Ein neuer Weg

Als ich gegen Ende des Jahres 1969 entschied, das Studium der Theologie zu beenden, konnte ich noch nicht sicher erkennen, wie es danach weiter gehen sollte. Bisher hatte ich als Spätberufener nach dem Abitur, mehrere Semester Philosophie und Theologie mit dem Ziel, Priester zu werden studiert, und stand vor den ersten Weihen. Obwohl ich damals, wegen der wirtschaftlichen Lage im Baugewerbe nicht damit rechnen konnte, bald einen befriedigenden Arbeitsplatz zu finden, sah ich im Versuch, in den früheren Beruf als Baukaufmann, zurück zu kehren, die einzige realistische Chance. Schweren Herzens fuhr ich einige Tage über Weihnachten nach Hause, um noch einmal über meinen künftigen Weg nachzudenken, bevor ich im neuen Jahr wieder nach Münster fahren würde, um mich an der Universität zu exmatrikulieren. Was dieser schwierigen Entscheidung voraus ging, habe ich ausführlich in der Erzählung „Entscheidung in Münster“ beschrieben. Aber wie so oft in meinem Leben, half mir in dieser unübersichtlichen Lage, ohne mein ersichtliches Zutun, ein gütiges Geschick wieder weiter:

Etwas nachdenklich und besorgt, stand ich nach Neujahr auf dem Bahnsteig in Basel, um in den Zug nach Münster umzusteigen. An den Waggons vorbei schlendernd, erblickte ich am Fenster eines leeren Abteils, eine hübsche Frau. Mein Interesse an ihr war sofort geweckt, und es gelang mir, einen freien Platz gegenüber dieser blonden Dame einzunehmen. Ich hatte mich nicht getäuscht: Vor mir saß eine sorgsam gepflegte, sympathische junge Frau, die hin und wieder von ihrer Lektüre aufsah, und mir ein freundliches Lächeln schenkte. Ich kann mich, als wäre es gestern gewesen, noch genau an diese erste Begegnung erinnern: Mir gegenüber saß eine attraktive, von der Sonne gebräunte Frau, mit sportlicher Kurzhaarfrisur. Sie trug einen roten Rollkragenpulli, einen farblich darauf abgestimmten rotkarierten Schottenrock, und passende Stiefel. Eine kleine, Weile verlor ich mich schweigend im Anblick dieser anmutigen, hübschen Erscheinung. Durch ihr einladendes, freundliches Wesen ermutigt, wagte ich es dann zu fragen, ob sie mit einer Unterhaltung einverstanden wäre? Sie stimmte lächelnd zu, und wir befanden uns kurz danach in einem anregenden Gespräch:

Ich erfuhr zu meiner Freude, dass sie nach einem Winterurlaub in der Schweiz, nach Münster unterwegs sei, um dort ihr Medizin-Studium fortzusetzen. Etwas Schöneres hätte mir in der gegebenen Situation nicht passieren können. Sie schien angenehm berührt zu sein, als sie hörte, dass ich ebenfalls nach Münster reiste. Meine Stimmung hellte sich zu zusehend auf, denn ich bemerkte, wie mich der Charme der hübschen Frau verführte, mich von der vermeintlich besten Seite zu zeigen. Beim Rückblick auf die anregende Unterhaltung während der Fahrt, will es mir aber gerechter Weise erscheinen, als ob ich mehr geredet hätte, als sie. Die Stunden vergingen jedenfalls wie im Fluge. Sie erzählte von ihren Ski-Ferien zusammen mit ihrer Familie, und ich sprach von den Weihnachtsferien in Rheinfelden und dem Studium der Theologie in Münster. Meine persönliche Situation, dass ich mich zum Ende des Wintersemesters an der Universität exmatrikulieren werde, blieb aber vorerst noch ungeklärt. Was wir einander darüber hinaus während dieser angenehmen Unterhaltung auf der Reise nach Münster zu erzählen hatten, vermag ich nicht mehr zu erinnern. Viel zu sehr war ich mit der Frage befasst, wie ich meine Reisebegleiterin dafür gewinnen konnte, uns in Münster wieder zu begegnen. Ich freute mich daher sehr, als sie ohne lange zu zögern bereit war, eine Einladung anzunehmen, uns in der Vorlesung über Psychoanalyse bei Professor Dr.med. Winkler wieder zu sehen. Wir saßen auch alsbald neben einander in der besagten Vorlesung. Der von mir sehr geschätzte Professor, musste sich von da an mit meiner geteilten Aufmerksamkeit bei seinen Vorträgen begnügen, denn es blieb nicht bei einem gemeinsamen ersten Besuch seiner Vorlesungen.

Welch ein seltsames Geschick hatte uns zum rechten Zeitpunkt zusammengeführt? Meine Entscheidung, das Theologiestudium zu beenden war gefallen, und jetzt, da ich dabei war, mein Leben neu zu planen, lernte ich diese hübsche Frau kennen. Dass sie mich über die übliche Nähe zu einer zufälligen Bekanntschaft hinaus interessierte, wurde mir eines Tages sehr bewusst: Am Prinzipalmarkt in Münster stehend, um den Karnevalsumzug zu beobachten, sah ich unvermutet am gegenüber liegendem Straßenrand eine hübsche blonde Frau, die meiner Bekannten erstaunlich ähnlichsah. Sie hatte sich zudem bei einem Manne eingehängt. An der Bitterkeit und Wut, die ich in diesem Augenblick bemerkte, konnte ich ermessen, wie viel sie mir schon bedeutete, denn sonst hätte ich nicht so eifersüchtig und enttäuscht reagiert. Den Stein, der mir vom Herzen fiel, hätten Sie, liebe Leser plumpsen gehört, als sie mir in einem nachfolgenden Gespräch glaubhaft versicherte, dass ich mich getäuscht hatte. Von da an nutzte ich jede sich bietende Gelegenheit, um mit meiner Bekannten zusammen zu sein. Sie bewohnte ein kleines, nach ihrem Geschmack eingerichtetes Appartement, durch das ich mich veranlasst sah, mein schlichtes Studentenzimmer aufzugeben, um auch ihr ein angenehmes Ambiente anbieten zu können. So erfüllte ich Ihren Herzenswunsch, gelegentlich bei mir vor einem offenen Kamin zu speisen und zu plaudern. In den vertraulichen Gesprächen konnte ich in den folgenden Monaten über meine schwierige Lage, die mit dem bevorstehenden Ende des Theologiestudiums entstand, ausführlich reden. Ihrem freundschaftlichen Zuspruch hatte ich es zu verdanken, dass in mir der Mut und die Hoffnung wachsen konnten, einen Studienwechsel zu erwägen.

Für mich stand bald fest, dass ich, wenn überhaupt, nur Klinische Psychologie studieren würde, von der ich mir im Beruf eine gewisse Nähe zur ehemaligen Ausrichtung als Theologe versprach. Ich gestehe gern, dass meine damalige Freundin wesentlich zur Entscheidung beitrug, noch einmal ein Studium zu beginnen. Sie erkannte, dass ich in dem bisherigen Examen, meine Befähigung zu wissenschaftlichem Arbeiten nachgewiesen hatte, sodass ich mit Studienförderung rechnen durfte, um dann zusammen mit den restlichen eigenen Mitteln, ein Studium finanzieren zu können. Da aber mein bisheriges Studium geisteswissenschaftlich ausgerichtet war, und ich mit der Klinischen Psychologie einem naturwissenschaftlichen Studium folgen wollte, war es ungewiss, ob ich den neuen Anforderungen gewachsen war. Daher stand für mich fest, dass ich nur bei einem guten Ergebnis im Vordiplom, in Psychologie weiter studieren würde. Nach diesen Vorüberlegungen war ich dazu bereit, einen Studienwechsel zu wagen. Zum Ende des Wintersemesters 1969/70 beendete ich mit der Exmatrikulation das bisherige Theologiestudium, und begann ab dem Sommersemester 1970 das Studium der Klinischen Psychologie an der Westfälischen Wilhelmsuniversität in Münster. Ich freue mich darauf, Ihnen liebe Leser, in einem folgenden Beitrag von den Begegnungen und Erfahrungen mit Menschen während des Psychologie-Studiums und dem Leben in Münster erzählen zu dürfen.

Wege zu einander

Gottesdienst

Lobet und preiset Ihr Völker den Herrn, freuet Euch SEINER und dienet IHM gern, all Ihr Völker danket dem Herrn. Es ist, wie wir im Vaterunser beten, Gott der Allmächtige, den wir als Vater bitten dürfen uns in Gnaden beizustehen, wenn wir es wagen, mit IHM zu reden:

Über alles geliebter Vater, es gefiel DIR in göttlicher Macht, mit DEINEM Sohn und dem HEILIGEN GEIST der EINE Gott ewiger Liebe zu sein. Es war DEIN Heiliger Wille, dass aus dem sehnsuchtsvoll auf Erlösung hoffenden „Nichts“ Himmel und Erde werde. DU erschufst die Zeit, alle Gestalten und Geschöpfe im Universum DEINER Liebe und hauchtest allem was DU liebst und was es in DEINEM Schöpfungsgarten gibt, göttliches Leben ein. Unter DEINEM Schutz und Segen entwickelte sich nach DEINER Ordnung und Maß alle Vielfalt dessen, was es im Himmel und auf
Erden gibt. DIR verdankt der Makrokosmos der Sternenwelten und der atomare Mikrokosmos in all seinen Ordnungen, das Dasein. DU hast auch uns Menschen als Mann und Frau erschaffen und befähigt DEINE Werke im Himmel und auf Erden zu erkennen, DIR zu danken, DICH zu loben zu preisen, und DICH und einander für alles was DU gibst mit ganzem Herzen und aller Kraft zu lieben.
DEINE göttliche Vorsehung hat mit Anbruch der Zeit allen DEINEN Werken das Staunen und das Zeichen der Herkunft in der Sehnsucht nach DIR als Religion eingeprägt und Orte des Glaubens, Dankens und der Einheit aller Geschöpfe zu DEINEM Lob geschaffen. DU hast die adventliche Sehnsucht aller Wesen erfüllt und uns DEINEN Sohn im Heiligen Geist geschenkt. Als Jesus von Maria der Erwählten, SEINER und unserer Mutter geboren, hat ER sich in des Vaters Willen entäußert, und unsere und der ganzen Schöpfung Natur angenommen. Durch SEIN Leben, Leiden, den Tod am Kreuz, SEINE Auferstehung, Himmelfahrt mit dem Platz zu Rechten des Vaters, hat ER uns Anteil an SEINEM göttlichen Christussein verliehen, um uns von Sünde und Schuld erlöst, auch im Tod nicht von Gott verlassen, im Heiligen Geist ins ewige Leben zu führen.

Gott unser ewiger Vater, der Sohn und der Heilige Geist, das ist unsere beseligende Hoffnung, wird ganz gewiss alles, was ER aus dem schweigenden „Nichts“ im Schöpfungsakt erschaffen, belebt und in SEIN göttlich ewiges Bewusstsein aufgenommen hat, niemals wieder in die unerlöste adventliche Dunkelheit des schweigenden „Nichts“ zurückfallen lassen. Was muss das für ein wunderschöner gottseliger Himmel sein, wenn alles was Gott liebt und gibt in der Freude des Lebens bei Gott mit allem was es je gab gibt und geben wird ewig leben wird. Erzählt das, ich bitte Euch, allen Verzagten Kranken Verzweifelten Brüdern und Schwestern. Wir dürfen jetzt schon im Gottesreichder Gerechtigkeit und des Friedens. in der Einheit des Heiligen Geistes in SEINER universalen Kirche, unseren Vater den Sohn und den Heiligen Geist loben und preisen. Gesegnete Zeiten!
Euer Franz

Geborgen in der Kirche
Geborgen im Glauben Hoffen und Lieben.

Der Kreuzweg unseres Lebens

In schmerzlichen Trennungen von lieben Menschen, beim Leiden unter den Grenzen unseres Daseins, in Angst, Schuld und Einsamkeit, hat es mir oft die Sprache verschlagen. Aber auch im Verstummen blieb noch die Hoffnung, dass Gott der Herr, unsere Klagen hören, und alles zum Guten wenden könne. Ich kenne jedoch auch Situationen, in denen mich der Schmerz so gefangen nahm, als gäbe es nur mein überwältigendes Leid. Jeder Mensch erfährt wie ich, in seinem Leben unausweichlich sein eigenes Kreuz. Wir Christen dürfen darauf vertrauen, dass uns der Herr in allem beisteht und uns hilft, die Last zu tragen. Vielleicht möchte uns der liebende Gott durch Kreuz und Leiden auch nur von ungeordneten Strebungen befreien. Ich kann mir Gott den Herrn, der seine Schöpfung für gut befindet, nur als „deus caritas est“ vorstellen. Mich erschreckt zutiefst, dass wir der Versuchung erliegen könnten, unser Kreuz, das uns mit Jesus Christus verbindet, zu verleugnen. Dies wäre das reine Entsetzen, ein Abweichen von Gottes Wegen, um Götzen zu dienen.

Wohin uns die Anbetung fremder Götter nach „unserem Bild und Gleichnis“ führen kann, das ist auch in unseren Tagen auf vielfache Weise zu beobachten. Scheint doch die Verweltlichung und Abkehr der Menschen von Gott wie allgegenwärtig. Wir können das uns auferlegte Kreuz im Zerbrechen von Beziehungen, bei gegenseitiger Entwürdigung, im Leid, Elend und all unseren Grenzen im Alltag hautnah erleben. Wie wohl tut es dann, wenn Christen bei einander wohnend, sich die Hand reichen, das Mögliche unternehmen, sich gegenseitig trösten, und Gott unsere Not klagend, SÉIN Erbarmen anrufen. Wie nötig ist doch im Leid das tröstende Wort, die bergende Hand, oder ein verständnisvolles Schweigen. Dass auf diese Weise manchmal ein Stück Himmel auf Erden, Gottes Reich wahrer Liebe ein wenig aufleuchten kann, durfte ich in der Arbeit als Psychotherapeut und in anderen Begegnungen mit Menschen gelegentlich erfahren. In solchen Situationen kann man dann erkennen, was es bedeutet, wenn einer der anderen Last trägt.

Das ist aber für uns Christen noch nicht die ganze Wahrheit. Denn aus allem Scheitern und Leiden erwächst ja auch immer wieder neue Hoffnung, Vertrauen und Liebe zu einander und zu Gott unserem Vater. Er vermag in uns die Barmherzigkeit, und das Mitleid für einander zu erwecken, dessen es bedarf, um Sein Reich des wahren Friedens aufzubauen. Unser Herr und Meister Jesus Christus geht uns auf diesem Weg voran, und lehrt uns IHM mit unserem eigenen Kreuz zu folgen. Dabei kann es geschehen, dass wir manchmal mehr unser eigenes, und nicht so sehr Jesu und Gottes Leid sehen und beklagen. Wer aber vermag zu ermessen, was der Herr an physischer und psychischer Gewalt bei SEINER Kreuzigung, und durch die Ablehnung SEINER Liebe und Sendung, für uns gelitten hat? Wie sehr muss Gott, unser Vater, menschlich gesprochen. immer wieder leiden, wenn wir IHM die kalte Schulter zeigen, als müssten wir einen Störenfried aus unserem Leben beseitigen. Gott aber lässt trotz allem, nicht ab von SEINER Liebe. Mit offenen Armen geht ER immer wieder auf uns zu, oder trägt uns wie ein verirrtes Schaf, auf Seinen Schultern ins Reich des Friedens zurück. Das Kreuz und Leid in unserem Leben erinnert uns immer wieder daran, wie nötig wir den Herrgott brauchen. Lassen wir daher vom göttlichen Winzer alle ungeordneten Strebungen in uns beschneiden, damit der wahre Gott, der Gegenwärtige, uns im Kreuz und der Auferstehung Seines Sohnes begegnen, und im Heiligen Geist trösten, beleben und stärken kann. Aller Willkür und dem Spott ausgeliefert, fragt uns der Herr vom Kreuz herab, ist einer da, der Mitleid mit mir hat. Ich sage: Ja mein Herr und mein Gott „ adsum“. Immer wieder habe ich schwer darunter gelitten, wenn man DIR, einem meiner Brüder oder Schwestern ein Leid zufügte. Erbarme DICH meiner, erbarme DICH unser. Ich höre wie von fern DEINE Worte „heute noch wirst Du mit mir im Paradiese sein“. Lassen wir Kreuzträger diese tröstenden Worte Jesu, tief in unsere geschundenen Herzen dringen. Welch ein Jubel, welch ein Trost für uns alle.

Bleiben Sie im Segen!

Ihr Franz Schwald aus Oppenweiler

Das Kreuz der Erlösung und Hoffnung

Kirchenlied

Alles unserm Gott zu
Ehren in der Arbeit in
der Ruh Gottes Lob
und Ehr zu mehren

Ich verlang und alles
tu unserm Gott allein
wir geben Leib und
Seel das ganze Leben

Gib o Jesu Gnad dazu
Gib o Jesu Gnad dazu

Alles unserm Gott zu
Ehren dessen Macht
die Welt regiert der
dem Bösen weiß zu

Wehren dass das Gute
mächtig wird Gott allein
wird Frieden schenken
seines Volkes treu gedenken

Hilf o Jesu guter Hirt
hilf o Jesu guter Hirt

Hoch gelobt sei ohne End das hochheilige Sakrament

Pilger

Gott pilgert
in des Sohnes
Kleid treulich
mit uns durch
die Zeit

Mit IHM zusammen
Hand in Hand
zieh´n wir in´s
gelobte Land

Liebe besiegt
die Not und den
Tod schon heute
in österlicher
Freude

Die Auferstehung der ewigen Liebe.

Morgengebet

O Gott von dem
wir alles haben
wir danken DIR
für DEINE Gaben

DU speisest uns
weil Du uns liebst
o segne alles was
es gibt

Wir bitten DICH
o Herr um alle
Gnaden die es
heute braucht
Um DICH und
alles was DU uns
heute gibst von
ganzem Herzen

Und mit allen
Kräften des Leibes
der Seele und des
Geistes zu lieben

Komm Heiliger
Geist und schenke
uns Dankbarkeit
und DEINE Liebe

Jetzt allezeit und
dereinst nach Gottes
Willen bei IHM
in SEINER Ewigkeit

Zeit und Ewigkeit

Nachtgebet

O Gott unser Vater und
Schöpfer mit dem Sohn
dem Erlöser und dem
Heiligen Geist dem
Tröster und Beistand

Wir sind DEINE geliebten
Kinder Söhne Töchter
und einander Brüder
und Schwestern

Mit allen Geschöpfen
in DEINEM Reich und
Volk der Kirche im
Himmel und auf Erden

Wir lieben alles was
es gibt aber unendlich
mehr DICH der uns über
dies unendlich liebt

Dank sei DIR für alle
Gaben die wir von DIR
im Himmel und auf Erden
empfangen haben

Wir bitten DICH um
Heil und Segen für uns
und alles wie es Dir
gefällt zum zum Dienst
in unsrer Welt

Hoch gebenedeit seist
DU Vater Sohn und
Heiliger Geist unser
Allerheiligstes Sakrament
in Zeit und Ewigkeit

Heilig heilig heili heilig ist der Herr

Kirchengebet

Herr und Gott, Vater Sohn und Heiliger Geist segne alles was DU gibst
und liebst. Heilige Maria Mutzter Gottes bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes.

Maria mit dem Kinde lieb uns allen Deinen Segen gib.

Kindheitserinnerungen

In Oppenweiler herrscht zu dieser frühen Stunde tiefe Dunkelheit. Einige Fenster des nahe gelegenen Altersheims sind erleuchtet wie mein Arbeitszimmer. Offensichtlich sind andere Menschen auch schon tätig. Es regnet. An den Fenstern finden die Tropfen keinen Halt. Sie lösen sich und zaubern Perlenketten an die Scheiben. Ob der Regen den Durst der Pflanzen, Büsche und Bäume zu stillen vermag? Um mich und in mir herrscht Stille. Was will aus diesem lebendigen Schweigen ans Licht treten, sich mitteilen? Von einem innigen Lauschen erfasst, überlasse ich mich der Führung meiner Erinnerungen und Fantasien.

Die Freude über die letzten beiden Reisen in meine Heimatstadt, einen Spaziergang im Elsass und die Gespräche mit Freunden und Bekannten aus der Region, kommen mir in den Sinn. Ich sehe sie wieder vor mir, die weich gepolsterten, gelegentlich aber auch steinigen Wege auf unserer Wanderung in den Vogesen mit dem weiten Blick, auf die sich im dunstigen Horizont auflösenden weichen Linien der Höhen. Ebenso nachhaltig bewegt mich der anschließende Aufenthalt in meiner Geburtsstadt Rheinfelden(Baden). Die mir so vertraute Muttersprache klingt in mir nach, wie eine schöne Melodie. Ich genoss es, mit meinen Freunden wieder einmal im Badischen – Dialekt zu schwelgen. Mit meiner Frau gehe ich in Gedanken noch einmal über die Brücke mit dem Burgkastell, die Rheinfelden(Baden) mit der Altstadt von Schweizer – Rheinfelden und deren belebten Marktstraße verbinden. Auf Schritt und Tritt begleiten mich Erinnerungen an Kindheit und Jugend und an Menschen, mit denen ich in dieser Region bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr zusammen lebte. Es waren aber nicht nur Erinnerungen. Ich konnte auf meiner Reise die Orte meiner Kindheit und Jugend erneut erleben. Es gibt das Rheintal, den Rhein, die Brücke, das Burgkastell und die beiden Städte wirklich noch, und meine Heimatsprache. Wie wohl ist mir dabei zumute!

Unvermutet dringen bei diesen Gedanken die wiederholten Bitten unserer Kinder an mein Ohr: „Papa, erzähle uns aus Deiner Kindheit und Jugend. Du hast doch sicher viel mehr erlebt als das, was wir aus den Gesprächen mit Dir bisher kennen. Bitte schreibe es für uns auf!“ Der Bitte will ich nun entsprechen und versuchen, meinen Kindern Enkeln, Verwandten Freunden und Ihnen liebe Leser, in dankbarer literarischer Form Erinnerungen und Geschichten aus meiner Kindheit und Jugend zu erzählen: Unser vierstöckiges Wohnhaus in Badisch – Rheinfelden, kommt mir in den Sinn, in dem und um das herum ich lebte und spielte. In der dritten Etage wohnte unsere Familie, die anderen Wohnungen waren vermietet. Ähnlich hohe Gebäude bildeten ein zur Bahnseite geöffnetes Viereck. In dem großflächigen Innenraum hatten die Anwohner Obst und Gemüsegärten angelegt. Zu unserem Haus gehörten eine Hoffläche, ein Holzschuppen, ein Gemüsegarten, und eine kleine Grasfläche zum Trocknen der Wäsche. Um die Gärten herum führte ein Weg, unsere Spielstraße, an dem alle nur erdenklichen Handwerker ihre Werkstätten eingerichtet hatten. Davon soll später noch die Rede sein. In diesem Haus und in dieser Umgebung wurde ich am 3. Oktober 1929 geboren. Ich kam als ein kräftiger, gesunder Junge zur Welt, erhielt den Namen eines bedeutenden Heiligen “Franz” und wurde katholisch getauft. Angeblich sehr lebhaft und interessiert, erkundete ich nach und nach meine Umwelt.

Aus frühester Zeit erinnere ich mich an beruhigende Geräusche, wenn die Mutter oder Großmutter mit Tellern und Töpfen hantierten. Ich habe mich sicher, nach ergiebigem Schlaf, wie andere Kinder bemerkbar gemacht, wenn ich hungrig war oder der Pflege bedurfte. Erste stabile Erinnerungen führen nahe an diese frühe Zeit heran: Ich liege geborgen in unserer Wohnküche in zwei aneinander geschobenen Korbstühlen, die mit weichen Kissen gepolstert sind. Als kleiner Knabe war ich immer mit dabei, und verfolgte das Geschehen in der Küche. Deutlicher kann ich mich an unsere damalige Wohnstube erinnern. In dieser Zeit bewegte ich mich vornehmlich auf dem Boden. Ich rutschte gekonnt, das rechte Bein unter dem Hintern, unter Tisch und Stühlen herum. Der Tisch erschien mir damals aus dieser Perspektive riesengroß. Obwohl ich den Tonfall der Stimmen hören konnte, entging mir leider, was sich auf dem Tisch zwischen den Erwachsenen abspielte. Mit zunehmendem Wachstum und der Fähigkeit, mich am Tischbein hochzuziehen, erweiterte sich mein Blickfeld und es gelang mir besser, einzelne Gegenstände im Raum zu erkennen:

Da stand ein viereckiger Schrank mit einer Glastüre. Mich faszinierte dessen bunt bemalte Scheibe. Darauf war in einer bergigen Landschaft ein Bauernhaus zu erkennen, das sich mit tief gezogenem Dach unter dunkle Tannen duckte. Mein Großvater, ein von mir hoch verehrter Holzbildhauer, hatte den Schrank mit allerlei Schnitzwerk versehen. Er war oben von einer Ornament-Blende begrenzt. Die vier Ecken schmückten kunstvoll bearbeite Holztürmchen. In späteren Jahren stellte sich bei mir die Vorstellung ein, dass es sich bei diesem Schrank um eine umgebaute Musikorgel gehandelt haben könnte. Ich bin mir dessen aber heute nicht mehr ganz so sicher. In einer Mischung von Neugier und Furcht blickte ich oft zu dem auf dem Schrank liegenden, geschnitzten Totenkopf hinauf. Dort lagerten in einer Holzkiste, vor meinem Zugriff geschützt, auch die für mich höchst attraktive Schnitzler-Werkzeuge. In einem speziellen Etui, das ich nur selten zu Gesicht bekam, wurden die ganz feinen Stichel und Feilen aufbewahrt. Die ganze Einrichtung der Stube hatte mein Großvater künstlerisch ausgestaltet. In der Raummitte befand sich ein handgearbeiteter großer Tisch, umgeben von Stühlen mit unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten Schlangen-Motiven der Rückenlehnen, von denen sich heute noch ein Stuhl in unserem Besitz befindet. Hinter der Tür stand ein hoher dunkelgrüner Kachelofen, der eine behagliche Wärme ausstrahlte. Die Wände schmückten Bilder mit bäuerlichen Motiven in geschnitzten Holzrahmen. An einer hervorgehobenen Stelle zwischen den Fenstern zur Straße fand das Gesellenstück des Großvaters seinen Platz. Auf einem aus Lindenholz gefertigten Kreuz in Form eines Rebstockes war der leidende Herr befestigt. Der Rebstock wurde leider in der Kriegszeit gegen Lebensmittel getauscht. Die Christusfigur habe ich später auf einem anderen schlichten Holzkreuz anbringen lassen. Es hängt heute an einen Ehrenplatz in unserem Wohnzimmer neben einem Marienbild.

Das vierstöckige Haus, in dem wir wohnten, kam durch Erbschaft meiner Großmutter in unseren Besitz. Mein Großvater, ein politisch interessierter Künstler, der in den Krisenzeiten nach dem ersten Weltkrieg mit seinen Schnitzarbeiten wenig verdienen konnte, war sehr stolz auf unser Anwesen. Er zog durch seine Körpergröße, dem grauen Vollbart und seinem wachen, kritischen Blick, die Aufmerksamkeit der Menschen an. Unser Großvater gab in der Familie den Ton an, und ließ es nicht zu, dass meine Mutter meinen unvermögenden Vater heiratete. Sie nahm es aber trotzdem auf sich, als allein erziehende junge Frau, in einer kritischen Umwelt, für mich zu sorgen. Ihrer Liebe und Pflege verdanke ich mein Leben, sonst könnte ich diese Geschichte nicht schreiben. Bis zu meinem dritten Lebensjahr erlebte ich meinen Vater noch in Rheinfelden. Die Erinnerungen sind aber spärlich. Ich übernachtete öfters bei ihm und seiner späteren Frau, in seiner nahe gelegenen Wohnung im „Gräbele“ zwischen beiden. Da er dann in den Kriegsjahren wie alle Männer als Soldat diente, vermisste ich meinen Vater für eine längere Zeit nicht so sehr. Einige Feldpostbriefe, eine Tapferkeitsauszeichnung und zwei von ihm gemalte Ölbilder, habe ich als kostbare Andenken an ihn aufbewahrt. Ich rechne es meiner Mutter hoch an, dass sie in all den Jahren immer zu erkennen gab, dass sie meinen Vater liebte und nie schlecht über ihn redete. Auch ich hatte ihn, trotz der Trennung in mein Herz geschlossen. Über spätere Begegnungen mit ihm berichte ich an anderer Stelle. Auch meine Mutter lernte wieder einen Mann kennen und heiratete. Als ich vier Jahre alt war, wurde mein Bruder Hans geboren. Eine große Freude, denn nun war ich nicht mehr allein. Wir traten auch später, bis zum heutigen Tag, in guten und in schlechten Zeiten immer für einander ein. Nach Großvaters Tod richtete meine Mutter unsere Wohnung teilweise nach ihren Vorstellungen neu ein. Die Wohnküche war in den Kriegsjahren, um Heizmaterial zu sparen, unser Aufenthaltsraum. Die anderen Zimmer wurden nur nach Bedarf beheizt. Die Küche war mit einem modernen Tisch, Stühlen, einem mit Holz und Kohle beheizbaren, weiß emaillierten Herd, einem einfachen Granitspülstein und mit einem eleganten weißen Küchenschrank eingerichtet. Über den Flur gelangte man in die geräumige Wohnstube, und zum Schlafzimmer der Großmutter. Daneben befand sich, der Straße zugewandt, das Schlafzimmer der Mutter. In dieser Wohnung kannte ich mich bald recht gut aus.

Es war für mich nicht störend, dass sich nach der Geburt meines Bruders zwei Wohngemeinschaften bildeten. Ich schlief als Junge zusammen mit meiner Großmutter in deren Zimmer. Meine Mutter schlief ab meinem vierten Lebensjahr mit meinem Bruder und ihrem Mann, solange dieser noch mit ihr zusammen lebte, in ihrem Zimmer. Wenn ich mich recht erinnere, wechselten die Großmutter und meine Mutter oft bei der Zubereitung der Mahlzeiten für uns. Unsere Mutter regelte die übrigen Angelegenheiten des gemeinsamen Haushaltes und kümmerte sich um unsere Kleidung. Es gab auch gelegentliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Mutter und Großmutter. Ich fühlte mich aber insgesamt geborgen und hatte keinen Anlass, mich zu beklagen. Meinen sportlich-drahtigen, groß gewachsenen, dunkelhaarigen Stiefvater habe ich in guter Erinnerung und war stolz, wenn ich ihn bei Waldfesten als einen erfolgreichen Sportler im Wettkampf beobachten konnte. Er war immer freundlich zu mir und gab mir Geschenke wie meinem Bruder Hans. Ich erinnere mich an ein besonderes Geschenk zu Weihnachten: Es war ein reichhaltiger Märklin-Baukasten, der mir gestattete, aus Einzelteilen immer wieder neue Fahrzeuge zusammen zu schrauben. Als Bruder Hans etwas größer war, spielten wir oft zusammen in der Wohnung. Mein Stiefvater war allerdings als Monteur sehr viel unterwegs, sodass unsere Mutter und Großmutter sich die Aufgabe teilten, die lebhaften Buben in Schranken zu weisen.

Die Großmutter betete viel, las in der Heiligen Schrift, oder hielt den Rosenkranz in Händen. Sie hatte gütige Augen und war, trachtenähnlich, mit langem Rock und blauer Halbschürze gekleidet. Im Oberteil ihrer Kleidung trug sie ein Büchlein, das in Leinen gehüllt war. Ich hatte mir ohne zu fragen vorgestellt, dass es sich bei diesem geheimnisvollen Büchlein. um ein religiöses Symbol handelte. Mein Bett befand sich direkt hinter dem Eingang zu ihrem Zimmer. Die Großmutter schlief auf der gleichen Seite an der Längswand des Raumes. Abends vor dem zu Bett gehen, spendete sie mir Weihwasser und das Kreuzzeichen. Sie hatte die Haare zu einem Zopf geflochten, den sie täglich zu einer Schnecke im Nacken zusammenrollte und pfleglich mit Nadeln sicherte. Sie war in ihrer ruhigen, liebevollen Art wie ein sicherer Hafen, in den ich nach meinen Ausflügen wieder zurückkehren konnte. Krankheitsbedingt war ich allerdings einmal für eine längere Zeit ans Bett gefesselt. Eine langweilige Angelegenheit. Um mir die Zeit zu verkürzen, beschäftigte ich mich mit einer stabilen „Milchflasche“. Es gelang mir nach und nach ein ziemlich großes Loch in die Wand neben meinem Bett zu schlagen, ohne dass dies die befürchteten ernstlichen Folgen nach sich zog.
Sehr beeindruckt war ich immer, wenn unser Pfarrer meiner Großmutter die Krankenkommunion in unser Haus brachte. Auf einem Tisch mit weißer Decke stand ein Kreuz. Daneben leuchteten zwei Kerzen. Der Pfarrer sprach davor seine Gebete. Die Vorstellung, dass der unendliche große Gott zu uns einfachen Menschen zu Besuch kam, hat mich immer tief berührt. Eine andere Szene in der Küche, blieb eher wegen der damit verbundenen Schmerzen fest im Gedächtnis haften: Damals konnte ich schon gehen. Meine Mutter hatte Wäsche gewaschen und diese in einen auf dem Boden abgestellten Eimer gegeben. Ohne dass sie es bemerken konnte, war ich neugierig hinzugetreten, verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings in den Eimer mit der heißen Wäsche. Meine Mutter und Großmutter reagierten entsetzt. Die Brandwunden sind aber ohne Narben zu hinterlassen längst geheilt.

Es fehlen mir einige Erinnerungen als Bindeglieder zwischen dem Kleinkind – Alter und der Zeit, als ich in den Kindergarten ging. Vom Kindergarten erinnere ich nur den „eigenen, etwas strengen Geruch“ des Sandkastens und die katholischen Schwestern in ihrer Ordenskleidung, die uns zu Spielen anregten und darauf achteten, dass wir die Regeln einhielten. Bei meinem täglichen Fußmarsch in den Kindergarten trug ich mein Vesperbrot in einer bunt bemalten Blechbüchse bei mir. In der kalten Jahreszeit hatte ich widerwillig einen Strumpfgürtel zu tragen, an dem die langen Wollstrümpfe befestigt wurden. In diese Zeit hinein fallen auch erste Erlebnisse mit unseren Nachbarn. Die Umgebung, in der wir wohnten, bot vielfältigste Anregungen und Gelegenheit, die kindliche Neugierde zu befriedigen: Im reichhaltigen Angebot des Milch- und Kolonialwarenladens “Hina” gab es immer etwas zu entdecken. Ich war dort ein gern gesehener Einkäufer vornehmlich von Frischmilch und anderen Dingen des täglichen Bedarfs, wie Butter und Marmelade etc. Dabei hatte ich es zur technischen Perfektion entwickelt, die volle Milchkanne so im Kreise zu schwenken, dass aufgrund der Fliehkraft nicht zu viel Milch bei diesen Drehungen verschüttet wurde. Direkt gegenüber befand sich die Metzgerei “Baumer”. Dort gab es nicht nur Wurst und Fleisch, sondern von der freundlichen Frau Baumer für den kleinen Franz immer ein Scheibe Wurst extra. Das Malergeschäft Sutter am Ende der Straße war bei uns Kindern weniger beliebt, denn die unzugängliche Frau des Malers, kritisierte uns oft heftig.

Direkt neben unserem Haus befand sich das Bekleidungsgeschäft “Hunsinger”. Herr Hunsinger, ein emsiger Geschäftsmann, der Frauen sehr schätzte, besaß einen Opel P 4. Es ist nicht zu beschreiben, wie viele Kinder in diesem Fahrzeug Platz fanden, wenn wir an Sommertagen an den Rhein zum Baden fuhren. Wir Kinder spielten meistens am Ufer, während die Erwachsenen sich flussabwärts treiben ließen und auf dem Rückweg damit beschäftigt waren, mit Zweigen die lästigen Bremen zu verscheuchen. Es gab dort auch ein Boot, Bagger genannt, ein Lastkahn zur Säuberung des Rheinbettes, auf dem es sich gut sonnen ließ. Man musste bei höheren Temperaturen nur darauf achten, sich keine Brandwunden zu holen. Auf dem Grundstück der Familie Hunsinger stand im Hinterhof auch eine geräumige Schneiderwerkstatt. Dort saß der Schneidergeselle mit untergeschlagenen Beinen auf dem Tisch und hatte seine helle Freude daran, uns Kinder beim Nähen mit der Nadel zu pieksen. Später fand ich als Knabe auch Gefallen an den hübschen Schneiderinnen, besonders an aus Grenzach, die ich in achtbarer Distanz wie ein verliebter Kater anhimmelte. Im gleichen Haus lebten die “alten Hunsingers”. Die Seniorin, eine freundliche und hilfsbereite Großmutter, deren Küche immer ein wenig unaufgeräumt wirkte, war uns Kindern wohl gesonnen. Bei ihr fiel immer wieder etwas Nahrhaftes für mich ab. Ihr Mann ein Küfermeister, arbeitete in der Schweiz und unterhielt einen großen Gemüsegarten. Er war der Rosenvater schlechthin. Mit seinen abgearbeiteten starken Händen, hantierte er mit großer Zärtlichkeit an seinen Rosensträuchern. Wenn die Mädchen zu ihm kamen, um an Fronleichnam einige Rosenblätter zu ergattern, die dann vor dem Allerheiligsten bei der Prozession ausgestreut wurden, glänzte er mit einem charmanten Geiz. Er gab nur Rosenblätter ab, die sich eh nicht mehr lang am Strauch gehalten hätten.

Unterhaltend war für mich die Freundschaft mit dem Sohn des Schneiders. Seine immer schick gekleidete Mutter unterstützte unsere Kontakte, denn Rolf war ein Einzelkind. Von den Eltern wohl gehalten, verfügte er über viele Spielsachen, von denen mein Kinderherz nur träumen konnte. Vornehmlich Soldaten, Panzer und andere Fahrzeuge, die wir dann in langen Reihen in der Küche aufmarschieren ließen. Damals in den Dreißigerjahren verstärkten die Nationalsozialisten in allen Bereichen ihren Einfluss. Dies wirkte sich auch auf das Spielzeugangebot aus. Mehr und mehr fand ich auch Kontakt zu anderen Kindern aus der Nachbarschaft. Auch mein Bruder war so weit herangewachsen, dass er mithalten konnte. Bei Soldatenspielen war ich oft Anführer. Wir trugen nicht nur stolz unsere Holzgewehre und Säbel, sondern bauten auch aus alten Kinderwagen steuerbare Autos. Ich erinnere mich an die Konstruktion eines Sanitätsfahrzeuges: Die Achse eines Kinderwagens mit Rädern diente als mobiler Unterbau. Daran befestigten wir zwei Stöcke. Die Stöcke zogen wir durch einen Sack, der uns als fahrbare Trage für unsere Verwundeten diente, und los ging die Fahrt.

In der Zeit des Vorschulalters erweiterte sich unser Betätigungsfeld erheblich: Wir waren unermüdlich mit den verschiedensten Spielen beschäftigt. Es gab in unserem Wohngebiet außerordentlich viele Kinder aller Altersstufen. Nur durch die Mahlzeiten oder die Müdigkeit am Abend unterbrochen, reihte sich beim Spielen Tag an Tag. Wenn ich eine Zwischenmahlzeit nötig hatte, ertönte mein Ruf nach oben: “Großmame, Gutzischnitte”! Dies bewirkte dann, dass meine Großmutter ein deftiges Stück Bauernbrot richtete mit Butter und Marmelade bestrich und mir anbot. In unmittelbarer Umgebung befanden sich die verschiedensten Handwerker: Es gab da die Wäscherei “Hagmann” mit den großen Waschmaschinen, einem Nebenraum mit Wäschemangel und Büglerei, in dem die Wäsche aufbereitet und versandfertig verpackt wurde. Vor allem aber auch die hübsche Tochter Rosemarie. Daneben hatte der Hufschmied “Muffler” seine Werkstatt mit Schrott- und Lagerplatz. Dort fanden wir Buben immer wieder Abfallstücke, die wir noch brauchen konnten. Wir bestaunten die Arbeit des Schmiedes am Kohlefeuer und bewunderten die kraftvollen, rhythmischen Hammerschläge, unter denen das glühende Eisen die gewünschte Form fand. Besondere Aufmerksamkeit verdiente die Arbeit des Hufschmieds, der den Pferden die Hufe zurechtschnitt, die Eisen einbrannte, um sie anzupassen, die Nägel durch die Hufe schlug und deren Enden zufeilte. Unmittelbar daneben hatte sich der Maler „Würth“ seine Werkstatt eingerichtet. Dort standen unzählige Eimer, Leitern, Pinsel und reichlich Tapetenreste, die wir Kinder immer verwerten konnten. Einen besonderen Spaß bereitete es den Malergesellen, wenn sie uns Buben dazu verführen konnten, den “beizenden Geruch” des Salmiakgeistes zu schnuppern. Wir besuchten oft die anliegende Sattlerei. Der alte Großlaub und dessen Sohn arbeiteten dort zusammen. Mich beeindruckte die rot-violette, etwas vernarbte große Nase des kinderfreundlichen Alten sehr. Ein unerschöpfliches Arsenal an Sesseln, Stühlen, und vor allem an Leder-, Stoffabfällen und Schnüren, waren in einem kleinen Raum verteilt. Wir hatten immer Bedarf an Resten und beobachteten viele Stunden ungestört die Sattler bei ihrer Arbeit. Neben der Sattlerei hatte der Blechner “Sailer” seine Werkstatt. Hier konnten wir lernen, wie Abfallrohre h ergestellt und sonstige Teile aus Blech geformt wurden. Es gab dort auch verschiedene Maschinen, um die Blechstücke zu schneiden und in Form zu bringen In unmittelbarer Nähe unseres Hauses befand sich die Werkstatt von Schuster „Jehle“ , Wir schauten ihm oft zu, wie er am Dreifuß die Schuhe reparierte, Absätze ausbesserte, neue Sohlen aufleimte, mit Holznägeln befestigte, dann nagelte zurecht feilte und an einer großen Maschine polierte. Er führte auch ein Schuhgeschäft. Dies hatte den Vorteil, dass immer wieder zum Spiel nützliche Kartons zur Verfügung standen. In einer der Nebenstraßen wohnte unser Sanitäter Baumgartner, den wir unter dem Siegel der Verschwiegenheit konsultierten, wenn wir unter einer „Sportverletzung, Schramme, Schürfwunde etc.“ litten. Er versorgte uns immer, denn so bepflastert, fiel die Gardinenpredigt zu Hause nicht so hart aus. Doch wo gehobelt wird, fallen Späne, sagt das Sprichwort. Und wo Kinder intensiv spielen, lassen sich Schrammen kaum vermeiden. Hätten wir unseren Sanitäter nicht gehabt, wäre unser schon stark belasteter Schutzengel noch viel mehr gefordert worden.

Es gab eine strenge Hierarchie unter uns Buben: Die Älteren von uns spielten die Anführer, denen die jüngeren unbedingt zu gehorchen hatten. Bald gehörte auch ich zu den Anführern und war daher damit beauftragt, für ausreichend Spielideen zu sorgen. Der Radius unserer Unternehmungen erweiterte sich zusehends: Eines Tages kamen wir auf die Idee, aus einem alten Seitenwagen ein Boot zu bauen. Wir versuchten mit allen nur erdenklichen Mitteln, das Boot wasserdicht zu bekommen. Es bekam bei der Bootstaufe den Namen „Möwe“. Wir packten unser Boot auf einen Leiterwagen. Ob die Dichtungen halten würden? Vorsichtig ließen wir das Boot in einem Bach bei einem nahe gelegenen Sägewerk zu Wasser. Zu unserer großen Enttäuschung gelang es nicht, „in See zu stechen“. Aus allen möglichen Ritzen strömte Wasser in unser Boot und nach wenigen Minuten lag unsere stolze Möwe auf dem Grund des Sägebaches. Wir schlichen mit hängenden Köpfen nach Hause, ohne uns um eine weitere Entsorgung des Bootes – wie man heute sagen würde – zu kümmern.

Eines Tages fand in Rheinfelden ein Varieté im Freien statt. Die Attraktion neben anderen Darbietungen bestand darin, dass sich ein Künstler in einem Erdloch nur geschützt durch Hölzer in den Ecken, die Bretter zur Abdeckung trugen, zwei Stunden lang „lebendig begraben“ ließ. Ich beschloss als Anführer unserer Gruppe, dieses Erlebnis nach zu spielen. Bei Schuster Jehle lagerten ja die großen Kartons in denen die Schuhe zum Verkauf versandt wurden. Ein solcher Karton bot sich mir nun als Grab an. Unter dem Beifall meiner Gruppe, stieg ich mutig in einen Karton ein und schloss ihn von innen, um zwei Stunden lebendig begraben zu werden. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass der Schuster Jehle unser Spiel von seinem Arbeitsplatz aus beobachtete, heraus kam, und sich oben auf den Karton setzte. Ich kam in eine grässliche Not und bat inständig darum, mich entgegen meiner Ankündigung vorzeitig aus dem Karton-Grab frei zu lassen. In unserem Viertel hinter den Häusern spielte sich ein Großteil meiner Kindheit ab. Langsam erweiterte sich aber auch dieser Spielraum: Am Ende unserer Straße gab es Wiesenflächen und eine kleinere Fläche “unsere Eckwiese”. Dort spielten wir oft zusammen “Spachtel und Gizi”. Ich muss das ein wenig erklären: Spachteln bedeutet, dass ein zugeschnittenes Holzstück in den Boden geschlagen wurde und dass
der Sieger war, dem es gelang, eine ebenfalls zugespitzte „Spachtel“ sehr nahe an das eingerammte Holzstück in den Boden zu werfen. Gizi bedeutete: Auf einen großen Stein wurde ein kleinerer gelegt. Es galt dann, diesen kleineren Stein durch einen Steinstoß mit einem anderen Stein herunter zu stoßen.

Die Werderstraße, die damals wenig befahren war, gehörte zu unserem Spielrevier. Wir waren zu jeder Jahreszeit auf den Beinen und fanden immer wieder neue Ziele, uns zu beschäftigen und beim Spiel zu erfreuen. Unsere Mutter kaufte uns aus guten Gründen Lederhosen, die unverwüstlich sein sollten. Dies galt es zu testen. Wir setzten uns in den neuen Hosen stolz auf unseren Hintern und rutschten auf dem rauen Straßenpflaster hin und her, um herauszufinden ob die Hosen solchen Belastungen Stand hielten. Im Winter, beim ersehnten ersten Schneefall, durften wir bis in die Dunkelheit im Licht der Straßenlaternen unsere Energie entladen. Wir verwandelten durch ständiges Rutschen einen Teil der Straße in eine Eisbahn und ab ging die Fahrt. Bedächtiger wurde es, wenn wir
versuchten aus der Vielzahl der Schneeflocken, die aus dem Licht der Straßenlaternen heruntertanzten, einige davon mit unseren Zungen aufzufangen. Eines schönen Tages entdeckten wir am nahe gelegenen Güterbahnhof dass der Obst und Gemüsehändler „Bührer“ dort Orangen auslud. Es war zu verlockend, sich per Mundraub zu bedienen. Aus einer Kiste schaute eine dicke Orange vorwitzig heraus. Ich brauchte nur noch mit dem Finger ein wenig nachzuhelfen, um die Beute in Händen zu halten. Mit relativ schlechtem Gewissen verzog ich mich mit der Orange zu Hause aufs WC. Der Saft floss mir beidseits des Mundes herunter als ich mit Heißhunger meine Beute verzehrte. Nie hat eine Orange in dieser Spannung von schlechtem Gewissen und Genuss besser geschmeckt.

Am Güterbahnhof lagerten auch riesige Baumstämme mit ihrem Wurzelwerk. Eine herrliche Trainingsstätte, um Gleichgewichts- und Kletterübungen zu absolvieren. Ich stieg auf einen der größten Stämme und balancierte eine zeitlang verwegen auf ihm herum, bis ich schließlich herunter fiel. Ich rappelte mich danach am Boden wieder hoch und war entsetzt. Beim Aufprall und dem Abstützen mit der Hand war der linke Daumen aus dem Gelenk gekugelt. Die Haut über dem Daumengelenk hatte sich sehr gedehnt. Es sah aus, als ob das gebrochene Gestell eines Regenschirms gegen dessen Schirmseite drücke. Der Schreck war entschieden größer als mein Schmerz. Dann entschloss ich mich zur Selbsthilfe. Ich fasste den Daumen mit der rechten Hand, zog kräftig und wie durch ein Wunder war der Schaden behoben. Unserer Mutter habe ich aus guten Gründen nie etwas davon erzählt. Eines Tages stand am Ende der Straße vor einem Lokal das Pferdegespann des Landwirts „Fischer“. Die beiden schweren
Belgier-Pferde langweilten sich, während der Fuhrmann seinen Durst löschte. Mir fiel nichts anderes ein, als den ersten von zwei Pritschenwagen, die aneinander gebunden waren zu besteigen, die Geisel in die Hand zu nehmen und den Pferden ein kräftiges „Hü“ zuzurufen. Sie setzten sich zu meinem Schreck sofort in Bewegung. Sie kannten ja ihren Weg zu den Stallungen. In immer rascherer Fahrtging es bergab Richtung Zoll durch die Bahnunterführung mit einer Straßenabzweigung. Ich hatte große Angst. Zum Glück hielt sich damals der Straßenverkehr in Grenzen, sodass ein Zusammenstos vermieden werden konnte. Die Pferde kamen erst wieder zur Ruhe,als sie die beiden schweren Wagen den Adelberg hinauf zu ihren Stallungen ziehen mussten. Ich habe mich schleunigst aus dem Staub
gemacht und weiß nicht, wer die Pferde danach versorgte. Ohne weitere Folgen kam ich noch einmal mit dem Schrecken davon.

Dort am Adelberg trafen wir uns auch zum Wintervergnügen: Es gab immer einen Jungen, der einen Schlitten besaß. Manchmal koppelten wir mehrere Schlitten aneinander und kurvten, entgegen dem Verbot der Eltern, den Abhang Richtung Rhein hinunter. Natürlich bestand auch der Wunsch, Ski zu fahren. Wir besaßen die notwendige Ausrüstung aber nicht. Daher versuchten wir es mit zwei leicht gebogenen Brettern von alten Fässern und versahen diese mit gebrauchten Schuhen als Bindung. Die Eigenkonstruktion erfüllte allerdings nicht ganz den Zweck, denn es gelang uns nicht, damit bergab zu fahren, obwohl wir kräftigt mit den Stöcken nachhalfen. Der Unterbau unserer Konstruktion war einfach zu rau. In unserem Jungenkreis beschlossen die Älteren, dass es nun an der Zeit wäre, einen Bunker zu bauen, um vor den ständig besorgten Blicken unserer Umgebung gesichert zu sein. Mir fiel die Aufgabe zu, meine Großmutter zu überreden, dass sie uns erlaubte, die kleine Wiese hinter unserem Haus im Garten dafür zu benutzen. Sie sagte zu. Mit Pickel, Schaufel und Spaten rückten wir an, hoben den Rasen aber schrocken abwinkte, war alles schon vollbracht. In den vier Ecken und in der Mitte wurden Holzpfähle eingerammt. Darüber legten wir Bretter, schütteten den Erdaushub darauf, und deckten ihn mit den Grasnarben wieder ab. Im Bunker bauten wir ringsherum Sitzbänke und ließen einen Einstieg frei, der mit einem Deckel verschlossen werden konnte. Hier in dieser Unterwelt kreisten die ersten Zigaretten.

Auf meinen Erkundungsreisen nach neuen Spielmöglichkeiten entdeckte ich eine nicht weit von unserer Straße gelegen Gärtnerei. Ich erklärte meinen Freunden, es sei viel praktischer in der Nähe unsere geplante Hütte zu bauen, anstatt am Rhein oder im abgelegenen Wald. Hier sei alles wie von Gottes gütiger Hand schon vorbereitet. Wir rückten an mit Äxten etc., drangen in die von mir entdeckte Baumschule ein, entfernten in einem Viereck der gewünschten Größe die innen stehenden Bäumchen, und erstellten so sehr schnell eine Hütte. Noch größer war unser Vergnügen beim danach einsetzenden Jagdspiel. Die kleinen Buben rannten davon und spielten die Löwen, wir größeren versuchten sie zu fangen. Der besondere Reiz bestand darin, sich von den kleinen Bäumchen beim Jagen abfedernd tragen zu lassen. Das über einige Stunden währende herrliche Spiel fand ein plötzliches Ende, als ie Besitzerin der Gärtnerei uns übel mitspielte und mit der Polizei drohte. Wir verließen fluchtartig unseren Tatort und befanden uns einige Tage später vor dem Gericht, bestehend aus dem Polizeimeister Böhler und seinem Assistenten Mannschott, der alle Buben beim Namen kannte. Die Täter waren geständig, das Urteil wurde gesprochen und fiel nach der Körpergröße abwärts etwas milder aus. Mich erwischte es noch mit zwanzig Mark. Zu Hause gab es keine mildernden Umstände. Ich musste mir das Geld mühsam verdienen. Für einen Satz gebügelter Kragen, die ich auszutragen hatte, gab es bei einer Büglerin zehn Pfennige. Entsprechend aufwendig und zeitraubend war es, die zwanzig Mark zu verdienen. Der Radius unserer Aktionen erweiterte sich zunehmend und wurde dadurch für unsere Eltern immer unübersichtlicher. Das machte aber in unserer damals kleinen Stadt nichts aus, denn die Menschen kannten einander. In der Mehrzahl kinderfreundlich, hatten sie das Privileg, uns Buben in die gebotenen Schranken zu verweisen. Ich hätte nicht gewagt, mich über eine Ohrfeige beim Äpfelklauen zu Hause zu beschweren, das hätte weniger Verständnis, sondern nur eine herbe Rüge eingebracht. Insofern schwiegen wir mannhaft über derlei gelegentliche Beeinträchtigungen. Ich hatte einmal bei meinen Erkundungen eine Birnenplantage mit leckeren reifen Früchten entdeckt. Die Gier war größer als der Hunger. Ich breitete mein Taschentuch aus und war dabei schöne, reife Birnen zu ernten. Plötzlich erfasst mich eine Hand von hinten und ich hörte eine dunkle Männerstimme mit den Worten: „Was machst Du da!“ Es war der mir bekannte Feldhüter Krebs, der Vater eines Schulfreundes. Er nahm mich mit sich nach Hause zu einer Aussprache unter Männern. Mein Schulfreund legte Fürbitte für mich ein, und ich entkam dadurch einer gerechten Strafe.

Die Schule machte mir keine besonderen Schwierigkeiten. Ich erinnere mich kaum, wann ich meine Schularbeiten machte, wohl aber dass ich einem Klassenkameraden, dessen Eltern eine Metzgerei besaßen, bei den Schularbeiten half und zur Entlohnung Würste bekam. Wir befanden uns mittlerweile mitten im zweiten Weltkrieg, die Männer waren eingezogen, die Frauen zur Arbeit in der Rüstung verpflichtet. Die politischen Machthaber hatten ihren Einfluss auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens ausgedehnt und die Idee von Führer, Volk und Vaterland wurde uns beständig über alle Medien vermittelt. Auch in der Schule wurde der Hitlergruß praktiziert. Es kursierte eine judenfeindliche Propaganda. Dennoch hatten wir in unserer Familie öfters Besuch von einer älteren, ledigen Jüdin, „Fräulein Hirsch“. Sie trug vornehme Kleidung ihrer Verwandtschaft aus Amerika, die leider aus der Mode gekommen war. Ihre ausgeprägte Neigung, mich ständig küssen zu wollen, konnte ich nicht erwidern. Nur ihre Zudringlichkeit und Kleidung wirkte auf mich abschreckend. Gegenüber ihrer jüdischen Herkunft empfand ich, wie unsere Familie, aber keine Abneigung.

In dieser Zeit ging ich zur ersten heiligen Kommunion. Unser verehrter Pfarrer, der uns auch Religionsunterricht gab, bereiteteuns auf unser erstes Beichtgespräch vor und half uns dabei einzusehen, dass auch wir ab und zu kleine Sünder seien. Er erklärte uns die wesentlichen Botschaften und Inhalte unseres Glaubens vor allem, dass wir nun bald den Herrn Jesus in Gestalt einer Hostie empfangen dürften. Dieses Ereignis war mir ja von Hausbesuchen des Pfarrers bei meiner Großmutter und den sonntäglichen Gottesdiensten bekannt. Wir lernten, dass der unendliche Gott die Welt und uns erschaffen hat und so sehr liebt, dass er seinen Sohn sandte, um uns Menschen von aller Schuld zu erlösen. Der Pfarrer vermittelte uns, dass wir nur Gott gegenüber unsere Taten zu verantworten hätten und immunisierte uns nicht nur gegenüber den Einflüssen der damaligen politischen Machthaber sondern auch gegenüber jeder weltlichen Autorität. Er muss mich wohl als einen religiösen Fragen gegenüber aufgeschlossenen aufgeweckten Jungen erlebt haben, denn er schlug meiner Mutter vor, dass ich Priester werden könnte. Sie lehnte diesen Vorschlag aber ab.

Ich konnte den Tag der ersten heiligen Kommunion kaum mehr erwarten. Meine Mutter sorgte für die angemessene Kleidung. Ich bekam einen neuen dunkelblauen Anzug mit kurzer Hose, ein feines Hemd und Halbschuhe. In den Händen trug ich stolz meine Kommunionkerze, ein neues Gesangbuch und einen Rosenkranz. Wir wurden in einer feierlichen Prozession vom Kindergarten abgeholt, voraus Kreuz und Fahnen, die Geistlichen mit den Ministranten, die Stadtmusik, danach in Zweierreihen wir Buben und die Mädchen in ihren schönen weißen Kleidern und Kränzen. Die Kirche war gefüllt, unsere Bänke besonders geschmückt. Es folgte ein feierlicher Gottesdienst begleitet von Orgelspiel und dem Gesang der Gemeinde, dann schritten wir vor zum Altar um zum ersten Mal den Herrn in Brotsgestalt zu empfangen. Etwas von dieser feierlichen Stunde, in der ich für das Geheimnis des lieben Gottes ganz offen war, begleitet mich seither beim Kommunionempfang. Zu Hause gab es im Anschluss an den Gottesdienst mein Lieblingsessen Spaghetti in Tomatensoße, Koteletts und Salat. Die schöne neue Armbanduhr, die ich zum Fest geschenkt bekam, überstand den Tag nicht. Ich hatte sie aus Freude zu oft aufgezogen, sodass sie auch durch heftiges Klopfen nicht mehr in Gang gebracht werden konnte. Ich glaube nicht, dass ich das meiner Mutter am gleichen Tag eingestanden habe.

Die Zeit rückte näher an den Termin, der zur Aufnahme in das Jungvolk, anschließend in die Hitlerjugend bestimmt war. Das freie kindliche Spiel wurde so in ein von uns nicht mehr durchschaubares politisches Spiel einbezogen. Ich war natürlich wie alle meinechulfreunde stolz, als ich eine kurze Kordhose, ein Braunhemd,ein Koppel mit Fahrtenmesser und ein Schartuch mit Knoten empfing und damit zur Hitler-Jugend zählte. Erinnerlich sind mir vor allen Dingen die vielen sportlichen Angebote: Leichtathletik, Ringen, Boxen, Gewichtheben mit immer wieder arrangierten Sportfesten, in denen Wettkämpfe durchgeführt wurden. Dazu kamen Übungen im Marschieren, Stillstehen, Körperwendungen und das Antreten zu Standortappellen an den Sonntagen, durch die es immer schwieriger wurde, den Gottesdienst zu besuchen. Dies alles bildete nun neben der Schule Bestandteil unseres Tagesablaufs. Die Lehrer achteten sehr darauf, dass wir an diesen Angeboten teilnahmen und wer mochte es schon mit den Lehrern verscherzen.Beim Übergang vom Jungvolk zur Hitlerjugend entschied ich mich für ein weniger militärisches Angebot. Ich meldete mich zum Musikzug, lernte Querflöte spielen, zu trommeln und Fanfare zu blasen. Bei den gelegentlichen Aufmärschen zogen wir dann mit klingendem Spiel voran. Zumindest zum damaligen Zeitpunkt hatte ich mit Ausnahme, dass die Kirche, der ich angehörte, eher kritisch eingestellt war und wir bei den Prozessionen ein Schaulaufen zu bestehen hatten, keine nennenswerte Distanz zum System. Die von musikalischemPomp begleiteten Sondermeldungen über die Erfolge der Wehrmacht,die Filmberichte in den Wochenschauen, das Auftreten der politischen Prominenz des dritten Reiches bei den beeindruckend inszenierten Großveranstaltungen, die den “Führer“ verherrlichten, die Aufmärsche der Musikzüge, Standarten- und Fahnenträger, die sportlichen Veranstaltungen und die Führerreden, an denen wir in der Schule teilnehmen mussten, verstärkten nur das Bild eines alles in allem gut funktionierenden Apparates. Kritische Stimmen auch im privaten Bereich waren sehr selten. Das Abhören von Nachrichtensendungen aus dem Ausland war streng verboten.

Diese bis zu meinem 12. Lebensjahr glücklich und erlebnisreich verlaufene Kinderzeit fand ein jähes Ende durch den Tod meiner Großmutter. Unter diesem Schock erlebte ich zum ersten Mal, dass menschliches Leben endlich ist. Ich habe die Beziehung zu meiner Großmutter in einer Geschichte „das verlorene Gesicht“ beschrieben. Meine Mutter war damit einverstanden, dass ich für weitere zwei Jahre bei unseren Verwandten in Giersbach bei Herrischried, bei denen ich vorher schon gelegentlich in Ferien war, auf deren Bauernhof wohnen dürfe. Es war für meine Mutter und mich keine leichte Trennung. Erlebnisse aus dieser Zeit habe ich in meiner Erzählung „Der Hotzenbischof“ festgehalten. Über die Erfahrungen nach meiner Rückkehr vom Hotzenwald in meine Heimatstadt Rheinfelden im Jahr 1944, der Adoleszenz, die Berufswahl, Freundschaften, dass Kriegsende und Erlebnisse in der Besatzungszeit, werde ich in einem nächsten Kapitel berichten.

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