Eine fantastische Reise

Eine fantastische Reise

Am frühen Morgen eines Septembertages hält der Zug. Der Bahnhof einer großen Stadt liegt im diesigen Licht der Neonleuchten. Lebhafter Verkehr herrscht auf den Bahnsteigen. Viele Menschen eilen zu ihren Arbeitsplätzen. Nur einige Fernreisende mit größerem Gepäck sind zu sehen.
Dem Zug entsteigt ein älterer Herr. Er gähnt, reibt sich die Augen, und schaut sich orientierend um. Dem aufmerksamen Beobachter fällt auf, dass er nur eine tragbare Reisetasche bei sich führt. Aufrechten Ganges strebt der gut gekleidete Herr dem Ausgang zu. Gelegentlich bleibt er wie in Gedanken stehen.
Ein junger, freundlicher Mann mit Aktentasche bemerkt den Herrn, geht auf ihn zu, und sagt: „ Ich habe hinter Ihnen gehend beobachtet, dass Sie sich manchmal umsehen, kann ich Ihnen behilflich sein?“ Der ältere Herr entgegnet: „Es ist sehr aufmerksam von Ihnen, mich anzusprechen, denn ich bin zum ersten Mal in dieser Stadt, und soeben nach einer längeren Nachtfahrt hier angekommen.“ Er mustert dabei den freundlichen Mann, der einen grauen Anzug mit weißem Hemd und gedeckter Krawatte trägt, und vermutet, dass er in geschäftlichen Dingen unterwegs ist. Daher fügt er hinzu: „Ich hätte schon eine Frage an Sie, aber ich dachte mir, dass Sie, wie die anderen Menschen hier, eilends unterwegs sind, und ich möchte Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen. Der junge Mann antwortet beruhigend: „Sie haben recht geraten. Ich arbeite hier in einer Bank und muss zu einer festen Zeit dort sein. Er blickte kurz auf seine Uhr und bemerkt: Für einige Minuten stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Haben Sie denn einen festen Plan, oder kann ich Ihnen auf andere Weise behilflich sein?“
Der ältere Herr scheint erfreut über das Angebot und entgegnet: Ich bin ein neugieriger Mensch, und nach meiner Pensionierung auf einer Reise nach „Irgendwo“ schon einige Monate unterwegs. In letzter Zeit, habe ich mich in Deutschland umgesehen, nun will ich die Schweiz näher kennen lernen. Ich bin hier ausgestiegen, um einige Tage in dieser Stadt zu verbringen, und bin gespannt, was ich hier sehen und erleben kann. Für heute habe ich übrigens keinen festen Plan und kann frei über meine Zeit verfügen. Der junge Mann hatte aufmerksam zugehört und sich gefragt, wie er dem Herrn bei dessen Erwartung helfen könnte? Es schien ein gebildeter Mann zu sein, der schon bessere Tage gesehen hatte. Er entgegnete: „Ihre Lust unsere Stadt kennen zu lernen, erlaubt mir, Ihnen einen vielleicht überraschenden Vorschlag zu machen: Ich arbeite in einer großen Schweizer Bank. Heute ist bei uns zufällig ein Tag der offenen Tür. Sie wissen sicher, dass wir derzeit über die Grenzen hinaus ins Gerede gekommen sind. Könnten Sie sich vorstellen, mich zu begleiten, und sich bei uns einige Stunden umzusehen? Vielleicht könnten ich Ihnen überraschend neue Eindrücke über unsere aktuelle Arbeitsweise vermitteln? Er lächelte Augen zwinkernd, und fügte hinzu: „Sollten Sie ein wenig Reisegeld erübrigen, dann könnte ich Ihnen auch zeigen, wie man bei uns mit kleinen Einsätzen Gewinne erzielen kann.“ Der ältere Herr räusperte sich und sagt: „Ich hab schon einiges über den Börsenhandel gehört, mich aber des Risikos wegen, bisher selbst nicht beteiligt. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, mich bei Ihnen ein wenig umzusehen. Da ich für heute noch keinen festen Plan habe, nehme ich Ihren Vorschlag gern an, Sie zu begleiten.” Inzwischen war es auch höchste Zeit, denn der Handel eröffnete schon bald.
In der Schalterhalle herrschte heute reger Betrieb: Hinter der Theke saßen einige Händler vor ihren Computern. Davor drängten sich viele Kunden, die auf großen Bildschirmen an der Wand, interessiert die Börsenkurse und die verschiedenen Angebote verfolgten. Der junge Mann bemühte sich einige Zeit, dem älteren Herrn zuvorkommend die wichtigsten Abläufe beim Börsenhandel zu erklären. Danach forderte er ihn freundlich auf, vor allem die Geschäfte zu verfolgen, die er an seinem Arbeitsplatz mit Kunden abschloss. Der ältere Herr war beeindruckt von dem Geschehen, ließ sich zwischendurch von hübschen Hostessen mit Speise und Getränken verwöhnen und genoss den Tag der offenen Tür. Am Nachmittag nahm sich der junge Mann noch einmal Zeit für ihn und zeigte ihm anhand seines Tagesgeschäftes, welche Aussichten auf Kursgewinne auch bei Kunden mit geringen Einsätzen bestehen. Er fügte hinzu: „Alle Geschäfte müssen aber immer bis zum täglichen Ende des Handels abgeschlossen sein.“ Der ältere Herr bedankte sich für den informativen Tag und sagt: „Meine Neugier ist befriedigt. Ich benötige heute nur noch ein ordentliches Hotel und Bedenkzeit, ob ich eventuell einen Einsatz wage.
Einige Tage danach betritt der ältere Herr nachmittags wieder die Schalterhalle der Bank. Er begrüßt den jungen Mann, und verfolgt mit wachsendem Interesse die Vorgänge. Wie bei einem Spieler steigt seine Erregung und Anspannung so, dass er sich entschließt, unbedingt noch rasch vor Handelsschluss, ein ihm aussichtsreich erscheinendes Papier zu zeichnen. Aber genau in diesem Augenblicke drängte sich ein Angestellter der Bank so vor ihn, dass er dieses Papier nicht mehr rechtzeitig erwerben konnte. Die Enttäuschung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Als ihm der junge Mann nach Handelsschluss auch noch erklärt, dass er beim Kauf des gewählten Papiers in absehbarer Zeit einen Gewinn von 2ooo € zu erwarten hatte, stieg ihm die Zornesröte ins Gesicht, und er erzählte dem jungen Mann die Geschichte mit dem Bankangestellten, der ihm zuvor kam. Er erfährt durch ihn, dass ein solches Vorgehen in ihrem Hause streng verboten sei, denn der Chef sei ein sehr korrekter Mann der großen Wert darauf lege, dass die Bank ihr gutes Ansehen bei den Kunden bewahre.
Genau in diesem Moment erkennt der ältere Herr den Angestellten in der Nähe wieder, der ihm soeben zuvor gekommen war, und nun eilends dem Ausgang zustrebt. Kurz entschlossen, stellt er sich ihm in den Weg und besteht in Gegenwart des jungen Mannes nachdrücklich darauf, die heikle Angelegenheit umgehend mit dem Chef der Bank zu besprechen. Sie werden bei ihm angemeldet. Schon nach wenigen Minuten betreten sie gemeinsam das modern eingerichtete Büro des Chefs. Der alte Herr ist sehr überrascht, in diesem Raum einem ebenfalls älteren Mann zu begegnen, der überdies auf einen Rollstuhl hinter seinem Schreibtisch sitzt. Als der Chef des Hauses, mit weißen, lockigen Haaren, und einem scharf geschnittenen, trotz vieler Falten, jugendlich wirkenden Gesicht, den Besuchern freundlich entgegen rollte, und einladend auf die Sitzgruppe für Besucher verweist, ist der Bann gebrochen. Mit sonorer Stimme sagt der Chef: „Ich habe vernommen, dass Sie ein Anliegen haben, bitte sprechen Sie!“ Der alte Herr schildert nun ausführlich sein Erlebnis mit dem Bankangestellten, durch dessen raschen Vordrängens, ihm ein möglicher Gewinn von 2000 € entgangen sei. Er betont, dass es ihm vor allem wichtig sei, die Leitung des Hauses über diesen Vorfall zu informieren.“
Der Chef der Bank lehnte sich überrascht in seinem Rollstuhl zurück, überlegt kurz und sagt: „Es ist nicht üblich, dass unsere Angestellten in unserem Haus im eigenen Interesse Geschäfte tätigen. Wir legen größten Wert darauf, unsere Kunden zufrieden zu stellen. Ich bitte Sie, den Vorfall zu entschuldigen und uns zu gestatten, Sie für den entgangenen Gewinn zu entschädigen. Zum Angestellten gewendet bemerkt er: „Sie erkennen sicher selbst Ihr Fehlverhalten. Es sollte Ihnen zur Warnung dienen, sich künftig streng an die Hausordnung zu halten und derartige Handlungen zu unterlassen.
Der alte Herr atmete erleichtert auf und sagt: „Ich konnte keineswegs damit rechnen, dass die Angelegenheit einen so erfreulichen Ausgang nimmt. Es ist kaum fassen, dass Ihr Haus für diesen möglichen Schaden aufkommt. Ich kann nur sagen Gott sei Dank – und betrachte das als einen erneuten Beweis dafür, dass ich in allen Lebenslagen mit Schutz und Beistand rechnen darf. Der Chef der Bank sah ihn verständnisvoll an und entgegnet: „Mir scheint, wir sind beide auf der gleichen Zielgeraden unseres Lebensweges angelangt; da lebt es sich leichter, wenn man das eigene Gewissen nicht mehr zu sehr belastet. Ich sage Ihnen als Chef dieses Hauses: Geld ist auch für mich nicht das letzte Wort! Sie verabschieden sich herzlich. Der junge Mann fügt hinzu: Viel Vergnügen bei der weiteren Reise durch die Schweiz!

Die Traube

Vor vielen Jahren lebten fromme Mönche und Brüder an einem abgeschiedenen Ort in einem Kloster. Sie beteten und arbeiteten nach der Regel des Heiligen Benedikt. Einander im Glauben stärkend, teilten sie Freuden und Lasten des klösterlichen Alltages. In ihre Kukullen gehüllt, versammelten sie sich Tag für Tag vor Sonnenaufgang in einer Prozession im Kreuzgang, um dann, hinter dem Abt, in die von wenigen Kerzen erhellte Kirche einzuziehen. Vor dem Altar und dem schlichten Kreuz, verneigten sie sich tief, und nahmen ihre Plätze im Chorgestühl ein.

Wie alle Mönche vor ihnen, feierten sie das Stundengebet und die Heilige Messe. Ihr Gebet und Gesang stieg wie Weihrauch auf, erfüllte die schmucklose Kirche, und belebte die Stille der Nacht. Es herrschte Eintracht unter den alten und jungen Männern, die aus dem Leben genommen, ihrer Berufung folgten. Sie vertrauten darauf, dass Gottes Gnade allein genüge, um verbunden mit allen Geschöpfen, ihren Lobpreis zur Ehre des Allerhöchsten darzubringen. Alles, was ihrer Hände Arbeit hervorbrachte, teilten sie unter sich und unter vielen bedürftigen und kranken Menschen. Wenn die Glocke zu den Gebetszeiten rief, ließen die Mönche und Brüder, der Regel getreu, ihre Arbeit ruhen.

Die frommen, gastfreundlichen Mönche und Brüder, genossen hohes Ansehen bei den Menschen. Großzügige Gaben und Gesten der Zuneigung wurden ihnen zuteil: Bruder Martin versah eines Tages den Pfortendienst, als ein älterer Mann anklopfte. Der kahlköpfige Bruder öffnete mit einem frohen „Pax tecum“ das kleine Fenster. Auf einer Schale brachte der Besucher eine wunderschöne Weintraube und sagte: „In diesem Jahr ist die Weinlese üppig ausgefallen und wir möchten uns mit dieser Traube für die stets freundliche Aufnahmen im Kloster bedanken“. Hocherfreut nahm Bruder Martin mit einem „Gott segne Sie“, das Geschenk an und schloss das Fenster. Das Wasser lief ihm im Munde zusammen, als er die Traube vor sich auf der Schale sah. Schon war seine Hand unterwegs, um wenigstens eine Traube zu naschen, da hielt er inne und dachte daran, wie sehr sich der Bruder Küchenmeister über diese Traube freuen würde. Dem Küchenmeister ging es ähnlich, und so wanderte die Traube von Hand zu Hand, bis sie zuletzt vor dem Vater Abt lag. Auch er freute sich über dieses Geschenk, dachte bei sich an die „Kalebs-Traube“ und entschied, sie als ein Symbol der Verbundenheit, für alle sichtbar, in einem Kästchen vor dem Altar aufzubewahren, um sie zur Gründung des ersten folgenden Klosters zu übergeben. So geschah es. Auf wunderbare Weise behielt aber die Traube zur Freude aller ihr frisches Aussehen.

Besonders die Wallfahrten zum Gnadenbild der Mutter Gottes, und zur Kalebstraube, waren im Volke beliebt. Viele Votivtafeln zeugen noch heute vom Glauben der Pilger, die in den damaligen Zeiten der Not und Irrlehren, in ihrem Leben Trost und Hilfe erfahren durften. Schon nach wenigen Jahren lebten im Kloster so viele Mönche und Brüder, dass ein neues Kloster entstehen konnte.

Immer mehr drängte es die Mönche und Brüder, den Schutz des Mutterklosters zu verlassen, um die frohe Botschaft zu verkünden. Jenseits des Stromes, in der Mitte eines großen bergigen Landes, sollte eine kleine Gruppe einen Standort suchen und zur Klostergründung vorbereiten. Es galt dabei, nicht nur zahllose Hindernisse, sondern auch erhebliche Zweifel und Einwände der dort wohnenden Menschen zu überwinden. Man bewegte sich damals zu Pferde, in einfachen Planwagen, zu Fuß oder auf einem Floß, dem Verlauf von Flüssen folgend.

In der Morgenfrühe eines Sommertages war es so weit: Bei einem feierlichen Gottesdienst, unter dem Gesang des „Veni creator spiritus“, verabschiedeten sich ein Abt mit zwölf Mönchen und Brüdern zur ihrer Aufgabe im fernen Land. Zum Zeichen der Verbundenheit erhielten sie eine kleine Glocke und die Kalebstraube. Genau in dem Augenblick, als  sie zum Reisesegen vor ihrem Abt knieten, durchbrachen Strahlen der aufgehenden Sonne das Fenster hinter dem Altar, und erfassten die Gruppe. Noch einmal hörten die Reisenden das volle Geläut ihrer Klosterkirche.  Als sie sich mit ihren Pferden und Planwagen immer mehr entfernten,  flossen manche Tränen bei den  zurück gebliebenen Brüdern. Der Erzähler vertraut der Fantasie der geneigten Leser, sich die Gefahr und Mühsal einer solchen Reise vorzustellen.

Endlich hatten die Mönche und Brüder, in der Mitte des gesuchten Landes den Ort gefunden, der zur geplanten Klostergründung geeignet schien. Grund genug, Gott für diese Gnade zu danken, und ihr weiteres Vorhaben der Fürbitte Mariens zu empfehlen. Ein warmer Sommertag begrüßte die Mönche und Brüder. Vor ihren Augen breitete sich mitten im Wald eine blumenübersäte Lichtung aus. Da verneigten sich der Abt und die Zwölf tief zum „Gloria patri et filio et spiritui sancto“, einem „Pater noster“ und „Ave maria“. Danach sangen die Mönche und Brüder hier zum ersten Mal die Mittagshore.

Bis zum Abend gelang es, mit den Planwagen, aus Holzstämmen und Ästen einen Kreis zu bilden, und ein Nachtlager einzurichten. Der offene Sternenhimmel bildete ihr Zelt, und das Schweigen nach dem Abendsegen umhüllte ihre müden Körper. Es war noch tiefe Nacht, als die Glocke sie zum Stundengebet rief. Damit begann das klösterliche Leben auch hier nach der Regel des „ora et labora“.

Die erste Heilige Messe feierten sie, nicht weniger würdig, unter freiem Himmel. Ein kleiner Tisch vor dem Kreuz und Gnadenbild des Mutterklosters, diente als Altar. Hinter ihrem Abt stellten sie sich zur Prozession auf, zogen gemessenen Schrittes in ihre nach allen Seiten offene Kirche ein, verneigten sich tief und teilten sich beidseits des Altars, als wäre ein Chorgestühl vorhanden. Ihr Gebet und Gesang stieg zum offenen Himmel empor. Die Kalebstraube, legten sie vor den Altar und ihr Abt versicherte, dass sie einem nächsten Kloster übergeben würde. Wie oft sich die frommen Missionare vor dem Kreuz, dem Gnadenbild Marias und der geschenkten Weintraube verneigten, weiß nur Gott allein.

Inzwischen vergingen Jahre, in denen mit Hilfe vieler Menschen aus der Umgebung ein schönes neues Kloster entstand, das dem aus ihrem Herkunftsland, wie ein Ei dem anderen glich. Endlich war der große Tag gekommen: Mit ihren Pferden und Wagen näherte sich eine Gruppe von Mönchen und Brüdern des Mutterklosters. Der Bruder Glöckner musste die kleine Stundenglocke besonders lang und feierlich ertönen lassen, um den Mönchen und Brüdern  den Weg zu weisen. Die Freude über die Neuankömmlinge strahlte aus allen Gesichtern. Es gab bei der Begrüßung viel zu erzählen, denn der Abt hatte an diesem Tag alle  Mönche und Brüder vom Schweigen entbunden. Als Geschenk des Mutterklosters erhielten sie eine größere Glocke mit der Inschrift „Wort Gottes“.

Zum Festgottesdienst ertönte zum ersten Mal die neue Glocke. Der bisherige Abt wurde in seinem Amt bestätigt, Kirche, Altar und das neue Kloster gesegnet, und unter den Schutz der Gottesmutter gestellt. Zur Klosterweihe kamen von nah und fern zahlreiche Pilger  und Gäste aus anderer Klöstern herbei. Die Kirche konnte die Besucher nicht fassen, sodass viele mit rohen Bänken vor der weit geöffneten Kirchentüre vorlieb nehmen mussten.

Es war am Fest von Christi Himmelfahrt und die Mönche sangen den Psalm „Viri galilaei“. Nach dem Segen zum Abschluss des feierlichen Gottesdienstes stimmten alle Gläubigen in das „Veni creator spiritus“ ein. Mancher Mönch oder Bruder mochte sich noch daran erinnern, dass sie unter diesem Hymnus einst ihr Mutterkloster verließen.

In seiner Predigt hob der Abt hervor, dass er in der Nacht einen Traum hatte, der sehr gut zu diesem Festtage passe. Auf die Melodie des Psalms „Viri galilaei“ sei ihm der Text eingefallen  „selig, ja überselig, hüpft, ja hüpft mein Herz in Dir“. Er wagte es sogar, am Ende des Gottesdienstes diesen Text vorzusingen, und alle Gläubigen stimmten in diesen Psalm der Glückseligkeit ein. Vielleicht könnten Sie es, liebe Leser, auch versuchen, in den Gesang der Mönche einzustimmen, oder, wenn ihre Stimme versagt, anderen Menschen die Geschichte von der „Kalebstraube“ zu erzählen, die weiter gereicht werden will.

Drogen

Verschiedene Spezialeinheiten der Polizei fahnden in Münster nach Tätern, die in einer Gruppe zusammen arbeiten. Trotz verstärkter Fahndung in den letzten Monaten, gelang es nicht, die Täter zu finden. Im Polizeipräsidium am Friesenring wurde deshalb ein Krisenstab eingerichtet. Heute trifft sich der Einsatzleiter mit den an der Fahndung beteiligten Beamten wieder zu einer der regelmäßig stattfindenden Lagebesprechungen. An der Wand hängt ein Stadtplan von Münster. In der Vergrößerung ist die Umgebung des Westfälischen Krankenhauses für Psychiatrie, das nahe gelegene Erholungsgebiet, eine Kirche am Friesenring, die Zufahrt zur Autobahn, und das Kreuzviertel, rot umrandet. Wegen des vermuteten Drogen- und Menschenhandels der Täter wurden seit einem halben Jahr Beamte des Einsatzkommandos der Polizei und der Drogenfahndung in die Ermittlungen eingeschaltet. Der Bereich um das Krankenhaus, der nahe gelegene Park, die Kirche am Friesenring, die angrenzenden Straßen und die Zufahrt zur Autobahn werden in letzter Zeit verstärkt observiert.

Der Einsatzleiter bespricht mit seinen Mitarbeitern die aktuelle Lage: In dem auf dem Plan umgrenzten Bereich seien verschiedentlich Einbrüche in Wohnungen und Arztpraxen erfolgt, und Personen mit auffälligem Verhalten, als ob sie unter Drogen ständen, beobachtet worden. Die örtlichen Zeitungen berichteten aktuell über die Vorgänge   in einer die laufenden Ermittlungen beeinträchtigenden Form. Die unter öffentlichen und politischen Druck geratene übergeordnete Behörde, verlange vom Krisenstab verstärkte Ermittlungen, um die Bürger der Stadt besser zu schützen. Daher bleibe der Einsatzleitung keine andere Wahl, als den Fahndungsdruck zu erhöhen, um Hinweise auf die Täter zu finden. Die bisherige Taktik, das polizeiliche Vorgehen geheim zu halten, um die Täter nicht zu warnen, müsse daher aufgegeben werden. Der Krisenstab habe daher beschlossen, ab sofort die Bürger, Medien und das Fernsehen, zur Mitarbeit bei der Fahndung zu bitten und sachdienliche Hinweise dem Polizeipräsidium zu melden. Die ermittelnden Beamten seien gehalten, alle Meldungen vertraulich zu behandeln und zu überprüfen. Die Leitung des Krankenhauses und die Kirchenbehörde, seien über die verstärkte Fahndung bereits informiert, und die verstärkte Observation der Straßen zur Autobahn angeordnet. Die Einsatzleitung rechnet durch diese Maßnahmen und die ausgesetzten Belohnung in Höhe von € 5000  auf weitere Hinweise auf die Täter und eine Versachlichung der öffentlichen Debatte. Der  Einsatzleiter hält danach folgende Ansprache seine Beamten:

„Liebe Mitarbeiter,

wir stehen aktuell unter starkem öffentlichem und   politischem Druck, bald, einen Fahndungserfolg melden zu können. Ich verlasse mich auf Ihre Mitarbeit und Kreativität, denn in den letzten Jahren haben Sie sich durch eine vorzügliche Ermittlungsarbeit ausgezeichnet. Ich hoffe, dass wir aufgrund unserer Erkenntnisse, den eingeleiteten Maßnahmen, der Mithilfe der Bürger, der Medien und des Fernsehens, die richtigen Schritte zur Ermittlung der Täter eingeleitet haben. Da wir es mit einer international auch im Drogenbereich agierenden Tätern zu tun haben,  den Fahndungsbereich zu begrenzen n ersten Vermutungen und mit der Eingrenzung des Fahndungsbereiches, mit der Erweiterung unseres Krisenstabes und mit Hilfe der Medien, besonders des Fernsehens die richtigen Schritte zur Aufklärung eingeleitet haben, werden uns ein Einsatzkommando der Polizei, und Beamte der Drogenkriminalität unterstützen, und der Krisenstab erweitert. Wir treffen uns, wie bisher, regelmäßig hier zur Lagebesprechung.“

Die beiden Hauptkommissare Herbert und dessen Freund Josef rücken zusammen und tuscheln sich zu: „Was ist denn bloß in unseren Alten gefahren? Unser Chef hat uns bisher noch nie als seine liebe Mitarbeiter angesprochen. Er muss wohl mächtig Druck von Oben bekommen haben. Ein Lob für uns, und die Äußerung von Vertrauen in unsere Arbeit, ist auch sehr selten. Es entsteht ein lautes Stühle rücken und die Sitzung ist beendet.

Agnes eine hübsche Studentin, schlank, blond, meist fröhlich, studiert seit einigen Monaten Medizin in Münster. Sie stammt aus einem gut situierten, eher konservativer Familie einer Stadt in Hessen und hat zwei ältere Brüder. Den ersten Schock des Wohnortwechsels und den Abschied aus vertrauter Umgebung von ihren Freundinnen, hat sie in den rückliegenden Monaten überwunden. Sie bewohnt in Münster ein hübsches Zimmer beim  Krankenhaus in der Nähe des Friesenringes. Die ersten Kontakte zu Kommilitonen der Studentengemeinde sind geknüpft. Agnes kennt sich inzwischen an der Universität und im Stadtzentrum, um den Dom und in den Lokalen im Kreuzviertel, wo sich die Studenten treffen sehr gut aus. Dom und im Kreuzviertel wo sich Studenten treffen. Unter den Studenten wird die Mutter Birken und ein Lokal im Kreuzviertel umworben, indem es auch spät abends noch knusprige Brathähnchen und ein frisches Bier gibt. Weniger überzeugend verlief der bisherige Studiengang: Die Umstellung auf die freie Tagesgestaltung und das zunächst recht trockene Studium, machten ihr zu schaffen. Besonders der Kontakt zu den Kommilitonen und deren recht freien Wertvorstellungen passten nicht zu ihrer bisherigen Weltanschauung. Wenn da nicht die Freundin Marie gewesen wäre, die sich auch ein wenig fremd vorkam in Münster, dann hätte ihre Stimmung noch mehr gelitten. Mit ihr traf sie sich öfters zu einem Bummel unter den Arkaden des Prinzipalmarktes zu einer Tasse Kaffee. Vertraut waren ihr schon der Aasee und der Markt am Dom an den Samstagen.  Natürlich hatte sie auch ihr Fahrrad von zu Hause kommen lassen, denn Münster ist eine Stadt in der die Fahrradfahrer Vorfahrt haben. Ein Glück, dass es heut zutage ein Handy gibt, mit Hilfe dessen der Kontakt zu den Eltern und ehemaligen Freundinnen jederzeit möglich war. Wer gibt aber schon gern zu, dass ihm das Leben in Münster noch nicht so recht gelingt und die Stimmung ab und zu einen Tiefpunkt erreicht, besonders in den letzten Wochen, der Vorbereitung auf ihre ersten Prüfungen.

An diesem regnerischen Abend war Agnes unterwegs Richtung Kreuzviertel, um dort bei einem Glas Bier und einem Brathähnchen unter Leuten zu sein, um ihre Stimmung etwas aufzuhellen. Sie genoss die heitere Atmosphäre, das Gemurmel der sich unterhaltenden Leute, das Brathähnchen und ihr Bier und konnte dabei die sich einschleichenden traurigen Gedanken zur Seite schieben. Als sie das bezahlt hatte, das Lokal verließ, und sich allein auf den Weg nach Hause machte kam das mulmige Gefühl wieder in ihr hoch. Sie hatte schon gelegentlich gezweifelt, ob sie das rechte Studium gewählt habe und erwogen, es, wenn die Situation sich nicht bessere abzubrechen. Es fehlte ihr auch der von zu Hause gewohnte religiöse Rahmen. Als sie in die Nähe der nicht mehr benutzten Kirche am Friesenring kam, erinnerte sie sich an ihren ehemaligen Beichtvater, dem es gelungen war ihr den Schrecken vor der Beichte durch seinen Zuspruch zu nehmen. Wie oft hatte sie ihm die gelegentlichen Schwierigkeiten mit den Eltern und ihre Auseinandersetzungen mit den Geschwistern geklagt. Schade, dass es so spät war und Kirche nicht mehr benutzt wurde. In der jetzigen Stimmung hätte sie gern mit ihrem Heimatpfarrer geredet – es schien für einen Moment, als ob sie seine vertraute Stimme wieder hörte.

Tief in Gedanken, mit gesenkten Kopf überquerte sie im Licht der Straßenlaternen den Friesenring. Plötzlich tauchte aus dem Schatten der Kirche ein junger Mann auf. Er trug schwarze Jeans und einen dunklen Parker, um sich vor dem Regen zu schützen. Seine ganze Erscheinung wirkte wenig vertrauenserweckend. Agnes hatte es immer, auch hier in Münster vermieden, wenn sie in der Dunkelheit allein unterwegs war, sich von Fremden ansprechen zu lassen. In der eigenen traurigen Stimmung, überwandte sie aber ihre Bedenken und liess sich auf ein Gespräch ein.

Der Fremde gab sich als ein Student zu erkennen, der gerade von einem Treffen mit seinen Freunden komme, ein wenig Luft schöpfe, um dann wieder zu ihnen zurückzukehren. Agnes glaubte ihm und nahm weniger Anstoß an seinem äußeren, denn sie hatte an der Uni Kommilitonen kennen gelernt, die wenig Wert auf ihre äußere Erscheinung legten. Als sich sogar heraus stellte, dass der Fremde schon eine Semester Medizin studierte, war der Bann vollends gebrochen. Sie ließ sich auf eine Gespräch ein. Als der Fremde ihr erklärte, dass er sich in den Kellerräumen der Kirche, die als Treffpunkt für Studenten eingerichtet wurde, verschwanden die Zweifel von Agnes nach und nach. Der Fremde frug Agnes, ob sie nicht seine Freunde kennen lernen und ein Bier mit ihm zusammen trinken wolle es gehe bei ihnen oft sehr lustig zu, war Agnes bereit, sich ihm anzuschließen.

Der Fremde ging voran. An der Rückseite der Kirche war ein unbeleuchteter Treppenabgang. Agnes zögerte nahm aber die Hand des Fremden an. Es ging durch verschiedene nur sehr spärlich beleuchtete Gänge. Ohne fremde Hilfe hätte Agnes nicht wieder ins Freie gefunden. Da hörten sie Lärm hinter der Türe eines ehemaligen Luftschutzkellers. Der Fremde musste mehrmals mit drei kräftigen Schlägen, dem vereinbarten Zeichen, gegen die eiserne Türe klopfen. Beim Öffnen der Türe blieb Agnes vor Schrecken der Atem stehen, denn sie erkannte eine Gruppe schwarz gekleideter Männer mit Masken, die um eine Statue im fahlen Licht herum tanzten. Plötzlich war es um sie geschehen zwei maskierte Gestalten traten hinter Agnes und überwältigten sie, trotz ihrer Gegenwehr. Sie konnte nur noch bemerken, dass sie in die Mitte des Raumes gezerrt und auf einen Tisch gelegt wurde, um den sich die dunklen Gestalten scharten, dann wurde der klinke Arm entblößt, sie spürte den Einstich einer Injektion und die die Sinne schwanden ihr.

Als Marie bemerkte, dass ihre Freundin seit mehreren Tagen nicht zu den Vorlesungen kam, begann sie sich Sorgen zu machen. Sie konnte ihre Freundin auch nicht mehr per Handy erreichen. Sie war doch erst noch am Samstag mit ihr über den Markt gegangen und hatte eigentlich nur davon geredet, dass sie etwas bange sei vor den ersten Prüfungen. Da mache sie aber sicher keine Ausnahme. Marie beschloss, an diesem    Abend in das Lokal im Kreuzviertel zu gehen, denn sie wusste, dass Agnes dort manchmal anzutreffen wäre. Sie schaute auch bei Mutter Birken vorbei, ohne Agnes zu begegnen. Am anderen Tag läutete sie an der Türe zu ihrer Wohnung, fand aber nur einen überfüllten Briefkasten. Das war für Agnes Anlass sich vermehrt Sorgen zu machen. Nachdem sie in den Abendnachrichten des Fernsehens einen Hinweis bekam, dass Bürger der Stadt aufgefordert werden, verdächtigen Hinweise der Polizei zu melden ging sie zum Polizeipräsidium am Friesenring, um Anzeige nach dem Verbleib von Agnes zu erstatten. Sie erzählt alles, was ihr bekannt war, gab eine Personenbeschreibung der Vermissten ab, nannte Straße und Hausnummer ihrer Wohnung und konnte auch ein Foto, das sie mit Agnes zeigt, der Polizei übergeben.

Zur vereinbarten Stunde trifft sich wieder der Krisenstab: Es gab keine weiteren Erkenntnisse von den bei der Fahndung beteiligten Beamten. Der Leiter des Stabes gab danach bekannt, dass eine Vermissten Meldung eingegangen sei. Eine zwanzigjährige Medizinstudentin nehme seit Tagen nicht mehr an Vorlesungen teil. Es sei auch bekannt, wo sie wohne und sich gelegentlich aufgehalten habe. Es gebe auch ein Foto zusammen mit ihrer Freundin. Von Interesse für die laufende Fahndung könnte es daher sein, diese Spur zu verfolgen. Die bekannten Daten der vermissten Person lägen in der Nähe zum Planungsraum der Fahndung. Es wurde entschieden, das Foto und die bekannten Daten den Medien zur Veröffentlichung frei zu geben. Es wurden Beamte in Zivil bestimmt, um in den Lokalen im Kreuzviertel und im Bereich der Wohnung der Vermissten, sowie an der Universität gezielt zu observieren und nach dem Verbleib der Vermissten zu forschen.

Eine Gruppe Krimineller, die international vernetzt sind, hat sich in dem ehemaligen Luftschutzkeller einer unbenutzten Kirche am Friesenring in Münster eingenistet. Sie halten diesen Ort für günstig, denn wer würde vermuten, dass sie sich in der Nähe des Polizeipräsidiums ausgerechnet in einer Kirche aufhalten. Es schien ihnen auch wichtig sich in einer Universitätsstadt zu bewegen, um Studenten für sich zu gewinnen. Der Plan hatte auch seine Berechtigung, da sich in der Nähe eine psychiatrische Einrichtung befindet. Den Tätern war es gelungen, eine wahnbildende Substanz zu verschaffen, die durch Kuriere aus dem Ausland nach Münster gebracht wurde. Einige der Täter sollten versuchen, Männer und Frauen, die durch das Studium in Krisensituationen gelangen mit dem Versprechen anzulocken, dass eine Studentenverbindung gebe, die geheime Zusammenkünfte in einer ehemaligen Kirche veranstalte. Es soll da in jeder Hinsicht frei und lustig zugehen. Sobald es gelungen sei, ein Opfer zu gewinnen, würde es zu einer Veranstaltung im Keller der Kirche eine Injektion bekommen. Die verabreichte Droge hätte folgende Wirkung: Die Personen denen die Droge injiziert wurde seien völlig gefügig und bildeten de Wahn aus, dass durch diese Treiberdroge bewirkt, Sinn mache, sich sexuell und in ihrem Leistungsverhalten, den Tätern gefügig zu machen. Sie würde dann in den nationalen und internationalen Einrichtungen der Täter für deren Zwecke eingesetzt. Selbst wenn es ihnen gelänge aus diesem System auszubrechen, würden sie einem andern Wahn erliegen, dauernd gegen diese Wirkung ankämpfen zu müssen, im Wahn, die Treiberdroge mache unfrei. Bisher sei es gelungen, den Bemühungen der Polizei zu entkommen, da die Opfer sich so verhielten wie psychisch Kranke und außerhalb Münsters und international im eigenen System der Einrichtungen eingesetzt würden. Man müsse aber besonders vorsichtig vorgehen, seit die Polizei auch mit Hilfe der Medien versuche, gegen sie vorzugehen. Bis zur Beruhigung der Lage sollten keine Opfer mehr gesucht oder ins Ausland abtransportiert werden. Es sei vor allem wichtig, die Studentin, die sich noch in ihrem Gewahrsam befinde, nachdem die Wirkung der Droge nachgewiesen sei wieder frei zu lassen, um die Polizei nicht auf ihre Spur zu bringen. Agnes kommt wieder zurück in ihre Wohung als habe sie sich nur einige Tage in Ferien befunden, erledigt ihre Post und geht wieder zu den Vorlesungen. Marie, ihre Freundin ist glücklich sie wieder zu sehen und meldet der Polizei, dass ihre Freundin sich wieder eingefunden habe. Die Suche nach der Vermissten wird eingestellt.Nach einigen Tagen findet die nächste Sitzung des Krisenstabes statt. Die vermutete heiße Spur zu den Tätern erweist sich als Irrtum. Die Studentin geht wieder ihrem Studium nach. Es erscheint daher wenig sinnvoll nachzuforschen, wo sie in den letzten Tagen sich befunden hat und das Schwergewicht der Fahndung wieder umzupolen auf die bereits bekannten Bereiche. Es werden in der Sitzung keine weiteren Auffälligkeiten berichtet. Lediglich die beiden befreundeten Hauptkommissare bleiben skeptisch und beschließen den Kontakt zur Freundin der gesuchten Studentin aufrecht zu erhalten, obwohl die Fahndung in den Medien eingestellt wird.

Marie freut sich zwar, dass ihre Freundin wieder aufgetaucht ist. Sie wollte aber nicht indiskret sein und vermied es bislang zu fragen, wo sie sich die Tage über aufgehalten habe. War sie aber zuvor Männern gegenüber eher zurückhaltend, so kleidete sie sich von nun an gewagt und zeigte auffälliges Interesse an Männern. Agnes erschrak aber über unerwartet hohen Eifer beim Studium. Jegliche Angst vor den Prüfungen schien von ihr abgefallen zu sein. Sie saß nun unentwegt vor ihren Büchern verfehlte keine Vorlesung oder Übung und meldete sich oft zu Wort. Marie wagte es nicht mit Agnes über alles zu reden. Heute Abend wollte sie wieder einmal allein ausgehen. In der Mutter Birken würde sie sicher bei einem Bier ein wenig Abstand gewinnen und auf andere Gedanken kommen. Als sie in die Mutter Birken kam, sah sie die beiden Hauptkommissare, die ihre Meldung über ihre vermisste Freundin aufgenommen hatten. Die Polizisten in Zivil grüßten freundlich und boten ihr einen Platz an ihrem Tisch an. Nach einigen belanglosen Worten über die außergewöhnliche Hitze in Münster, die nach einem kühlen Bier schreie, tauchte die Frage auf: , „wie geht es denn ihrer zurückgekehrten Freundin?“ Marie hielt sich zunächst etwas zurück, dann aber platzte es aus ihr hinaus – und sie erzählte haarklein, wie sehr sich ihre Freundin verändert habe. Man fand auch zu Dritt keine Erklärung. Die beiden Polizisten baten aber Marie, ihnen doch zu berichten, wenn sie irgend eine Beobachtung machte. Die beiden Beamten entschieden aber nach Abstimmung mit ihrem Chef, einen Psychiater des Krankenhauses bezüglich der Verhaltensänderung der zurückgekehrten Studentin zu  Rate zu ziehen. Dieser sah zunächst keinen Hinweis für eine psychische Abnormität, bis auf die Tatsache dieser plötzlichen Veränderung. Da hielt er plötzlich inne und sagte: „warten sie bitte einen Moment“. Als er zurück kam, hatte er eine Fachzeitschrift in Händen und begann das Gespräch erneut: ich wußte doch dass ich etwas gelesen habe. Hier wird in einer Untersuchung aus Amerika berichtet, dass es neuerdings eine Droge gebe, die dazu führe, dass durch deren Injektion ein Wahn induziert werden könne, die diese Menschen antreibe sich dem Willen anderer gefügig zu machen. Eine international agierende Tätergruppe, setze diese Droge für ihre Zwecke ein. Selbst wenn sie dem direkten Einfluss der Täter entkommen würden, kämpften sie den ihnen aufgezwungenen Willen wahnhaft, dass diese Droge unfrei Mache. Es handle sich um die sogenannte Treiberdroge, deren Wirkung nur durch ein ärztlich injiziertes Gegenmittel aufgehoben werden könne. Sie bedanken sich für die Bereitschaft des Arztes gegebenenfalls ein Gegenmittel zu injizieren.

Nach dem Bericht hiervon im Krisenstab, erhalten die beiden Beamten erneut den Auftrag die der diskreten Observation der Studentin im Kreuzviertel und beim Verlassen der Wohnung zur Universität zu beobachten. Zunächst liefen ihre Bemühungen ins Leere. Dann aber eines Abends nach dem Besuch der Mutter Birken, schien ihnen die Studentin auffällig. Sie ging rasch, mit gesenktem Kopf, blieb immer wieder einmal stehen, als ob sie sich überzeugen wollte, dass ihr niemand folgt. Vorsichtig folgten ich die Polizisten, indem sie die Bäume als Deckung nutzten und blieben hinter einer Hauswand stehen, als die Studentin im Licht der Straßenlaterne an einer Ampel den Friesenring und die Dunkelheit bei der Kirche nutzend, im hinteren Bereich der Kirche verschwand. Sie mussten Stunden warten, bis die Studentin wieder erschien und folgten ihr bis sie sie kurz vor ihrer Wohnung einholten, grüßten, sich als Polizisten auswiesen und sie fragten, was sie in der Kirche gemacht habe. Sie ließ sich nur schwer entlocken, dass sie dort Freunde getroffen habe bei denen es sehr frei und lustig zugehe. Sie könne auch mit ihnen in der Mutter Birken noch ein Bier trinken, wenn sie Lust dazu hätten. Dabei warf sie sich aufreizend in Positur. Sie verneinten schlugen aber vor mit ihr zu einem Freund zu gehen der manchmal in schwierigen Situationen geholfen habe. Die Studentin nahm zögernd den Vorschlag an mit der Bemerkung – auf Ihre Verantwortung. Die Beamten rufen den Direktor des Krankenhauses an, der auch zu dieser späten Stunde noch bereit ist. Nach einer kurzen Konsultation, bei der die Studentin keinen Widerstand zeigte. Injizierte der Arzt das Gegenmittel. Nach etwa einer halben Stunde, schien die Studentin wie aus einem bösen Traum zu erwachen und stellte die Frage: „Wo bin ich?“ Nun war sie in der Lage und bereit über all das, was erinnerlich war zu berichten: „Sie sei vor Tagen abends etwas traurig in der Nähe der Kirche von einem Medizinstudenten angesprochen worden. Der habe sie überredet, seine Freunde zu besuchen, bei denen es im Studentenkeller der Kirche sehr lustig und frei zuginge. Sie sei ihm ängstlich gefolgt durch Gänge bis zu einer eisernen Tür. Dort habe er dreimal heftig geklopft, dann habe man sie überwältigt und ihr eine Injektion in den Arm gegeben. Was dann mit ihr geschehen sei, wisse sie nicht mehr genau bis auf die Begegnung mit ihrer Freundin, die sich wunderte dass an Männern interessiert nun sehr viel arbeite. Es handle sich um eine Gruppe von Männern, die sich im Keller der Kirche eingenistet hätten.

Endlich war der Weg frei um im Krisenstab über das weitere Vorgehen zu beraten. Es wurde ein Einsatzkommando und eine Spezialeinheit der Kriminalpolizei in ausreichender Zahl eingesetzt, die die unbenutzte Kirche umstellte. Die Spezialeinheit drang in die Kellerräume vor, sprengte die eiserne Türe auf und verhaftete alle dort anwesenden Männer und Frauen. Alles wurde durchsucht und eine Fülle von Beweismaterial sichergestellt. In der Westfälischen Zeitung konnte man anderntags lesen, dass es den vereinten Kräften der Polizei gelungen sei eine internatinal agierende Tätergruppe festzunehmen und eine Menge Beweismaterial zu sichern.

Radio Horeb – Impuls vom 22.06.2015

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Nachdenkliches
Ein Sendungsmitschnitt von mir in der Serie “Impuls” im Radio Horeb.
Leben und Sterben- Älterwerden und Ruhestand – Alter und Daseinsbedingungen

22.06.2015 – Laufzeit: 00:10:20 – Dateigröße: 4.73MB

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Vertrauen

Heute ist ein Tag im Mai, so schön, wie vom Himmel gefallen. In den letzten Wochen spendete der April reichlich Regen und Sonnenschein. Auch in diesem Jahr begeisterte uns, wie seit Menschen Gedenken, die aus dem Winterschlaf erwachende Natur, die in wenigen Tagen ihre ganze Pracht entfaltete: Wie durch Zauberhand berührt, verwandelten sich farblose Märzwiesen in ein lang entbehrtes, angenehmes Grün. Von der Sonne hervorgelockt, erwachte ein Meer bunter Blumen auf Wiesen und Feldern zu neuem Leben; auch Büsche und Bäume zeigten sich in neuen, schmucken Blütenkleidern. Nun strahlte „die Alte“, wie Erichs Großmutter sie nannte, zufrieden auf ihr Werk herab.

Erich und dessen Frau hält es nicht mehr zu Hause. Es drängt sie, unternehmungslustig den Mai zu grüßen. Gemeinsam fahren sie zu einer Veranstaltung in die nahe gelegene Stadt. Mit offenen Sinnen genießen sie dabei die voll erblühte Natur, die sich vor ihren Augen in Frühjahrsstimmung schwelgend darbietet. Heute sind sie gut in der Zeit, suchen als Erste ihre Plätze aus, und freuen sich, unter den Besuchern im Saal, einige Freunde zu entdecken. Pünktlich, beim letzten Glockenschlag, tritt der Referent an das Lesepult, hält kurz inne, und beginnt dann mit seinem Vortrag. Die  zahlreichen Besucher, die den Saal füllen, lassen auf ein reges Interesse am Thema schließen, und scheinen gespannt darauf zu warten, was der Referent zur Bedeutung der Spiritualität in unserer Gesellschaft zu sagen hat. Der komplexen Aufgabe entsprechend, geht er in seinem umfassend angelegten, gut strukturierten Vortrag, so auf die unterschiedlichen spirituellen Praktiken ein, dass die spezifisch christliche Spiritualität, wie bei einer Schiffsladung, als ein Container unter vielen anderen zu erkennen ist. Die vielen Angebote und Zielgruppen spiritueller Praxis, sind aber, wie das Geschenk des Frühlings, kaum zu fassen; nur eine Hörerin meldete sich zu Wort.

Erich bemüht sich während des Vortrags um Nähe zu seiner Frau und sagt mit gedämpfter Stimme: „Mir ist soeben beim Vortrag das Stichwort „Vertrauen“ eingefallen, und es lässt mich nicht mehr los. Ich möchte mich aber heute nicht an der Diskussion beteiligen, damit andere Anwesende  auch ihre Fragen stellen können, und ich ihnen nicht durch meinen Beitrag das Wort entziehe. Ich möchte aber unbedingt nach dem Vortrag kurz mit dem Referenten sprechen, der soeben mit Verweis auf Martin Buber, die Bedeutung des Dialogs betonte.“ Erich wartet einen günstigen Augenblick ab, und wendet sich dann an den Referenten mit den Worten: „Während Ihres Vortrages ist mir das „Stichwort Vertrauen“ eingefallen.  Seither lässt es mich nicht mehr los, und ich frage mich warum?“ Sie sind sich rasch einig, dass „Vertrauen“ als Voraussetzung  unbedingt zu jedem gelingenden Dialog gehört. Danach aber spürt Erich umso mehr den Wunsch, weiter über die Funktion des Vertrauens nachzudenken. Zum Glück entdeckt er in diesem Augenblick im Saal seinen Freund Peter, den er seiner Kompetenz wegen als Gesprächspartner schätzt. Kurz entschlossen spricht er ihn an: „Peter, der Vortrag hat in mir die Frage nach der Funktion des Vertrauens beim Dialog ausgelöst. Hast du Lust, bei einem Glas Wein bei uns nach dem Vortrag darüber nachzudenken?“ Peter lässt sich nicht zweimal bitten, und nimmt die Einladung gern an.

Erich und dessen Familie führen ein offenes Haus. Sie sind immer auf überraschenden Besuch eingestellt. Dort angekommen, machen sie es sich in den im Wohnzimmer bereitstehenden Sesseln, bequem. Peter gefällt die in einer Mischung aus Biedermeier, antiken und modernen Möbeln gehaltene Einrichtung. Ruhig und unauffällig hantiert die Hausfrau. Eine frische Tischdecke mit Leuchter und Kerze, Kleinigkeiten zum Knabbern und eine Flasche Rotwein aus der Region tragen zu einer behaglichen Atmosphäre bei.  Peter stimmt der Anregung zu, sich nach  dem Vortrag einige Minuten zu sammeln.

So bietet sich ihm die Möglichkeit, in Ruhe die Einrichtung der Wohnung anzuschauen: Sein Blick betaste den Flügel, wandert zu den beidseits der Eingangstüre eingebauten weißen Bücherwänden, und ruht eine Weile auf Kreuz, Marienbild und der Ikone über dem Fernseher. Peter lehnt sich dabei geruhsam in seinen Sessel zurück und wendet sich nun interessiert den beiden modernen Bildern eines russischen Künstlers zu. Es herrscht Stille. Nur das Ticken der Wanduhr im Esszimmer ist zu hören. Peter scheint sich als Gast wohl zu fühlen.

Nach einer Weile eröffnet Erich das Gespräch mit den Worten: „Peter, wir freuen uns sehr, dass Du hier bist und Interesse hast, mit uns nach dem Vortrag, über die Bedeutung des „Vertrauens“ im Dialog weiter nachzudenken.“ Dann fährt er fort: „Wenn ich die Nachrichten über Personen unserer Zeit, deren Beziehungen, unsere Gesellschaft, und die aktuelle Politik im In- und Ausland, auf mich wirken lasse, dann sind bezüglich des Wahrheitsgehaltes derartiger Meldungen, erhebliche Zweifel angebracht. Wer kann schon immer glauben, was er hört und sieht. Trägt aber dieser Zweifel nicht mit dazu bei, dass das zu einem befriedigenden Dialog unbedingt nötige Vertrauen in unserer Gesellschaft schwindet und wir anstelle dessen, immer häufiger nur kritischen Nachfragen zu allen möglichen Themen unseres Alltags  begegnen? Die Frage stellt sich daher dringend, ob berechtigte Kritik im Dialog ausreicht, oder ob, und in welchen Kontexten unseres Daseins,  gegenseitiges Vertrauen unabdingbar ist?“

Peter räuspert sich daraufhin nachdenklich und antwortet: „Wir haben doch soeben einen vorzüglichen, gut strukturierten Vortrag gehört, und dennoch hatte eine Frau, die sich zu Wort meldete, nicht verstanden, was erforderlich ist, um aus christlicher Sicht einen Dialog mit anderen Formen der Spiritualität zu führen?“ Dazu bemerkt Erich: Genau diese Frage bewegt mich aber in noch umfassenderem Sinne. Ich frage mich nämlich, ob Vertrauen, in unserem gesamten menschlichen und religiösen Leben von Bedeutung ist, um einen beidseits befriedigenden Dialog zu führen? Lass uns aber hier kurz innehalten, von den offerierten Kleinigkeiten zum Knabbern kosten und auf das Wohl der Gastgeberin und unser Wohl anstoßen: In diesem Sinne, Prosit!“

Nach einigen Minuten ergreift Erich erneut das Wort: „Ich beginne zu ahnen, warum mir das „Stichwort Vertrauen“ so sehr zusetzt. Es scheint ja, als ob uns, ohne dessen immer bewusst zu sein, ein unbedingtes Vertrauen bei all unserem Handeln und Erleben begleitet? Ein Vertrauen in das eigene Denken, Fühlen und Urteilen, wie ebenso in das unserer Gesprächspartner. Erst, wenn bedingt durch gegenseitiges Vertrauen ein schonender Umgang mit der Offenheit zu erwarten ist, kann sich Kritik und Respekt im angstfreien Dialog mit anderen Menschen in Gesellschaft und Politik entfalten. Darauf antwortet Peter: „Genau das könnte der Grund sein, dass wir es in Kontakten manchmal wagen, Sachverhalte anzusprechen, die sonst verborgen bleiben?

Erich antwortet nachdenklich nach Worten ringend: „Ich glaube wir sind in unserem Gespräch auf einer richtigen Spur. Peter, Du bringst mich auf die Ausgangsfrage nach der Funktion des Vertrauens in unserem Leben zurück: Wir Menschen sind von Geburt an auf umsorgende Beziehungspersonen angewiesen, um ein Urvertrauen in den lebensnotwendigen Sinn des Daseins und darüber hinaus in ein das gesamte Lebens begleitendes Gottvertrauen zu entwickeln. Hier stoßen wir an die Sinnfrage im Ganzen, eine vertrauend offenen Haltung, die als Grundlage von Glauben, Hoffen und Lieben, alles Sichtbare und Unsichtbare unserer Existenz, selbst über den Tod hinaus als ein Geschenk begreift. Gönnen wir uns aber an dieser Stelle wieder einige Minuten, damit uns das Nachdenken nicht überfordert. Übrigens, wir genießen heute einen „Lemberger“ aus der Region, Prosit!“

Nach längerem Schweigen sagt Peter: „ Ich war jetzt alles andere, als abwesend, denn es sind mir viele Ereignisse eingefallen, in denen beim Handeln, Urteilen und Entscheiden im Alltag, bewusst oder unbewusst Vertrauen im Spiel war. Ich kann mir beispielsweise nicht vorstellen, dass ich ohne gegenseitiges Vertrauen auch in den Segen Gottes, mit meiner Frau, die leider nicht anwesend ist, so viele Jahre all die guten und schlechten Zeiten geteilt hätte. Das gilt aber auch für alle anderen Beziehungen, wenn sie gelingen sollen.“ Erich antwortet spontan: „Deine Einsicht in die Bedeutung des Vertrauens gilt auch für die Dialoge im gesellschaftlichen und politischen Raum. Ohne Vertrauen und Respekt, allein auf Macht, Kritik und Kontrolle gestützt, scheinen auch die nationalen und internationalen Beziehungen gesellschaftlicher oder politischer Partner nicht zu funktionieren“. Hierauf antwortet Peter: „Wir sollten daher, die in unserer Zeit vielfältig ausgeübte Kritik in Medien, Gesellschaft und Politik, in ihrer Wirkung, gegenseitig  erforderliches  Vertrauen zu zerstören, nicht unterschätzen.“

Erich ergänzt direkt: „Ich denke in diesem Zusammenhang besonders an respektlose, unangemessene Kritik gegenüber Ärzten, Juristen, Theologen, Wissenschaftlern und in der Öffentlichkeit bekannter Personen. „Es könnte sich andererseits aber auch  lohnen, darüber nachzudenken, welches blinde Vertrauen wir in das reibungslose Funktionieren der uns verfügbaren Techniken setzen. Wenn wir zum Beispiel ein Flugzeug benutzen oder mit dem Auto unterwegs sind, dann vertrauen wir auch den Fähigkeiten der Konstrukteure und Technikern, die diese Geräte entwickelten und warten. Dies gilt ebenso für alle Bautechniken, Maschinen und Geräte in allen Lebensbereichen, der Verwaltung, Medizin, Forschung und Datenverarbeitung. Sobald aber ein Ausfall oder  Schaden entsteht, sind wir rasch dabei, nach den Schuldigen zu suchen. Gegebenenfalls bestehen wir dann auf unserem einklagbaren Recht zum Schadensersatz. Tief durchatmend fügt Erich hinzu: „Mir ist nach einer Pause zumute, denn ich bemerke immer mehr wie umfassend, die Funktion des Vertrauens uns auch im Alltag betrifft. Scheint es doch, als ob wir davon ausgehen sollten, dass uns ein Grundvertrauen, bewusst oder unbewusst unser Leben lang über viele Untiefen hinweg trägt. Es könnte einem schwindelig werden!“

Erich schaut wie abwesend, im Raum umher, als könne er sich im Betrachten der ihm vertrauten Gegenstände, ein wenig Halt verschaffen. Peter spricht nachdenklich dem „Lemberger“ zu und knabbert Salzstangen. Einige Minuten ist nur das Ticken der Wanduhr zu vernehmen. Dann räuspert sich Erich und sagt: „Die Frage des Vertrauens in seinen unterscheidbaren Formen hat mich fest im Griff Wir sprachen schon vom Urvertrauen, das im frühen Stadium menschlicher Entwicklung nötig ist, damit ein Kind durch eine Halt und Sicherheit gebenden Person lernt, sich anzuvertrauen. Danach modifizieren wir durch vielfältige Erfahrungen aus gelingenden Dialogen, während des ganzen Lebens unser Urvertrauen so, dass wir in der Lage sind, uns gegenseitig Vertrauensvorschuss einräumen, um mit einander angstfrei reden, und uns vor Übergriffen schützen zu können.

Peter, richtet sich auf und wagt die Frage: „Ist womöglich im religiösen Leben der Menschen, ein noch fundamentalerer Austausch aktiven und passiven Vertrauens gegeben; ein das ganze Leben begleitender und begründender Prozess, in dem das einmal im Urvertrauen erfahrene Geschehen der Sicherheit und Geborgenheit, in dankbarer Weise modifiziert, in der Natur, Kultur und Religion der Menschen, als Gottesgeschenk zu erleben ist? Dass gläubige Christen darüber hinaus, im Vertrauen auf die Zusage Jesu, Erlösung und Freiheit als Gnade erfahren und darauf vertrauen können, dass der Schöpfer und Erhalter des Lebens seine Geschöpfe, uns Menschen den gesamten Kosmos nicht dem Tode überlässt, sondern in ein gelingendes, künftiges Geschehen einbeziehen wird? Jetzt wird mir vor Freude schwindelig, entgegnet Erich: „Denn nun beginne ich zu begreifen, warum mich das Stichwort „Vertrauen“ in Reaktion auf den Vortrag über die Spiritualität nicht mehr los ließ. Vertrauen ist, so verstanden, für uns Christen ein am Anfang des menschlichen Lebens beginnendes, ein über den Tod hinaus, das ganze Sein tragendes Geschehen.

Erich schließt beeindruckt mit den Worten: „ Lieber Peter, am Ende des heutigen Gesprächs, möchte ich vor dem Kreuz, der Gottesmutter und Ikone hier, alle Menschen in den Dialog einschließend für die vielen bewusst und unbewusst erfahrenen Gaben und Geschenke des Vertrauens, das uns von Angst befreit, zu Kindern Gottes macht, danken. Gott der Herr behüte Dich und Deine Familie. Ich wünsche Dir eine gute Heimreise und uns, dass wir das fruchtbare gemeinsame Nachdenken über die Funktion und Bedeutung des Vertrauens in bleibender  Erinnerung behalten!

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