Dankbarkeit

Wer hörte nicht als Kind die wohl gemeinten Worte der Eltern, dass es sich gezieme, für Gaben und Geschenke dankbar zu sein. Obwohl uns, als Jugendliche, manhchmal derartige Aufforderungen störten, lernten wir die Bedeutung der Dankbarkeit zu schätzen. Behält sie doch, als ein verinnerlichter Anspruch, zeitlebens ihre Gültigkeit. Im Dank erheben wir uns über ein reines Konsumentendasein, und bringen uns in eine persönliche Beziehung zu einander, zu den Dingen der Natur, und entdecken den Reichtum der ganzen Schöpfung. In dieser Offenheit für alles kann es geschehen, dass wir gelegentlich -unvermutet berührt und betroffen-, den Geschenkcharakter unseres ganzen Daseins bemerken. Wir erfahren uns dann einbezogen in ein vielfältiges Netzwerk dynamischer Daseinsbezüge, in denen einzelne Begegnungen, Bedeutung und Verbindlichkeit für uns gewinnen. Hier herrscht nicht mehr der reine Zufall. Alles kann immer wieder unmittelbar neu, und lebendig erlebt werden. Im Laufe des Lebens gewinnen wir so immer mehr ein Gespür für die Fülle der uns begegnenden Ereignisse. Langweile kann da nicht aufkommen: Vom ersten Sonnenstrahl bis zur einbrechenden Dunkelheit,  und hinein in die Traumwelt der Nachtruhe, ziehen vielfältige Bilder an unseren inneren Augen vorbei. Manchmal halten wir überrascht inne, wenn uns ein Ereignis ob seiner Bedeutung anspricht. Beobachten wir nur einmal besonders spielende Kinder, dann können wir leicht erkennen, mit welcher Neugier sie dabei sind, sich mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Ich erinnere mich an die eigene Jugend: Wie roch das frische Gras so angenehm, wenn wir auf der kleinen Wiese in der Nähe des Elternhauses herumtollten. Die Handwerker, wie der Schmied, der seinen Gesellen den Takt vorgab, ein glühendes Stück Eisen in Form brachte, um dann die Hufe der Pferde zu beschlagen, und der Sattler, Maler, Blechner, oder Schuster, in ihren Werkstätten, zogen uns Kinder magisch an. Welche Kinderseligkeit belebte uns, wenn wir, im Winter den ersten Schnee begrüßten, mit steif gefrorenen Hosen eine Eisbahn herstellten, oder im Licht der Straßenlaterne die Schneeflocken mit der Zunge auffingen. Ein alter Kinderwagen verwandelte sich unter den Händen zu einem Auto, ein gebrauchter Motorradseitenwagen zu einem Boot. Alle Gegenstände die wir vorfanden, wurden auf Verwertbarkeit getestet, und für gut befunden, unser Spiel zu bereichern. Beim Metzger, Bäcker und Lebensmittelhändler mit ihren Geschenken, waren wir wie in den Küchen und Wohnungen unserer Nachbarn, stets willkommen. In der Schule und beim geselligen, kirchlichen, und kulturellen Leben unserer Stadt, gab es reichlich Anregungen für unsere unersättliche Neugier. Wir beteiligten uns an den Veranstaltungen nach Neigungen, und erlebten so Geborgenheit und Zugehörigkeit in einem geordneten Gemeinwesen. Die Erfahrungen als Baukaufmann und Stadtrat, bildeten die Voraussetzungen und das Wissen, um im höheren Lebensalter über den zweiten Bildungsweg erfolgreich zu studieren. Auf meiner letzten Wegstrecke, als Pensionär, überblicke ich eine Vielfalt glücklicher Umstände und Hilfen, die es mir nicht erlauben, den Erfolg nur meinem persönlichen Können und Einsatz zu verdanken. Manchmal erging es mir wie den Jüngern von Emmaus, deren Herz jubelte, als ihnen der Herr die Schrift erklärte. Der Segen hilfreicher Begegnungen und tröstender, ermutigender Worte im Kontakt mit vielen Menschen, und der Literatur, bis zum heutigen Tag, ist nicht zu fassen. Zu verstehen und sich verstanden zu fühlen, vermag gelegentlich so zu erfreuen, als ob die ganze Welt in Ordnung wäre.  Die Jünger des Herrn kannten solche Augenblicke auch, als sie vor Glück trunken, dem Herrn vorschlugen, drei Hütten bauen zu wollen. Und dieser Weg ist noch nicht zu Ende. Es drängt mich aber, einige Ereignisse zu betrachten, um meine Dankbarkeit verständlich zu machen:

Wir sind im Leben nicht nur auf Rosen gebettet. Die Realität des Alltags beginnt bereits in der Kindheit, mit der Aufgabe, sich mit den Eltern und den eigenen Geschwistern zu arrangieren. Manche Träne, Wut und Trauer stellten sich auch später ein, wenn sich eigene Wünsche nicht erfüllten, und es zum Ausgleich der Interessen, Änderungen in den Einstellungen erforderte. Geben und Nehmen will gelernt sein, und bleibt eine lebenslange Aufgabe. Oft traten Freunde in die Bresche, die bereit waren, meine Sorgen und Nöte zu verstehen. Wir sind als Christen nicht ins Dasein geworfen, sondern in eine von Gott gewollte Schöpfung geliebt. Die Aufgabe, sich unter verändernden gesellschaftlichen Bedingungen zu behaupten, und diese nach Möglichkeit mitzugestalten, war ein ständiger Prozess. An den Nahtstellen persönlicher Entwicklung war es nötig, sich beim Tod nahestehender Personen, mit Grenzen und dem sicheren eigenen Tod auseinander zu setzen. Mit dem Eintritt in das Berufsleben stellten sich neue Aufgaben: Es galt den eigenen Leistungsanspruch zu erkennen, und in einem ständigen Lernprozess, die gesteckten Ziele zu verfolgen; Erfolge und Misserfolge zu beurteilen. Fragen entstanden, wie hoch der eigene Anteil an den Ergebnissen anzusetzen, und wann Reden oder Schweigen geboten war. Äußere und innere Konflikte waren mit den nötigen Aufgaben verbunden, die Lebensziele zu realisieren:

Dank schulde ich meiner Frau, die seit 50 Jahren Freud und Leid mit mir teilt, und den drei verheirateten Töchtern und Schwiegersöhnen, die in akademischen Berufen arbeiten,  und uns vier Enkel und drei Enkelinnen schenkten. Wir hatten das Glück, dass unsere Eltern, Verwandten und viele Freunde, die wir in Ehren halten, uns allezeit mit Rat und Tat wohlwollend zur Seite standen: Der Erzdiözese Freiburg und der Heimschule Lender, und dem ehemals angegliederten Spätberufenenseminar St. Pirmin, unserenden Lehrern und Geistlichen, verdanke ich mit dem Abitur nicht nur den Zugang zum Studium, sondern auch die Festigung des unseren Lebensweg tragenden Glaubens. Den Professoren und Kommilitonen der Universitäten Freiburg und Münster gebührt Dank, dass ich mit ihrer Hilfe beim Studium der Theologie, Philosophie und Klinischen Psychologie als Diplompsychologe, eine solide Grundlagen für meinen Beruf erwerben konnte. Das westfälischen Landeskrankenhaus Münster und die Fachklinik Wilhelmsheim in Oppenweiler, boten mir während jeweils 7 Jahren die Möglichkeit, in leitenden Positionen Erfahrungen zu sammeln die mir erlaubten, bis zu meinem 75. Lebensjahr als Psychologischer Psychotherapeut eine eigene Praxis zu führen. Den Kollegen und Patienten und vielen Menschen, die ich in den Regionen um Rheinfelden, Achern, Münster und Oppenweiler kennen lernen durfte, bewahre ich ein ehrendes Andenken.

Besondere dankbar bin ich dafür, dass ich nach meiner Pensionierung als Schriftsteller, und mit einem Literaturblog auf verschiedenen Kanälen im Internet, mit eigenen Beiträgen weltweit mit Brüdern und Schwestern in Kontakt sein darf. Dass mir der Herrgott gestattet, auf diese Weise zu zeigen, welchen Segen ER einem treuen Sohn der Katholischen Kirche auf die Fürbitte Mariens und aller Heiligen zu bereiten vermag, ist das Glück meines höheren Lebensalters.

Von Geburt bis zum unausweichlichen Ende des eigenen Lebens, erleben wir aber auch Grenzen wie Krankheit und Todesfälle, mit begleitenden Gefühlen der Angst und Sorge, die sich als Umstände des Lebens und Sterbens erweisen. Spätestens zu dieser Zeit tauchen ernste religiöse Fragen auf, nach dem Sinn allen Lebens und Sterbens, und der allen gläubigen Christen, Menschen und Geschöpfen, in Jesu Christi Tod und Auferstehung verbürgten Hoffnung, auf ein ewiges Leben. Von der Freude, die dem Vater, Sohn und Heiligen Geist, das ganze Dasein, den Glauben, die Hoffnung und Liebe verdankt, sprechen alle meine Worte. Möge der gütige Gottr SEINEN Tempel, unsere Heimat auf Erden, den Papst, die Kirche und uns  segnen, und vor allem Bösen bewahren. Es ist mein Anliegen mit 92 Jahren, alles was ich je schrieb, und noch schreiben darf, als ein Zeugnis der Liebe Gottes zu mir zu verstehen, und nach Kräften zur Ermutigung mit allen Brüdern und Schwestern zu teilen. Dem Vater unserem Schöpfer, dem Sohn unserem Erlöser und dem Heiligen Geist unserem Tröster und Beistand sei alle Zeit, unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, anvertraut. Als ich mich dieser Erkenntnis näherte, hatte ich einen Aphorismus im Herzen und auf der Zunge, der lautet: „Groß ist die Not der Tod, und ein Leben im Segen.“ Mörike hat das, was ich auszudrücken versuchte, auf seine Weise wie folgt gesagt:

Herr, schicke, was du willst
ein Liebes oder Leides;
ich bin vergnügt, dass beides
aus deinen Händen quillt.

Wollest mit Freude
und wollest mit Leiden
mich nicht überschütten,
doch in den Mitten
liegt holdes Bescheiden.

Heilig heilig heili heilig ist der Herr

 

 

Schuld und Vergebung

wir erleben in den Tagen um die Bundestagswahl, aber leider nicht nur in dieser Zeit, in der Politik und in den Medien eine Verrohung der Sitten, die wir Christen nicht „sprachlos“ hinnehmen dürfen. Offen gestanden schäme ich mich manchmal, wie Moderatoren es ihren Gästen erlauben, unehrenhaft und respektlos auf einander los zu gehen. Es stellt sich immer öfters die Frage: „ Darf eigentlich jede Beleidigung, Beschuldigung, Verletzung der Würde des Menschen, in einer weithin straffreien Meinungsfreiheit erlaubt sein? Wo bleibt in unserer Gesellschaft eine öffentliche Diskussion? Wer kontrolliert die Meinungsmacher? Ausgewogene Berichte über gesellschaftliche oder kirchliche Ereignisse gibt es, sie sind aber selten zu finden. Es gilt daher, diesen Medien und ihren Mitarbeitern zu danken, und uns mit aller Entschiedenheit gegen eine Verrohung der Sitten im öffentlichen Diskurs zu wehren. Ich bin sicher, dass viele Menschen genug haben vom würdelosen Gerede. Mir sind die Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Politik durchaus vertraut. Es stellen sich aber Fragen. Ich, für meinen Teil, spreche mich nicht frei von Schuld, versuche aber immer wieder durch Gottes verzeihende Liebe einen neuen Anfang. Nur aus SEINER erlösenden Gnade erwächst mir immer wieder der Mut zum Bekenntnis. Damit bin ich beim Thema des Umgangs mit Schuld und Vergebung angekommen.

Sicher bin ich nicht der einzige, der sich vor Gott als ein armer Sünder erlebt. Ich weiß auch, wie schwer es fällt, sich die eigene Schuld einzugestehen, und darüber zu reden. Die Kirche hat zu Recht einen Vertrauensbereich geschaffen, der es dem Pönitenten erlaubt, sein Herz zu öffnen. Mit Freimut gilt es daher auszudrücken, wie lieb und teuer mir im Laufe des Lebens dieses Bußsakrament geworden ist. Leider haben es die Umstände in der Seelsorgepraxis erschwert, regelmäßig am Herz-Jesu-Freitag bei einem mir vertrauten Priester zu beichten. Umso mehr vermisse ich  bei vielen Gottesdiensten, das mir von Kindheit an vertraute „Confiteor“, das Stufengebet, in dem wir Gläubigen mit dem Priester zusammen vor Gott, der Gottesmutter und allen Heiligen bekannten, in Gedanken, Worten und Werken durch eigene Schuld Gutes unterlassen und Böses getan zu haben und für einander beteten.

Sind wir Christen eventuell auch vom Gift der Selbsterlösung infiziert, die Schuld immer bei anderen zu suchen, deren Fehler zu kritisieren, die Gesellschaft oder Kirche anzuklagen, und uns selbst frei zu sprechen? Wer sollte dann aber in der Lage sein, das ersehnte Paradies auf Erden für uns herzustellen? Lenken wir dadurch nicht nur davon ab, dass wir alle Sünder sind, und Gottes Erbarmen, SEINE Erlösung und die gegenseitige Vergebung nötig haben. Also weiter so? Nein, tausendmal nein. Sprechen wir für alle Menschen in der Wirtschaft, den Medien, in Politik, der Kirche, dem Bildungswesen und unseren Familien in der Hoffnung auf Vergebung unserer Schuld, das „Confiteor“ wie wir es zu Beginn jeder Heiligen Messe mit einander beteten:

Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen, der seligen allzeit reinen Jungfrau Maria, dem hl. Erzengel Michael, dem hl. Johannes dem Täufer, den heiligen Aposteln Petrus und Paulus, allen Heiligen, und Euch Brüdern und Schwestern, dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe. Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken, durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld. Darum bitte ich die selige Jungfrau Maria, den hl. Erzengel Michael, den hl. Johannes den Täufer, die heiligen Apostel Petrus und Paulus, alle Engel und Heiligen und Euch Brüder und Schwestern, für mich zu beten bei Gott unserm Herrn.

Laden wir herzlich alle Menschen unserer globalen Familie und alle Christen ein, bei Gott Fürbitte einzulegen, dass wir zur Einsicht in unser schuldhaftes Verhalten kommen und einander gegenseitig verzeihen. Bitten wir Gott aber auch inständig, dass er jedem Einzelnen von uns Kraft verleiht mitzuwirken, dass unsere Sitten nicht verrohen, dass wir einander alles Gute gönnen, das Böse verzeihen und respektvoll mit einander umgehen.

Vergib usere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldnern.

 

 

Worte und Wort

Worte fliegen
hart und krumm
um´s fassungslose
Herz herum

Aus Schweigen mit
hell wachen Sinnen
kann ein neues
Wort gelingen

Drängt frohgemut
aus sicherem Haus
bergend in die
Welt hinaus

 

Schmiegt
innig sich in
bitteren
Stunden wie
Balsam an
die Wunden

Tut es zu meinem Gedächtnis

 

Das Kreuzzeichen

Ein kleines Gefäß mit Weihwasser gefüllt, gehört zu meinen frühesten kindlichen Erfahrungen. Unsere Großmutter ließ es sich nicht nehmen, jeden Abend an mein Bett zu treten, ihre Finger ins geweihte Wasser, zu tauchen, und mich im Namen des Vaters, des Sohnes und Heiligen Geistes zu segnen. Es war mir dabei immer ein wenig feierlich zu Mute. Im Schutze dieser liebevollen Geste konnte ich dann ruhig einschlafen. Ich konnte es kaum erwarten, bis ich mich später wie die Erwachsenen, beim Betreten und Verlassen der Kirche, selbst mit Weihwasser besprengen und bekreuzigen durfte. Tief beeindruckt haben mich auch die gelegentlichen Krankenbesuche unseres Pfarrers. Ein Beistelltisch wurde weiß eingedeckt, und darauf ein kleines Standkreuz und zwei silberne Kerzenständer mit brennenden weißen Kerzen gestellt. Wenn der Priester sich in Ehrfurcht  bekreuzigte und vor dem Allerheiligsten nieder kniete, erfüllte mich ein feierlicher Schauer. Zur vertrauten Umgebung gehörte auch das von unserem Großvater selbst geschnitzte und naturbelassene Kreuz aus Lindenholz in Gestalt eines Weinstocks an der Wand. Ein Leben lang begleiten uns Christen das Weihwasser und das Kreuz als Zeichen der Erlösung, des Segens und der Hoffnung bis über den Tod hinaus. Ist das nicht Grund genug wieder einmal zu bedenken, was geschieht, wenn wir zum Kreuz aufschauen, uns selbst oder andere bekreuzigend den Segen empfangen oder einander spenden?

Ich gehöre noch zu der Generation katholischer Christen, die sich darüber freuen, wenn die Kirchenglocken uns zur Heiligen Messe und kirchlichen Festen einladen und wir uns  im Jahresreigen um den Altar versammeln. Unsere Priester waren sehr geachtet und wir Kinder begrüßten sie mit einem fröhlichen „Gelobt sei Jesus Christus“. Wir schätzten den Religionsunterricht und unsere Geistlichen, die uns die Bedeutung der Zeichen und Sakramente erklärten, und mit uns die Geheimnisse unseres Glaubens feierten. Ein heiliger Schauer kann uns befallen, wenn wir vom Kreuz berührt, aus unseren Träumen wach gerüttelt bemerken, wie sehr uns Gott liebt und braucht, um an SEINER Stelle in anderen Menschen Hoffnung und Segen zu erwecken,  und dass wir in IHM und durch IHN, ein Zeichen SEINER Gegenwart in unserer Zeit sein sollen. Vielleicht meint es Gott in SEINER zarten Liebe  und unendlichen Geduld mit uns sogar gut, wenn ER SEINE alles überragende Majestät vor uns verbirgt und uns schwache Menschen benutzt, um in den Spielwiesen des Alltags, anderen unseren Glauben so zu  bezeugen, dass sie sich vor uns und dem Herrn nicht zu sehr erschrecken müssen. Denn auch wir dürfen fest darauf vertrauen, dass der Herr die Schwächen und Nöte Seiner Zeugen kennt und auch durch unsere kleinen Gesten das Wunder wahrer Gottesbegegnung bewirken kann. Die Begegnung mit der überwältigenden Fülle der Liebe des dreifaltigen Herrn würde uns Kleingläubige doch sicher noch mehr erschrecken, als den mit fester Speise des Glaubens vertrauten Petrus, der beim Hahnenschrei seinen Verrat erkennend, bitterlich weinen musste. Das kraftvolle Kreuzzeichen der Liebe Gottes kann unsere Schuld und verborgenes, Chaotisches in uns und ums uns aufdecken. Es kann uns aber auch zur Erkenntnis führen, wie unsagbar wir darauf angewiesen sind, die barmherzige Nähe Gottes im schlichten Kreuzzeichen immer wieder zu erfahren. Von Geburt bis in den Tod und die Auferstehung hinein, ist das Kreuzzeichen ein Ausdruck dafür, dass Gott nie aufhört Chaos in Kosmos zu wandeln. Wer, wenn nicht die Heiligste Dreifaltigkeit weiß besser, was für uns alle  wirklich umfassend gut ist.

Gottes Fürsorge für das, was er in SEINER unendliche Güte und Liebe geschaffen hat und allezeit am Leben erhält, ist wahrlich schon des Dankes wert. Unsere Heiligen sind auf ihre je eigene  Weise, wie der Heilige Franziskus, mein Namenspatron, Zeugen der erlösenden Liebe Gottes. Wie nahe durfte dieser Heilige dem dreifaltigen Herrn kommen. Ein Beichtspiegel ist er für uns alle: Sind wir so still, demütig, aufmerksam und offen, dass der die  ganze Schöpfung durchwaltende Segen göttlicher Liebe auch uns erfüllen und durch unsere Armut hindurch zu einem wirksamen Zeichen der Liebe werden kann? Hängen wir die Kreuze nie ab und bleiben wir allzeit gesegnet im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Das Kreuz der Erlösung

 

Über Vertrauen

Erich und dessen Frau hält es nicht mehr zu Hause. Gemeinsam fahren sie zu einer Veranstaltung in die nahe gelegene Stadt. Heute sind sie gut in der Zeit, suchen als Erste ihre Plätze aus, und freuen sich, unter den Besuchern im Saal, einige Freunde zu entdecken. Pünktlich tritt der Referent an das Lesepult, hält kurz inne, und beginnt dann mit seinem Vortrag. Die  zahlreichen Besucher, die den Saal füllen, lassen auf ein reges Interesse am Thema schließen, und scheinen gespannt darauf zu warten, was der Referent zur Bedeutung der Spiritualität in unserer Gesellschaft zu sagen hat. Der komplexen Aufgabe entsprechend, geht er in seinem Vortrag, so auf die unterschiedlichen spirituellen Praktiken ein, dass christliche Spiritualität, wie bei einer Schiffsladung, als ein Container unter  anderen zu erkennen ist.

Erich nähert sich seiner Frau und sagt mit gedämpfter Stimme: Mir ist soeben beim Vortrag das Stichwort „Vertrauen“ eingefallen, und es lässt mich nicht mehr los. Ich beteilige mich aber nicht an der Diskussion,  damit andere Anwesende zu Wort kommen. Ich möchte aber nachher mit dem Referenten sprechen, der soeben mit Verweis auf Martin Buber, die Bedeutung des Dialogs betonte. Erich wartet einen Augenblick, und sagte dann zum Referenten: Während Ihres Vortrages ist mir das „Stichwort Vertrauen“ eingefallen. Sie sind sich rasch einig, dass „Vertrauen“ als Voraussetzung unbedingt zu jedem gelingenden Dialog gehört. Nach dieser Unterhaltung wünschte Erich sehr, weiter über die Funktion des Vertrauens im Dialog nachzudenken. Zum Glück entdeckt er in diesem Augenblick im Saal seinen Freund Peter, den er als Gesprächspartner schätzte. Kurz entschlossen sagte er zu ihm: Peter, der Vortrag hat in mir die Frage nach der Funktion des Vertrauens beim Dialog ausgelöst. Hast du Lust, nach dem Vortrag bei einem Glas Wein mit uns darüber nachzudenken? Peter nahm die Einladung gern an.

Bei Erich angekommen, ließen sie sich in die bequemen Sessel des Wohnzimmers fallen. Peter gefiel die in einer Mischung aus Biedermeier und modernen Möbeln bestehende Einrichtung des Raumes. Ruhig und unauffällig hantierte die Hausfrau. Eine frische Tischdecke mit Leuchter und Kerze, Kleinigkeiten zum Knabbern, und eine Flasche Rotwein aus der Region, trugen zu einer behaglichen Atmosphäre bei.  Peter stimmte der Anregung zu, sich nach dem Vortrag einige Minuten zu sammeln. Sein Blick betastete den Flügel, wanderte zu den beidseits der Eingangstüre eingebauten weißen Bücherwänden, und ruhte eine Weile auf dem Kreuz, Marienbild und der Ikone über dem Fernseher. Peter lehnt sich geruhsam in seinen Sessel zurück und wandte sich nun interessiert den beiden modernen Bildern eines russischen Künstlers zu. Es herrschte Stille. Nur das Ticken der Wanduhr im Esszimmer war zu hören. Peter schien sich wohl zu fühlen.

Nach einer Weile eröffnete Erich das Gespräch mit den Worten: Peter, wir freuen uns sehr, dass Du bei uns bist, um mit uns nach dem Vortrag, über die Bedeutung des „Vertrauens“ im Dialog weiter nachzudenken. Dann fuhr er fort: Wenn ich die Nachrichten über Personen unserer Zeit, deren Beziehungen, unsere Gesellschaft, und die politischen Nachrichten über Ereignisse im In- und Ausland höre, zweifle ich oft am Wahrheitsgehalt dieser Meldungen. Könnte dieser Zweifel aber erhellen, dass das zu einem befriedigenden Dialog unbedingt nötige Vertrauen in unserer Gesellschaft schwindet? Die Frage stellt sich dann, welche Aufgabe das Vertrauen hat, damit wir uns offen verständigen können?

Peter räusperte sich, und entgegnete nachdenklich: Wir hörten doch soeben eine Frau die, trotz des gut strukturierten Vortrages, nicht verstanden hatte, was im Dialog erforderlich ist, wenn Rede und Antwort gelingen soll? Darauf bemerkte Erich: Genau diese Frage bewegt mich in noch umfassenderem Sinne. Ich frage mich nämlich, ob in allen menschlichen und religiösen Beziehungen unseres Lebens Vertrauen nötig ist, um einen beidseits befriedigenden Dialog zu führen? Lass uns aber hier kurz innehalten, von den Kleinigkeiten zum Knabbern kosten, und mit unserer Gastgeberin auf unser Wohl anstoßen: In diesem Sinne, Prosit!

Nach einigen Minuten bemerkte Erich: Ich beginne zu ahnen, warum mir das „Stichwort Vertrauen“ so sehr zusetzte. Es scheint ja, als ob uns, ein unbedingtes Vertrauen bei unserem Handeln und Erleben begleitet. Ein Vertrauen in das eigene Denken, Fühlen und Urteilen, wie ebenso in das unserer Gesprächspartner. Erst, wenn im gegenseitigen Vertrauen, ein schonender Umgang mit der wahren Rede zu erwarten ist, kann sich Kritik und Respekt im angstfreien Dialog in Gesellschaft und Politik entfalten. Darauf antwortete Peter: Genau das ist die Voraussetzung, dass wir bei Gesprächen manchmal, Sachverhalte besprechen die sonst verborgen blieben.

Erich antwortete: Ich glaube wir sind in unserem Gespräch auf einer richtigen Spur. Peter, Du führst mich zur Ausgangsfrage nach der Funktion des Vertrauens in unserem Leben zurück. Wir Menschen sind von Geburt an, auf umsorgende Beziehungen zu Personen angewiesen, um ein Urvertrauen in den lebensnotwendigen Sinn des Daseins, und darüber hinaus in ein das gesamte Leben begleitendes Gottvertrauen zu entwickeln. Hier stoßen wir an die Sinnfrage im Ganzen. Eine vertrauend offene Haltung, die als Grundlage von Glauben, Hoffen und Lieben, alles Sichtbare und Unsichtbare unserer Existenz, selbst über den Tod hinaus als ein Geschenk begreift. Gönnen wir uns aber an dieser Stelle wieder einige Minuten, damit uns das Nachdenken nicht überfordert. Übrigens, wir genießen heute einen „Lemberger“ aus der Region, Prosit!“

Nach längerem Schweigen sagte Peter: Ich war jetzt alles andere,  als abwesend, denn es sind mir viele Ereignisse eingefallen, in denen beim Handeln, Urteilen und Entscheiden im Alltag, bewusst oder unbewusst Vertrauen im Spiel war. Ich kann mir beispielsweise nicht vorstellen, dass ich ohne gegenseitiges Vertrauen auch in den Segen Gottes, mit meiner Frau, die leider nicht anwesend ist, so viele Jahre all die guten und schlechten Zeiten geteilt hätte. Das gilt aber auch für alle anderen Beziehungen, wenn sie gelingen sollen. Erich antwortete spontan: Deine Einsicht in die Bedeutung des Vertrauens gilt auch für die Dialoge im gesellschaftlichen und politischen Raum. Ohne Vertrauen und Respekt, allein auf Macht, Kritik und Kontrolle gestützt, scheinen auch die nationalen und internationalen Beziehungen gesellschaftlicher oder politischer Partner nicht zu funktionieren. Hierauf antwortete Peter: Wir sollten daher, die in unserer Zeit vielfältig ausgeübte Kritik in Medien, Gesellschaft und Politik, in ihrer Wirkung, gegenseitig  erforderliches  Vertrauen zu ermöglichen oder zu zerstören, nicht unterschätzen.

Erich ergänzte direkt: „Ich denke in diesem Zusammenhang besonders an respektlose, unangemessene Kritik gegenüber Ärzten, Juristen, Theologen, Wissenschaftlern und  in der Öffentlichkeit bekannter Personen. Es könnte sich andererseits aber auch  lohnen, darüber nachzudenken, welches blinde Vertrauen wir in das reibungslose Funktionieren der uns verfügbaren Techniken setzen. Wenn wir zum Beispiel ein Flugzeug benutzen, oder mit dem Auto unterwegs sind, dann vertrauen wir auch den Fähigkeiten der Konstrukteure und Techniker, die diese Geräte entwickelten und warten. Dies gilt ebenso für alle Bautechniken, Maschinen und Geräte in allen Lebensbereichen, der Verwaltung, Medizin, Forschung und Datenverarbeitung. Sobald aber ein Ausfall oder  Schaden entsteht, sind wir rasch dabei, nach den Schuldigen zu suchen. Gegebenenfalls bestehen wir dann auf unserem einklagbaren Recht zum Schadensersatz. Tief durchatmend fügte Erich hinzu: Mir ist nach einer Pause zumute, denn ich bemerke immer mehr wie umfassend, die Funktion des Vertrauens uns auch im Alltag betrifft. Scheint es doch, als ob wir davon ausgehen sollten, dass uns ein Grundvertrauen, bewusst oder unbewusst unser Leben lang über viele Untiefen hinweg trägt. Es könnte einem schwindelig werden!

Erich schaute wie abwesend, im Raum umher, als könne er sich im Betrachten der ihm vertrauten Gegenstände, ein wenig Halt verschaffen. Peter spricht nachdenklich dem „Lemberger“ zu und knabbert Salzstangen. Einige Minuten ist nur das Ticken der Wanduhr zu vernehmen. Dann räusperte sich Erich und sagt: Die Frage des Vertrauens in ihren unterscheidbaren Formen hat mich fest im Griff. Wir sprachen schon vom Urvertrauen, das im frühen Stadium menschlicher Entwicklung nötig ist, damit ein Kind bei einer Halt und Sicherheit gebenden Person lernt, sich anzuvertrauen. Danach modifizieren wir durch vielfältige Erfahrungen aus gelingenden Dialogen, während des ganzen Lebens unser Urvertrauen so, dass wir in der Lage sind, uns gegenseitig Vertrauensvorschuss einräumen, um mit einander angstfrei reden, und uns vor Übergriffen schützen zu können.

Peter, richtete sich auf und wagte die Frage: Ist womöglich im religiösen Leben der Menschen, ein noch fundamentalerer Austausch aktiven und passiven Vertrauens gegeben; ein das ganze Leben begleitender und begründender Prozess, in dem das einmal im Urvertrauen erfahrene Geschehen der Sicherheit und Geborgenheit, in dankbarer Weise modifiziert, in der Natur, Kultur und Religion der Menschen, als Gottesgeschenk zu erleben ist? Dass gläubige Christen darüber hinaus, im Vertrauen auf die Zusage Jesu, Erlösung und Freiheit als Gnade erfahren, und darauf vertrauen können, dass der Schöpfer und Erhalter  des Lebens seine Geschöpfe, uns Menschen den gesamten Kosmos nicht dem Tode überlässt, sondern in ein gelingendes, künftiges Geschehen einbeziehen wird? Jetzt wird mir vor Freude schwindelig, entgegnete Erich: „Denn nun beginne ich zu begreifen, warum mich das Stichwort „Vertrauen“ in Reaktion auf den Vortrag über die Spiritualität nicht mehr los ließ. Vertrauen ist, so verstanden, für uns Christen ein am Anfang des menschlichen Lebens beginnendes, über den Tod hinaus, das ganze Sein tragendes Geschehen.

Erich schloß beeindruckt mit den Worten:  Lieber Peter,  am Ende des heutigen Gesprächs, möchte ich vor dem Kreuz, dem Marienbild und der Ikone hier, alle Menschen in unseren Dialog einschließend, für die vielen bewusst und unbewusst erfahrenen Gaben und Geschenke des Vertrauens, die uns von Angst befreien, und zu Kindern Gottes machen, danken. Gott der Herr behüte Dich und Deine Familie. Ich wünsche Dir eine gute Heimreise und uns, dass wir das fruchtbare gemeinsame Nachdenken über die Funktion und Bedeutung des Vertrauens in bleibender  Erinnerung behalten!

Ewige Liebe bewahre und tröste und stärke uns

Memoria

Wie Morgenlicht
durch Dunkel
bricht so bist Du
da holde Memoria

Gibst mir Geleit
in Herz und Sinn
durch Raum und Zeit
zu Freunden hin

Ich steh in Schuld
und wünsche zu
vergelten denn
ohne Eure Huld
herrscht Armut
in den Zelten

Dies‘ dankend
Wort es bleibt als
Hort mein Lied das
die Erinnerung
schrieb

Das Kreuz der Erlösung

 

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