dass er mithalten konnte. Bei Soldatenspielen war ich oft Anführer. Wir trugen nicht nur stolz unsere Holzgewehre und Säbel, sondern bauten auch aus alten Kinderwagen steuerbare Autos. Ich erinnere mich an die Konstruktion eines Sanitätsfahrzeuges: Die Achse eines Kinderwagens mit Rädern diente als mobiler Unterbau. Daran befestigten wir zwei Stöcke. Die Stöcke zogen wir durch einen Sack, der uns als fahrbare Trage für unsere Verwundeten diente, und los ging die Fahrt. In der Zeit des Vorschulalters erweiterte sich unser Betätigungsfeld erheblich: Wir waren unermüdlich mit den verschiedensten Spielen beschäftigt. Es gab in unserem Wohngebiet außerordentlich viele Kinder aller Altersstufen. Nur durch die Mahlzeiten oder die Müdigkeit am Abend unterbrochen, reihte sich beim Spielen Tag an Tag. Wenn ich eine Zwischenmahlzeit nötig hatte, ertönte mein Ruf nach oben: “Großmame, Gutzischnitte”! Dies bewirkte dann, dass meine Großmutter ein deftiges Stück Bauernbrot richtete mit Butter und Marmelade bestrich und mir anbot. In unmittelbarer Umgebung befanden sich die verschiedensten Handwerker: Es gab da die Wäscherei “Hagmann” mit den großen Waschmaschinen, einem Nebenraum mit Wäschemangel und Büglerei, in dem die Wäsche aufbereitet und versandfertig verpackt wurde. Vor allem aber auch die hübsche Tochter Rosemarie. Daneben hatte der Hufschmied “Muffler” seine Werkstatt mit Schrott- und Lagerplatz. Dort fanden wir Buben immer wieder Abfallstücke, die wir noch brauchen konnten. Wir bestaunten die Arbeit des Schmiedes am Kohlefeuer und bewunderten die kraftvollen, rhythmischen Hammerschläge, unter denen das glühende Eisen die gewünschte Form fand. Besondere Aufmerksamkeit verdiente die Arbeit des Hufschmieds, der den Pferden die Hufe zurechtschnitt, die Eisen einbrannte, um sie anzupassen, die Nägel durch die Hufe schlug und deren Enden zufeilte. Unmittelbar daneben hatte sich der Maler „Würth“ seine Werkstatt eingerichtet. Dort standen unzählige Eimer, Leitern, Pinsel und reichlich Tapetenreste, die wir Kinder immer verwerten konnten. Einen besonderen Spaß bereitete es den Malergesellen, wenn sie uns Buben dazu verführen konnten, den “beizenden Geruch” des Salmiakgeistes zu schnuppern. Wir besuchten oft die anliegende Sattlerei. Der alte Großlaub und dessen Sohn arbeiteten dort zusammen. Mich beeindruckte die rot-violette, etwas vernarbte große Nase des kinderfreundlichen Alten sehr. Ein unerschöpfliches Arsenal an Sesseln, Stühlen, und vor allem an Leder-, Stoffabfällen und Schnüren, waren in einem kleinen Raum verteilt. Wir hatten immer Bedarf an Resten und beobachteten viele Stunden ungestört die Sattler bei ihrer Arbeit. Neben der Sattlerei hatte der Blechner “Sailer” seine Werkstatt. Hier konnten wir lernen, wie Abfallrohre hergestellt und sonstige Teile aus Blech geformt wurden. Es gab dort auch verschiedene Maschinen, um die Blechstücke zu schneiden und in Form zu bringen In unmittelbarer Nähe unseres Hauses befand sich die Werkstatt von Schuster „Jehle“ , Wir schauten ihm oft zu, wie er am Dreifuß die Schuhe reparierte, Absätze ausbesserte, neue Sohlen aufleimte, mit Holznägeln befestigte, dann nagelte zurecht feilte und an einer großen Maschine polierte. Er führte auch ein Schuhgeschäft. Dies hatte den Vorteil, dass immer wieder zum Spiel nützliche Kartons zur Verfügung standen. In einer der Nebenstraßen wohnte unser Sanitäter Baumgartner, den wir unter dem Siegel der Verschwiegenheit konsultierten, wenn wir unter einer „Sportverletzung, Schramme, Schürfwunde etc.“ litten. Er versorgte uns immer, denn so bepflastert, fiel die Gardinenpredigt zu Hause nicht so hart aus. Doch wo gehobelt wird, fallen Späne, sagt das Sprichwort. Und wo Kinder intensiv spielen, lassen sich Schrammen kaum vermeiden. Hätten wir unseren Sanitäter nicht gehabt, wäre unser schon stark belasteter Schutzengel noch viel mehr gefordert worden.

Es gab eine strenge Hierarchie unter uns Buben: Die Älteren von uns spielten die Anführer, denen die jüngeren unbedingt zu gehorchen hatten. Bald gehörte auch ich zu den Anführern und war daher damit beauftragt, für ausreichend Spielideen zu sorgen. Der Radius unserer
Unternehmungen erweiterte sich zusehends: Eines Tages kamen wir auf die Idee, aus einem alten Seitenwagen ein Boot zu bauen. Wir versuchten mit allen nur erdenklichen Mitteln, das Boot wasserdicht zu bekommen. Es bekam bei der Bootstaufe den Namen „Möwe“. Wir packten unser Boot auf einen Leiterwagen. Ob die Dichtungen halten würden? Vorsichtig ließen wir das Boot in einem Bach bei einem nahe gelegenen Sägewerk zu Wasser. Zu unserer großen Enttäuschung gelang es nicht, „in See zu stechen“. Aus allen möglichen Ritzen strömte Wasser in unser Boot und nach wenigen Minuten lag unsere stolze Möwe auf dem Grund des Sägebaches. Wir schlichen mit hängenden Köpfen nach Hause, ohne uns um eine weitere Entsorgung des Bootes – wie man heute sagen würde – zu kümmern.

Eines Tages fand in Rheinfelden ein Varieté im Freien statt. Die Attraktion neben anderen Darbietungen bestand darin, dass sich ein Künstler in einem Erdloch nur geschützt durch Hölzer in den Ecken, die Bretter zur Abdeckung trugen, zwei Stunden lang „lebendig begraben“ ließ. Ich beschloss als Anführer unserer Gruppe, dieses Erlebnis nach zu spielen. Bei Schuster Jehle lagerten ja die großen Kartons in denen die Schuhe zum Verkauf versandt wurden. Ein solcher Karton bot sich mir nun als Grab an. Unter dem Beifall meiner Gruppe, stieg ich mutig in einen Karton ein und schloss ihn von innen, um zwei Stunden lebendig begraben zu werden. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass der Schuster Jehle unser Spiel von seinem Arbeitsplatz aus beobachtete, heraus kam, und sich oben auf den Karton setzte. Ich kam in eine grässliche Not und bat inständig darum, mich entgegen meiner Ankündigung vorzeitig aus dem Karton-Grab frei zu lassen. In unserem Viertel hinter den Häusern spielte sich ein Großteil meiner Kindheit ab. Langsam erweiterte sich aber auch dieser Spielraum: Am Ende unserer Straße gab es Wiesenflächen und eine kleinere Fläche “unsere Eckwiese”. Dort spielten wir oft zusammen “Spachtel und Gizi”. Ich muss das ein wenig erklären: Spachteln bedeutet, dass ein zugeschnittenes Holzstück in den Boden geschlagen wurde und dass der Sieger war, dem es gelang, eine ebenfalls zugespitzte „Spachtel“ sehr nahe an das eingerammte Holzstück in den Boden zu werfen. Gizi bedeutete: Auf einen großen Stein wurde ein kleinerer gelegt. Es galt dann, diesen kleineren Stein durch einen Steinstoß mit einem anderen Stein herunter zu stoßen.

Die Werderstraße, die damals wenig befahren war, gehörte zu unserem Spielrevier. Wir waren zu jeder Jahreszeit auf den Beinen und fanden immer wieder neue Ziele, uns zu beschäftigen und beim Spiel zu erfreuen. Unsere Mutter kaufte uns aus guten Gründen Lederhosen, die unverwüstlich sein sollten. Dies galt es zu testen. Wir setzten uns in den neuen Hosen stolz auf unseren Hintern und rutschten auf dem rauen Straßenpflaster hin und her, um herauszufinden ob die Hosen solchen Belastungen Stand hielten. Im Winter, beim ersehnten ersten Schneefall, durften wir bis in die Dunkelheit im Licht der Straßenlaternen unsere Energie entladen. Wir verwandelten durch ständiges Rutschen einen Teil der Straße in eine Eisbahn und ab ging die Fahrt. Bedächtiger wurde es, wenn wir versuchten aus der Vielzahl der Schneeflocken, die aus dem Licht derStraßenlaternen heruntertanzten, einige davon mit unseren Zungen aufzufangen. Eines schönen Tages entdeckten wir am nahe gelegenen Güterbahnhof dass der Obst und Gemüsehändler „Bührer“ dort Orangen auslud. Es war zu verlockend, sich per Mundraub zu bedienen. Aus einer Kiste schaute eine dicke Orange vorwitzig heraus. Ich brauchte nur noch mit dem Finger ein wenig nachzuhelfen, um die Beute in Händen zu halten. Mit relativ schlechtem Gewissen verzog ich mich mit der Orange zu Hause aufs WC. Der Saft floss mir beidseits des Mundes herunter als ich mit Heißhunger meine Beute verzehrte. Nie hat eine Orange in dieser Spannung von schlechtem Gewissen und Genuss besser geschmeckt. Am Güterbahnhof lagerten auch riesige Baumstämme mit ihrem Wurzelwerk. Eine herrliche Trainingsstätte, um Gleichgewichts- und Kletterübungen zu absolvieren. Ich stieg auf einen der größten Stämme und balancierte eine zeitlang verwegen auf ihm herum, bis ich schließlich herunter fiel. Ich rappelte mich danach am Boden wieder hoch und war entsetzt. Beim Aufprall und dem Abstützen mit der Hand war der linke Daumen aus dem Gelenk gekugelt. Die Haut über dem Daumengelenk hatte sich sehr gedehnt. Es sah aus, als ob das gebrochene Gestell eines Regenschirms gegen dessen Schirmseite drücke. Der Schreck war entschieden größer als mein Schmerz. Dann entschloss ich mich zur Selbsthilfe. Ich fasste den Daumen mit der rechten Hand, zog kräftig und wie durch ein Wunder war der Schaden behoben. Unserer Mutter habe ich aus guten Gründen nie etwas davon erzählt. Eines Tages stand am Ende der Straße vor einem Lokal das Pferdegespann des Landwirts „Fischer“.

Die beiden schweren Belgier-Pferde langweilten sich, während der Fuhrmann seinen urst löschte. Mir fiel nichts anderes ein, als den ersten von zwei Pritschenwagen, die aneinander gebunden waren zu besteigen, die Geisel in die Hand zu nehmen und den Pferden ein kräftiges „Hü“ zuzurufen. Sie setzten sich zu meinem Schreck sofort in Bewegung. Sie kannten ja ihren Weg zu den Stallungen. In immer rascherer Fahrtging es bergab Richtung Zoll durch die Bahnunterführung mit einer Straßenabzweigung. Ich hatte große Angst. Zum Glück hielt sich damals der Straßenverkehr in Grenzen, sodass ein Zusammenstoß vermieden werden konnte. Die Pferde kamen erst wieder zur Ruhe, als sie die beiden schweren Wagen den Adelberg hinauf zu ihren Stallungen ziehen mussten. Ich habe mich schleunigst aus dem Staub gemacht und weiß nicht, wer die Pferde danach versorgte. Ohne weitere Folgen kam ich noch einmal mit dem Schrecken davon. Dort am Adelberg trafen wir uns auch zum Wintervergnügen: Es gab immer einen Jungen, der einen Schlitten besaß. Manchmal koppelten wir mehrere Schlitten aneinander und kurvten, entgegen dem Verbot der Eltern, den Abhang Richtung Rhein hinunter. Natürlich bestand auch der Wunsch, Ski zu fahren. Wir besaßen die notwendige Ausrüstung aber nicht. Daher versuchten wir es mit zwei leicht gebogenen Brettern von alten Fässern und versahen diese mit gebrauchten Schuhen als Bindung. Die Eigenkonstruktion erfüllte allerdings nicht ganz den Zweck, denn es gelang uns nicht, damit bergab zu fahren, obwohl wir kräftigt mit den Stöcken nachhalfen. Der Unterbau unserer Konstruktion war einfach zu rau. In unserem Jungenkreis beschlossen die Älteren, dass es nun an der Zeit wäre, einen Bunker zu bauen, um vor den ständig besorgten Blicken unserer Umgebung gesichert zu sein. Mir fiel die Aufgabe zu, meine Großmutter zu überreden, dass sie uns erlaubte, die kleine Wiese hinter unserem Haus im Garten dafür zu benutzen. Sie sagte zu. Mit Pickel, Schaufel und Spaten rückten wir an, hoben den Rasen abund fertigten in relativ kurzer Zeit ein tiefes quadratisches Loch. Obwohl meine Großmutter nach einiger Zeit erschrocken abwinkte, war alles schon vollbracht. In den vier Ecken und in der Mitte wurden Holzpfähle eingerammt. Darüber legten wir Bretter, schütteten den Erdaushub darauf, und deckten ihn mit den Grasnarben wieder ab. Im Bunker bauten wir ringsherum Sitzbänke und ließen einen Einstieg frei, der mit einem Deckel verschlossen werden konnte. Hier in dieser Unterwelt kreisten die ersten Zigaretten.

Auf meinen Erkundungsreisen nach neuen Spielmöglichkeiten entdeckte ich eine nicht weit von unserer Straße gelegen Gärtnerei. Ich erklärte meinen Freunden, es sei viel praktischer in der Nähe unsere geplante Hütte zu bauen, anstatt am Rhein oder im abgelegenen Wald. Hier sei alles wie von Gottes gütiger Hand schon vorbereitet. Wir rückten an mit Äxten etc., drangen in die von mir entdeckte Baumschule ein, entfernten in einem Viereck der gewünschten Größe die innen stehenden Bäumchen, und erstellten so sehr schnell eine Hütte. Noch größer war unser Vergnügen beim danach einsetzenden Jagdspiel. Die kleinen Buben rannten davon und spielten die Löwen, wir größeren versuchten sie zu fangen. Der besondere Reiz bestand darin, sich von den kleinen Bäumchen beim Jagen abfedernd tragen zu lassen. Das über einige Stunden währende herrliche Spiel fand ein plötzliches Ende, als die Besitzerin der Gärtnerei uns übel mitspielte und mit der Polizei drohte. Wir verließen fluchtartig unseren Tatort und befanden uns einige Tage später vor dem Gericht, bestehend aus dem Polizeimeister Böhler und seinem Assistenten Mannschott, der alle Buben beim Namen kannte. Die Täter waren geständig, das Urteil wurde gesprochen und fiel nach der Körpergröße abwärts etwas milder aus. Mich erwischte es noch mit zwanzig Mark. Zu Hause gab es keine mildernden Umstände. Ich musste mir das Geld mühsam verdienen. Für einen Satz gebügelter Kragen, die ich auszutragen hatte, gab es bei einer Büglerin zehn Pfennige. Entsprechend aufwendig und zeitraubend war es, die zwanzig Mark zu verdienen. Der Radius unserer Aktionen erweiterte sich zunehmend und wurde dadurch für unsere Eltern immer unübersichtlicher. Das machte aber in unserer damals kleinen Stadt nichts aus, denn die Menschen kannten einander. In der Mehrzahl kinderfreundlich, hatten sie das Privileg, uns Buben in die gebotenen Schranken zu verweisen. Ich hätte nicht gewagt, mich über eine Ohrfeige beim Äpfelklauen zu Hause zu beschweren, das hätte weniger Verständnis, sondern nur eine herbe Rüge eingebracht. Insofern schwiegen wir mannhaft über derlei gelegentliche Beeinträchtigungen. Ich hatte einmal bei meinen Erkundungen eine Birnenplantage mit leckeren reifen Früchten entdeckt. Die Gier war größer als der Hunger. Ich breitete mein Taschentuch aus und war dabei schöne, reife Birnen zu ernten. Plötzlich erfasst mich eine Hand von hinten und ich hörte eine dunkle Männerstimme mit den Worten: Was machst Du da!“ Es war der mir bekannte Feldhüter Krebs, der Vater eines Schulfreundes. Er nahm mich mit sich nach Hause zu einer Aussprache unter Männern. Mein Schulfreund legte Fürbitte für mich ein, und ich entkam dadurch einer gerechten Strafe.

Die Schule machte mir keine besonderen Schwierigkeiten. Ich erinnere mich kaum, wann ich meine Schularbeiten machte, wohl aber dass ich einem Klassenkameraden, dessen Eltern eine Metzgerei besaßen, bei den Schularbeiten half und zur Entlohnung Würste bekam. Wir befanden uns mittlerweile mitten im zweiten Weltkrieg, die Männer waren eingezogen, die Frauen zur Arbeit in der Rüstung verpflichtet. Die politischen Machthaber hatten ihren Einfluss auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens ausgedehnt und die Idee von Führer, Volk und Vaterland wurde uns beständig über alle Medien vermittelt. Auch in der Schule wurde der Hitlergruß praktiziert. Es kursierte eine judenfeindliche Propaganda. Dennoch hatten wir in unserer Familie öfters Besuch von einer älteren, ledigen Jüdin, „Fräulein Hirsch“. Sie trug vornehme Kleidung ihrer Verwandtschaft aus Amerika, die leider aus der Mode gekommen war. Ihre ausgeprägte Neigung, mich ständig küssen zu wollen, konnte ich nicht erwidern. Nur ihre Zudringlichkeit und Kleidung wirkte auf mich abschreckend. Gegenüber ihrer jüdischen Herkunft empfand ich, wie unsere Familie, aber keine Abneigung.

In dieser Zeit ging ich zur ersten heiligen Kommunion. Unser verehrter Pfarrer, der uns auch Religionsunterricht gab, bereitete uns auf unser erstes Beichtgespräch vor und half uns dabei einzusehen, dass auch wir ab und zu kleine Sünder seien. Er erklärte uns die wesentlichen Botschaften und Inhalte unseres Glaubens vor allem, dass wir nun bald den Herrn Jesus in Gestalt einer Hostie empfangen dürften. Dieses Ereignis war mir ja von Hausbesuchen des Pfarrers bei meiner Großmutter und den sonntäglichen Gottesdiensten bekannt. Wir lernten, dass der unendliche Gott die Welt und uns erschaffen hat und so sehr liebt, dass er seinen Sohn sandte, um uns Menschen von aller Schuld zu erlösen. Der Pfarrer vermittelte uns, dass wir nur Gott gegenüber unsere Taten zu verantworten hätten und immunisierte uns nicht nur gegenüber den Einflüssen der damaligen politischen Machthaber sondern auch gegenüber jeder weltlichen Autorität. Er muss mich wohl als einen religiösen Fragen gegenüber aufgeschlossenen aufgeweckten Jungen erlebt haben, denn er schlug meiner Mutter vor, dass ich Priester werden könnte. Sie lehnte diesen Vorschlag aber ab. Ich konnte den Tag der ersten heiligen Kommunion kaum mehr erwarten. Meine Mutter sorgte für die angemessene Kleidung. Ich bekam einen neuen dunkelblauen Anzug mit kurzer Hose, ein feines Hemd und Halbschuhe. In den Händen trug ich stolz meine Kommunionkerze, ein neues Gesangbuch und einen Rosenkranz. Wir wurden in einer feierlichen Prozession vom Kindergarten abgeholt, voraus Kreuz und Fahnen, die Geistlichen mit den Ministranten, die Stadtmusik, danach in Zweierreihen wir Buben und die Mädchen in ihren schönen weißen Kleidern und Kränzen. Die Kirche war gefüllt, unsere Bänke besonders geschmückt. Es folgte ein feierlicher Gottesdienst begleitet von Orgelspiel und dem Gesang der Gemeinde, dann schritten wir vor zum Altar um zum ersten Mal den Herrn in Brotsgestalt zu empfangen. Etwas von dieser feierlichen Stunde, in der ich für das Geheimnis des lieben Gottes ganz offen war, begleitet mich seither beim Kommunionempfang. Zu Hause gab es im Anschluss an den Gottesdienst mein Lieblingsessen Spaghetti in Tomatensoße, Koteletts und Salat. Die schöne neue Armbanduhr, die ich zum Fest geschenkt bekam, überstand den Tag nicht. Ich hatte sie aus Freude zu oft aufgezogen, sodass sie auch durch heftiges Klopfen nicht mehr in Gang gebracht werden konnte. Ich glaube nicht, dass ich das meiner Mutter am gleichen Tag eingestanden habe.

Die Zeit rückte näher an den Termin, der zur Aufnahme in das Jungvolk, anschließend in die Hitlerjugend bestimmt war. Das freie kindliche Spiel wurde so in ein von uns nicht mehr durchschaubares politisches Spiel einbezogen. Ich war natürlich wie alle meine Schulfreunde stolz, als ich eine kurze Kordhose, ein Braunhemd, ein Koppel mit Fahrtenmesser und ein Schartuch mit Knoten empfing und damit zur Hitler-Jugend zählte. Erinnerlich sind mir vor allen Dingen die vielen sportlichen Angebote: Leichtathletik, Ringen, Boxen, Gewichtheben mit immer wieder arrangierten Sportfesten, in denen Wettkämpfe durchgeführt wurden. Dazu kamen Übungen im Marschieren, Stillstehen, Körperwendungen und das Antreten zu Standortappellen an den Sonntagen, durch die es immer schwieriger wurde, den Gottesdienst zu besuchen. Dies alles bildete nun neben der Schule Bestandteil unseres Tagesablaufs. Die Lehrer achteten sehr darauf, dass wir an diesen Angeboten teilnahmen und wer mochte es schon mit den Lehrern verscherzen. Beim Übergang vom Jungvolk zur Hitlerjugend entschied ich mich für ein weniger militärisches Angebot. Ich meldete mich zum Musikzug, lernte Querflöte spielen, zu trommeln und Fanfare zu blasen. Bei den gelegentlichen Aufmärschen zogen wir dann mit klingendem Spiel voran. Zumindest zum damaligen Zeitpunkt hatte ich mit Ausnahme, dass die Kirche, der ich angehörte, eher kritisch eingestellt war und wir bei den Prozessionen ein Schaulaufen zu bestehen hatten, keine nennenswerte Distanz zum System. Die von musikalischem Pomp begleiteten Sondermeldungen über die Erfolge der Wehrmacht, die Filmberichte in den Wochenschauen, das Auftreten der politischen Prominenz des dritten Reiches bei den beeindruckend inszenierten Großveranstaltungen, die den “Führer“ verherrlichten, die Aufmärsche der Musikzüge, Standarten- und Fahnenträger, die sportlichen Veranstaltungen und die Führerreden, an denen wir in der Schule teilnehmen mussten, verstärkten nur das Bild eines alles in allem gut funktionierenden Apparates. Kritische Stimmen auch im privaten Bereich waren sehr selten. Das Abhören von Nachrichtensendungen aus dem Ausland war streng verboten.

Diese bis zu meinem 12. Lebensjahr glücklich und erlebnisreich verlaufene Kinderzeit fand ein jähes Ende durch den Tod meiner Großmutter. Unter diesem Schock erlebte ich zum ersten Mal, dass menschliches Leben endlich ist. Ich habe die Beziehung zu meiner Großmutter in einer Geschichte „das verlorene Gesicht“ beschrieben. Meine Mutter war damit einverstanden, dass ich für weitere zwei Jahre bei unseren Verwandten in Giersbach bei Herrischried, bei denen ich vorher schon gelegentlich in Ferien war, auf deren Bauernhof wohnen dürfe. Es war für meine Mutter und mich keine leichte Trennung. Erlebnisse aus dieser Zeit habe ich in meiner Erzählung „Der Hotzenbischof“ festgehalten. Über die Erfahrungen nach meiner Rückkehr vom Hotzenwald in meine Heimatstadt Rheinfelden im Jahr 1944, der Adoleszenz, die Berufswahl, Freundschaften, dass Kriegsenrlebnisse in der Besatzungszeit, werde ich in einem nächsten Kapitel berichten.

Zeit und Ewigkeit

Staunen und Wissen

Ein dankbares Staunen erfüllt mich in meinem hohen Alter, wenn ich die vielen Chancen bedenke, die mir das Leben zur Gestaltung anbot: Von Kindheit an bewegte mich ein unersättlicher Wunsch, zu lernen und zu verstehen. Ich schaute den Handwerkern über die Schultern zu, und staunte über deren Arbeiten. Ebenso bewunderte ich die Werke unseres Großvaters, eines Holzschnitzers, die unsere Wohnung schmückten, und stand auch staunend vor den Arbeiten anderer Künstler in unserer Umgebung. Die Natur und deren Wandel im Jahresverlauf, war für mich der alles überragende Baumeister und Künstler. Die Tage waren geordnet. Frühmorgens konnte ich, tief bewegt, den Aufgang der Sonne, und bei Dunkelheit den unermesslichen Sternenhimmel bewundern. In immer größeren Kreisen versuchte ich die Mitmenschen zu verstehen, und gehörte staunend zu einer unfassbar großen, schönen Welt, die all mein Wissen unendlich überragte. Später lernte ich auch die andere Seite, den Schrecken der Kriege, das Böse und die Leiden der Menschen kennen. Je mehr sich mir unser Lebensraum erschloss, desto mehr bestaunte ich auch die technischen Leistungen, und die Kunstwerke der Menschen in Bild, Ton und Wort.

Als ich nach der Pensionierung wieder, wie in der Jugend, Zeit und Muße fand, mich mit Interesse dem vielgestaltigen Leben voll zuzuwenden, blieb das Staunen erhalten. Unzählige Bilder und Erfahrungen mit aufrechten Menschen in schönen und schweren Zeiten, wurden aus meinem Innern wieder lebendig. Ich bestaunte dankbar die Fürsorge der Eltern, Verwandten, Erzieher und Freunde. Heute danke ich den Menschen, die mich in die Demut des Schauens, Hörens und Gestaltens einwiesen und dazu beitrugen, diesen Reichtum mit anderen Menschen zu teilen. Überall bot sich dem staunenden Blick das pralle Leben und die Werke der Handwerker und Techniker wie neu an: Als ich vor Jahren zum ersten Mal vor dem Münster in Straßburg stand, ,,oder unlängst in der schönen romanischen Kirche in Gernrode, verschlug es mir die Stimme: „Ich staunte maßlos“. Ebenso bewunderte ich neu, wie für uns geschaffen, die Kunst der Ärzte und Therapeuten, Erkenntnisse der Philosophen und Theologen, und die Werke der Künstler und Poeten. Im Grunde blieb ich ein Lehrling und Freund des Lebens, der mit nicht enden wollendem Interesse alle mir zugängigen Facetten unseres Lebens im Mikro und Makrokosmus studierte. Dieses Studium führte immer wieder an Grenzen und in Neuland, um die Befunde der Forschung zu beurteilen, Nutzen und Schaden zu unterscheiden. Aber worauf verwies diese nicht zu fassende Fülle des Lebens? Parmenides, ein Vorsokratiker, fasste sein Staunen in die Frage: „Warum gibt es das und nicht nichts“. Diese Frage bewahrte auch mich vor Überheblichkeit und gestattete mir, mich staunend über die Wunder in der Natur und des Lebens zu freuen.
Die aktuellen globalen Krisenherde und interkulturellen Konflikte, der Wertewandel und die Migrationsbewegungen mit unabsehbaren Folgen, drängten mich zur Stellungnahme. Ich befehlige keine Truppen, besitze keine Waffen, und staune selbst über mein Wagnis, der Zerstörung und Gewalt meine wehrlosen Worte der Liebe und die christliche Weltanschauung, als ein brauchbares Lebenskonzept vorzustellen, und in der Hoffnung zu bezeugen, dass mein Appell im Zeitalter medialer Vernetzung und Digitalisierung, nicht auf taube Ohren trifft. Ob ich zu denen gehöre, die im Laufe des Lebens über das Staunen und Wissen hinaus, zu einer milden Altersweisheit gelangt sind, mögen Sie, liebe Leser, anhand meiner Bücher und Beiträgen in meinem Literaturblog auf verschiedenen Kanälen im Internet prüfen. Das letztlich entscheidende Urteil überlasse ich aber getrost dem Dreifaltigen Herrn und Gott, vor dem ich mich tief verneige.
Herzliche Grüße
Ihr Franz Schwald

Geborgen in der Kirche
Geborgen im Glauben Hoffen und Lieben.
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