Worte Gottes

Von Kindheit an, lange bevor wir sprechen können, hören wir  Geräusche, Töne und Worte: Wenn die Mutter den Tisch deckt und die Teller klappern, dabei ein Lied singt oder mit den Geschwistern spricht, fühlen wir uns in dieser vertrauten Umgebung, sicher und geborgen. Wir lernen mit der Muttersprache, die Bedeutung von Worten und Sätzen. Mit dem Spracherwerb erweitert sich unser Horizont: Wir verstehen Zusammenhänge besser, sind in der Lage, Phänomene von einander zu unterscheiden, und uns in zunehmend komplexeren  Kontexten zu orientieren. Nun ist es möglich, uns über unsere Wünsche und Grenzen, über Begriffe, Ziele, Ereignisse und Vorstellungen mit anderen Menschen zu verständigen. Mit Worten erweitern wir nicht nur unser Wissen, sondern klären auch unsere Beziehungen zu Dingen und Menschen. Worte können uns beruhigen, trösten, wie ein »heile Segen! « oder verunsichern, erschrecken und ängstigen. In unserer Zeit, in der wir mit vielen Worten und Mitteilungen überschüttet werden, ist es besonders wichtig, zu erkennen, welche Weltsicht, in den unterschiedlichen Sprachfamilien tradiert wird.Wenn wir uns gegenseitig verstehen wollen, gilt es, den Dialekt von der Hochsprache, die Alltagssprache von der Fach- und Fremdsprache, zu unterscheiden. Dabei ist es erforderlich, zu berücksichtigen, ob wir uns mit Hilfe der Sprache über empirische und historische Befunde, über Kunst, Literatur und Musik oder über philosophische und religiöse Themen unterhalten. In einem lebenslangen Prozess gilt es sich mit dem, was wir hören, auseinander zu setzen, um sprachliche Inhalte, die uns täuschen, verwirren, schaden können, von denen zu unterscheiden, die hilfreich, richtig und wichtig für uns sind. In hartnäckigen Diskussionen begegnen uns oft zwei Auffassungen, als handle es sich dabei um »feindliche Brüder«, die nicht zusammen finden können: Die Naturwissenschaften, die weitgehend von der Vorstellung ausgehen, wir könnten mit geeigneten Methoden alles erforschen, und mit Wahrscheinlichkeit das, was gültig, richtig und wahr ist, von dem unterscheiden, was falsch und zu verwerfen sei, betrachten aber die Frage, warum es sie und ihre Forschungsgegenstände gibt, als irrelevant. Ausgeblendet werden meistens auch die Fragen, ob alles was erforscht werden kann, noch zu bezahlen, sowie ethisch und sittlich zu vertreten ist. Der immer spezifischere Blick empirischer Wissenschaften auf ihre Disziplin, führt schließlich dazu, dass es im Laufe der Zeit immer weniger Spezialisten gibt, die sich in ihren Fachgebieten noch auskennen. Die ganzheitliche Betrachtung der Lebenskontexte hingegen, schwindet. Im Interesse von uns allen und der Forschung, ist es daher auch heute unverzichtbar, dass die in den Geisteswissenschaften tradierte Frage: »Warum gibt es das alles und nicht nichts? «, und damit der Blick auf das »Ganze« nicht verloren geht. Es mag die empirischen Forscher zwar enttäuschen, wenn ihr Anspruch, das Maß aller Dinge zu sein, bestritten wird. Um die unantastbare Würde des Menschen als Person,  seine Stellung und Verantwortung im gesamte Lebenskontext des Makro- und Mikrokosmos zu verstehen, muss aber über seinen Gestaltungsspielraum und die Grenzen, über seine Macht und Ohnmacht, über Leben und Tod, die in allem waltenden Geheimnisse und die Sehnsucht nach Vollendung in Gott gesprochen werden. Offensichtlich sind Worte eingebettet in sprachgeschichtliche Kontexte, von denen her sie ihre Bedeutung bekommen. Das gilt sowohl für die Natur- als auch für die Geisteswissenschaften. Beide Betrachtensweisen sind unentbehrlich und bedürfen gegenseitiger Ergänzung. Dies umso mehr in einer Zeit, in der man vielfach davon ausgeht, eine geisteswissenschaftliche Erforschung der Phänomene erübrige sich. Es gilt daher, immer wieder neu, in den geschichtlichen Epochen aufzuzeigen, dass die unterschiedlichen Standpunkte Schaden nehmen müssten, wenn sie nicht durch die jeweils andere Auffassung ergänzt und bereichert würden. Wir müssen aber leider feststellen, dass bei einem unheimlich anmutenden Wachstum an Wissensbeständen, die Fähigkeit der Menschen, zur  kritischen Analyse der Meinungsvielfalt, eher zu schwinden scheint. Hinzu kommt, dass die Sensibilität für den Reichtum an sprachlichen Ausdrucksmitteln, und damit die Bereitschaft zu kultiviertem Sprechen und Hören abnimmt. Differenziertes Hören und Verstehen von Worten und Sätzen im jeweiligen Sprachkontext, und die Fähigkeit, sich adäquat auszudrücken, sind aber notwendig, wenn beispielsweise Worte und Sätze in philosophischen, theologischen oder religiösen Kontexten, wenn letztendlich »Worte Gottes«, sinngemäß verstanden werden sollen.

Die Pflege der Sprache als Medium, um deren Bedeutung und Wandel in theologischen und religiösen Inhalten, vom Gebrauch in anderen Sprachspielen zu unterscheiden, können wir durch einen Vergleich der Überlieferungs-Traditionen beobachten. Auch die Katholische Kirche und deren Verkündigung, sind nicht abgeschottet vom normalen Leben, führenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, und deren prozessualen Veränderungen: Wir können das besonders deutlich an dem Bild ablesen, das sie vor, während und nach dem zweiten Vatikanum darbot. Unser gütiger Papst, Johannes der XXIII, würde sich schon ein wenig wundern, wenn er sehen könnte, dass das von ihm angestoßene Aggiornamento nicht nur ein lindes Frühjahrslüftchen, sondern auch manchen Wirbelwind auslöste. In unserem Zusammenhang werden wir uns aber auf den Gebrauch der Sprache beschränken: Vor dem zweiten Vatikanum, war es noch weltweit gängige Praxis,  die Heilige Messe in lateinischer Sprache zu feiern. Der Priester zelebrierte in dieser Ordo, nach Osten gewandt, mit dem Rücken zur Gemeinde. Wenn der Gläubige verstehen wollte, was er sagte, musste er Latein beherrschen oder sich der Übersetzungshilfe, des damals üblichen »Schotts«, bedienen. Lediglich die Predigt gab Aufschluss darüber, was im Kirchenjahr, gerade jetzt, gefeiert wurde. Vom sprachlichen Zugang zu den Texten abgesehen, blieb dann immer noch die Schwierigkeit, den Inhalt der Aussagen richtig zu verstehen. Nach dem zweiten Vatikanum, mit der Einführung der Volkssprache, konnten alle Gläubigen der jeweiligen Sprachregion, wie im evangelischen Gottesdienst, das »Wort Gottes« unmittelbar hören, und in der eigenen Sprache verstehen. Die Bedeutung der Sprache zum Mitvollzug der Liturgie und Verkündigung, wurde zudem in der Messe rituell mehr als bisher hervorgehoben: Der Priester trägt heute in der Regel, beim Einzug in den Kirchenraum, das Evangeliar hoch erhoben, über sich, und für alle Gläubigen sichtbar, zum Altar. Die Verehrung gilt, wie der konsekrierten Hostie in der Monstranz, nun auch dem im Wort verkündigten, gegenwärtigen Herrn Jesus Christus, der uns immer wieder neu, wie den Emmaus-Jüngern den Sinn der Schrift erschließt.

Man kann die Heilige Schrift als eine historische Tatsache, was sie im Kern auch ist, beschreiben und verstehen wollen. Damit bleibt aber  eine gewisse Distanz zur Botschaft Jesu, und den Jüngern bestehen, die diese Botschaft anzunehmen lernten. Wenn man aber »Gottes Worte« als eine Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen aller Epochen, bis zum Ende der Zeiten versteht, erschließen sich, unabhängig von der verwendeten Sprache, immer wieder neue Aspekte: Ich erinnere mich, dass ich während der Gottesdienste, bei Vorträgen, oder gelegentlich beim Studium der Heiligen Schrift, so von Szenen ergriffen wurde, als wären sie für mich geschrieben. Die Worte gingen  mir unter die Haut, direkt zu Herzen. Ich meine begriffen zu haben, warum mir in solchen Situationen, Textstellen so nahe kommen. Es sind eben nicht nur Geschichten über Jesu Beziehung zu den damaligen Augen- und Ohren-Zeugen, die uns die Evangelien berichten. Wir hören nicht nur Erzählungen, mit eine historisch verbürgten Kern, wie es damals war. Der Sinn der  Geschichten geht weit darüber hinaus! Beim betrachtenden Studium der Begegnungen Jesu mit den damaligen Menschen, wird eine historische Distanz gerade zu überwunden. Es kommt zu einem geisterfüllten, lebendigen Dialog; zu  einer Begegnung des gekreuzigten und auferstandenen Herrn mit Dir und mir. Zugleich werden die Menschen, die in der Begegnung mit dem Herrn zu Jüngern, und Zeugen dieses Geschehens wurden, auch aus einer historischen Erstarrung befreit. In Ihren Begegnungen mit dem Herrn treten sie an meine und Deine Stelle. Du und ich, wir sind gemeint. Die Geschichten holen uns in die immer währende Liebesbeziehung des Herrn zu uns ein. Wir beginnen von da her neu zu verstehen, warum uns die von der Kirche in unserer Sprache verkündigte frohe Botschaft immer wieder zu Herzen geht. Bei allem zeitlichen Abstand unseres Hier und Heute zum Dort und Damals, den ersten Begegnungen der Jünger mit dem Herrn, besteht im Heiligen Geist, eine uns immer wieder überwältigende Erfahrung, die uns Menschen von Heute ins Spiel bringt: Hierfür mögen einige Beispiel stehen: Maria sitzt an meiner Stelle und ich sitze mit Maria, dem Herrn zu Füßen, der versichert, sie habe, wenn sie das tue, den besseren Teil erwählt. Ebenso bin ich die geschäftige Martha, deren Fürsorge nicht zurückgewiesen wird, die aber lernen muss, dass die Liebe Jesu nicht verdient werden kann, sondern reine Gabe, reines Geschenk, und an keine Vorbedingung geknüpft ist. Wer kennt nicht den »Zachäus«, der auf einen Baum klettert, weil es ihn drängt, den Herrn sehen zu wollen, da er „klein“ von Gestalt ist. Und ER, der Herr, bemerkt ihn, holt ihn herunter, stellt ihn auf die Beine, und sagt ihm die schönen Worte, dass ER heute noch bei ihm einkehren wolle. Ich bin auf meine Weise auch der Schächer am Kreuz, der nicht zulassen kann, dass der mit uns gekreuzigte Verbrecher, den unschuldigen Herrn verspottet. Der darauf hin die Zusage erhält: »Heute noch wirst Du bei mir im Paradiese sein! « Auch diese Zusage des »heute noch« gilt uns, wenn wir nicht zulassen können, dass ER, der absolut GUTE, verspottet wird. Ich komme aus einer St. Josefs Pfarrei: Jesus, Maria, Josef, die heilige Familie, und in der Nachfolge die »Katholische Kirche« weltweit, ist heute meine Familie, mein Zuhause. In dieser Kirche habe ich, mit anderen Menschen zusammen, in der Feier der heiligen Geheimnisse, und des weltumspannenden Gebetes, meinen Platz und meine »priesterliche Aufgabe«. In brennender Sorge bete ich mit unserem Papst, Bruder Franziskus, dass der Herr im Heiligen Geist unsere große Familie segne, bewahre und nach Gottes Willen zur Vollendung führe. Zu Johannes unterm Kreuz spricht ER: »Sieh da, Deine Mutter! Und zur Mutter Jesu: «Sieh da Deinen Sohn! « So bin ich auch die Gottesmutter, die alle Geheimnisse des Glaubens in ihrem Herzen bewegt und bewahrt, die den Gottes-Sohn zur Welt bringt, das Wachstum des Glaubens, und das Wohl und Wehe ihres Sohnes, bis unter das Kreuz, und in die Geheimnisse der Auferstehung und Geistsendung begleitet. Sie, die Fürsprecherin und Mutter der Kirche, ich der Kirche in mütterlicher Treue verbunden. Ich bin ebenso Johannes, der unter dem Kreuz in Trauer und Schmerz verstummt, und sich der Gottesmutter anvertraut. Es schmerzt, auch der verlorene Sohn zu sein, der alles durchbrachte, bis er sich nur noch von den Schoten, die man den Schweinen vorwarf, ernähren konnte. Der dann umkehrte. Den der Vater längst erwartete, um ihn in die Arme zu schließen. Der ein Mastkalb schlachten ließ und ein großes Fest feierte, weil er seinen Sohn wieder gefunden hatte. Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen sollen, wie aktuell die Heilige Schrift, die Frohe Botschaft für mich und für uns alle immer war und bis zum heutigen Tag geblieben ist. Sie liegt längst in verschiedenen Ausgaben, als ein Trostbuch, eine Frohbotschaft, zu frommem Gebrauch auf meinem Schreibtisch. Wie sehr das Evangelium aber auch unsere Liebes- und Berufungsgeschichte mit dem über alles GELIEBTEN erzählt, ist mir heute wieder ein Stück weit deutlicher geworden. Herr erbarme Dich, so singen wir ab und zu im Gottesdienst. Dieser Bitte um Erbarmen, antwortet die Heilige Schrift. Sie ist die anschauliche, ewige Liebesgeschichte Gottes mit seinen Jüngern damals, und durch alle Zeiten, auch mit Dir und mir. Diese »Worte Gottes« übertreffen wahrhaft alle Vorstellungen.

Heilige Schrift

 

 

Worte Gottes

Von Kindheit an, lange bevor wir sprechen können, hören wir  Geräusche, Töne und Worte: Wenn die Mutter den Tisch deckt und die Teller klappern, dabei ein Lied singt oder mit den Geschwistern spricht, fühlen wir uns in dieser vertrauten Umgebung, sicher und geborgen. Wir lernen mit der Muttersprache, die Bedeutung von Worten und Sätzen. Mit dem Spracherwerb erweitert sich unser Horizont: Wir verstehen Zusammenhänge besser, sind in der Lage, Phänomene von einander zu unterscheiden, und uns in zunehmend komplexeren  Kontexten zu orientieren. Nun ist es möglich, uns über unsere Wünsche und Grenzen, über Begriffe, Ziele, Ereignisse und Vorstellungen mit anderen Menschen zu verständigen. Mit Worten erweitern wir nicht nur unser Wissen, sondern klären auch unsere Beziehungen zu Dingen und Menschen. Worte können uns beruhigen, trösten, wie ein »heile Segen! « oder verunsichern, erschrecken und ängstigen. In unserer Zeit, in der wir mit vielen Worten und Mitteilungen überschüttet werden, ist es besonders wichtig, zu erkennen, welche Weltsicht, in den unterschiedlichen Sprachfamilien tradiert wird. Wenn wir uns gegenseitig verstehen wollen, gilt es, den Dialekt von der Hochsprache, und die Alltagssprache von der Fach- und Fremdsprache, zu unterscheiden. Dabei ist es erforderlich, zu berücksichtigen, ob wir uns mit Hilfe der Sprache über empirische und historische Befunde, über Kunst, Literatur und Musik oder über philosophische und religiöse Themen unterhalten. In einem lebenslangen Prozess gilt es sich mit dem, was wir hören, auseinander zu setzen, um sprachliche Inhalte, die uns täuschen, verwirren, schaden können, von denen zu unterscheiden, die hilfreich, richtig und wichtig für uns sind. In hartnäckigen Diskussionen begegnen uns oft zwei Auffassungen, als handle es sich dabei um »feindliche Brüder«, die nicht zusammen finden können: Die Naturwissenschaften, die weitgehend von der Vorstellung ausgehen, wir könnten mit geeigneten Methoden alles erforschen, und mit Wahrscheinlichkeit das, was gültig, richtig und wahr ist, von dem unterscheiden, was falsch und zu verwerfen sei; sie betrachten aber die Frage, warum es sie und ihre Forschungsgegenstände gibt, als irrelevant. Ausgeblendet werden meistens auch die Fragen, ob alles was erforscht werden kann, noch zu bezahlen, sowie ethisch und sittlich zu vertreten ist. Der immer spezifischere Blick empirischer Wissenschaften auf ihre Disziplin, führt schließlich dazu, dass es im Laufe der Zeit immer weniger Spezialisten gibt, die sich in ihren Fachgebieten noch auskennen. Die ganzheitliche Betrachtung der Lebenskontexte hingegen, schwindet. Im Interesse von uns allen und der Forschung, ist es daher auch heute unverzichtbar, dass die in den Geisteswissenschaften tradierte Frage: »Warum gibt es das alles und nicht nichts? «, und damit der Blick auf das »Ganze« nicht verloren geht. Es mag die empirischen Forscher zwar enttäuschen, wenn ihr Anspruch, das Maß aller Dinge zu sein, bestritten wird. Um die unantastbare Würde des Menschen als Person, seine Stellung und Verantwortung im gesamten Lebenskontext des Makro- und Mikrokosmos zu verstehen, muss aber über seinen Gestaltungsspielraum und die Grenzen, über seine Macht und Ohnmacht, über Leben und Tod, die in allem waltenden Geheimnisse, und die Sehnsucht nach Vollendung in Gott gesprochen werden. Offensichtlich sind Worte eingebettet in sprachgeschichtliche Kontexte, von denen her sie ihre Bedeutung bekommen. Das gilt sowohl für die Natur- als auch für die Geisteswissenschaften. Beide Betrachtensweisen sind unentbehrlich und bedürfen gegenseitiger Ergänzung. Dies umso mehr in einer Zeit, in der man vielfach davon ausgeht, eine geisteswissenschaftliche Erforschung der Phänomene erübrige sich. Es gilt daher, immer wieder neu, in den geschichtlichen Epochen aufzuzeigen, dass die unterschiedlichen Standpunkte Schaden nehmen müssten, wenn sie nicht durch die jeweils andere Auffassung ergänzt und bereichert würden. Wir müssen aber leider feststellen, dass bei einem unheimlich anmutenden Wachstum an Wissensbeständen, die Fähigkeit der Menschen, zur  kritischen Analyse der Meinungsvielfalt, eher zu schwinden scheint. Hinzu kommt, dass die Sensibilität für den Reichtum an sprachlichen Ausdrucksmitteln, und damit die Bereitschaft zu kultiviertem Sprechen und Hören abnimmt. Differenziertes Hören und Verstehen von Worten und Sätzen im jeweiligen Sprachkontext, und die Fähigkeit, sich adäquat auszudrücken, sind aber notwendig, wenn beispielsweise Worte und Sätze in philosophischen, theologischen oder religiösen Kontexten, wenn letztendlich »Worte Gottes«, sinngemäß verstanden werden sollen.

Die Pflege der Sprache als Medium, um deren Bedeutung und Wandel in theologischen und religiösen Inhalten, vom Gebrauch in anderen Sprachspielen zu unterscheiden, können wir durch einen Vergleich der Überlieferungs-Traditionen beobachten. Auch die Katholische Kirche und deren Verkündigung, sind nicht abgeschottet vom normalen Leben, führenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, und deren prozessualen Veränderungen: Wir können das besonders deutlich an dem Bild ablesen, das sie vor, während und nach dem zweiten Vatikanum darbot. Unser gütiger Papst, Johannes der XXIII, würde sich schon ein wenig wundern, wenn er sehen könnte, dass das von ihm angestoßene Aggiornamento nicht nur ein lindes Frühjahrslüftchen, sondern auch manchen Wirbelwind auslöste. In unserem Zusammenhang werden wir uns aber auf den Gebrauch der Sprache beschränken:

Vor dem zweiten Vatikanum, war es noch weltweit gängige Praxis,  die Heilige Messe in lateinischer Sprache zu feiern. Der Priester zelebrierte in dieser Ordo, nach Osten gewandt, mit dem Rücken zur Gemeinde. Wenn der Gläubige verstehen wollte, was er sagte, musste er Latein beherrschen oder sich der Übersetzungshilfe, des damals üblichen »Schotts«, bedienen. Lediglich die Predigt gab Aufschluss darüber, was im Kirchenjahr, gerade jetzt, gefeiert wurde. Vom sprachlichen Zugang zu den Texten abgesehen, blieb dann immer noch die Schwierigkeit, den Inhalt der Aussagen richtig zu verstehen. Nach dem zweiten Vatikanum, mit der Einführung der Volkssprache, konnten alle Gläubigen der jeweiligen Sprachregion, wie im evangelischen Gottesdienst, das »Wort Gottes« unmittelbar hören, und in der eigenen Sprache verstehen. Die Bedeutung der Sprache zum Mitvollzug der Liturgie und Verkündigung, wurde zudem in der Messe rituell mehr als bisher hervorgehoben: Der Priester trägt heute in der Regel, beim Einzug in den Kirchenraum, das Evangeliar hoch erhoben, über sich, und für alle Gläubigen sichtbar, zum Altar. Die Verehrung gilt, wie der konsekrierten Hostie in der Monstranz, nun auch dem im Wort verkündigten, gegenwärtigen Herrn Jesus Christus, der uns immer wieder neu, wie den Emmaus-Jüngern den Sinn der Schrift erschließt.

Man kann die Heilige Schrift als eine historische Tatsache, was sie im Kern auch ist, beschreiben und verstehen wollen. Damit bleibt aber  eine gewisse Distanz zur Botschaft Jesu und den Jüngern bestehen, die diese Botschaft anzunehmen lernten. Wenn man aber »Gottes Worte« als eine Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen aller Epochen, bis zum Ende der Zeiten versteht, erschließen sich, unabhängig von der verwendeten Sprache, immer wieder neue Aspekte: Ich erinnere mich, dass ich während der Gottesdienste, bei Vorträgen, oder gelegentlich beim Studium der Heiligen Schrift, so von Szenen ergriffen wurde, als wären sie für mich geschrieben. Die Worte gingen  mir unter die Haut, direkt zu Herzen. Ich meine begriffen zu haben, warum mir in solchen Situationen, Textstellen so nahe kommen. Es sind eben nicht nur Geschichten über Jesu Beziehung zu den damaligen Augen- und Ohren-Zeugen, die uns die Evangelien berichten. Wir hören nicht nur Erzählungen, mit einem historisch verbürgten Kern, wie es damals war. Der Sinn der  Geschichten geht weit darüber hinaus! Beim betrachtenden Studium der Begegnungen Jesu mit den damaligen Menschen, wird eine historische Distanz gerade zu überwunden. Es kommt zu einem geisterfüllten, lebendigen Dialog; zu  einer Begegnung des gekreuzigten und auferstandenen Herrn mit Dir und mir. Zugleich werden die Menschen, die in der Begegnung mit dem Herrn zu Jüngern und Zeugen dieses Geschehens wurden, auch aus einer historischen Erstarrung befreit. In Ihren Begegnungen mit dem Herrn treten sie an meine und Deine Stelle. Du und ich, wir sind gemeint. Die Geschichten holen uns in die immer währende Liebesbeziehung des Herrn zu uns ein. Wir beginnen von da her neu zu verstehen, warum uns die von der Kirche in unserer Sprache verkündigte frohe Botschaft immer wieder zu Herzen geht. Bei allem zeitlichen Abstand unseres Hier und Heute zum Dort und Damals, den ersten Begegnungen der Jünger mit dem Herrn, besteht im Heiligen Geist, eine uns immer wieder überwältigende Erfahrung, die uns Menschen von Heute ins Spiel bringt: Hierfür mögen einige Beispiel stehen: Maria sitzt an meiner Stelle und ich sitze mit Maria, dem Herrn zu Füßen, der versichert, sie habe, wenn sie das tue, den besseren Teil erwählt. Ebenso bin ich die geschäftige Martha, deren Fürsorge nicht zurückgewiesen wird, die aber lernen muss, dass die Liebe Jesu nicht verdient werden kann, sondern reine Gabe, reines Geschenk, und an keine Vorbedingung geknüpft ist. Wer kennt nicht den »Zachäus«, der auf einen Baum klettert, weil es ihn drängt, den Herrn sehen zu wollen, da er „klein“ von Gestalt ist. Und ER, der Herr, bemerkt ihn, holt ihn herunter, stellt ihn auf die Beine, und sagt ihm die schönen Worte, dass ER heute noch bei ihm einkehren wolle. Ich bin auf meine Weise auch der Schächer am Kreuz, der nicht zulassen kann, dass der mit uns gekreuzigte Verbrecher, den unschuldigen Herrn verspottet. Der darauf hin die Zusage erhält: »Heute noch wirst Du bei mir im Paradiese sein! « Auch diese Zusage des »heute noch« gilt uns, wenn wir nicht zulassen können, dass ER, der absolut GUTE, verspottet wird.

Ich komme aus einer St. Josefs Pfarrei: Jesus, Maria, Josef, die heilige Familie, und in der Nachfolge die »Katholische Kirche« weltweit, ist heute meine Familie, mein Zuhause. In dieser Kirche habe ich, mit anderen Menschen zusammen, in der Feier der heiligen Geheimnisse und des weltumspannenden Gebetes, meinen Platz und meine »priesterliche Aufgabe«. In brennender Sorge bete ich mit unserem Papst, Bruder Franziskus, dass der Herr im Heiligen Geist unsere große Familie segne, bewahre und nach Gottes Willen zur Vollendung führe. Zu Johannes unterm Kreuz spricht ER: »Sieh da, Deine Mutter! Und zur Mutter Jesu: «Sieh da Deinen Sohn! « So bin ich auch die Gottesmutter, die alle Geheimnisse des Glaubens in ihrem Herzen bewegt und bewahrt, die den Gottes-Sohn zur Welt bringt, das Wachstum des Glaubens und das Wohl und Wehe ihres Sohnes bis unter das Kreuz und in die Geheimnisse der Auferstehung und Geistsendung begleitet. Sie, die Fürsprecherin und Mutter der Kirche, ich der Kirche in mütterlicher Treue verbunden. Ich bin ebenso Johannes, der unter dem Kreuz in Trauer und Schmerz verstummt und sich der Gottesmutter anvertraut. Es schmerzt, auch der verlorene Sohn zu sein, der alles durchbrachte, bis er sich nur noch von den Schoten, die man den Schweinen vorwarf, ernähren konnte. Der dann umkehrte. Den der Vater längst erwartete, um ihn in die Arme zu schließen. Der ein Mastkalb schlachten ließ und ein großes Fest feierte, weil er seinen Sohn wieder gefunden hatte.

Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen sollen, wie aktuell die Heilige Schrift, die Frohe Botschaft für mich und für uns alle immer war und bis zum heutigen Tag geblieben ist. Sie liegt längst in verschiedenen Ausgaben, als ein Trostbuch, eine Frohbotschaft, zu frommem Gebrauch auf meinem Schreibtisch. Wie sehr das Evangelium aber auch unsere Liebes- und Berufungsgeschichte mit dem über alles GELIEBTEN erzählt, ist mir heute wieder ein Stück weit deutlicher geworden. Herr erbarme Dich, so singen wir ab und zu im Gottesdienst. Dieser Bitte um Erbarmen, antwortet die Heilige Schrift. Sie ist die anschauliche, ewige Liebesgeschichte Gottes mit seinen Jüngern damals, und durch alle Zeiten, auch mit Dir und mir. Diese »Worte Gottes« übertreffen wahrhaft alle Vorstellungen.

Das Evangelium Gottes Worte an uns

 

 

Vom Geheimnis des Lebens

Vor Tagen saß ich auf der überdachten Terrasse im Garten. Vor mir zeigten dunkelrote Dahlien ihre Blütenstände, daneben behauptete sich eine üppig weiß-grün aufgeblühte Annabell. Die meditative Stille weckte Erinnerungen an meine betende Großmutter, an die Gottesmutter, Marienlieder und die Worte „DEUS CARITAS EST“. Dann beglückten mich Gedanken über Gott unseren Vater, der Quelle aller Wahrheit, und die Worte „DEUS VERITAS EST“. Diese Erfahrungen machten mich sprachlos. Erst einige Tage später fand ich nach anfänglichem Zögern die Sprache wieder, als mich ein Freund aufforderte, dieses Ereignis zu beschreiben. Ich hoffe dass meine Schilderung und die Gedanken hierzu, die Würde des Erlebnisses bewahren:

Kurz nach seiner Geburt vor vier Wochen, lag unser jüngster Enkel Max auf meiner Brust. Als bedürftiges, lebendiges Wesen, wurde auch ich einst in das Geheimnis des Lebens geboren. Danach bargen und behüteten mich die Familie, und im Jahresreigen die Kräfte und Schönheit der Natur. Im Schutz und Segen der Kirche entfalteten sich die Beziehungen zu Menschen, Welt und Gott. Durch das Geschenk der Sinne und Sprache verständigte ich mich mit anderen Menschen in Schule, Studium und Beruf und Bildung, über Freud und Leid, die Aufgaben, den Sinn, die Ordnungen und Geheimnisse des Lebens. Ich lernte die Gewalt des Bösen, Schuld und Vergebung, und das Gute in Gestalten der Liebe kennen. Mein Leben war nun ein Teil der Geschichte aller Menschen und Geschöpfe vor uns, mit und nach uns. Der Dank an Gott für den Reichtum des Lebens, veranlasste mich, Verantwortung zu übernehmen:

In Familie, Gesellschaft und Kirche durfte ich viele Jahre die Kenntnisse in Psychologie, Philosophie und Theologie zum Wohl der Menschen einsetzen. Ich folgte dem Herzen auch als Schriftsteller durch die Schilderung der Geheimnisse und die Bedeutung von Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, von Kunst und Musik, im menschlichen Leben. Im höheren Lebensalter dominierten in der Sorge um die Nachkommen die existenziellen, ethischen und religiöse, das ganze Leben betreffenden Themen.

Im Nachdenken über die entscheidenden Wendungen und Fügungen in meinem Leben, erkannte ich, wie sich alle Ereignisse, zu einer persönlichen Geschichte zusammenfügten, die ich einige Jahrzehnte mit anderen Menschen teilen durfte. Trotz aller Katastrophen, Schrecken und Gewalten, habe ich die Grundmelodie des Lebens als Liebe und Freundschaft, Vertrauen in gemeinsame Werte, und die Freude an Kunst, Musik und Religion im Herzen bewahrt. Alle Texte, die ich schrieb und noch schreiben werde, sind Ausdruck eines Dankes an den Komponisten unserer Lebenssymphonie, den verehrungswürdigen Choreographen des vielfältigen Lebens. Die eingangs erwähnte Erschütterung unter dem Dach unseres Hauses, verstehe ich als Ausdruck einer Sehnsucht nach der Quelle, der wir alle Liebe und Erkenntnis, verdanken. Es ist Gott, der Schöpfer und Erhalter allen Lebens, der in SEINEM Sohn und Heiligen Geist Allgegenwärtige. ER, der die WAHRHEIT und LIEBE ist, lässt sich von uns im Glauben und Hoffen lieben und will uns einst in SEINE ewigen Wohnungen aufnehmen.

Vater und Sohn

De Obed

Hier folgt in Mundart meine Erzählung “De Obed”

Mer hogge im Garde. S´isch hüt heiß g´si – kum zum ushalte. Hinterm Hus unterm Dächli häm mer achtedrissig Grad im Schatte g´messe. Gott sei Dank het´s jetzt zum Obed hi e weng abkielt. Mer hän unsre runde Tisch so uf de grosse Terasse ufgschtellt, dass mer e kleins Lüftli veschpürt hän. De Hunger isch hüt nit groß g´si. E saftigi Melone un e Käsbrot dezue, des het glengt.Mer hänge in unsre Sessel und lön alles „fünfi Grad“ si. E´Gschpröch brucht´s im Moment no nit. Jede hängt sine eig´ne Gedanke noch. Bi mir mueß nit viel passiert si, sunscht könnt i öbis devo vezelle. Mi Frau mueß aber eweng ins Philosophiere cho si.  Noch ere längere Paus meint sie g´schpröchig: „Du, i glaub es isch hüt scho wieder de längschti Tag. Wie schnell doch di Zit vegoht“. I bi schtill gsi un ha denkt: Si het sicher rächt, denn des mit em Kalender, de Geburstage und sunschtige Termine, des isch scho lang ihr Sach. Ich kümm´re mi defür um anderes: Dass mer Kontakt halte mit de Lüt un dass alli Rechnige zahlt werde.

Des mit dem längschte Tag han i aber no nit ganz vedaut. Mi Frau het jo recht, doch i mag mi im Moment no gar nit demit afründe, dass es scho wieder hinte abe goh soll. Do hemers wieder mit dere veflixte Zit. Si blibt nit schto. Au jetzt nit, wo mer grad so froh bi enander hogge. Si macht nonemol e tiefsinnige Bemerkung: „Du“, sait si,„merksch es au, s´isch doch scho noch Nüni un immer no rächt hell. Si traut dem Brode aber doch nit so recht un holt für alli Fäll e schöni großi Kerze un zündet si a. Jetzt wird´s so recht gmietlig. Me cha d´Grille zirpe höre un mi Frau´ wird fascht vo ellai e weng poetisch. Si luegt b´schtändig noch obe un meint: „Du, me cha de Mond im Moment gar nümme so guet seh“. Un noch ere kliene Paus: „Jetzt goht´s wieder. Lueg e`mol, me cha sogar si G´sicht wieder seh. Mir schient aber, er luegt e wenig trurig dri“. Und druf: „Lach doch e weng, dann g´falsch mer besser“! I ha mi helli Freud dra, wie mi Frau mit mim alte Bekannde schwätzt. Mir chunt de Johann Peter Hebel in Sinn mit sim Gedicht vom Ma im Mo. I ha no nit ganz fertig dänkt, g´schwiege devo g´schwätzt, do fangt si scho wid´r mit glänzende Auge a: „Lueg Muetterli, was isch im Mo…“ un reiht Vers an Vers. Mir wird´s debi so recht warm ums Herz, denn i hör mi Muettersproch eifach so chaibe gern. I bi no gar nit fertig mit  em denke, do sait mit Frau ganz ufgregt: „Lueg emol, jetzt veschwindet´r wied´r hinterm alte Kirschbaum“! Wie di Zit vegoht…! Wenn´s so gmietlig zuegoht wi jetzt, wöt i mengisch de Augeblick am liebschte feschthalte. Des goht aber leider nit“. Un druf: Aber es git jo zum Droscht no schöni Liäder un i summ vor mi hi, un mi Frau singt dezu: „Gueter Mo du gosch so schtill… Ob unsere Kinder jetzt d´Ohre klingle“? „Lueg emol“, sait si e weng entüscht: „Jetz isch er scho ganz weg“! I bruch mi gar nit umdraihe, des fallt m´r eh schwer, wege mim Rugge. Aber i bi sicher – ganz weg isch er nit. Mer werde ihn immer wieder seh, und dann schwätze mer mit em, wie mit eme guete Fründ de uns begleitet, au wenn mer ihn mengisch nit sehn

Licht in Dunkelheit

 

 

Das Kreuz der Nachfolge

Ein in die Jahre gekommener Mensch hatte im Laufe seines Lebens viel erlebt, und mancherlei Leid erfahren. Wenn er sich umblickte, und er hatte klare Augen, konnte er erkennen, dass es den Anderen ähnlich ging. Das Herz wurde ihm schwer, wenn er sah, dass es weder ihm noch seinen Freunden möglich war, das Leid aus der Welt zu schaffen, so sehr sie sich dagegen stemmten. Wenn ihn dann manchmal der Kummer sehr niederdrückte, und ihm die Worte fehlten, um seinen Schmerz aus zu drücken, sank er, in sich gekrümmt, zu Boden und ließ seinen Tränen freien Lauf. Ohne es sich so recht eingestehen zu können, war er längst zu einem »Kreuzträger« geworden. Eigentlich war er ein ganz normaler Mensch, sozusagen einer wie Du und ich. Mit der Zeit gelang es ihm aber immer weniger, seine Not zu leugnen. Er ließ sich aber auch von anderen Lebensgefährten, die ihren Wohlstand vorführten, als könne ihnen kein Haar gekrümmt werden, nicht mehr so leicht täuschen. Hatte er doch im Alltag, und in seinem Beruf häufig erfahren, dass weder Reichtum, noch aufgeblähter Stolz, oder unentwegte Klage, die Menschen davor schützen können, Begrenztheit, Krankheit und Not, letztlich Kreuz und Tod zu erfahren.

Der Mensch, von dem in dieser Geschichte die Rede ist, ist einer von uns allen. Wahrlich kein schlechter, eher ein besorgter, nachdenklicher Zeitgenosse. Es gibt nicht sonderlich viele davon. Aber alle geht es an, was er zu sagen hat: Er kauerte im Laufe der Zeit nicht mehr so oft in sich gekehrt am Boden. Nein! Dieser Mensch richtete sich immer wieder auf, schaute umher, öffnete den stummen Mund und wagte es, mit und für alle anderen Gefährten über  ihre unabwendbare Not zu reden. Wenigstens klagen wollte er dürfen, wie unmenschlich schwer es manchmal war, das eigene Kreuz zu schultern und das der ganzen Menschheit mit zu tragen. Zu bekennen, dass Menschenkinder wahrlich keine Heroen, sondern bestenfalls Brüder und Schwestern sind, die im Gespräch mit einander Brücken der Liebe bauen. Manchmal saß er mit einigen von ihnen vor seinem Haus, und sie schwatzten über dies und das. Sie waren sich gut, und vertrauten einander ihre Freuden, Sorgen und Nöte an. Als hätten sie alle dasselbe Geschick und säßen zusammen in einem Boot, im Gespräch über die letzten Dinge. Obwohl sie kräftig ruderten, kamen sie nur wenig voran, hofften aber unentwegt auf günstige Winde, die ihnen  helfen könnten, ihr ersehntes Ziel zu erreichen.

Die Erdenbürger hatten schon lange angestrengt über sich nachgedacht. Viele Bände ihrer Erfahrungen und ihres Wissens, füllten die Regale der Bibliotheken. Sie lernten manches Nützliche für ihr Leben miteinander und von einander. In vielen klugen Büchern wurde auch von deren Vorfahren berichtet. Neben vielen Ereignissen war darin  auch die Rede von der Geschlechterreihe der Menschheit, von Völkern, die kamen und gingen, von Herrschern und ihrem Kampf und Streit um die Macht. Der Mensch, um den es auch hier geht, wusste davon. Es war ihm  klar, dass die meisten seiner Brüder und Schwestern, wie alles Lebendige und auch er, lieber leben als sterben wollten. Aber es dauerte einige Zeit, bis ihm ein Licht auf ging, und er redlicherweise zulassen konnte, was er erkannte. Er fand nämlich heraus, dass das Leben und der Tod, obwohl sie sich   deutlich unterscheiden, untrennbar zusammen gehören. Von Jugend an hatte er sich dem prallen Leben, oder dem was man gelegentlich darunter verstand, zugewandt. Er nahm an Freud und Leid der Mitmenschen teil und erwies sich so manchem Gefährten als ein treuer, hilfreicher Begleiter. Hatte er doch selbst auch von Anderen, die wie er das Kreuzzeichen auf der Stirn trugen, oft Nähe, Liebe und Tröstung erfahren. Mit allen Kräften hatte er sich aber immer gegen das Leid, gegen menschliche Not, und jegliche Ungerechtigkeit gestemmt. Oft stand er tief erschüttert, an der Bahre seiner Freunde.  Seine geweinten und ungeweinten Tränen wissen ein Lied von Ohnmacht und Trennung zu singen. Schwer lastete mit den Jahren die Fragwürdigkeit und Dunkelheit des menschlichen Daseins auf ihm. Er litt sehr darunter, und suchte ernstlich nach Wahrheit und Erleuchtung, um entscheiden zu können, was angesichts der unabwendbaren Grenzen, und des Endes, zu tun oder zu lassen sei. Und er kam zur Erkenntnis:  »Wenn es schon unmöglich sei, anstelle Anderer zu leben oder zu sterben, Kreuz und Tod aber unausweichlich wären, dann wolle er wenigstens ein froher Kreuzträger und Sterbender sein. Dann ging es aber auch nicht mehr, sich aus dem Staube zu machen, und die Verantwortung für sich und die Anderen einfach ab zu schütteln. Er hatte ja nun die vielen Menschen aller Zeiten im Blick, denen kein besseres Los beschieden war. Sein Gewissen ließ ihm von da an keine Ruhe mehr: Zu ihnen, den Brüdern und Schwestern, die vor ihm den Weg alles Irdischen gingen, musste er sich gesellen, und in deren lange Reihe treten. Allein beim flüchtigen Gedanken, es anders haben zu wollen, als seine Vorfahren,    überfiel ihn eine tiefe Scham. Nein, tausend Mal nein! Er wollte künftig auch bittere Wahrheiten nicht verleugnen und weder sich noch andere Menschen in diesen wichtigen Fragen täuschen. Fortan galt für ihn die Regel, jeden geschenkten Tag dankbar an zu nehmen, und in Ehren zu gestalten, um dann, wenn sein eigenes Leben dereinst zu Ende gehe, wie alle Menschen vor ihm, auch in Würde zu sterben. Der Mensch, der es hier wagt, über letzte Dinge zu reden, war sich bewusst, dass auch die Anderen, mit denen er das Dasein teilte, zum mindesten eine Ahnung von diesen Fragen hätten. Im Blick auf sie, wusste, er: »Alle Menschen und Geschöpfe wollen, wie er selbst,  lieber leben, singen tanzen und lachen«. Er nahm immer wieder bei passenden Gelegenheiten seinen ganzen Mut zusammen, um seine Lebensgefährten mit dem Todeszeichen auf der Stirn, zu ermuntern,  das Versteckspiel vor der Realität des Kreuzes und Todes aufzugeben.  Dann aber an Stelle dessen umso mehr, mit einander zu sprechen, zu suchen und zu prüfen, auf welche Weise ein fröhliches Menschsein, auch angesichts  des unabwendbaren Endes gehen kann. Die Frage lautete daher fortan bei ihm: »Wer geht mit mir, wer geht mit Dir, wer geht mit uns zusammen unseren Weg, aufrecht, ohne dass wir die Augen vor den Grundfragen unseres Daseins verschließen müssten?«

Längst hatte der Mensch, von dem hier die Rede ist, ja bemerkt, dass er nicht alleine auf der Welt war. Daher  bunkerte er sich nicht mehr ein, schaute mit klaren Augen durch das offene Visier um sich, und sah das Werden und Vergehen auch in der sprachlosen Natur. Als moderner Zeitgenosse, verfolgte er aber auch über die Medien, was in der weiten Welt geschah: Erdrückend türmten sich oft die Meldungen mit all dem Leid, Kreuz und Tod vieler Menschen, so vor seinen Augen, dass er den Kreuzweg der einzelnen Schwestern und Brüder gar nicht mehr erkennen konnte. Im besten Falle wurden die Menschen mit dem »materiell Nötigsten« versorgt. Wem aber konnten sie ihre Not und ihr Leid klagen, wer sprach mit Ihnen? Gab es für sie noch wahrhaftige Menschen, erfahrene Kreuzträger, die sie im Miteinander tröstend, wie gute Kameraden auf Schritt und Tritt begleiteten? Von solchen Gefährten hörte er wenig.

Der Mensch, um den es hier geht, einer wie Du und ich, hielt in seiner Ohnmacht Ausschau nach Rettung für sich und die Vielen. Er sehnte sich nach einem Ort des Friedens, und einem Helfer, der allzeit bereit und in der Lage war, Überforderungen, Lasten und Leid der Armen zu bergen, und den geplagten, endlichen Menschen, im Leben und Sterben Halt und Geleit zu geben. Er hatte sich sagen lassen, dass es da EINEN gebe, der die rastlosen und ratlosen Menschen liebe, deren Leid schultere, ihnen, wie ein guter Hirte seiner Herde, voran gehe, und durch SEIN Beispiel zeige, wie fröhliches Leben und würdevolles Sterben gelingen kann. Viele Male stand der  Mensch, von dem hier die Rede ist, in all seinem Elend verstummend, vor dem Familienkreuz an der Wand, vor dem schon seine Vorfahren dem Herrn ihre Not klagten: Es bestand durchaus Hoffnung, dass der Sohn Gottes, der für uns grausam am Schandpfahl endete, in der Lage sei, alle Menschen, die sich seiner Barmherzigkeit anvertrauten, wirklich zu trösten: Durch SEINEN Tod am Kreuz, so besagte die Kunde, werde alle Schuld und Not der Menschen getilgt. Mehr noch, die Macht des Todes werde endgültig gebrochen und durch IHN in ein Auferstehen zum ewigen Leben gewandelt. Wem sollte angesichts solchen Trostes, der auch der ganzen Schöpfung zugesprochen ist, nicht das Herz aufgehen?  Wie bitter muss es aber für den Sohn Gottes sein, wenn Trost suchende Menschen sich angesichts ihres eigenen Jammers von IHM abwenden, und SEINER göttlichen Barmherzigkeit nicht trauen. Der Mensch, von dem hier beständig die Rede ist, einer wie Du und ich, hatte ja erfahren, dass manche Erdenbürger das in sie gesetzte Vertrauen brachen. Umso größer könnten daher die Bedenken und Ängste sein, wenn es gelte, voll auf das Erbarmen Gottes zu setzen, und IHM alle Not aber auch alle Freude in der Feier der Eucharistie an zu vertrauen. Wie tröstlich wäre es aber dann für Hilfe suchende Menschen, wenn sie ihre Bedenken überwinden, und sich SEINER unendlichen Liebe, die er am Kreuz offenbarte, glaubend, hoffend, und liebend, voll anvertrauen könnten. Die Fülle des Heiligen Geistes würde ER über sie ausgießen, um sie zu befähigen, ihren Kreuzweg und dereinst auch ihren Tod, mit dem Kreuz und der Auferstehung des HERRN zu vereinen. Und das kann wirklich geschehen, denn der Herr, unser bester Freund, hat uns zugesagt, dass  ER uns alle Zeit nahe ist, und uns auch in den schwersten Stunden unseres Lebens zur Seite steht. Mögen die vielen  Christen, die vor uns durch die enge Pforte der Erlösung gingen, für uns bei Gott bitten, damit wir im Blick auf den geliebten HERRN, IHM folgend, glaubwürdige Zeugen SEINER Liebe werden. Der dreifaltige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, segne uns, alle guten Gedanken, dieses moderne Märchen und unsere Bitten um Heil. Der gütige Gott, bewahre, Dich, mich, und alles Geschaffene in unserem Erdenleben vor allem Übel, und geleite uns dereinst in SEINE ewigen Wohnungen.

Gelobt sei Jesus Christus!

Das Kreuz der Erlösung

Berufung der Laien

Im diesem Teil unserer Betrachtung über Berufungen, werden wir zunächst dankbar, der vielen Katholiken gedenken, die es von der Geburtsstunde der Kirche an wagten, ihren Glauben zu bezeugen: Beim Zweiten Vatikanischen Konzil würdigten Papst,  Bischöfe und Kardinäle deren Dienst im „Dekret über das Apostolat der Laien“ und wiesen ihnen ein Spektrum an möglichen Aufgaben zu. Da die Rezeption dieses Textes als noch nicht abgeschlossen gelten kann, sollten wir uns erneut damit befassen, um die in diesem Dekret enthaltenen Anregungen zur Ausgestaltung des Apostolates der Laien zu nutzen: Auch im zwanzigsten Jahrhundert bedürfen Christen und alle Menschen der Liebe Gottes. Der Herr selbst lädt uns zum Festmahl der Gnade ein. An seinem Tisch stillt er unseren Hunger und unseren Durst nach Liebe. Hier erfahren wir immer wieder Stärkung im Glauben durch den Beistand des Heiligen Geistes. Aus der Gemeinschaft mit dem Herrn erwächst uns die Kraft, wie die ersten Jünger, mit einander in Eintracht und Frieden zu leben und Gottes Wort und Liebe bis in die letzten Winkel unserer Welt zu tragen. Möge der Herr uns hierzu segnen, damit auch wir, wie der Apostel Paulus sagen können, dass uns nichts von der Liebe Christi, Seiner Kirche und von einander trennen kann.

Das Studium des Evangeliums und der Apostelgeschichte zeigt uns,  dass in der Urkirche außer den Aposteln und Jüngern auch einige Frauen und Männer im Dienst der Liebe, als Glaubenszeugen an der Sendung der Kirche und der Weitergabe des katholischen Glaubens mit wirkten. Diese Berufung und Sendung gilt bis heute für alle getauften und gefirmten Christen. Als der Apostel Paulus Briefe an die »Heiligen« seiner Gemeinden schrieb, und wenn in unseren Tagen der Papst, die Bischöfe und Priester von Brüdern und Schwestern sprechen, dann zeugt dies nicht nur von Respekt gegenüber den Gläubigen, sondern weist auch auf eine in Jesus Christus begründete und beständig auf IHN bezogene, heilende Einheit von Klerus und Laien hin. Den vielen frommen und treuen Katholiken aber, von denen nicht oft die Rede ist, gilt nun unsere besondere, wertschätzende Zuwendung: Bei allen berechtigten Klagen über den heutigen Glaubensverlust und die Weltverliebtheit der Gläubigen, gibt es sie eben doch noch, die Treuen im Lande und in der Kirche. Es sind Christen, die der Forderung des Herrn, „dass alle EINS seien“ getreu, sich nicht spalten lassen. In der Liebe zum Herrn halten sie zusammen, was nicht getrennt werden darf. Sie teilen, wie die ersten Glaubenszeugen, Freude und Leid geschwisterlich, und bewahren den katholischen Glauben an den dreifaltigen Gott, unsern Herrn, und alles durch IHN Geschaffene. Auf „Laien“ dieser Art kann die Kirche stolz sein. Das Papstwort „DEUS CARITAS EST“ soll uns auch bei der Betrachtung des Apostolates der Laien leiten: Nicht nur in der jungen Kirche gab es, wie die Schrift bezeugt, eine nicht näher bestimmte Zahl von Männern und Frauen, die wie die Apostel dem Herrn folgten. Nach ihnen wurde der Kirche in ihrer Geschichte eine große Zahl gläubiger Laien geschenkt. Alle diese Glaubenszeugen, nahmen ihr Kreuz auf sich, um der Welt zu zeigen, was es heißt: „Salz der Erde zu sein“. Vor ihnen, den „Heiligen des Alltags“ verneigen wir uns respektvoll. Sie verdienen es, dass wir ihre Bedeutung für die Katholische Kirche, und die Weitergabe unseres Glaubens, erkennen und würdigen. Wir brauchen diese frommen und treuen Gläubigen auch heute, ebenso wie unsere Bischöfe und Priester. Unser Papst konnte sich bei seinem Besuch in Deutschland davon überzeugen, dass es neben Glaubensverlust und Weltverliebtheit, auch Treue zur Kirche, erfahrbare Einheit, und vorbildliche Glaubenszeugen gibt. Er besuchte ja nicht nur Orte von historischer Bedeutung, sondern auch Katholiken, die ihren Glauben in schweren Zeiten bewahrten und heute mit den Protestanten zusammen stehen, wenn es gilt, die christlichen Überzeugungen zu bekennen und zu verteidigen. Erinnern wir uns auch dankbar an die Christen, die uns in persönlichen Kirchen- und Lebenskrisen beistanden. Vielleicht bemerkt der eine oder andere Hörer, dass er selbst, ohne über seine spezielle Berufung, zu sprechen, schon lange, wie ein Glied am Leibe Christi, auch zu einem Glaubenszeugen, und Vorbild für andere Menschen geworden ist. Besonders in schwierigen Zeiten sollten wir darauf achten, diesen Schatz zur Weitergabe unseres Glaubens an die nächste Generation pfleglich zu behandeln. Denn wer könnte, gleichgültig. auf welchen Platz ihn der Herr stellt, auf lebendige Vorbilder verzichten, die ihm zeigen, wie Glauben geht. Wenn es allerdings um Arbeiter im Weinberg des Herrn geht, dann sollten wir nicht kleinlich sein. Denn wenn der BARMHERZIGE durch Seinen Sohn die Türen Seines Herzens unendlich weit öffnet, dann liegt es auch an uns heutigen Christen, suchenden, fragenden und hungernden Menschen, die Türen unserer Herzen weltweit zu öffnen. Wenn insbesondere die wahre Anbetung und Verherrlichung Gottes darin besteht, in der Nachfolge des Herrn, den Willen des Vaters zu erfüllen, dann gilt es, die Worte Jesu: »ut unum sint«, dass alle eins seien, unbedingt zu befolgen: Wir stünden dann nicht nur vor der Aufgabe, jegliche Spaltung unter gläubigen Christen zu überwinden, sondern auch den schwierigen Dialog mit den Weltreligionen und den Atheisten zu führen. Gelingende Einheit geschähe dann konkret, wenn Christen ihren Glauben vor den Menschen tatkräftig bezeugten. Wem hüpfte nicht das Herz in der Brust, als die vielen Katholiken, die sich zur Eucharistiefeier mit unserem Papst in Freiburg versammelten, zum Abschluss des Gottesdienstes das evangelische Kirchenlied, »Nun danket alle Gott…« sangen. Natürlich sind wir gläubigen Katholiken nicht farbenblind: Wir kennen die Fragen, Nöte und Klagen unserer Menschen um uns herum und teilen mit ihnen auch die Dunkelheit und Fragwürdigkeit unseres Daseins. Aber wir vertrauen auch auf den Beistand des Herrn, der uns seit zweitausend Jahren hilft und stärkt, wenn wir IHM beim Brotbrechen in der Eucharistiefeier begegnen. Genau dort, mit IHM, in IHM und durch IHN und nicht so sehr in Sondervereinigungen, erfahren wir beständig Gottes Liebe und Segen. Diese Liebe drängt und ermutigt uns, immer wieder nach neuen Wegen zu suchen, um der uns umgebenden, manchmal gottlos erscheinenden Gesellschaft die frohe Botschaft von der Erlösung durch Jesus Christus zu verkünden, und alle Menschen einzuladen, sich mit uns am Tisch des Herrn nähren, trösten und in der Aufgabe bestärken zu lassen, dass auch sie mit ihren speziellen Gaben zur Arbeit im Weinberg des Herrn gebraucht werden. Kann man es aber aufgeklärten Menschen noch zumuten, sich zur Mitarbeit in der katholischen Kirche rufen zu lassen, Gott, die Welt und die Menschen groß sein zu lassen, und die Fehler der Anderen und das mit vielen Flecken behaftete Pilgerkleid der Kirche mit zu tragen? Ich höre sie jetzt rufen, die vielen Kritiker: So etwas wäre unmöglich, ja gerade zu unmenschlich. Und dann werden die Beweise genannt: Menschen, die von ihren Aufgaben überfordert, ihrer Berufung untreu werden, der Kirche ihre homosexuellen Nöte verschweigen oder des Missbrauchs angeklagt werden. Ja, wir dürfen davor die Augen nicht verschließen. Derlei beklagenswerte Missstände gibt es. Sie berühren jeden aufrechten Christen schmerzlich, zumal auch viele Katholiken resignierend die Kirche verlassen, es den Orden und Diözesen an Nachwuchs mangelt, und Klöster und Kirchen geschlossen werden müssen. Die Medien sind, wie wir wissen, schnell bei der Hand, solche Zustände und menschliches Versagen zu beklagen. Das nicht so publikumswirksame stille Wirken vieler Gläubigen aber kommt seltener zu Wort. Wir Christen sollten es daher nicht versäumen, diese Informationslücke zu schließen und selbst, wie es auch in dieser Betrachtung geschieht, über die durch fromme Männer und Frauen empfangenen Wohltaten Gottes zu sprechen. In drei Bänden mit dem Titel „Geschichten und Gedanken“ habe ich mich hierzu näher geäußert.

 

Als erstes Ergebnis unserer bisherigen Untersuchung muss leider festgestellt werden, dass alle bisherigen Maßnahmen, den Glaubensverlust und den Mangel an Berufungen zur engeren Nachfolge auszugleichen, nicht ausreichen, um den uns geschenkten katholischen Glauben unverkürzt den nächsten Generationen zu vermitteln. Es stellt sich daher immer dringender die Frage nach den Ursachen, und wie eine effektive Abhilfe möglich wäre. Darüber und über andere Fragen der Glaubensvermittlung und Berufungspastoral wird derzeit in einem lebhaften innerkirchlichen Dialog geredet. Uns allen legt die Kirche ans Herz, nicht nur beständig um Berufungen zu beten, sondern gleichzeitig mit allen medialen Möglichkeiten um geistliche Berufungen zu werben. In dem abschließenden dritten Teil werde ich Ihnen einige Anregungen vorlegen, wie wir die mit dem Apostolat der Laien geschenkten Ressourcen an Berufungen besser nutzen könnten:

Anregungen zur Berufungspastoral von Laien

Ich möchte im Zusammenhang mit den Bemühungen der Kirche um geistliche Berufe, unsere Aufmerksamkeit noch einmal auf die zahlenmäßig bedeutende Gruppe gläubiger und fähiger Katholiken len-ken, die im kirchlichen Raum wenig in Erscheinung treten, jedoch als schweigende Mehrheit die Gestalt der Kirche entscheidend prägen: Man stelle sich nur für einen Augenblick vor, es gäbe diese Gläubigen nicht oder zunehmend noch weniger „Laien“, die sich an den Gottesdiensten und dem Gemeindeleben beteiligen. Welches Missverhältnis zwischen der Anzahl der zur engeren Nachfolge bestellten Kleriker etc. und den ihren Glauben bekennenden und praktizierenden Christen würde dann bestehen? Leider ist diese Situation heute schon dann Realität, wenn Priester mit ihren Ministranten nur mit wenigen Gläubigen zusammen Eucharistie feiern: Wenn wir die Kirchenaustritte und die zunehmend geringere Zahl katholischer Christen betrachten, die an den sonntäglichen und sonstigen Gottesdiensten in unseren Gemeinden teilnehmen, dann zeigt sich, dass unsere Kirchen trotz der Seelsorgeeinheiten und des Einsatzes von Priestern aus andern Regionen der Weltkirche, immer leerer werden. Wie wird das in der nahen Zukunft der nächsten zehn bis zwanzig Jahre und danach aussehen? Wir Gläubigen fragen betroffen nach Ursachen und Lösungen? Es gibt Vermutungen, dass der wahre Grund für die beschriebenen Phänomene zu nicht geringen Teilen, in einem Glaubensverlust, in säkularen und laizistischen Tendenzen in Gesellschaft und Kirche, und mit den im europäischen Raum seit längerer Zeit stärker werbenden Vertretern anderer Weltreligionen, und religiösen Gruppierungen zu suchen ist. Die unterschiedlichen, rivalisierenden Überzeugungen, bis hin zu atheistischen Vorstellungen, wirken auf Christen verunsichernd, und fordern in einem bisher nicht gekannten Ausmaß zur Toleranz, zum Bewahren der eigenen Glaubensidentität, und zum Bekenntnis in der Öffentlichkeit heraus. Die Frage nach ausreichenden Berufungen, speziell den Aufgaben für das Apostolat von Laien zur Arbeit im Weinberg des Herrn, stellt sich der Katholischen Kirche in der gegebenen Situation deutlich anders als bisher. Damit verändert sich aber auch der Charakter der Berufungspastoral: Sollte es nämlich gelingen, durch eine veränderte Sicht das Wesen der Berufung, und den Bedeutungsgehalt des Tauf- und Firmsakramentes theologisch und katechetisch deutlicher zu fundieren und in der pastoralen Praxis zu verankern, dann könnte sich damit die berechtigte Hoffnung verbinden, zusätzlich zu den Berufungen im engeren Sinne, ein bedeutendes Potential an Berufungen geeigneter Frauen und Männer zum Laienapostolat zu gewinnen. Dabei bedürfte es keiner aufwendigen Organisation, sondern nur der Einbindung in die Aufgaben der Seelsorgeeinheiten als geistliche, spirituelle und liturgische Zentren vor Ort. mit der Option, dadurch auch die Gläubigen wieder mehr zum Gottesdienst um den Altar versammeln zu können. Es entstünden bei diesem Modell zur Ausschöpfung der Ressourcen an Berufungen, keine erheblichen Kosten, wie bei der zur Ordination von Diakonen und Pastoralreferenten geforderten vollen theologischen Ausbildung. Sofern eine ergänzende Schulung der Laienapostel nötig wäre, könnte diese mit relativ geringen Kosten bei den Katholischen Akademien angesiedelt werden. Ich möchte meine knapp gefassten Anregungen zum Thema Berufung der Laien noch mit einigen Bemerkungen ergänzen, die erkennen lassen, dass das vorgestellte Modell durchaus als Kirchen konform gelten kann. Wir können, wie zuvor ausgeführt, davon ausgehen, dass katholische Religiosität durch die ganze Kirchengeschichte hindurch, als Versammlung um den Altar, Stärkung durch Eucharistie und Gebet, Verbindung mit der Weltkirche, das Bemühen um Eintracht und Frieden, und als Sendung der Gläubigen zur Evangelisierung in deren spezifischen Lebens- und Aufgabenbereichen charakterisiert ist. Hierzu noch einige Hinweise: Im September 2010 organisierte der neu geschaffene Päpstliche Rat zur Neuevangelisierung eine internationale Konferenz der Länder des Westens. Vertreter von 33 nationalen Bischofskonferenzen sowie 115 geistlichen Gemeinschaften, Orden und Gruppen erörterten Strategien zur Glaubensverkündigung in einem religionsfernen Umfeld: Diesem Anliegen dienen auch die in unserer Betrachtung vorgestellten Überlegungen. Sie gehen aber von einer stärkeren Einbindung der Organisationsstruktur in die Liturgie und die unterschiedlichen Voraussetzungen der örtlichen Seelsorgeeinheiten aus. Sie stützen sich außerdem auf die im „Dekret über das Apostolat der Laien“ im Zweiten Vatikanischen Konzil gefassten Beschlüsse und Anregungen. In unserer heutigen Untersuchung zur Berufungspastoral von Laien ist unter Wahrung der kirchlichen Hierarchie an ein die Einheit wahrendes, sich gegenseitig förderndes und wertschätzendes Zusammenspiel des unterschiedlichen Apostolates von Klerus und Laien gedacht. Unter Aspekten des Berufungsmangels erscheint es mir allerdings erforderlich, die Bedeutung des Laienapostolates zur Neuevangelisierung und Glaubensvermittlung näher zu betrachten:

Die Aufforderung der Gläubigen an der Sendung der Kirche mit zu wirken, richtet sich unter den heutigen Bedingungen allerdings mehr denn je, an alle getauften und gefirmten Christen. Daher ergibt sich nicht nur die Sorge, ob wir genügend Berufungen zum engeren Dienst in der Kirche finden, die begleitet und gestützt werden müssen, damit sie später ein für sie sinnvolles Leben als Priester in der Verkündigung und Spendung der Sakramente für die Gläubigen führen können. Es muss darüber hinaus viel mehr als bisher beachtet und auch theologisch begründet werden, was das Apostolat der Laien bedeutet und wie künftig Gläubige und Klerus sich ergänzen sollten, um die zur Weitergabe unseres Glaubens nötigen Netzwerke zu entwickeln. Die Seelsorgeeinheiten an sich bilden ja nur einen aktuellen Rahmen, um auf Lücken in der Seelsorge reagieren zu können. Ob die seit längerer Zeit darüber hinaus anhaltende Diskussion um die Aufgaben unserer Priester in einer veränderten Gemeindestruktur ausreicht, um unseren Glauben zu verkünden, und ungekürzt an die nächste Generation weiterzugeben, ist fraglich. Ebenso wichtig erscheint es mir, nach Wegen zu suchen, um die oben angesprochenen Ressourcen von bereiten und fähigen, getauften und gefirmten Katholiken mehr als bisher einsetzen und in deren Bedeutung zur Weitergabe des Glaubens theologisch näher  bestimmen zu  können. Dabei geht es nicht um Diakone und Pastoralreferenten, die im Dienst der Kirche bestimmte Ausbildungsinhalte vorweisen müssen, um dann von der Kirche ordiniert und honoriert, spezielle Aufgaben zu übernehmen.Das „Dekret über das Apostolat der Laien“ des Zweiten Vatikanischen Konzils gibt die Richtung vor: Dort wird im Kapitel 1(3) beschlossen: »Pflicht und Recht zum Apostolat haben die Laien Kraft ihrer Vereinigung mit Christus, dem Haupt. Denn durch die Taufe, dem Mystischen Leib Christi eingegliedert, und durch die Firmung mit der Kraft des Heiligen Geistes gestärkt, werden sie vom Herrn selbst mit dem Apostolat betraut. Sie werden zu einem königlichen Priestertum und zu einem heiligen Volk. (vgl. 1 Petr 2,4-10) geweiht, auf dass sie durch all ihre Werke geistliche Opfergaben darbringen und überall auf Erden Zeugnis für Christus ablegen. Durch die Sakramente, vor allem in der heiligen Eucharistie, wird jene Liebe mitgeteilt und genährt, die gleichsam die Seele des ganzen Apostolates ist. Das Apostolat wird in Glauben, Hoffnung und Liebe ausgeübt, die der Heilige Geist in den Herzen aller Glieder der Kirche ausgießt«. Die Berufung der Laien zum Dienst in der Kirche mit den je speziellen Gaben, die Verantwortung für unseren Glauben, und dessen Weitergabe, gilt daher uns allen. Der Herr ist gewiss immer bei uns. Auf IHN, der unser Weg, die Wahrheit und das Leben ist, der dem verlorenen Schaf nachgeht, Hungrige sättigt, Durstige tränkt, Blinden das Augenlicht schenkt, ja sogar Tote auferweckt, können wir uns verlassen. Gott können wir Gläubigen aber nicht unter Vorbehalt begegnen. Bei und mit IHM geht es ums Ganze. Nicht ohne Grund ist daher die Vorbereitung auf den engeren Dienst des Klerus in der Nachfolge des Herrn klar geregelt, und von anderen Diensten der Gläubigen in der Kirche unterschieden. Bei der eigentlichen Berufung aber zu einem Leben mit Gott in Glauben Hoffnung und Liebe in der Taufe gibt es diese Unterschiede nicht, denn Gott der Herr ist, wie wir glauben, die Liebe, DEUS CARITAS EST, wie Papst Benedikt XVI. nicht müde wird zu betonen. Von Seiner vollkommenen Liebe getragen und gesendet, sind auch wir Laien zur Mitarbeit im Weinberg des Herrn berufen. Wir können dem Herrenwort trauen, dass ER, wenn er uns ruft, nahe ist, im Heiligen Geist beisteht, und uns zu all dem, was ER uns zumutet auch reichlich Gnade und Segen spendet. Auch wir Laien sind aufgerufen, alles uns Mögliche zu unternehmen, um Spaltungen zu vermeiden, und Eintracht und Friede unter einander zu wahren. Unsere Priester können mit Hilfe und Wohlwollen von uns rechnen und auf uns bauen, dass wir sie unterstützen, wenn ihre besonderen Aufgaben ihnen manchmal zur Last werden. Vielleicht kann es sie trösten, dass auch wir Gläubigen von Gott lebenslang in Dienst genommene Berufene sind, die fest damit rechnen dürfen, dass die Priester und Ordensangehörigen auch ihre Last mittragen. Ist das nicht schön, Glied einer Kirche zu sein, in der einer der anderen Last trägt, und wir alle in Eintracht mit allem Geschaffenen für die Menschen bestellt, nicht nur in diesem Leben, sondern letztlich in alle Ewigkeit zur Liebe und Freude im dreifaltigen Gott, dem Vater, Sohn und Heiligen Geist berufen sind.

Nachwort

Es war mir ein Anliegen, zu verdeutlichen, dass die bisherigen Möglichkeiten, um die nötigen Berufungen zur engeren Nachfolge zu sichern, mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschöpft sind. Die Aufgabe, unseren Glauben zu verkünden, und an die nächsten Generationen weiter zu geben, ist dennoch unverzichtbar. Wir konnten in dieser Untersuchung nachweisen, dass von den ersten Christen an, in  der zweitausendjährigen Geschichte der Katholischen Kirche dankenswerter Weise, immer fromme, gläubige Frauen und Männer an der Glaubensvermittlung beteiligt waren. Deren Dienst wurde durch das „Dekret über das Apostolat der Laien“ im Zweiten Vatikanischen Konzil bestätigt, und der Rahmen für deren Aufgaben definiert. Im Versuch einer Rezeption dieser weniger beachteten Konzilsbeschlüsse, wurden Anregungen diskutiert, die bei einem erweiterten Verständnis der Berufungspastoral, beachtliche Ressourcen erkennen lassen. Diese Vorschläge müssten allerdings weiter untersucht und theologisch, katechetisch und organisatorisch präziser ausgearbeitet werden. Das vorgeschlagene Modell der Berufungspastoral ist durchaus kirchenkonform. Es würde den Austausch von Klerus und Laien verstärken, ohne die Grenzen zu verwischen. Das bestehende Konzept der  örtlichen Seelsorgeeinheiten würde als liturgische und geistliche Zentren aufgewertet. Der Einsatz berufener und geeigneter Laien, könnte an die örtlichen Bedürfnisse angepasst, kostensparend, in die bestehenden hierarchischen Strukturen der Kirche eingebunden, zu einem liturgischen Gemeindeleben rund um den Altar führen. Und wäre es nur ein Traum, aber so schön könnte unsere geliebte Kirche sein.

Gelobt sei Jesus Christus!

Geborgen in der Kirche
Einheit und Vielfalt

 

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