Der Clown

Einige Lichter erlöschen im Zelt. Nur ein Scheinwerfer strahlt den roten Vorhang an. Charlie, der Clown, öffnet ihn vorsichtig einen Spalt, schließt ihn, und wiederholt das Spiel. Dann tritt er scheu vor den Vorhang, dreht sich verlegen hin und her und zupft nervös an den weißen Handschuhen, als ob er sich vor den im dunklen Zirkuszelt sitzenden Menschen fürchte. Unter einem bedauernden „Ohh“ des Publikums flüchtet er wieder, um danach im wiegenden Rhythmus eines langsamen Walzers, mit einer eleganten Geste, stolz seine imaginäre Geliebte, in die Manege zu führen. Der Scheinwerfer tastet die linkischen Bewegungen des Clowns ab, der nach einer werbenden Verbeugung, die Arme ausbreitet, um mit der unsichtbaren Partnerin zu tanzen. Sein roter Mund, verzieht sich zu einem zufriedenen, breiten Lächeln, als er nach anfänglichem Stolpern überrascht bemerkt, dass ihm einige Schritte im Takt der Musik gelingen. Stolz, geradezu selbstgefällig, führt er seine unsichtbare Partnerin am Arm zu einem Stuhl in der Manege und bedankt sich generös. Unter mehrfachem Augenzwinkern und einigen Kusshändchen, wendet er sich ihr noch einige Male zu.

Nun steht er, allein und verlegen, inmitten der geräumigen Manege. Der Lichtkegel des Scheinwerfers erfasst seine übergroßen, roten Schuhe, und gleitet an der schmächtigen Gestalt des Clown´s, empor, der in einer weiten, grün karierten Hose steckt. Die viel zu große, rot grün-blau gemusterte Jacke, reicht ihm bis zu den Knien. Ein weißer, smoking-ähnlicher Schalkragen, gibt den Blick auf ein weiß-rotes, gestreiftes Trikot frei. Am hageren, aus der Jacke herausragenden Hals des Clown´s, hängt schräg eine rote Schleife mit blauen Punkten. Jetzt steht er im vollen Licht, zupft sich verlegen an den weißen Handschuhen und blickt ab und zu Hilfe suchend zu seiner imaginären Geliebten. Im weiß geschminkten Gesicht mit dem roten Mund, den blau markierten Augen und der charakteristischen vierkantigen roten Nase, breitet sich immer mehr ein Lachen aus. Die Glatze mit dem spärlichen Haar-Rand und dem feschen roten Hütchen mit blauer Feder, wackelt im Takt mit. Das Publikum erkennt nun im vollen Licht des Scheinwerfers unter spontanem Beifall seinen Liebling. Die gleichzeitig eingeschaltete Beleuchtung verwirrt Charlie aber so, dass er erschrocken die Manege im Rückwärtsgang wieder verlassen will. Zum Glück bleibt er. Mit wenigen Gesten hat Charlie wieder einmal, die Herzen des zahlreichen Publikums gewonnen. Mit energischen Handbewegungen fordert er für sich einen Tisch und einen Stuhl. Es dauert eine ganze Weile, bis die in weinroter Kleidung, mit goldenen Knöpfen und Kordeln steckenden Helfer, ihre Aufgabe begreifen. Charlie fasst sich ab und zu ans Herz, faltet die Hände und strahlt, als die gewünschten Gegenstände vor ihm stehen.

Er betastet vorsichtig Tisch und Stuhl. Als ob er so etwas zum
ersten Mal sähe, prüft er umständlich deren Form und Standfestigkeit. Er setzt sich, zum Ergötzen des Publikums, sehr vorsichtig auf den Stuhl, immer prüfend, ob dieser nicht zusammenbrechen könne. Er probt nun spielerisch und vergnügt verschiedene Szenen durch: Zunächst sitzt er wie ein Lehrer hinter dem Tisch, der eine Schulklasse bei einer Klassenarbeit beaufsichtigt, dann wie ein Beamter am Schalter, der es mit seinen Pflichten sehr ernst nimmt. Er lehnt sich schließlich gemütlich zurück und scheint die Musik des Orchesters zu genießen. Plötzlich wirkt Charlie sehr besorgt, als ob er annähme, dass sein Publikum mit der bisherigen Vorstellung nicht zufrieden sein könne. Nach einer kurzen, nachdenklichen Pause, deutet er durch Gesten an, dass er drei Gefäße benötige. Die Zirkusdiener bringen, nachdem ihnen der Clown etwas ins Ohr flüsterte, drei durchsichtige Krüge mit
roter, gelber und blauer Seifenlauge und ein Glas, in dem verschiedene Röhrchen stecken. Die Musik spielt ganz leise. Charlie reibt sich vergnügt und zufrieden Hände und Bauch und beginnt mit den Röhrchen unterschiedlich große, farbige Luftballons auf zu blasen, die sich nach einiger Zeit von den Röhrchen trennen und von ihm mit zarten Gesten verabschiedet werden. Die vielen Kinder folgen staunend den Seifenblasen, die sich manchmal in Gruppen und dann wieder einzeln in die Luft erheben und sich einen Weg durchs Zirkuszelt bahnen. Jedes Mal, wenn eine Seifenblase an einem Seil, einer Tragestange oder am Zirkuszelt zerplatzt, ertönt ein bedauerndes „Ohh…“. Unter dem Beifall der Zuschauer und Kinder zaubert Charlie immer größere Seifenblasen, die rot-gelb-blau schimmern, aus den Röhrchen hervor. Er scheint glücklich bei seinem Spiel und klatscht mit dem Publikum in die Hände, wenn ihm schöne Gebilde gelingen.

Nun begibt sich Charlie zu seiner unsichtbaren Geliebten, setzt
sich zu ihr, streichelt sie, umarmt sie und gibt ihr mehrere Küsschen. Sie scheint wie das Publikum mit seinem Auftritt zufrieden zu sein. Ein Trommelwirbel setzt ein. Der Clown bläst als Hauptattraktion aus einem längeren Röhrchen unter zunehmendem Beifall eine Seifenblase auf, die so groß wird, dass sie die Verliebten wie in einem Haus umschließt. Charlie wirkt sehr traurig, als nach einem kräftigen Tusch des Orchesters, sein Traumhaus zerplatzt. Er verbeugte sich mit seiner unsichtbaren Geliebten, zeigt dem Publikum, die leeren Krüge, bekommt einen echten grünen Ballon zur Belohnung, und tanzt mit seiner imaginären Partnerin vergnügt aus der Manege heraus. Der nach einer kleinen Kunstpause einsetzende, rauschende Beifall des Publikums, will kein Ende nehmen. Alle übrigen Artisten, die ihre Künste am Trapez und Hochseil zeigten, die Löwen, Bären und
Elefanten vorführten, bekamen auch Beifall. Nichts aber hat die Kinder mehr begeistert, als der Clown Charlie, der einfach nur mit Seifenblasen spielte. Hinter dem roten Vorhang findet er ein ruhiges Plätzchen und träumt noch ein wenig dem Beifall und den Seifenblasen nach. Er wirkt glücklich und zufrieden. Ist es ihm doch wieder einmal gelungen, zusammen mit den anderen Künstlern, Artisten, den Tieren und vielen Helfern, seine geliebten Kinder und die Erwachsenen mit einem faszinierenden Programm zu begeistern. Schade, dass das Gastspiel, wie alles Schöne, so schnell zu Ende geht.

Kinderfreude
Franz Schwald
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