Herbstwanderung

Die Menschen, Felder und Wälder um Oppenweiler, geben ihre Schönheit nicht so leicht preis. Wer aber bereit ist, sich auf diese Region einzulassen, dem wird sie mit der Zeit zur bergenden Heimat. Einige von Ihnen, liebe Leser, werden den Weg das Tal hin, durch den Wald hinauf zum Eschelhof, und über Zell zurück kennen. Ein Wanderer ging oft diesen Weg. Wald und Flur nahmen ihn gefangen, und zerstreuten zuweilen alle Sorgen.

Beim Spaziergang an einem sonnigen Herbsttag sah der Mann vor sich eine Frau mit Kinderwagen und einem wuseligen, neugierigen Hund. Näher kommend, erkannte er die junge Frau wieder. Er hielt an, begrüßte die stolze Mutter und fragte, ob sie ihm erlaube, ihr Kind anzuschauen? Sie nickte zustimmend mit dem Kopf. Behutsam beugte er sich über den Kinderwagen und war beglückt, dem Kind ein Lächeln zu entlocken. Eine kleine Weile bewunderte er das rosige Gesicht und die weltoffenen Augen des Kindes. Es brauchte keine weiteren Worte, als sich der Mann, reich beschenkt, von der glücklich lächelnden Mutter verabschiedete, und seinen Weg fortsetzte.

Der Wanderer ließ nun den befestigten Teil der Strecke hinter sich, sichtlich zufrieden, einen den Füßen angenehmeren Waldweg zur Anhöhe hinauf gehen zu können. Seine betagten Wanderstöcke, die er früher in den Bergen benutzte, erinnerten ihn daran, es ruhig angehen, und die Natur auf sich wirken zu lassen. Da hörte er von fern die Geräusche einer Motorsäge. Als der Mann näher kam, erkannte er ein älteres Ehepaar, das sich abmühte, eine über den Weg gefällte Tanne zu zerlegen. Er hielt an, denn diese am Ort ansässigen Bauern waren ihm sehr sympathisch. Der Wanderer begegnete ihnen oft bei der mühevollen Arbeit in Feld und Wald und bewunderte ihre Treue zur Scholle, obwohl ihr Lebensweg sich dem Ende zuneigte. Sie begrüßten sich freundlich. Als der Wanderer bemerkte, dass den Alten eine Gesprächspause willkommen schien, erinnerte er sich an seine Verwandten, die sich als Bauern ähnlich verhalten hatten. In diesem Augenblick war er sich aber nicht mehr sicher, ob sein Herz diesem Ehepaar, das er seit Jahren kannte, oder seinen Verwandten, die er stets in Ehren hielt, mehr gewogen war. Der Mann bemerkte die körperliche Schwäche der geschäftigen Alten und fragte, warum sie sich in ihrem Alter, diese schwere Arbeit zumuteten? Sie hätten doch verdient, es ruhiger angehen zu lassen. Da schaute ihn die Bäuerin verständnislos an und hatte Tränen in den Augen, als sie antwortete: „Das machen wir einfach so!“ Der Wanderer hatte nicht bedacht, wie sehr dieser Frau die Pflege ihres Mannes und Waldes an´s Herz gewachsen waren. Respektvoll und etwas verlegen, löste er sich daher aus dem Gespräch, verabschiedete sich freundlich, und freute sich darauf, von der Bäuerin wieder einmal ein selbst gebackenes Brot geschenkt zu bekommen.

Nachdenklich setzte der Mann seinen herbstlichen Spaziergang fort. Er hielt erneut an, als er unversehens vor einer mächtigen Buche stand. Viele Jahre behauptete sie schweigend und stolz ihrem Platz neben anderen Bäumen, und wartete darauf, gesehen und bemerkt zu werden. Bis weit ins Geäst hinauf hatte sie an der Wetterseite Moos angesetzt. Als er staunend an ihr empor blickte, erschien sie ihm mit ihrem Blattwerk, wie ein prächtiger, gotischer Dom, dessen Vielfalt nicht zu fassen war. In stiller Bewunderung begann der Wanderer mit der Buche Freundschaft zu schließen und wünschte sich, dass die Buche verstehe, warum er sie nie mehr vergessen würde.

Eine gute Wegstrecke weiter rief der Mann überrascht aus: „Ein Wunder!“ Ein schöner Strauch in herbstlichen Farben hatte seine Aufmerksamkeit gefesselt. Fragt aber bitte den Mann nicht, zu welcher Art dieser Strauch zählte. Er könnte diese Frage gar nicht beantworten. Ihn faszinierte etwas ganz anderes, denn die Blätter des Strauches waren mit unzähligen Tautropfen geschmückt, die wie Perlen im Sonnenlicht glänzten. Es war eben kein gewöhnlicher, sondern ein kostbarer Strauch. Nun war der Wanderer auf weitere Überraschungen eingestellt:

Er geriet erneut ins Staunen und blieb unwillkürlich stehen. Stellt Euch die untergehende, goldene Herbstsonne, mit ihrem milden, und doch so kräftigen Licht vor. Ihr ging der Mann entgegen. Nun just, in diesem Augenblick, schenkt sie dem Wanderer ein besonderes Erlebnis: Sie blinzelte ihm verstohlen durch die Blätter einer Buche zu. Das verwirrte seine Sinne, denn er konnte nicht mehr genau unterscheiden, ob die Sonne, schwabberte oder ob die Blätter der Buche, die sich leicht im Winde drehten, diesen Eindruck hervorriefen. Wer hätte gedacht, dass der Mann dieses Erlebnis vergessen könnte? Aber warum sollte er auch einen so glücklichen Augenblick vorzeitig zu Grabe tragen? Wie ein Lausbub, genoss er nun seine herbstliche Wanderung, und freute sich bei jedem Schritt am Rascheln der trockenen Blätter

Wie so oft bei Wanderungen um Oppenweiler, kam ihm nun auf seinem Weg die Burg Reichenberg vor Augen. Auf wunderliche Weise schien sie ihm aber wie verwandelt. Sie hatte sich im diesigen Licht der Abendsonne in ein feierliches, moosgrün-goldenes Gewand gehüllt. Diese Erscheinung berührte den Wanderer so, dass ihm der Gedanke völlig fern lag, zu klären, welches Naturgesetz diesen Zauber hervorgerufen haben könnte. Einige Schritte weiter hatte die Burg ihr Gewand wieder gewechselt, und schien nun wie in einen kostbaren goldroten Mantel gekleidet. Nie zuvor hatte er bemerkt, dass sich die Burg wie ein Chamäleon verwandeln konnte.

Als der Wanderer dann in die Ebene hinab stieg, und der Reichenberg wieder seine Aufmerksamkeit beanspruchte, war er ein wenig enttäuscht. Die Burg hatte all ihre Farbenpracht abgelegt und stand, wie seit alten Zeiten, den Wanderern in ihrem bräunlichen Gewand als Wächter und Begleiter zur Seite.

 

 

 

Hoffnung-Begegnung-Vertrauen

Vor Jahren entschloss sich im fernen Osten eine junge Frau, nach reiflichen Überlegungen, in ein Kloster einzutreten. In ihrer Familie hatte sie Geborgenheit, Liebe und christlichen Glauben erfahren, und war daher auf ein Leben in einer religiösen Kommunität gut vorbereitet. Dennoch fiel ihr der Abschied von den Eltern, Geschwistern und ihrer Heimat schwer. Zur vereinbarten Zeit klopfte sie mit ihrer geringen Habe an die Pforte des Klosters. Man erwartete sie bereits, und eine freundliche Schwester wies ihr ein sparsam möbliertes Zimmer zu. Von da an nahm sie, der Regel gemäß, als Novizin auch am Stundengebet und der täglichen Heiligen Messe teil.

Die Gemeinschaft mit den Schwestern erleichterten es ihr, sich an ihre Aufgaben im Klosteralltag zu gewöhnen, und ihrer Berufung treu zu bleiben. Die Zukunft lag nun gestaltungsfähig, wie noch unbeschriebene Seiten ihres Lebensbuches, vor ihr. Oft hielt sie den Rosenkranz ihrer Mutter in Händen und brachte alles, was sie erhoffte und befürchtete, im täglichen Gebet vor Gott. Zu dieser Zeit konnte sie noch nicht erkennen, welche Aufgaben sie einmal als Ordensschwester übernehmen sollte.

Im Grunde ihres Herzens war sie aber ein fröhlicher Mensch, und vertraute darauf, dass Gott, der Herr, alles schon zum Besten lenken werde. In ihrer Jugend wurde die Novizin jedoch nicht auf Rosen gebettet, und hatte in einer großen Familie gelernt, Freude, Not und Entbehrungen mit anderen zu teilen. Klein von Gestalt, ließ ihr aufrechter Gang Energie und Zielstrebigkeit erkennen. Neugier und waches Interesse an allem, zeichneten die junge Frau aus. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit, reagierte sie gern mit einem befreienden Lachen. Durch ihr offenes und unaufdringliches Wesen, erleichterte sie es anderen Menschen, ihr vertrauensvoll zu begegnen. Man konnte ihre Lebensfreude und Zuversicht bemerken, wenn sie bei den täglichen Aufgaben ein Lied summte, oder ein Lächeln über ihr hübsches Gesicht huschte. Im Alltag gewannen Personen im Kontakt mit ihr leicht den Eindruck, dass die Novizin aber auch zupacken konnte, wenn es die Umstände erforderten. Sie erfuhr immer wieder Trost, wenn sie auf dem langen, manchmal beschwerlichen Weg durchs Noviziat, bis zur Einkleidung als Ordensschwester, den Rosenkranz ihrer Mutter im Gebet durch ihre Finger gleiten ließ.

Eines Tages rief sie die Oberin zu sich und richtete an die junge Schwester die Frage, ob sie sich vorstellen könne, in Zukunft als Krankenschwester in Deutschland zu arbeiten? Sie atmete erleichtert auf, als sie vernahm, dass sie ausersehen war diesen Dienst zu übernehmen, und entschied nach kurzem Bedenken, die Aufgabe anzunehmen. In der nun folgenden Ausbildung zur Krankenschwester stellte sie wieder ihre Zielstrebigkeit und Ausdauer unter Beweis.

Manche Stunde verweilte die Schwester zur Vorbereitung auf ihren Dienst in Deutschland im stillen Gebet. Ermutigend war für sie die Gewissheit, fern der Heimat erwartet, und in eine Gemeinschaft mit anderen Schwestern, aufgenommen zu werden. Zuvor galt es aber noch, die schwierige deutsche Sprache zu erlernen, um sich mit den Patienten ausreichend verständigen zu können.

Als die Schwester dann eines Tages im Flugzeug saß, über all das, was man von ihr erwartete nachdachte, und die geliebte Heimat ihren Blicken entschwand, vermochte sie die Tränen nicht mehr zu unterdrücken. Sie konnte in diesem Augenblick jedoch nicht sicher erkennen, ob die Tränen Ausdruck des Abschieds oder der Freude über ihre neue Aufgabe waren. Sie schämte sich aber dieser Gefühle nicht, umklammerte den Rosenkranz, und trocknete ihr Gesicht ab. Als sie sich danach im Flugzeug umsah, bemerkte sie eine tröstliche innere Nähe zu den Menschen, die auch zu ihren Zielen unterwegs waren. Nach einem ruhigen Flug kam die Franziskanerin wohlbehalten in Deutschland an, lebte sich bei ihren Mitschwestern ein, und trat froh und zuversichtlich ihren Dienst an.

Ein kleines, munteres Mädchen, saß mit ihrer Mutter auf einer Bank im Wartezimmer des Krankenhauses. Die Franziskanerin kam mit den Besuchern ins Gespräch und erzählte auf deren Nachfrage, dass sie aus Indien komme. Die Schwester freute sich darüber, dass es ihr schon möglich war, der Unterhaltung von Mutter und Tochter zu folgen und ihre Kenntnisse der deutschen Sprache hierzu ausreichten. Schutz suchend, eng an ihre Mutter gedrängt, stellte das Mädchen neugierig und aufgeregt die Frage, warum diese Frau neben ihnen, einen so komischen Hut auf dem Kopf habe? Die Mutter versuchte dem Kind mühsam zu erklären, dass dies kein gewöhnlicher Hut, sondern ein Teil ihrer Ordenskleidung sei. Mit großen Augen staunte das Mädchen, die Schwester an. Die Franziskanerin erkannte nun die Chance, dem Mädchen die Frage in deutscher Sprache zu beantworten. Es war in dieser Situation ja nicht erforderlich, komplizierte Zusammenhänge zu erläutern. Sie unterbrach aber für einen Augenblick ihr Gespräch mit dem Mädchen und sagte, sie habe soeben einen zur Aufnahme angemeldeten Patienten gesehen, den sie begrüßen und zu seinem Zimmer begleiten müsse.

Unsicher um sich blickend, betrat dieser Patient am Arm seiner Frau den Speisesaal der Klinik. Nach einem chirurgischen Eingriff, war es bei ihm erforderlich, die Folgen dieser Operation diagnostisch zu klären. Der Patient beruhigte sich wieder, als die Franziskanerin ihn lächelnd begrüßte, und sich erbot, ihn zu seinem Zimmer zu begleiten. Zurecht führte diese Schwester den Namen „Joyce“, denn sie war unaufdringlich und freundlich um das Wohl der kranken Menschen bemüht.

Erst, als sich der Patient wieder zu Hause in seiner gewohnten Umgebung befand, konnte er sich eingestehen, dass ihn die Untersuchungen trotz der guten Pflege in der Klinik belastet hatten. Noch mehr berührte ihn aber der Verlust seines eigenen, mit vielen Erinnerungen verbundenen Rosenkranzes. War er ihm doch im Laufe der Jahre zu einem wertvollen Begleiter geworden. Ein Gesätz dieses Rosenkrankes zur Nacht gebetet, genügte ihm, um in allen Lebenslagen, in die Ruhe und Geborgenheit eines erholsamen Schlafes zu finden.

Umgehend setzte sich der Patient mit der Schwester „Joyce“ in Verbindung mit der Bitte, sie möge nachforschen, ob sein Rosenkranz in der Station gefunden wurde. Er fand sich nicht. An Stelle dessen erhielt er nach einigen Tagen einen Brief von der Schwester. Er enthielt zu seiner Freude einen neuen Rosenkranz, den sie ihm wohl in Vertretung des „Heiligen Antonius“ schenkte, der von frommen Menschen angerufen wurde, wenn sie einen Verlust zu beklagen hatten.

Einige Wochen später, betrat die Frau dieses Patienten lachend ihr Wohnzimmer, öffnete die rechte Hand und versicherte, dass sie soeben den Lieblingsrosenkranz ihres Mannes wieder in der Waschmaschine gefunden habe. Mit Olivenöl eingerieben, nahm er auch seine ursprüngliche Farbe wieder an, die durch Waschvorgänge gelitten hatte. Seit dieser Zeit besaß der Mann nun zwei Rosenkränze, die ihn als Geschenke an seine Mutter, und die liebenswerte Schwester „Joyce“ erinnerten.

Der Habenichts

Nach einem tiefen, gesunden Schlaf, befiel Habenichts eine innere Bewegung wie vor einem wichtigen Ereignis. Er wollte daher die Augen noch nicht öffnen, obwohl die Sonne schon zaghaft den Tag in ein freundliches Licht tauchte. Zu schön und kostbar war das, was sich seinem geistigen Auge darbot. In staunender Betrachtung verfolgte er das Werk eines inneren Künstlers, der Bild an Bild zu reihen vermochte:

Habenichts befand sich noch träumend, im hohen Mittelschiff einer himmelwärts weisenden, gotischen Kathedrale. Tief beeindruckt von den Altären und Kunstwerken, verweilte er in einer Kirchenbank. Da bemerkte er in einer Seitenempore, einen betenden Mönch, der mit gesenktem Kopf, das den Raum füllende Orgelspiel in sich aufnahm.

Plötzlich schien es Habenichts, als könne auch er die Orgelklänge hören, die sich mit den hochstrebenden Pfeilern des gotischen Innenraumes, zu einem feierlichen Lobgesang vereinigten. Und es weitete sich sein innerer Blick: Er erinnerte sich an die schönsten Augenblicke seines Lebens, in denen er die Nähe Gottes fühlen durfte. Der Gesang und die Musik schienen nun, wie auf Engelsflügeln, den Kirchenraum zu verlassen. Alles sollte jetzt mitsingen, dachte Habenichts, in seiner kindlichen Freude, die ihn ergriff.

Was hatte er doch für wunderbare Ohren: Die Sterne begannen zu klingen, die Quellen und Wasserläufe stimmten auf ihre eigene Weise mit ein. Der Wind bewegte, wie von Geisterhand, Blätter und Büsche zu einem einzigen großen Rauschen. Die Tier und alle Lebewesen konnten nicht ruhig bleiben. Auch die im Osten aufgehende Sonne stimmte in den Lobgesang mit ein.

Habenichts fühlte sich in seinem Federbett ruhend, von wunderbaren Geschenken überschüttet. Er wagte es noch nicht, zu erwachen, um ja nichts von diesem Erlebnis zu versäumen. Still, im ruhigen Atmen, war er bereit, all das Schöne geschehen zu lassen. Es schien ihm, als wäre das ganze Universum ein einziger großer Gesang und er, berufen, seine Freude hinauszujubeln.

Raum und Zeit verlor ihr Maaß. Habenichts vernahm die Musik aller Zeiten von Frauen, Männern und Kindern, die in den feierlichen, Gesang einstimmten. Seine feinen Ohren hörten sogar die Melodie der Sprache und Werke aller Menschen. Nichts und niemand sollte vom weltumspannenden Lobgesang ausgeschlossen sein. Auch Habenichts stimmte erwachend, und vor Freude zitternd, zunächst leise, und dann mit immer festerer Stimme in den Sphärengesang: „Ad Deum ad Dominum, ad Deum ad Domininum, ad Deum ad Deum oramus!“ ein.

Trostlied

Alles quillt aus Gottes Händen

jeder Anfang und das Enden

der HERR legt Dir die Hände auf

und segnet Deinen Lebenslauf

 

IHM galt Dein Dienst in dieser Zeit

der schönste Ort ist Dir geweiht

ER breitet weit die Arme aus

an seiner Brust bist Du zu Haus

 

Geisterfüllte Emmaus – Brüder

singen frohe Osterlieder

künden´s allen Landen

CHRISTUS IST ERSTANDEN !

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