Das Suchen und Finden

Im Krankenhaus musste ich den Ehering vor einer Operation abgeben. Seit unserer Trauung vor Jahren, legte ich diesen Ring nie ab. Er war mir zu einem wichtigen Symbol unserer Ehe geworden. Diesen Ehering vermisste ich sehr. In meiner Not rief ich den Heiligen Antonius zur Hilfe. Er hat mich noch nie im Stich gelassen. Was hab ich nicht alles unter seinem Beistand in unserem Ehealltag wieder gefunden. Da ging die Türe zu meinem Zimmer plötzlich auf. Eine Schwester trat ein und zeigte mir an einem Plastikband einen Ring mit der Frage, ob ich ihn vermisse. Es war mein Ehering. Manchmal gelang es mir auch im Alltag, einen Gegenstand, Haus- oder Autoschlüssel, ohne einen himmlischen Beistand durch gezielte Überlegungen wieder zu finden. Dieses Suchen und Finden erlebe ich auch in Hamburg zusammen mit unserer Töchter Veronika, Christiane und den Enkeln. Wenn sie sich hinter ihren Händen oder unter dem Badetuch verstecken, um dann wieder gefunden zu werden, strahlen sie jauchzend über das ganze Gesicht.

Das stetige Suchen und Finden begleiten uns auf unserem ganzen Lebensweg: Wie oft suchte ich nach einem Wort, einem Begriff oder passenden Ausdruck für ein Ereignis. Auch als ich den Text „die Spukgestalten und Geister“ geschrieben hatte, entstand ein Zustand spannungsgeladener Erwartung und Neugier. Ich habe gelernt, dass es in solchen Situationen gelegentlich hilfreich war, sich eine kleine Pause zu gönnen, um Abstand zu gewinnen. Danach konnte es geschehen, dass mir das gesuchte Wort, der Begriff oder einige passende Aphorismen wieder einfielen. Ich überließ mich daher dem Spiel der Gedanken, in der Hoffnung, dadurch ein neues Ziel zu finden, das mit meinem inneren Interesse übereinstimmen könnte, denn so entstanden viele meiner Texte. Vielleicht kennen Sie, liebe Leser, eine ähnliche Suche nach den nächsten Zielen Ihrer Aufmerksamkeit auch? Da sich aber nach meiner Geschichte auf diese Weise kein weiterführender Einfall einstellte, entstand die Frage, was die Störung des Suchprozesses für mich bedeute? Ich musste daher das Ziel des Suchens verändern und entschloss mich, nun diese Störung und deren Ursache zu untersuchen. Wir dürfen gespannt sein, wohin uns die Analyse dieser produktiven Hemmung führt?

Im Unterschied zu meinem früheren beruflichen und familiären Alltag, war beim Übergang in den Ruhestand ebenfalls eine Änderung der Blickrichtung gefordert. Es wurden weniger Aufgaben von außen an mich herangetragen. Als ich gleichzeitig zu schreiben begann, änderten sich auch die angestrebten Ziele: Zunächst war es für mich sehr gewöhnungsbedürftig, Pflichten abzugeben, dann aber gewann ich zusehends Freude an der mir geschenkten Freiheit, nun Herr über den Tag und die Stunden zu sein. Ich lernte zusehends mehr, auf die eigenen Empfindungen und meine Reaktionen bei Ereignissen in der Umwelt zu achten. Ich entwickelte auch ein Interesse, die eigenen Gedanken und Gefühle, meinen Lesern in verständlicher Form mitzuteilen. Mit anderen Worten: Ich lernte „aus dem Leben für das Leben“ Texte zu schreiben, die mir bedeutungsvoll erschienen. Heute frage ich mich ja auch, was die gelegentliche Hemmung beim Schreiben bedeutet und ob sich dieser Zustand verändert, wenn ich in eine andere Richtung blicke. Im Augenblick achte ich zum Beispiel nur darauf, was mir zum Thema „Suchen und Finden“ noch einfällt: Dem Sprichwort „wer sucht, der findet“ gemäß, ist unser suchender Geist ja immer in Bewegung auf ein zu findendes, lohnendes Ziel. Die Auswahl der Ziele scheint jedoch nach den individuell wechselnden Bedürfnissen des Suchens, und der subjektiven Bewertung und Bedeutung dieser Ziele zu erfolgen. Aus Erfahrung lässt sich hoffen, dass uns auf diese Weise eine neue Idee oder ein nächstes interessantes Thema einfallen könnte. Es scheint allerdings so, als ob das je angestrebte neue Ziel, nur teilweise die erwartete Befriedigung verschaffen könnte. Dennoch treibt uns eine innere Unruhe ständig an, Teilziele zu verfolgen. Könnte es daher sein, dass sich hierdurch die Spannung erklärt, die wir als  Hemmung beim Schreiben erleben, die sich auch  nach Verwirklichung eines Teilzieles wieder einstellt?  Immer dann, wenn wir jedoch ein Ziel verfolgen, das mit unseren inneren Erwartungen, übereinstimmt, ist dieser Vorgang von der beruhigenden Erfahrung begleitet, auf dem rechten Wege zu sein. So ergeht es mir auch seit dem Augenblick, als ich mich daran machte, mit Ihnen über das Thema der Hemmung beim Schreiben zu reden. Das Nachdenken darüber setzte den Prozess des Suchens und Findens wieder in Gang. Er führte mich aber zu einem anderen Hinblick des Erkennens: Unseren jeweiligen Teilzielen scheint ein Bedeutungsüberschuss eigen zu sein, der zur Frage führt, was letztlich unsere Suchbewegung über alle einzelnen Ziele hinaus verursachen könnte? Mir fällt da der Satz von Augustinus ein “Unruhig ist mein Herz, bis es Ruhe findet in Gott“. Könnte es sein, dass die verwirklichten Teilziele in ihrem Bedeutungsüberschuss, letztlich auf Gott unseren Schöpfer verweisen? Wenn uns aber schon die eigenen Kreationen und die Vielfalt der Dinge dieser Welt in ihren Grenzen erfreuen, wie groß muss dann unsere Freude sein, den Schöpfer zu erkennen, der unseren Teilzielen hier auf Erden und dereinst in Ewigkeit, Dauer und Bestand verleiht? Nur noch wenige Tage trennen uns von Weihnachten. Dann feiern wir mit der Kirche in der Geburt Jesu des Gottessohnes die Erfüllung der adventlichen Sehnsucht aller Menschen und Geschöpfe. ER, der Gottessohn, will im im Gehorsam zum Vater im Heiligen Geist durch Maria, die Erwählte, auch in unserer Herzensgrippe wohnen, um uns vor  allem Bösen zu bewahren, um unsere Sehnsucht nach ewiger Liebe, im Reich der Gerechtigkeit und des Frieden zu stillen.  Heil, Segen und frohe Weihnachten im Herrn.

Maria mit dem Kinde lieb uns allen Deinen Segen gib.
Franz Schwald
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