Fastenbetrachtung

Im Namen des Vaters des Sohnes und des Heiligen Geistes. O Gott, DU hast in dieser Nacht so Väterlich für uns gewacht. Wir danken loben preisen DICH für alles Gute gnädiglich. Bewahre uns auch diesen Tag, dass uns kein Leid geschehen mag. Öffne unsere Herzen und Sinne für DEINE herrliche Gegenwart in DEINEN Werken und im Wirken in uns:

Vor aller Zeit, in DEINER DREIFALTIGEN EINHEIT mit dem Sohn und dem Heiligen Geist, hast DU in DEINER unerforschlichen Liebe entschieden, dass es Menschen, Geschöpfe aller Art, den Kosmos und nach der Zeit, im Himmel bei DIR, ewiges Leben gibt. Täuschen wir uns nicht, und lassen wir uns nicht täuschen. Wir haben uns und das wunderbare Universum, in dem wir leben, nicht erschaffen, erkennen aber, dass es uns und diesen Kosmos gibt. Die Heilige Schrift und die Kirche belehrt uns aber, dass wir alles, was wir sind und haben, und was es auf Erden, und im Universum DEINER heiligen Liebe gibt, allein DIR, unserem Herrn und Gott verdanken.

Heilig, heilig, heilig bist DU, geliebter Vater, Sohn und Heiliger Geist. DIR allein gehören wir, als Söhne und Töchter. Hilf uns gnädig, dass wir DICH, unseren Herrn und Gott, für alles, was DU uns gewährst und schenkst, von Herzen kraftvoll mit allen Sinnen lieben. DU hast uns Brüder, Schwestern und Geschöpfe im Himmel und auf Erden, als unsere Nächsten, und Lebensgefährten zur SEITE gestellt. Gib DU Herr, dass wir Sie wie uns selbst lieben, und mit ihnen die Freude über DICH, und DEINE Gaben im Reich der Gerechtigkeit und des Friedens teilen.

DEIN allerheiligster Wille, Vater Sohn und Heiliger Geist, geschehe wie im Himmel DEINER selbst, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Lass nicht zu, dass wir die uns gewährte Freiheit missbrauchen und uns an DIR und unseren Nächsten versündigen. Schenke uns Mitleid mit DEINEM Sohn, der unserer Verfehlungen wegen, mit SEINEM Leben, Kreuzestod und Auferstehung bei DIR Sühne leistete. Nimm auch unseren Schmerz, und die bittere Reue über jede Abwendung von DIR, Allerheiligster, und alles Böse gegen unsere Nächsten und uns selbst gnädig an, und vergib unsere Schuld. Die Kraft des Heiligen Geistes komme über uns, helfe unserer Schwäche auf, und bestärke, heilige und erneuere uns, im Glauben Hoffen und Lieben. Heilige Maria, unsere und Jesu Mutter, ihr Heiligen, Seligen, Brüder und Schwestern, bittet für und mit uns, dass wir würdig werden der Verheißungen Christi, unseres Herrn und Meisters.

Der Herr ist für uns gestorben und vom Tod auferstanden-

Die Hotzen und ihr Bischof

Zwei Jahre war ich wärend des letzten Krieges bei Verwandten auf dem Hotzenwald. Ich ging einen langen Weg von Giersbach nach Kleinherrischwand zur Schule, und war in einer gemischten Klasse mit Buben und Mädchen zusammen. Das Lernen fiel nicht schwer, so dass ich mich gut zu behaupten verstand. Dies umso mehr, da uns als Lehrerin, eine hübsche, freundliche Elsässerin unterrichtete, in die ich mich jungenhaft verliebte.

Mit der fleißigen und frommen Bergermutter war ich täglich zusammen. Sie erinnerte mich an meine Großmutter, die ich nach deren Tod oft schmerzlich vermisste. Sie hielt mich an, und ich ging gerne mit ihr zu den Gottesdiensten in die Kapelle in Giersbach, und in die Pfarrkirche nach Herrischried. Gelegentlich gab es im Berger-Haus eine “Notschlachtung“. Der Pfarrer wurde dann reichlich bedacht. Ein Stück Butter, frisches Fleisch und Geräuchertes, hatte ich im Pfarrhaus abzuliefern. Zu meiner größten Verwunderung besaß die Köchin auch mitten im Sommer noch Weihnachtsgebäck, um den Träger zu entlohnen.

Ganz deutlich tritt nun die hagere, leicht nach vorn geneigte, große Gestalt, das von Falten zerfurchte Gesicht mit dem energischen Kinn, den lebhaften, gütigen Augen, und dem leicht gewellten, schlohweißen Haar, der Herrischrieder-Pfarrer, aus dem Strom der Erinnerungen hervor. Die Bauern nannten ihn liebevoll „ihren Hotzenbischof“. Stolz trug er seinen Römerkragen, und war unentwegt bemüht, seine weit zerstreute Gemeinde bei Wind und Wetter zu betreuen. Die Bergermutter führte das Familien-Privileg, die Geistlichen zu verköstigen, wenn sie wöchentlich in der Kapelle Gottesdienst hielten, gern und getreulich fort. Sie war dabei immer ein wenig aufgeregt, richtete die Stube fein her, deckte den Tisch mit dem schönsten Geschirr und bediente den hohen Herrn mit besonderer Sorgfalt. Der Bergervater zog sich indessen immer etwas verlegen zurück, um ein Zusammentreffen mit dem Pfarrer zu vermeiden. Mich wunderte es als Junge sehr, wie es kommen konnte, dass die Bergermutter mitten im Krieg in der Lage war, Bohnenkaffee anzubieten, und weshalb es nötig war, der guten Milch noch zusätzlich Sahne hinzu zu fügen. Jedes Jahr in der Fastenzeit war das Patrozinium. An diesem Tag wurde den Geistlichen eine Torte mit violettem Zuckerguss serviert. Pfarrer Rombach wusste sicher nichts davon, dass ich, während des Frühstücks der Herren, beim Melken im Stall fast verzweifelte, bei der Vorstellung, dass der Pfarrer und ein zusätzlicher Vikar mir nichts mehr von der Torte übrig lassen könnten. Ich bekam aber zu meinem Trost noch ein großes Stück ab.

Es war eine kleine, fromme Gemeinde, die sich zu den wöchentlichen Gottesdiensten in der schlicht eingerichteten Kapelle in Giersbach einfand. Hier war ich, ganz dicht hinter dem Priester, dem heiligen Geschehen besonders nahe. Ich folgte den Gebeten und Handlungen mit großer Aufmerksamkeit, und sehe den Pfarrer in seinem römischen Messgewand vor mir wie er, andächtig ergriffen, seinen Rücken beugt, die Einsetzungsworte spricht, die konsekrierte Hostie zur Anbetung hoch hält, die Kommunion austeilt, und uns den Segen spendet. Alles geschah in beeindruckender Würde und Feierlichkeit, und die wenigen, kräftigen Stimmen, schenkten Geborgenheit, und fülten den Raum im gemeinsamen Gotteslob.

Auf Pfarrer Rombach konnten wir uns verlassen. Er kam bei jeder Witterung zu Fuß. In einem besonders strengen Winter, bei hohem Schnee und Nebel, gab es einmal eine große Aufregung, als der Pfarrer ausblieb. Einer rasch zusammen gestellten Rettungsmannschaft gelang es schließlich, ihn zu unserer Freude wieder zu finden, und gesund nach Giersbach zu bringen. Pfarrer Rombach genoss wegen seiner seelsorgerischen Pflichterfüllung, und den Kontakten zu dem ihm Anvertrauten, als fürsorglicher Vater und Freund, hohes Ansehen. Er ließ es sich nicht nehmen, soweit es seine Kräfte erlaubten, mit anzufassen, um der Berger-Familie bei der Heuernte zu helfen. Man fand ihn dort bei den Frauen, denen er half, das Heu mit dem Rechen zu Maden zusammen zu ziehen.

In den Kriegsjahren war es  Pfarrer Rombach nicht gestattet, in der Schule zu unterrichten. Wir trafen uns daher in einem der Schule nahe gelegenen Bauernhaus. Er stand mit lebhaften Gesten in der einfachen Stube. Wir Buben und Mädchen scharten uns, dankbar und stolz,  auf Wandbänken und Stühlen um ihn. Anschaulich, bildhaft, lebendig und einprägsam, erklärte er uns die Glaubensgeheimnisse, und erschloss uns die Schrift. Er bewirkte durch seine Standhaftigkeit, dass auch wir ermuntert wurden, unseren katholischen Glauben zu lieben, und in einer Zeit zu bekennen, in der die damaligen Machthaber dies nicht schätzten. Gerade in den Kriegsjahren scharten sich nicht nur die Gläubigen um ihren „Hotzenbischof“. Mutig leistete er in der Kraft seines Auftrags und Glaubens, den Nationalsozialisten entschiedenen Widerstand. In der Pfarrkirche donnerte er von der Kanzel: „Ich bin ein Soldat Gottes, und ich weiche nicht von der wahren Lehre ! “. Die Gestapo saß im Kirchenschiff und stenographierte seine Predigt mit, wagte aber nicht ihn zu verhaften. Dies hätte einen Aufstand gegeben unter den Katholiken, denn Pfarrer Rombach hatte einen großen Rückhalt in der ganzen Bevölkerung.
Gelegentlich halte ich das Sterbebild des „Hotzenbischofs“ stumm in meinen Händen, der nach einem treuen und erfüllten priesterlichen Leben in einem violetten römischen Messgewand in seinem Sarg liegt. Er hat seinen Frieden beim Herrn wahrlich verdient. Dem aufrechten und treuen Priester, Pfarrer Rombach, schulde ich schon länger eine Geschichte, in der lebendig werden sollte, was mich mit Ihm, dem Hotzenwald und den Menschen dort verbindet. Dieses Versprechen mußte ich einlösen!

Hoch gelobt sei ohne End das hochheilige Sakrament

 

 

Der Kreuzweg unseres Lebens

In schmerzlichen Trennungen von lieben Menschen, beim Leiden unter den Grenzen unseres Daseins, in Angst, Schuld und Einsamkeit, hat es mir oft die Sprache verschlagen. Aber auch im Verstummen blieb noch die Hoffnung, dass Gott der Herr, unsere Klagen hören, und alles zum Guten wenden könne. Ich kenne jedoch auch Situationen, in denen mich der Schmerz so gefangen nahm, als gäbe es nur mein überwältigendes Leid. Jeder Mensch erfährt wie ich, in seinem Leben unausweichlich sein eigenes Kreuz. Wir Christen dürfen darauf vertrauen, dass uns der Herr in allem beisteht und uns hilft, die Last zu tragen. Vielleicht möchte uns der liebende Gott durch Kreuz und Leiden auch nur von ungeordneten Strebungen befreien. Ich kann mir Gott den Herrn, der seine Schöpfung für gut befindet, nur als „deus caritas est“ vorstellen. Mich erschreckt zutiefst, dass wir der Versuchung erliegen könnten, unser Kreuz, das uns mit Jesus Christus verbindet, zu verleugnen. Dies wäre das reine Entsetzen, ein Abweichen von Gottes Wegen, um Götzen zu dienen.

Wohin uns die Anbetung fremder Götter nach „unserem Bild und Gleichnis“ führen kann, das ist auch in unseren Tagen auf vielfache Weise zu beobachten. Scheint doch die Verweltlichung und Abkehr der Menschen von Gott wie allgegenwärtig. Wir können das uns auferlegte Kreuz im Zerbrechen von Beziehungen, bei gegenseitiger Entwürdigung, im Leid, Elend und all unseren Grenzen im Alltag hautnah erleben. Wie wohl tut es dann, wenn Christen bei einander wohnend, sich die Hand reichen, das Mögliche unternehmen, sich gegenseitig trösten, und Gott unsere Not klagend, um Sein Erbarmen anrufen. Wie nötig ist doch im Leid das tröstende Wort, die bergende Hand, oder ein verständnisvolles Schweigen. Dass auf diese Weise manchmal ein Stück Himmel auf Erden, Gottes Reich wahrer Liebe ein wenig aufleuchten kann, durfte ich in der Arbeit als Psychotherapeut und in anderen Begegnungen mit Menschen gelegentlich erfahren. In solchen Situationen kann man dann erkennen, was es bedeutet, wenn einer der anderen Last trägt.

Das ist aber für uns Christen noch nicht die ganze Wahrheit. Denn aus allem Scheitern und Leiden erwächst ja auch immer wieder neue Hoffnung, Vertrauen und Liebe zu einander und zu Gott unserem Vater. Er vermag in uns die Barmherzigkeit, und das Mitleid für einander zu erwecken, dessen es bedarf, um Sein Reich des wahren Friedens aufzubauen. Unser Herr und Meister Jesus Christus geht uns auf diesem Weg voran, und lehrt uns IHM mit unserem eigenen Kreuz zu folgen. Dabei kann es geschehen, dass wir manchmal mehr unser eigenes, und nicht so sehr Jesu und Gottes Leid sehen und beklagen. Wer aber vermag zu ermessen, was der Herr an physischer und psychischer Gewalt bei SEINER Kreuzigung, und durch die Ablehnung SEINER Liebe und Sendung, für uns gelitten hat? Wie sehr muss Gott, unser Vater, menschlich gesprochen. immer wieder leiden, wenn wir IHM die kalte Schulter zeigen, als müssten wir einen Störenfried aus unserem Leben beseitigen. Gott aber lässt trotz allem, nicht ab von SEINER Liebe. Mit offenen Armen geht ER immer wieder auf uns zu, oder trägt uns wie ein verirrtes Schaf, auf Seinen Schultern ins Reich des Friedens zurück. Das Kreuz und Leid in unserem Leben erinnert uns immer wieder daran, wie nötig wir den Herrgott brauchen. Lassen wir daher vom göttlichen Winzer alle ungeordneten Strebungen in uns beschneiden, damit der wahre Gott, der Gegenwärtige, uns im Kreuz und der Auferstehung Seines Sohnes begegnen, und im Heiligen Geist trösten, beleben und stärken kann. Aller Willkür und dem Spott ausgeliefert, fragt uns der Herr vom Kreuz herab, ist einer da, der Mitleid mit mir hat. Ich sage: Ja mein Herr und mein Gott „ adsum“. Immer wieder habe ich schwer darunter gelitten, wenn man DIR, einem meiner Brüder oder Schwestern ein Leid zufügte. Erbarme DICH meiner, erbarme DICH unser. Ich höre wie von fern DEINE Worte „heute noch wirst Du mit mir im Paradiese sein“. Lassen wir Kreuzträger diese tröstenden Worte Jesu, tief in unsere geschundenen Herzen dringen. Welch ein Jubel, welch ein Trost für uns alle.

Bleiben Sie im Segen!

Ihr Franz Schwald aus Oppenweiler

Der Herr ist für uns gestorben und vom Tod auferstanden-

Der kleine Engel

Es gab einmal vor vielen Monden »eine arme Seele«. Sie lebte auf Erden, fromm und in Frieden. Güter und Reichtum verteilte sie an arme Menschen. Geld und Besitz hätten für ihre letzte Reise eh nichts genutzt. Wo hätte sie schon eine Fahrkarte in den Himmel lösen sollen? Als sie so an sich heruntersah, barfuß, mit einer Kutte wie sie Mönche tragen, kam sie sich recht unbedeutend vor. Sie war sich auch nicht mehr sicher, ob sie bei ihrem Lebenswandel das Geschenk des Himmels wirklich verdient hätte. Ihre Jugendzeit, in der sie es mit den Tugenden nicht so genau genommen hatte, stand ihr noch lebhaft vor Augen. Sie liebte es damals, froh zu sein, Gesellschaft um sich zu haben, war dem Wein, dem lockeren Leben und den schönen Frauen verfallen. Bei genauer Betrachtung, war sie auch als Kind kein reines Lämmchen: Sie erinnerte sich an gestohlene Birnen, Äpfel und Kirschen; an so manche handfeste Lüge und kleinere Notlügen. Manchmal wäre es besser gewesen, weniger hitzig zu sein, und nicht so kräftig Prügel auszuteilen, wenn sie sich im Unrecht fühlte. Nachdem sie viele Jahre in Saus und Braus gelebt hatte, selbst dabei nicht wirklich froh wurde, und auch erkennen konnte, dass andere Erdenbürger, trotz vieler Reichtümer, nicht glücklich wurden, kam sie ins Nachdenken. In dieser Zeit hörte sie einmal eine Stimme – wie vom Himmel -, die sie ermahnte und bat, sie möge doch die zerstörte Kirche wieder aufbauen. Wenn sie dem Herrn Jesu nachfolge und auf Reichtum verzichte, dann könne sie hundertfältigen Lohn erwarten und sehr glücklich werden. In ihrer Erdenzeit war die arme Seele immer sehr großzügig, und hielt ihre Tisch- und Zechgenossen frei. Nun legte sie die schönen Kleider ab, gab ihr Erbe preis, und teilte den Reichtum mit den Armen. Jetzt erst bemerkte sie, wie viele hilfsbedürftige Menschen es gab. Die einen hatten kaum etwas zu essen. Andere waren mutlos und verzweifelt, wussten mit ihrem Leben nichts anzufangen oder lagen krank und siech danieder. Die arme Seele behielt für sich nur noch eine Kutte, die sie vor Kälte und Regen notdürftig schützte, Sandalen und einen Wanderstab. Wenn sie über ihr bisheriges Leben nachdachte, vergoss sie manche Träne. In lauen Nächten schlief sie unter Bäumen, und wenn es kalt wurde, in einer Höhle. Sie ernährte sich von Beeren und Pilzen und von Gaben meist selbst sehr armer Menschen. Die arme Seele betete, wie sie es gelernt hatte, das Kreuzzeichen, Vaterunser, Ave-Maria auch für die Kirche und pries Gott für alle Gaben. Andere fromme Seelen bemerkten, dass die arme Seele zufrieden und glücklich war mit den schönen Dingen, die es auf Erden gab. Wenn sie sich irgendwo im Walde zur Rast setzte, konnte es geschehen, dass Ihr Tiere Gesellschaft leisteten. Rehe, Hasen, selbst der mächtige Hirsch suchten die Nähe der armen Seele, die stets bereit war, ihnen von dem Wenigen das sie besaß, etwas ab zu geben. Manchmal brauchte sie nur die Hand auszustrecken und eine Amsel oder Elster ließ sich darauf nieder. Wenn dann alle Tiere versammelt waren, konnte es geschehen, dass sie ihnen wie ein Pfarrer im Gotteshaus, eine Predigt hielt. Die Tiere waren dabei mucksmäuschenstill, und jagten selbst die lästigen Mücken nur mit größter Sorgfalt weg. Die arme Seele hatte nämlich in ihren Predigten dazu aufgerufen, dass großer Friede herrschen solle. Erst, wenn sie nach einer solchen Versammlung allen den Segen erteilt hatte, zogen die Tiere ihres Weges.

Eines Tages war die arme Seele unter einem großen Birnbaum eingeschlafen. Plötzlich erscholl zartes Engelsgeläut, das immer näherkam. Da ertönte eine tiefe Stimme, die sprach: »Franziskus, Franziskus!« Die arme Seele erschrak. Dann kamen einige kleine Engel herbei. Sie hielten Glocken in den Händen, denen sie himmlische Töne entlockten. Die Engelein mit den kurzen weißen Röcken und ihren goldenen Haaren trugen keine Schuhe. Die brauchten sie ja nicht, denn Engel fliegen meistens. Sie sangen so schön den Kanon: »Fürchte Dich nicht!«, dass die arme Seele nicht mehr vor Angst zittern musste. Nun ertönte die tiefe Stimme wieder, die ihr den Auftrag gab: »Bau mir die zerstörte Kirche wieder auf! « Die arme Seele duckte sich tief zu Boden und antwortete bedrückt: »Ich habe nur zwei Hände und bin es nicht gewohnt, schwere Steine zu schleppen, zudem weiß ich nicht, wo ich die Kirche finden soll.« Die Stimme antwortete: »Mach alles wie bisher. Ich werde dafür sorgen, dass du verwandte Seelen finden wirst, die dir helfen.« Frohgemut erhob sich die arme Seele und wanderte weiter. Eines Tages sah sie vor sich ein kleines Kirchlein, das schon bessere Tage gesehen hatte. Sofort begann sie damit, das verfallene Mauerwerk auszubessern. Da kamen unerwartet einige junge Männer daher, die bemerkten, wie schwer es der armen Seele fiel, allein für die Kirche zu sorgen. Sie erzählten, dass sie von weit hergekommen seien. Als sie von dem Leben der armen Seele hörten, hätten auch sie auf ihren Reichtum verzichtet, sich Kutten übergestreift und seien auf Sandalen hierher gewandert, um wie die arme Seele zu leben. Diese kräftigen Männer packten mit an, beteten mit der armen Seele zusammen bei der zerstörten, oder in einer der anderen Kirchen in der Umgebung. In kurzer Zeit wurde die zerstörte kleine Kirche wieder aufgebaut. Nun hatten sie einen Ort zum gemeinsamen Beten gefunden. Der Ruf der Mönche verbreitete sich in der Region und es schlossen sich ihnen immer mehr Brüder an. Die arme Seele bemerkte aber die tiefste Not der Menschen und tat alles, um sie mit seinen Freunden zu trösten, ihren Glauben an den Herrn Jesu zu stärken und sie zu Liebe und Frieden anzuhalten. Das Weihnachtsfest, die Geburt des Herrn, feierten alle Brüder zusammen in einer alten Scheune. Es kamen arme Menschen und Hirten aus der Umgebung hinzu. Sie priesen Gott für das kleine Jesuskind beteten und sangen zusammen frohe Lieder. Und so geschah es viele Jahre, bis die arme Seele todmüde im Kreise ihrer Freunde starb. Sie schien aber gar nicht unglücklich zu sein, denn sie freute sich, dem Herrn im Himmel zu begegnen. Zum letzten Mal erteilte sie allen, die von weit hergekommen waren, trauerten und weinten, den Segen und sagte: »Seid nicht traurig, und macht alles so, wie bisher und wie ich es in diesem Buch aufgeschrieben habe«

Als die arme Seele nach langer Reise etwas müde und zerzaust vor dem großen Himmelstor stand, ging ihr das ganze Erdenleben durch den Kopf. Da öffnete sich das goldene Tor langsam und ein erhabener Engel in leuchtendem Gewand trat heraus. In der Hand hielt er ein feuriges Schwert. So schön hatte sich die arme Seele den Erzengel Michael nie vorgestellt. Wenn ihr in diesem Augenblick nicht der eigene Schutzengel beigestanden wäre und ihr ins Ohr geflüstert hätte: »Der Erzengel Michael tut Dir nichts, er muss im Himmel nur nach den Rechten sehen. Einer armen Seele kann er schon deswegen nichts antun, weil er Mitleid mit ihr hat«, hätte die arme Seele umgehend das Weite gesucht. Sie hatte zudem bemerkt, dass der Erzengel Michael ein Lächeln nicht ganz verkneifen konnte. So etwas zu erkennen, darauf verstand sich die arme Seele, denn sie hatte auf Erden oft und gerne gelacht. Nun kam auch der Heilige Petrus heraus. Ihn erkannte die arme Seele sofort, denn er trug in seinen Händen die großen, goldenen Schlüssel für die Himmelstüre. Es gesellte sich auch der Heilige Paulus dazu. Ihn zu erkennen fiel der armen Seele nicht schwer, denn sie war sich sicher, wo Petrus ist, kann Paulus nicht weit sein, und zudem hatte er in seiner Hand eine große Bibel. Der Heilige Petrus ergriff das Wort: »Wir wollen von Dir hören, wie Dein Name ist, was Du auf Erden vollbracht hast und warum Du begehrst, in den Himmel aufgenommen zu werden?« Ach, so viele schwierige Fragen, dachte die arme Seele, und was wird geschehen, wenn ich erklären muss, dass ich keine ganz reine Weste habe? Der Schutzengel bemerkte, dass die arme Seele wie Espenlaub bei diesen Gedanken zitterte, und flüsterte ihr zu: »Die fressen Dich nicht, erzähl ruhig eins nach dem andern und wenn Du einen Fehler machst, zupf ich Dich an Deiner Kutte, dann kannst Du Dich verbessern. Mit etwas leiser Stimme begann die arme Seele die Fragen zu beantworten: »Früher nannten mich meine Eltern Franziskus, als ich aber, um Jesus nachzufolgen, mein Leben änderte, das Geld an die Armen verschenkte und selbst nichts mehr besaß, fühlte ich mich als eine arme Seele. Diesen Namen behielt ich dann bei, als Freunde zu mir kamen. Der Heilige Petrus schaute gütig auf die arme Seele hinunter und sagte: »Zunächst, rede mit uns lauter, den Paulus und ich hören nicht mehr so gut, wie zu der Zeit, als wir noch auf Erden herumwanderten, um den Menschen den Glauben an Jesus zu verkünden. Dann wandte er sich kurz an Paulus, besprach sich mit ihm, und entschied: »Von jetzt an wirst Du den Namen Franziskus wieder tragen, das hört sich im Himmel besser an. Zudem wirst Du in die Kleiderkammer gehen und Dir dort ein weißes Engelkleid und einen goldenen Heiligenschein abholen, den Du fortan sorgfältig pflegen musst, damit er seinen Glanz nicht verliert. Schuhe sind nicht nötig. Du kannst deine Kutte und die ausgetretenen Sandalen in der Kleiderkammer abgeben. Engel und Heilige brauchen keine Schuhe. Sie können alle fliegen. Die arme Seele hatte nicht damit gerechnet, dass sie die geliebte Kutte und die Sandalen abgeben müsste, aber was tut man nicht alles, um in den Himmel zu kommen. Nun schlug Paulus die Heilige Schrift auf. Der armen Seele fiel ein: »Genau wie beim Nikolaus, und mit dem hatte sie schlechte Erfahrungen gemacht. Der Heilige Paulus hatte einen Spickzettel in großer Schrift in seiner Bibel, denn er konnte nicht mehr gut sehen. Dann hob er an: »Erzähle mir frei heraus, was Du auf Erden mit Gottes Hilfe Gutes getan, unterlassen oder falsch gemacht hast!« Das Herz der armen Seele klopfte mächtig. Der Schutzengel bemerkte die Angst und sagte: » Franziskus, nimm Dich zusammen, es wird schon alles gut werden!« Da schaute er dem Heiligen Paulus fest in die Augen und begann, zunächst stotternd, dann immer flüssiger zu reden: »Ich habe schon in meiner Kindheit den Eltern oft widersprochen, in Nachbarsgärten Birnen und Äpfel gestohlen, und bin ohne Erlaubnis auf Kirschbäume geklettert, um Kirschen zu naschen. Später habe ich mit meinen Freunden oft gezankt. Wenn sie nicht das machten, was ich wollte, habe ich sie verprügelt. Ich habe in feinen Kleidern, die armen Menschen übersehen, an üppigen Gelagen teilgenommen und mich mit vielen Mädchen amüsiert. Und was sehr schlimm war: Ich habe oft, wenn ich mich sehr über eine Untat schämte, gelogen. Gelogen, wollte Petrus entrüstet einwenden. Da bekam er von Paulus einen Stoß. Er flüsterte ihm ins Ohr; »Und wie war es damals, bevor der Hahn dreimal krähte?« Petrus bekam einen roten Kopf und hielt sich mit der Nachfrage in diesem Punkt beschämt zurück. Franziskus fuhr fort: »Es dauerte sehr lange, bis ich erkannte, dass ich bei den Ausschweifungen nicht glücklich wurde und die Freunde mit all ihrem Besitz ebenso wenig, obwohl mir mein Schutzengel mächtig ins Gewissen redete. Da bekam Franziskus einen Stoß und der Schutzengel flüsterte ihm zu: »Das mit dem Schutzengel war überflüssig!« Erst von dem Augenblick an, als ich die Kutte nahm und versuchte, in Sandalen wie der Herr Jesus herumzuwandern, zu beten den Frieden zu verkünden, die Armen versorgte und den Kranken half, ging es mir besser. Ich freute mich an Pflanzen, Tieren, Sonne, Mond und Sternen, konnte lachen und sogar den Tieren predigen. Verzeih mir, Heiliger Paulus, mir fallen, außer dass ich die zerstörte Kirche mit Freunden zusammen wieder aufbaute, keine weiteren guten Werke in meinem Erdenleben zu meiner Entlastung ein. »Umso mehr habe ich dazu in meiner goldenen Bibel auf einem besonderen Blatt mit dem Namen Franziskus aufgeschrieben«, gab der Heilige Paulus zur Antwort. Dann wandte er sich zur armen Seele und sagte feierlich: »Du hast verdient, in den Himmel eingelassen zu werden, den Jesus Dein Freund, dem Du nachgefolgt bist. hat Dir schon lange all Deine Schuld vergeben. Der Heilige Petrus nahm den goldenen Schlüssel und wollte die Himmeltür öffnen, da wandte sich die arme Seele an ihn und bat: »Ich habe schweren Herzens zugestimmt, meine Kutte und die Sandalen abzugeben, darf ich wenigsten im Himmel »ein kleiner Engel« sein? Die Heiligen Petrus und Paulus mussten bei dieser Bitte ein wenig lächeln. Dann aber fiel Paulus ein, dass der Herr gesagt hatte, wer nicht so klein sei, wie ein Kind, komme nicht in das Himmelreich. Sie befanden, dass es damit einen »höchsten Grund« gebe, der armen Seele diese Bitte nicht abzuschlagen. Der kleine Engel wurde, nachdem er mit einem weißen Kleid und einem nagelneuen Heiligenschein aus purem Gold ausgestattet war, von Petrus und Paulus persönlich in den Himmel geleitet. Sein Schutzengel hielt sich dabei etwas zurück, blieb aber für alle Fälle auch im Himmel in der Nähe von Franziskus.

Gleißendes Licht erfüllte den unendlich großen Raum. Der kleine Engel musste sich erst langsam an das Licht, heller als tausend Sonnen, gewöhnen. Er hatte ja auf Erden viele Male versucht, sich vorzustellen, wie es im Himmel ausschauen könnte. Jetzt erst wurde ihm klar, dass eine solche Pracht, unvorstellbar ist. Es leuchtete ihm auch ein, dass es ratsam war, sich zuvor neu einzukleiden. In Kutte und Sandalen wäre er sich hier doch sehr komisch vorgekommen. Der Erzengel Michael befahl, und sogleich ertönten himmlische Posaunen. Alle Augen richteten sich af den kleinen Engel, der im großen Himmelstor noch kleiner wirkte. Sein Schutzengel stieß ihm in die Seite und sagte leise: »Flieg schnell ein wenig in die Höhe, damit dich alle sehen können! « Die glasklare Stimme des Erzengel Michael war nicht zu überhören: »Wir begrüßen unter uns den kleinen heiligen Engel Franziskus! «Wie gern hätte sich Franziskus in diesem Augenblick wieder in der Kapuze seiner Kutte versteckt. Mit was konnte er es verdient haben, ein Heiliger zu sein? Gut, dass sein Engelskleidchen verbarg, wie sehr ihm die Beine zitterten. Da spürte er seinen, Freund, den Schutzengel neben sich, der ihm zuflüsterte: »Franziskus bewahre Haltung, zeig ihnen allen, was ein kleiner Engel ist!« Er wäre jetzt am liebsten so groß gewesen, wie der Erzengel Michael. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich so gut es ging, zu recken und zu strecken und einige Male in die Höhe zu fliegen, damit ihn auch die Letzten im Himmel noch sehen konnten. Als ihn dabei unversehens ein kleines Stäubchen heftig in der Nase kitzelte und er ein-, zweimal kräftig niesen musste, war der Bann gebrochen. Ein rauschender Beifall zeigte ihm, dass er bei allen im Himmel angekommen war und er beschloss, auch seine anderen Talente zu nutzen, um die himmlische Heerschar gelegentlich zu erheitern. Sein Schutzengel würde ihn sicher erinnern, wenn er gegen irgendeine Ordnung verstieße. Jetzt erst hatte er sich genügend an das helle Licht gewöhnt, um einen Blick in die festliche Versammlung wagen zu können: In der Ferne, alles überragend, sah er Gott Vater, Sohn und den Heiligen Geist in aller Herrlichkeit auf goldenen Thronen sitzen. In strahlendem Licht, umgab die Heiligste Dreifaltigkeit eine große himmlische Heerschar, die immer wieder Lob, Preis, Ehre, Dank und Halleluja sang. In der Nähe waren die Heiligen, Päpste, Kirchenlehrer, Kardinäle und Bischöfe platziert, und dann zu beiden Seiten, wie in einer Konzilsaula, die Priester, Ordensleute und frommen Seelen, Palmwedel in den Händen, mit denen sie sich ab und zu Kühlung zufächerten. Zu Füßen der Dreifaltigkeit lagerten fromme Hirten, die drei Könige, Ochs und Esel, Josef und Maria. Der kleine Engel schaute nach oben. Das ganze Himmelsgewölbe war mit Sternen übersät, die glitzerten. Auch Sonne und Mond waren zu sehen, aber viel schöner als auf Erden. Alles Geschaffene verherrlichte Gott. Franziskus hatte ja immer ein wenig Sorge, ob neben den vielen Heiligen auch der Kosmos, Tiere und Pflanzen, im Himmel noch Platz finden könnten. Jetzt war es gut. Alles was er in seinem Erdenleben liebte, fand sich – zwar etwas anders -, aber auf seine Weise im Himmel wieder. Der kleine Engel, hoch zufrieden, musste einfach einen Weg finden, um seine Freude auszudrücken. So schwirrte er denn vor Glück, im ganzen Himmel herum. Eine Ewigkeit lang würde er all die Pracht, Herrlichkeit und die himmlische Musik erleben dürfen. Er betrachtete es auch als einen großen Vorteil, ein kleiner Engel zu sein, denn so konnte er ohne großes Aufsehen, allen Anwesenden seine Aufwartung machen. Natürlich würde dafür eine Ewigkeit nicht ausreichen. Es musste aber die Rangfolge eingehalten werden, das hatte er schon gelernt. So flog er unauffällig an der obersten Reihe, wo die frommen Seelen Platz gefunden hatten vorbei, schlich sich unter das Gesinde von Maria und Josef, denn dort waren auch noch kleine Engel, ganz nahe an die Heiligste Dreifaltigkeit herangerückt. Da juckte es ihn im rechten Zeigefinger so sehr, dass er es wagte, den großen Zeh Gott Vaters ein wenig zu kitzeln. » Huch! « sagte Gott Vater. Er, der Allwissende, hatte natürlich sofort bemerkt, wer ihn berührte. Der kleine Engel sank in sich zusammen, als ihm sein Schutzengel eine mächtige Standpauke hielt: »Es zieme sich nicht, auch nicht für einen Heiligen Franziskus, Gott zu berühren!« Der kleine Engel hatte nun wirklich nichts zu seiner Verteidigung vorzubringen. Es wurde ihm zusehends übel. Gott Vater sah seinen Sohn und den Heiligen Geist an und lächelte ein wenig. Dann sprach er besänftigend zum Schutzengel: »Richte den kleinen Engel wieder auf! Und zu Franziskus: »Es darf niemand Gott berühren, es sei denn aus Liebe!« Ich habe aber einen Auftrag für Dich: »Du sollst mein Sendbote im Himmel sein und Dich unauffällig an alle heranwedeln, die beim großen Halleluja einschlafen. Du magst sie dann mit einem kleinen Schabernack zum Lachen bringen, damit sie wieder bei der Sache sind. Franziskus machte vor der Heiligsten Dreifaltigkeit die größte Referenz, zu deren er fähig war, trat dabei aber auf sein Röcklein, sodass er stolperte, und der Heiligenschein mächtig verrutschte. Sein Schutzengel war aber, wie immer, sofort an seiner Seite, half ihm auf die Beine und setzte ihm den Heiligenschein wieder zurecht. Der kleine Engel betrachtete seinen Auftrag, direkt vom lieben Gott, als eine große Auszeichnung. Er gefiel ihm besonders, denn er hatte zur Erdenzeit schon oft und gern gelacht. Nun kicherte er vergnügt in sich hinein beim Gedanken: Wer zuletzt lacht, lacht am besten! In Gegenwart der Heiligsten Dreifaltigkeit so viel Schönheit, Pracht und Freiheit ewig erleben zu dürfen; wer sollte da nicht in den Himmel kommen wollen?

Wandlungen

Höhen und
Tiefen Tage
und Nächte

Lachen und
Weinen sich
Vereinen

Trennen
und Binden
Geben und
Nehmen

Hoffen und
Bangen
finden
zusammen

Schlafend
und schaffend
träumend

Und wachend
gehalten vom
Segen Kräfte
sich regen

Liebend
gewoben im
Wandel der

Zeit ein
trefflich
Pilgerkleid

Pilgerfahrt

Eine Reise ins Unbekannre

Die zunächst vage Idee, über eine Reise ins „Unbekannte“ zu schreiben, entstand nach der Lektüre von Stefan Zweigs Biographie über “Honoré de Balzac”. Die Lebensgeschichte dieses französischen Dichters, dem es nach einer sehr belastenden Kindheit und Jugend, um Ruhm und Ehre bemüht, nicht gelang, im bürgerlichen Leben eine gesicherte Existenz aufzubauen, beeindruckte Johannes sehr. Wie es Balzac möglich war, trotz fehlgeschlagener Unternehmungen und erdrückender Schulden, in der „Comedy–Human“, den Höhepunkt seines dichterischen Werkbewusstseins zu entwickeln, wurde oft gewürdigt. Auch Stefan Zweig reihte sich mit seinem literarischen Werk und Leben in die große Zahl der Dichter, Denker und Forscher Musiker und Künstler ein, die zeitlebens dem „Unbekannten“ auf der Spur blieben. Zum kreativen Schreiben bewegt, träumte er in der Nacht von einem Kloster: In andächtiger Stille erfüllte ihn überraschend ein fragloses Glücksgefühl, das sich in den Blicken und Gesten der Mönche spiegelte, und immer mehr vertiefte. Wie von einer Last befreit, folgte er nun dem Gedanken, seine Leser zu einer Reise ins „Unbekannte“ am schöpferischen Prozess des Entdeckens, Denkens und Fabulierens teilnehmen zu lassen.

Johannes schätzte die Erkenntnisse der Naturwissenschaften sehr, die sich nach ihrem Selbstverständnis mit zählbaren, messbaren Tatsachen befassen. Er hätte daher von seiner Dankbarkeit gegenüber diesen Menschen und deren Leistungen zur Verbesserung unserer Lebensbedingungen reden können. Da er sich aber als ein seiner körperlichen, geistigen und seelischen Verfassung bewusster Mensch verstand, stießen nach seiner Ansicht Naturwissenschaften an ihre Grenzen. Er wusste, dass es immer Menschen gab, die Fragen nach dem Sinn des Lebens im Ganzen nicht auswichen. Er hielt insofern die in den Geisteswissenschaften übliche Sprache für geeigneter, um Leben in all seinen Formen als ein Geschenk zu verstehen. Die Poeten, Musiker, Künstler Philosophen und Theologen gingen zwar in ihren Werken auch von bekannten Vorstellungen aus, überformten sie aber im schöpferischen Prozess in Bildern, Skulpturen, Bauwerken, Tönen und Worten, mit einem nicht minder erfahrbaren, neuen, geistigen Gehalt. Johannes wollte daher die eigene schöpferische Fantasie auf den Wegen ins „Unbekannte“ begleiten. Er stellte sich und seine Leser damit bewusst vor die Aufgabe, so etwas wie ein Gedicht, oder einen Liebesbrief, mit eigenen Worten und Gedanken, auf ein leeres Blatt Papier zu schreiben. Wer wollte jedoch behaupten, dass derartige Texte oder Liebesbriefe, deren Inhalte erst beim Schreiben entstehen, unsinnig wären. Und Johannes versichert, dass er im Augenblick noch keine klare Vorstellung davon hat, wohin ihn die Finger auf den Tasten seines Rechners führen wollen. Er wusste lediglich, dass er keine Mathematikaufgabe vor sich hatte, und hoffte, dass ihm in den Stunden des Schreibens die Worte und Sätze einfallen würden, um zu erfahren, wohin die Reise gehen sollte. Erst am Ende des neuen Textes, ließe sich redlicher Weise feststellen, ob für ihn und seine Leser eine sinnvolle Nachricht entstanden sei. Natürlich war das ein Wagnis, und Johannes spürte die Anspannung körperlich, zugleich aber auch eine heimliche Vorfreude, unter der Hand eine Botschaft auf ihm bisher unbekannte Weise, entstehen zu sehen. Johannes hatte jedoch bereits erfahren, dass er auch im Alltag nie vor Überraschungen sicher war, und er beim kreativen, geistigen Schaffen, gelegentlich unerwartet Hilfe erfuhr. Der erste Gedanke, über den schöpferischen Prozess beim Schreiben nachzudenken, kam ihm ja nach der Lektüre von Stefan Zweigs Biographie über Honoré de Balzac. Wie oft mag dieser Autor vor einem leeren Blatt gesessen haben, um dann, Wort für Wort seine Einfälle festzuhalten, unsicher, ob man seine Gedanken positiv aufnehmen würde; um dann, in mühsamer Arbeit und unter vielen Korrekturen, seinen Ideen die sprachliche Form zu geben, die vor der eigenen Kritik und in den Augen der Leser, bestehen konnten. Auch Johannes benötigte viele Anregungen anderer Autoren, um zu lernen, wie sie ihre Beiträge in die geeignete Form und Sprache kleideten. Manchmal schien es, als liefe ihm die Zeit davon, um sich mit dem literarischen Erbe auch nur annähernd zu befassen. Hierbei sah er sich durch die fortwährende Begegnung mit bisher Unbekannten, zu einer kritischen Auslese genötigt. Es brauchte eine geraume Zeit, bis er es, einer Anregung folgend, wagte, erste eigene Texte zu veröffentlichen. Die einzelnen Beiträge fügten sich in Form und Inhalt aber immer mehr zu einer Einheit, die für ihn romanhafte Züge annahmen, in denen er sich als Autor erkannte. Die erste Fassung seiner Idee, „eine Reise ins Unbekannte“ zu schreiben, hielt seiner Kritik nicht stand. Johannes hoffte aber, dass ihn die Lust an diesem Text weiter zu schreiben nicht ganz verließe, und war gespannt, was ihm hierzu noch einfallen würde. Nach einer längeren Schaffenspause, führte ihn die Neugier und Lust, am Text weiter zu arbeiten, wieder an den Schreibtisch zurückJohannes hatte ja inzwischen durch Versuche, neue literarische Wege zu erkunden, erfahren, dass sich andere Menschen dafür interessierten. Von da an erlebte er sich als Brückenbauer, der bereit war, mit seinen Lesern in einen offenen Dialog über seine Ideen und Gedanken zu treten. Sein stets waches Interesse, galt den vielen neuen Einsichten, die ihm zufielen. Er betrachtete nun die Dinge, Ereignisse und Menschen nicht nur als Tatsachen, um sich darüber im Geben und Nehmen mit anderen Personen auszutauschen. Sie gewannen für ihn zunehmend Bedeutung als Geschenke, mit ihrer eigenen Schönheit, über die es sich zu reden lohnte. Wer wollte zum Beispiel darauf verzichten, über das stets wiederkehrende Ereignis von Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter zu staunen? Wer wünschte sich nicht tragfähige Beziehungen zu Menschen in gegenseitiger Treue? Johannes sah immer mehr hinter den Werken der Künstler, Musiker, Poeten, Wissenschaftler und Techniker, die schöpferischen Menschen, die auf den Spuren des Unbekannten waren. Auch das Dasein der Menschen im historischen Gefüge und im Geflecht sozialer Beziehungen, eingebettet in einen mikro- und makrokosmisch geeigneten Lebensraum, war nun Gegenstand seines Nachdenkens. Überall begegnete Johannes nun das “Unbekannte” in Form von Ereignissen, die Menschen in ihren Wirkungen erlebten, aber nur begrenzt zu beeinflussen vermochten. Wer wollte beispielsweise ausschließen, selbst einmal zu erkranken, und dann auf Hilfe angewiesen zu sein? Johannes entwickelte ein neues Verständnis des menschlichen Lebens von Geburt bis zum Tod, eingebettet in einen fortwährenden Prozess des Gebens und Nehmens. Er fand, dass Erzählungen hierzu geeigneter waren, Sinn und Bedeutung der Ereignisse für Menschen zu beschreiben, als nüchterne Berichte über die gegebenen Fakten. Johanne folgte weiter dieser Spur: Er ließ es zu, dass seine über die Tasten gleitenden Finger, wie von selbst den andrängenden Gedanken und Gefühlen in Worten und Sätzen ihre Form gaben. Nie wäre dieser Text so entstanden, wenn er sich nur an einen festen Plan gehalten hätte. Er war nun sicher, dass auch ein für die Leser sinnvoller Text entstehen konnte, wenn er weiter zu Papier brachte, was ihn bewegte. Das Schreiben ermutigte Johannes immer mehr, von den Wundern und Geheimnissen des Lebens zu erzählen, und die Frage zuzulassen: „Warum es dies alles und nicht nichts gab?“ Es stellte sich der Frage nach dem Sinn, und Ziel, der Ursache, Einheit und Vielfalt aller Lebensprozesse. Drängende Fragen, die ihm die Naturwissenschaften nicht ausreichend beantworten konnten. Er fühlte sich geführt, auf der Spur des „Unbekannten“ zu bleiben, obwohl er noch nicht wusste, wohin ihn diese Reise führen könnt. Die Frage nach dem „Unbekannten“ schloss ja alles ein, was es gab, und sollte nicht durch den Blick allein auf das „Machbare“ verstellt werden. Zu diesem Ganzen gehörten für Johannes auch die Erfahrung von Grenzen, Ende, Tod, und die Frage nach dem Sinn des Lebens, über den Tod hinaus? ln der Literatur, Theologie Philosophie, den Künsten, und im christlichen Glauben, fand er die notwendige Ergänzung zum Weltbild der Naturwissenschaften.

Es fiel ihm auf diese Weise immer leichter, zu verstehen, dass er auf seiner Reise ins „Unbekannte“, ein Bewunderer Gottes geworden war, dessen Kunstfertigkeit er in der Schöpfung und in seiner Geschichte als bewusster „homo sapiens“ mit Leib, Geist und Seele entdeckte. Der Begegnung mit einem Gott, der sich den Glaubenden als Vater, Sohn und Heiliger Geist zu erkennen gab, alles Sein im Dasein erhält, und am Ende der Zeiten, in einer neuen Schöpfung zu ihrem Ziel führt, wich er nicht mehr aus; einem liebenden Gott, der sich in SEINEM Sohn als Weg, Wahrheit und Leben zu erkennen gab. Johannes erzählte von da an in seinen Geschichten von Gott, dem Schöpfer und Erhalter des Universums, dem er alles Schöne in seinem Leben, und alle Schönheit in der Natur, Kultur und Wissenschaft der Menschen verdankte. Hoffnung, Glaube und Liebe, wurden so zu Triebfedern seines Lebens. Er trat damit in das große Warten aller Kreaturen ein, auf die neue Schöpfung im ewigen Leben, mit Gott dem Vater, Sohn und Heiligen Geist. In einem nachösterlichen Text des Evangeliums, äußerte Thoms, Zweifel an der Auferstehung des Herrn von den Toten. Er durfte seine Finger in die Wunden des Auferstandenen legen, und die Worte hören: “Sei nicht ungläubig sondern gläubig!” Diese Schriftstelle, legte ein Priester so aus, das es Sinn mache, und und zum Heil notwendig sei, an Jesus Christus den der Tod nicht festhalten konnte, und unsere Auferstehung durch IHN zu glauben. Johannes hatte dieses Schlusswort seines Beitrages über eine Reise ins Unbekannte, das ihn in die Nähe des Auferstandenen führte, weder geplant noch erahnt, als er sich an den Rechner setzte, um diesen Beitrag zu schreiben. Wer wollte daher ausschließen, dass sein literarischer Versuch, auch seine Leser ermutigen könnte, auf diesem Weg zu bleiben. Johannes freute sich, dass er dem Impuls folgte, an der Hand Stefan Zweigs, die Betrachtung über eine Reise ins „Unbekannt“ zu schreiben, als ein Warten in der seligen Hoffnung, auf das noch ausstehende, aber vom Herrn verbürgte, endgültige, letzte Ziel der Schöpfung.

Anmerkung:

Wer sich näher über den Stand naturwissenschaftlicher und geisteswissenschaftlicher Forschung aus christlicher Sicht informieren möchte, dem sei das im Springer Verlag 2016 erschienene Buch von Martin Rhonheimer: Homo sapiens: Die Krone der Schöpfung, Herausforderungen der Evolutionstheorie und die Antwort der Philosophie empfohlen.

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