Ein Fragespiel

In dritten Band meiner „Geschichten und Gedanken“, stieß ich trotz aller vorgängigen Bemühungen auf einen Druckfehler: Die weitere Nachforschung ergab, dass auf einer Seite ein Satz mit einem Komma endete, sodass es den Lesern überlassen blieb, diesen unvollendeten Satz nach eigenem Gutdünken zu ergänzen. Genau dies bestätigte mir eine Leserin.

Als Autor schätzte ich es immer sehr, wenn ich oder meine Leser durch Texte zu eigenem Nachdenken angeregt wurden. Die Reaktion einer Leserin auf den Druckfehler in meinem Buch, veranlasste mich dazu, Ihnen, liebe Leser, einige Fragen vorzulegen, um es wie bei einer Art Druckfehler Ihrer Fantasie zu überlassen, die Leerstellen zu ergänzen. Beginnen wir nun das Fragespiel:

Zu seiner Zeit stellte der Vorsokratiker Parmenides, die bis zum heutigen Tag gültige Frage: „Warum gibt es etwas und nicht nichts?“ Könnte es sein, dass Sie sich, liebe Leser, auch schon gelegentlich fragten, woher komme ich, wohin führt mein Weg im Ganzen, und warum gibt es all das Große und das Kleine, das mir lieb und teuer ist, und nicht nichts? Wie könnte Ihre Antwort aussehen? Oder gehören Sie etwa auch zu denen, die diese Frage einfach als unnötig zur Seite schieben?

Anselm von Canterbury entwickelte im Mittelalter den philosophischen Gedanken, dass es etwas gebe, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden könne, und dass dies nicht nur im Verstand sei, um dadurch auf unsere das Verstehen überfordernden existenziellen Bedingungen unseres Daseins zu verweisen. Anselm sah in der Philosophie eine Möglichkeit, uns über die Grenzen des Denkbaren hinaus, auf das bedeutungsvolle „Bedenken“ des „Undenkbare“ unserer Existenz aufmerksam zu machen. Bewegen wir uns doch bis heute stolz auf unsere Leistungen, so selbstsicher im Raum des kausal Begründbaren, als könnten wir auf diese Weise alles, was die Welt im Innersten zusammenhält verstehen und erklären.  Naturkatastrophen, Leid, Tod, Kriege und Zerstörung führen uns aber immer wieder die Grenzen unseres Denkens, Handelns und Machens vor Augen. Welche Konsequenzen könnten sich für Sie, liebe Leser, aus diesem Sachverhalt ergeben?

Der von mir  geschätzte, 1983 gestorbene Religionsphilosoph Bernhard Welte, eröffnete einst seine phänomenologischen Vorlesungen, mit der vieldeutigen Frage, „was ist das…..?“ Im Grunde genommen stieß er dabei immer wieder, wie in seinem Hauptwerk „Auf der Spur des Ewigen“ auf die Tatsache, dass sich alle Dinge dem Denken als widerständig erweisen, und nur in einer freigebenden Annäherung an ihre Eigenständigkeit und Bedeutung im Ganzen erfahrbar werden. Welchen Stellenwert hat für Sie, liebe Leser, unsere aufgeklärte Vernunft, im Hinblick auf die vielfältigen schöpferischen Prozesse der Lebenswirklichkeit im Ganzen?

Viel Freude beim Nachdenken über die in diesem Fragespiel  angestoßenen Themen.

Twitter
Pinterest
facebook

Drogen

Hier folgt meine fantastische Kriminalgeschichte:

Verschiedene Spezialeinheiten der Polizei fahnden in Münster nach Tätern, die in einer Gruppe zusammen arbeiten. Trotz verstärkter Fahndung in den letzten Monaten, gelang es nicht, die Täter zu finden. Im Polizeipräsidium am Friesenring wurde deshalb ein Krisenstab eingerichtet. Heute trifft sich der Einsatzleiter mit den an der Fahndung beteiligten Beamten zu einer ersten Lagebesprechung. An der Wand hängt ein Stadtplan von Münster. In der Vergrößerung ist rot umrandet die Umgebung des Westfälischen Krankenhauses für Psychiatrie, das nahe gelegene Erholungsgebiet, eine Kirche am Friesenring, die Zufahrt zur Autobahn, und das Kreuzviertel, deutlich zu erkennen. Wegen des vermuteten Drogen- und Menschenhandels der Täter wurden seit einem halben Jahr Beamte des Einsatzkommandos der Polizei und der Drogenfahndung in die Ermittlungen eingeschaltet. Der Bereich um das Krankenhaus, der nahe gelegene Park, die Kirche am Friesenring, die angrenzenden Straßen und die Zufahrt zur Autobahn wurden in letzter Zeit verstärkt observiert.

Der Einsatzleiter bespricht mit seinen Mitarbeitern die aktuelle Lage: In dem auf dem Stadtplan umgrenzten Bereich, seien verschiedentlich Einbrüche in Wohnungen und Arztpraxen erfolgt, und Personen mit auffälligem Verhalten, als ob sie unter Drogen ständen, beobachtet worden. Die örtlichen Zeitungen berichteten aktuell über die Vorgänge    in einer die laufenden Ermittlungen beeinträchtigenden Form. Unter öffentlichen und politischen Druck geraten, verlangte die übergeordnete Behörde verstärkte Ermittlungen, um die Bürger der Stadt besser zu schützen. Daher bleibe der Einsatzleitung keine andere Wahl, als den Fahndungsdruck zu erhöhen, um Hinweise auf die Täter zu finden. Die bisherige Taktik, das polizeiliche Vorgehen geheim zu halten, um die Täter nicht zu warnen, müsse daher aufgegeben werden. Die Einsatzleitung habe daher beschlossen, ab sofort die Bürger, Medien und das Fernsehen, zur Mitarbeit bei der Fahndung zu aufzufordern und dem Polizeipräsidium sachdienliche Hinweise zu  melden. Die ermittelnden Beamten seien gehalten, alle Meldungen bei der Überprüfung vertraulich zu behandeln. Die Leitung des Krankenhauses und die Kirchenbehörde seien über die verstärkte Fahndung bereits informiert, und die verstärkte Observation der Straßen zur Autobahn angeordnet. Die Einsatzleitung rechnete durch diese Maßnahmen und die ausgesetzten Belohnung in Höhe von € 5000  mit weiteren Hinweisen auf die Täter und mit einer Versachlichung der öffentlichen Diskussion. Danach hielt der Leiter der Einsatzgruppe folgende Ansprache:

„Liebe Mitarbeiter,

wir stehen aktuell unter starkem öffentlichem und   politischem Druck, bald einen Fahndungserfolg melden zu können. Ich verlasse mich auf Ihre Mitarbeit und Kreativität, denn in den letzten Jahren haben Sie sich durch eine vorzügliche Ermittlungsarbeit ausgezeichnet. Ich hoffe, dass wir aufgrund unserer Erkenntnisse, den eingeleiteten Maßnahmen, der Mithilfe der Bürger, der Medien und des Fernsehens, die richtigen Schritte zur Ermittlung der Täter eingeleitet haben. Da wir es mit  international im Drogenbereich agierenden Tätern zu tun haben,  erwarten wir durch die Erweiterung unseres Krisenstabes und die Hilfe der Medien, besonders des Fernsehens, die richtigen Schritte zur Unterstützung unseres Einsatzkommandos und der Spezialeinheit für Drogenkriminalität eingeleitet zu haben. Unser vergrößerter Krisenstab wird sich regelmäßig zur Lagebesprechung bei uns im Polizeipräsidium treffen.“

Die beiden Hauptkommissare Herbert und dessen Freund Josef rückten zusammen und tuschelten sich zu: „Was ist denn bloß in unseren Alten gefahren? Als seine lieben Mitarbeiter uns der Chef bisher noch nie angesprochen. Er muss wohl mächtig Druck von Oben bekommen haben. Ein Lob und die Äußerung seines Vertrauens in unsere Arbeit, gab es doch selten. Es entstand ein lautes Stühle rücken und die Sitzung war beendet.

Agnes, eine hübsche junge Frau, studiert seit einigen Monaten Medizin in Münster. Sie stammte aus einer gut situierten, eher konservativen Familie einer Stadt in Hessen und hatte zwei ältere Brüder. Den ersten Schock des Wohnortwechsels und den Abschied aus vertrauter Umgebung, hatte sie in den rückliegenden Monaten überwunden. Sie  bewohnte ein hübsches Zimmer in der Nähe des Krankenhauses am Friesenring in Münster. Die ersten Kontakte zu Kommilitonen einer Studentengemeinde waren geknüpft. Agnes kannte sich inzwischen an der Universität, im Stadtzentrum um den Dom und in den Lokalen des Kreuzviertels, sehr gut aus. Unter den Studenten wurde die Mutter Birken und ein anderes Lokal im Kreuzviertel bevorzugt, in dem es auch spät abends noch knusprige Brathähnchen und ein frisches Bier gab.

Weniger überzeugend verlief bei Agnes der bisherige Studiengang: Die Umstellung auf eine, freie Tagesgestaltung und das zunächst recht trockene Studium, machten ihr zu schaffen. Besonders der Kontakt zu den Kommilitonen und deren recht freizügiges Benehmen, passten nicht zu ihrer bisherigen Weltanschauung. Wenn da nicht die Freundin Marie gewesen wäre, die sich auch ein wenig fremd vorkam in Münster, dann hätte ihre Stimmung noch mehr gelitten. Mit ihr traf sie sich öfters zu einem Bummel unter den Arkaden des Prinzipalmarktes zu einer Tasse Kaffee. Vertraut waren ihr schon die Wege um den Aasee und der Markt am Dom an den Samstagen.  Natürlich hatte sie auch ihr Fahrrad von zu Hause kommen lassen, denn Münster war eine Stadt in der die Fahrradfahrer Vorfahrt hatten. Ein Glück, dass es auch ein Handy gab, mit Hilfe dessen der Kontakt zu den Eltern und ehemaligen Freundinnen jederzeit möglich war. Wer gab aber schon gern zu, dass ihm das Leben in Münster noch nicht so recht gelang, und die Stimmung ab und zu einen Tiefpunkt erreichte, besonders in den letzten Wochen der Vorbereitung auf ihre ersten Prüfungen.

An diesem regnerischen Abend war Agnes unterwegs Richtung Kreuzviertel, um dort bei einem Glas Bier und einem Brathähnchen unter Leuten zu sein, um die Stimmung etwas aufzuhellen. Sie genoss die heitere Atmosphäre, das Gemurmel der sich unterhaltenden Leute, das Brathähnchen und ihr Bier und konnte so die sich einschleichenden traurigen Gedanken zur Seite schieben. Als sie  bezahlt hatte, das Lokal verließ, und sich allein auf den Weg nach Hause machte, kam das mulmige Gefühl aber wieder in ihr hoch. Sie hatte schon gelegentlich gezweifelt, ob sie das rechte Studium gewählt habe und erwogen, wenn die Situation sich nicht bessere, es abzubrechen. Es fehlte ihr auch der von zu Hause gewohnte religiöse Rahmen. Als sie in die Nähe der seit längerer Zeit nicht mehr benutzten Kirche am Friesenring kam, erinnerte sie sich an ihren ehemaligen Beichtvater, dem es dort  durch seinen Zuspruch manchmal gelungen war, ihr bei gelegentlichen Problemen beim Studium zu helfen. Für einen Augenblick schien es ihr seine vertraute Stimme wieder zu hören. In der jetzigen Stimmung hätte sie mit ihrem ehemaligen Pfarrer gern geredet.

Tief in Gedanken, mit gesenkten Kopf, überquerte sie im Licht einer Straßenlaterne den Friesenring. Plötzlich tauchte aus dem Schatten der Kirche ein junger Mann auf. Er trug schwarze Jeans und einen dunklen Parker, um sich vor dem Regen zu schützen. Seine ganze Erscheinung wirkte wenig vertrauenserweckend. Agnes hatte es auch hier in Münster vermieden, sich von Fremden ansprechen zu lassen, wenn sie in der Dunkelheit allein unterwegs war. In der jetzigen traurigen Stimmung, überwandte sie aber ihre Bedenken und ließ sich auf ein Gespräch ein.

Der Fremde gab sich als ein Student zu erkennen, der gerade von einem Treffen mit seinen Freunden komme, ein wenig Luft schöpfe, um dann wieder zu ihnen zurückzukehren. Agnes glaubte ihm und nahm nun weniger  Anstoß an seiner Kleidung, denn sie war an der Universität auch Studenten begegnet, die wenig Wert auf ihre äußere Erscheinung legten. Als sich sogar heraus stellte, dass der Fremde schon einige Semester Medizin studierte, war der Bann vollends gebrochen. Sie ließ sich auf ein Gespräch ein. Die restlichen Zweifel lösten sich nach und nach auf, als ihr der Fremde erzählte, dass er zu einem in den Kellerräumen der Kirche für Studenten eingerichteten Treffpunkt unterwegs sei. Er frug Agnes, ob sie nicht Lust hätte, auf ein Glas Bier seine Freunde kennen zu lernen? Da er hinzufügte, dass es bei ihnen oft sehr lustig sei, war Agnes bereit, sich ihm anzuschließen.

Der Fremde ging voran. An der Rückseite der Kirche war ein dunkler Treppenabgang. Agnes zögerte, nahm aber dann die Hand des Fremden an. Es ging durch verschiedene nur sehr spärlich beleuchtete Gänge. Ohne fremde Hilfe hätte Agnes den Weg ins Freie nicht wieder gefunden. Da hörten sie Lärm hinter der Türe eines ehemaligen Luftschutzkellers. Der Fremde musste mehrmals mit drei kräftigen Schlägen, dem vereinbarten Zeichen, gegen die eiserne Türe klopfen.

Beim Öffnen der Türe blieb Agnes vor Schrecken der Atem stehen, denn sie erkannte eine Gruppe schwarz gekleideter Männer mit Masken, die um eine Statue im fahlen Licht herum tanzten. Plötzlich war es um sie geschehen: Zwei der maskierten Gestalten traten hinter Agnes und überwältigten sie, trotz ihrer Gegenwehr. Sie konnte nur noch bemerken, dass sie in die Mitte des Raumes gezerrt und auf einen Tisch gelegt wurde, um den sich die dunklen Gestalten scharten, dann wurde ihr linker Arm entblößt, sie spürte den Einstich einer Injektion und die die Sinne schwanden ihr.

Als Marie bemerkte, dass ihre Freundin seit mehreren Tagen nicht zu den Vorlesungen kam, begann sie sich Sorgen zu machen. Sie konnte ihre Freundin auch nicht mehr per Handy erreichen. Sie war noch am vergangenen Samstag mit ihr über den Markt gegangen, und hatte eigentlich nur davon geredet, dass ihr vor den ersten Prüfungen etwas bange sei. Das ging aber anderen Studenten ähnlich. Marie beschloss, an diesem Abend in das Lokal im Kreuzviertel zu gehen, denn sie wusste, dass Agnes dort manchmal anzutreffen war. Sie schaute auch bei der Mutter Birken vorbei, ohne ihr zu begegnen. Am anderen Tag läutete sie an der Türe zu ihrer Wohnung, fand aber nur einen überfüllten Briefkasten. Das war für Agnes Anlass sich um ihre Freundin vermehrt Sorgen zu machen.

Nachdem Marie in den Abendnachrichten des Fernsehens den Hinweis der Polizei hörte, dass Bürger der Stadt aufgefordert würden, verdächtige Fahndungshinweise der Polizei zu melden, ging sie zum Polizeipräsidium am Friesenring, um nach dem Verbleib von Agnes fahnden zu lassen. Sie erzählt alles, was ihr bekannt war, gab eine Personenbeschreibung der Freundin ab, nannte Straße und Hausnummer ihrer Wohnung und übergab der Polizei auch ein Foto, das sie mit Agnes zeigte.

Zur vereinbarten Stunde traf sich der Krisenstab wieder: Es gab keine weiteren Erkenntnisse der an der Fahndung beteiligten Beamten. Der Leiter des Stabes gab danach bekannt, dass eine Vermisstenanzeige eingegangen sei. Eine zwanzigjährige Medizinstudentin nehme seit Tagen nicht mehr an Vorlesungen teil. Es sei auch bekannt, wo sie wohne und wo sie sich gelegentlich aufgehalten habe. Es gebe ein Foto von ihr, auf dem sie mit ihrer Freundin zu sehen sei. Dieser Spur zu folgen könnte für die laufende Fahndung von Interesse sein. Die bisher bekannten Daten der  vermissten Person lägen ja in der Nähe zum Planungsraum der laufenden Fahndung. Es wurde daher entschieden, das Foto mit Hinweisen über die Vermisste in den Medien zu veröffentlichen, und Beamte in Zivil sollten die Lokale im Kreuzviertel, den Bereich der Wohnung der Studentin, sowie die Universität gezielt  observieren, um nach der Vermissten zu suchen.

Eine Gruppe international vernetzter Krimineller, hatte sich im ehemaligen Luftschutzkeller einer unbenutzten Kirche am Friesenring in Münster eingenistet. Sie hielten diesen Ort für günstig, denn wer konnte vermuten, dass sie sich in der Nähe des Polizeipräsidiums ausgerechnet in einer Kirche trafen. Es schien ihnen auch wichtig, sich in einer Universitätsstadt zu bewegen, um Studenten für sich zu gewinnen. Der Plan hatte auch seine Berechtigung, da sich in der Nähe eine psychiatrische Einrichtung befand. Den Tätern war es gelungen, sich eine wahnbildende Substanz zu verschaffen, die durch Kuriere aus dem Ausland nach Münster gebracht wurde. Einige der Täter sollten versuchen, Personen, die durch das Studium in Krisensituationen gelangten, mit dem Hinweis auf eine Studentenverbindung anzulocken, die geheime Zusammenkünfte in einer ehemaligen Kirche veranstalte. Es sollte da in jeder Hinsicht frei und lustig zugehen.

Sobald es gelungen sei, ein Opfer zu gewinnen, würde es bei einer Veranstaltung im Keller der Kirche eine Injektion bekommen. Die verabreichte Droge hätte folgende Wirkung: Die Personen, denen die Droge injiziert wurde, seien völlig gefügig und bildeten den Wahn aus, dass es Sinn mache, sich sexuell und in ihrem Leistungsverhalten, den Tätern gefügig zu machen. Sie würde dann in den nationalen und internationalen Einrichtungen der Täter für deren Zwecke missbraucht.

Selbst wenn es diesen Personen gelänge, aus diesem System auszubrechen, würden sie dauernd der wahnhaften Vorstellung erliegen gegen diese Droge kämpfen zu müssen, die ihnen die Freiheit zu eigenen Entscheidungen nehme. Bisher sei es gelungen, den Bemühungen der Polizei zu entkommen. Man müsse aber besonders vorsichtig vorgehen, seit die Polizei auch mit Hilfe der Medien versuche, gegen sie vorzugehen. Bis zur Beruhigung der Lage sollten keine Opfer mehr gesucht oder ins Ausland abtransportiert werden. Es sei vor allem wichtig, die Studentin, die sich noch in ihrem Gewahrsam befinde, nachdem die Wirkung der Droge nachgewiesen sei, wieder frei zu lassen, um die Polizei nicht auf deren Spur zu bringen.

Agnes kam wieder zurück in ihre Wohnung, als habe sie sich nur einige Tage in Ferien befunden, erledigt ihre Post und ging wieder zu den Vorlesungen. Marie, ihre Freundin, war glücklich sie wieder zu sehen und meldet der Polizei, dass ihre Freundin sich wieder eingefunden habe. Die Suche nach der Vermissten wurde eingestellt.

Nach einigen Tagen fand die nächste Sitzung des Krisenstabes statt. Die vermutete heiße Spur zu den Tätern erwies sich als Irrtum. Die Studentin ging wieder ihrem Studium nach. Es erschien daher wenig sinnvoll nachzuforschen, wo sie sich in den letzten Tagen befunden hatte und das Schwergewicht der Fahndung wieder auf den bisherigen Fahndungsbereich zu verlegen. In dieser Sitzung wurden keine weiteren Täterhinweise berichtet Es wurden in der Sitzung keine weiteren Täterhinweise berichtet. Die beiden befreundeten Hauptkommissare blieben jedoch skeptisch und beschlossen, den Kontakt zur Freundin der gesuchten Studentin weiter aufrecht zu halten, obwohl die Fahndung in den Medien eingestellt wurde.

Marie freute sich, als ihre Freundin wieder auftauchte. Sie wollte aber nicht indiskret sein und vermied es sie zu fragen, wo sie sich die Tage über aufgehalten habe. War sie aber bisher Männern gegenüber eher zurückhaltend, so kleidete sie sich von nun an gewagt und zeigte auffälliges Interesse an Männern. Agnes erschrak über den unerwartet hohen Eifer der Freundin beim Studium. Jegliche Angst vor den Prüfungen schien von ihr abgefallen zu sein. Sie saß nun unentwegt vor ihren Büchern, verfehlte keine Vorlesung oder Übung und meldete sich oft zu Wort.

Heute Abend wollte Marie wieder einmal allein ausgehen. In der Mutter Birken würde sie sicher bei einem Bier von ihren Sorgen Abstand gewinnen und auf andere Gedanken kommen. Als sie in die Mutter Birken kam, sah sie die beiden Hauptkommissare, die ihre Meldung über ihre vermisste Freundin aufgenommen hatten. Die Polizisten in Zivil grüßten freundlich und boten ihr einen Platz an ihrem Tisch an. Nach einigen belanglosen Worten über die außergewöhnliche Hitze in Münster, die nach einem kühlen Bier schreie, tauchte die Frage auf: „Wie geht es denn ihrer zurückgekehrten Freundin?“ Marie hielt sich zunächst etwas zurück, dann aber erzählte detailliert, wie sehr sich ihre Freundin verändert habe. Man fand aber auch zu Dritt keine Erklärung hierfür. Die beiden Polizisten baten Marie, ihnen doch zu berichten, wenn sie  irgendeine Beobachtung machte.

Die beiden Beamten berichteten im Krisenstab über ihre Unterhaltung mit Marie. Danach wurde entschieden, den Leitenden Psychiater des Landeskrankenhauses bezüglich der Verhaltensänderung bei der zurückgekehrten Studentin zu Rate zu ziehen. Dieser war zu einem Gespräch bereit,  sah aber zunächst keinen Hinweis dafür, dass es bei der Verhaltensänderung Hinweise für eine psychische Abnormität gebe Da hielt er plötzlich inne und sagte: „Warten sie bitte einen Moment“. Als er zurückkam, hatte er eine Fachzeitschrift in Händen und begann das Gespräch erneut mit der Bemerkung: „Ich wusste doch, dass ich etwas gelesen habe.“

In diesem Journal wird von einer Untersuchung in Amerika berichtet, dass es neuerdings eine Droge gebe, die dazu führe, dass durch deren Injektion ein Wahn induziert werden könne, die diese Menschen antreibe sich dem Willen anderer gefügig zu machen. Eine international agierende Tätergruppe, setze diese Droge für ihre Zwecke ein. Selbst wenn sie dem direkten Einfluss der Täter entkommen würden, kämpften sie gegen die wahnhafte Vorstellung, in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt zu sein. Es handle sich um die sogenannte Treiberdroge, deren Wirkung nur durch ein ärztlich injiziertes Gegenmittel aufgehoben werden könne. Die Beamten bedankten sich für die Bereitschaft des Arztes der Studentin gegebenenfalls das Gegenmittel zu injizieren.

Nach dem Bericht hierüber im Krisenstab, erhielten die beiden Beamten erneut den Auftrag zur diskreten Observation der Studentin im Kreuzviertel, beim Verlassen der Wohnung und in der Universität. Zunächst liefen ihre Bemühungen ins Leere. Dann aber eines Abends nach dem Besuch der Mutter Birken, schien ihnen die Studentin auffällig. Sie ging rasch, mit gesenktem Kopf, blieb immer wieder einmal stehen, als ob sie sich überzeugen wollte, ob ihr jemand folge.

Es gelang den Polizisten die Studentin in Deckung der Bäume unbemerkt zu beobachten. Hinter einer Hauswand blieben sie stehen, als sie im Licht einer Straßenlaterne den Friesenring überquerte und dann, im dunklen hinteren Bereich der Kirche verschwand. Die Beamten warteten mehrere Stunden, bis die Studentin wieder erschien. Sie folgten ihr, holten sie kurz vor ihrer Wohnung ein, wiesen sich als Polizisten aus, und fragten sie, was sie in der Kirche gemacht habe. Die Studentin  zögerte gab aber dann zur Antwort, dass sie dort Freunde getroffen habe, bei denen es sehr frei und lustig zugehe. Sie könne auch mit ihnen in der Mutter Birken noch ein Bier trinken, wenn sie Lust dazu hätten. Dabei warf sie sich aufreizend in Positur. Die Beamten lehnten das Angebot ab schlugen aber vor mit ihr zu einem Freund zu gehen, der sie manchmal in schwierigen Situationen beraten habe.

Die Studentin nahm den Vorschlag mit der Bemerkung „auf Ihre Verantwortung“ zögernd an. Den Beamten gelang eine telefonische Vereinbarung mit den Direktor des Krankenhauses, der auch zu dieser späten Stunde noch zu einem Gespräch bereit war. Nach einer kurzen Konsultation, bei der die Studentin keinen Widerstand zeigte, injizierte der Arzt das Gegenmittel. Zweieinhalb Stunden später, schien die Studentin wie aus einem bösen Traum zu erwachen und stellte die Frage: „Wo bin ich?“

Nun war sie in der Lage und bereit über all das, was ihr erinnerlich war, zu berichten: „Sie sei vor Tagen abends etwas traurig in der Nähe der Kirche von einem Medizinstudenten angesprochen worden. Der habe sie überredet, seine Freunde zu besuchen, bei denen es im Studentenkeller der Kirche sehr lustig und frei zuginge. Sie sei ihm ängstlich gefolgt durch Gänge bis zu einer eisernen Tür. Dort habe er dreimal heftig geklopft, dann habe man sie überwältigt und ihr eine Injektion in den Arm gegeben. Was dann mit ihr geschehen sei, wisse sie nicht mehr genau bis auf die Begegnung mit ihrer Freundin, die sich wunderte, dass sie an Männern interessiert, nun sehr viel arbeite. Es handle sich um eine Gruppe von Männern, die sich im Keller der Kirche eingenistet hätten.

Endlich war der Weg frei um im Krisenstab über das weitere Vorgehen zu beraten. Es wurde ein Einsatzkommando und eine Spezialeinheit der Kriminalpolizei in ausreichender Zahl eingesetzt, die die unbenutzte Kirche umstellte. Die Spezialeinheit drang in die Kellerräume vor, sprengte die eiserne Türe auf und verhaftete alle dort anwesenden Männer und Frauen. Alles wurde durchsucht und eine Fülle von Beweismaterial sichergestellt. In der Westfälischen Zeitung konnte man anderntags lesen, dass es den vereinten Kräften der Polizei gelungen sei eine internatinal agierende Tätergruppe festzunehmen und eine Menge Beweismaterial zu sichern.

 

 

 

 

 

 

Die Traube

Vor vielen Jahren lebten fromme Mönche und Brüder an einem abgeschiedenen Ort in einem Kloster. Sie beteten und arbeiteten nach der Regel des Heiligen Benedikt. Einander im Glauben stärkend, teilten sie Freuden und Lasten des klösterlichen Alltages. In ihre Kukullen gehüllt, versammelten sie sich Tag für Tag vor Sonnenaufgang in einer Prozession im Kreuzgang, um dann, hinter dem Abt, in die von wenigen Kerzen erhellte Kirche einzuziehen. Vor dem Altar und dem schlichten Kreuz, verneigten sie sich tief, und nahmen ihre Plätze im Chorgestühl ein.

Wie alle Mönche vor ihnen, feierten sie das Stundengebet und die Heilige Messe. Ihr Gebet und Gesang stieg wie Weihrauch auf, erfüllte die schmucklose Kirche, und belebte die Stille der Nacht. Es herrschte Eintracht unter den alten und jungen Männern, die aus dem Leben genommen, ihrer Berufung folgten. Sie vertrauten darauf, dass Gottes Gnade allein genüge, um verbunden mit allen Geschöpfen, ihren Lobpreis zur Ehre des Allerhöchsten darzubringen. Alles, was ihrer Hände Arbeit hervorbrachte, teilten sie unter sich und unter vielen bedürftigen und kranken Menschen. Wenn die Glocke zu den Gebetszeiten rief, ließen die Mönche und Brüder, der Regel getreu, ihre Arbeit ruhen.

Die frommen, gastfreundlichen Mönche und Brüder, genossen hohes Ansehen bei den Menschen. Großzügige Gaben und Gesten der Zuneigung wurden ihnen zuteil: Bruder Martin versah eines Tages den Pfortendienst, als ein älterer Mann anklopfte. Der kahlköpfige Bruder öffnete mit einem frohen „Pax tecum“ das kleine Fenster. Auf einer Schale brachte der Besucher eine wunderschöne Traube und sagte: „In diesem Jahr ist die Weinlese üppig ausgefallen und wir möchten uns mit dieser Traube für die stets freundliche Aufnahmen im Kloster bedanken“. Hocherfreut nahm Bruder Martin mit einem „Gott segne Sie“, das Geschenk an und schloss das Fenster. Das Wasser lief ihm im Munde zusammen, als er die Traube vor sich auf der Schale  sah. Schon war seine Hand unterwegs, um wenigstens eine Traube zu naschen, da hielt er inne und dachte daran, wie sehr sich der Bruder Küchenmeister über diese Traube freuen würde. Dem Küchenmeister ging es ähnlich, und so wanderte die Traube von Hand zu Hand, bis sie zuletzt vor dem Vater Abt lag. Auch er freute sich über dieses Geschenk, dachte bei sich an die „Kalebs-Traube“ und entschied, sie als ein Symbol der Verbundenheit, für alle sichtbar, in einem Kästchen vor dem Altar aufzubewahren, um sie zur Gründung des ersten folgenden Klosters zu übergeben. So geschah es. Auf wunderbare Weise behielt aber die Traube zur Freude aller ihr frisches Aussehen.

Besonders die Wallfahrten zum Gnadenbild der Mutter Gottes, und zur  Kalebstraube, waren im Volke beliebt. Viele Votivtafeln zeugen noch heute vom Glauben der Pilger, die in den damaligen Zeiten der Not und Irrlehren, in ihrem Leben Trost und Hilfe erfahren durften. Schon nach wenigen Jahren lebten im Kloster so viele Mönche und Brüder, dass ein neues Kloster entstehen konnte.

Immer mehr drängte es die Mönche und Brüder, den Schutz des Mutterklosters zu verlassen, um die frohe Botschaft zu verkünden. Jenseits des Stromes, in der Mitte eines großen bergigen Landes, sollte eine kleine Gruppe einen Standort suchen und zur Klostergründung vorbereiten. Es galt dabei, nicht nur zahllose Hindernisse, sondern auch erhebliche Zweifel und Einwände der dort wohnenden Menschen zu überwinden. Man bewegte sich damals zu Pferde, in einfachen Planwagen, zu Fuß oder auf einem Floß, dem Verlauf von Flüssen folgend.

In der Morgenfrühe eines Sommertages war es so weit: Bei einem feierlichen Gottesdienst, unter dem Gesang des „Veni creator spiritus“, verabschiedeten sich ein Abt mit zwölf Mönchen und Brüdern zur ihrer Aufgabe im fernen Land. Zum Zeichen der Verbundenheit erhielten sie eine kleine Glocke und die Kalebstraube. Genau in dem  Augenblick, als  sie zum Reisesegen vor ihrem Abt knieten, durchbrachen Strahlen der aufgehenden Sonne das Fenster hinter dem Altar, und erfassten die Gruppe. Noch einmal hörten die Reisenden das volle Geläut ihrer Klosterkirche.  Als sie sich mit ihren Pferden und Planwagen immer mehr entfernten,  flossen manche Tränen bei den  zurück gebliebenen Brüdern. Der Erzähler vertraut der Fantasie der geneigten Leser, sich die Gefahr und Mühsal einer solchen Reise vorzustellen.

Endlich hatten die Mönche und Brüder, in der Mitte des gesuchten Landes den Ort gefunden, der zur geplanten Klostergründung geeignet schien. Grund genug, Gott für diese Gnade zu danken, und ihr weiteres Vorhaben der Fürbitte Mariens zu empfehlen. Ein warmer Sommertag begrüßte die Mönche und Brüder. Vor ihren Augen breitete sich mitten im Wald eine blumenübersäte Lichtung aus. Da verneigten sich der Abt und die Zwölf tief zum „Gloria „Patri et filio et spiritui sancto“, einem „Pater noster“ und „Ave maria“. Danach sangen die Mönche und Brüder hier zum ersten Mal die Mittagshore.

Bis zum Abend gelang es, mit den Planwagen, aus Holzstämmen und Ästen einen Kreis zu bilden, und ein Nachtlager einzurichten. Der offene Sternenhimmel bildete ihr Zelt, und das Schweigen nach dem Abendsegen umhüllte ihre müden Körper. Es war noch tiefe Nacht, als die Glocke sie zum  Stundengebet rief. Damit begann das klösterliche Leben auch hier nach der Regel Benedikts mit dem „ora et labora“.

Die erste Heilige Messe feierten sie, nicht weniger würdig, unter freiem Himmel. Ein kleiner Tisch vor dem Kreuz und Gnadenbild des Mutterklosters, diente als Altar. Hinter ihrem Abt stellten sie sich zur Prozession auf, zogen gemessenen Schrittes in ihre nach allen Seiten offene Kirche ein, verneigten sich tief und teilten sich beidseits des Altars, als wäre ein Chorgestühl vorhanden. Ihr Gebet und Gesang stieg zum offenen Himmel empor. Die Kalebstraube, legten sie vor den Altar und ihr Abt versicherte, dass sie einem nächsten Kloster übergeben  würde. Wie oft sich die frommen Missionare vor dem Kreuz, dem Gnadenbild Marias und der geschenkten Weintraube verneigten, weiß nur Gott allein.

Inzwischen vergingen Jahre, in denen mit Hilfe vieler Menschen aus der Umgebung ein schönes neues Kloster entstand, das dem aus ihrem Herkunftsland, wie ein Ei dem anderen glich. Endlich war der große Tag gekommen: Mit ihren Pferden und Wagen näherte sich eine Gruppe von Mönchen und Brüdern des Mutterklosters. Der Bruder Glöckner  musste die kleine Stundenglocke besonders lang und feierlich ertönen lassen, um den Mönchen und Brüdern  den Weg zu weisen. Die Freude über die Neuankömmlinge strahlte aus allen Gesichtern. Es gab bei der Begrüßung viel zu erzählen, denn der Abt hatte an diesem Tag alle  Mönche und Brüder vom Schweigen entbunden. Als Geschenk des Mutterklosters erhielten sie eine größere Glocke mit der Inschrift „Wort Gottes“.

Zum Festgottesdienst ertönte zum ersten Mal die neue Glocke. Der bisherige Abt wurde in seinem Amt bestätigt, Kirche, Altar und das neue Kloster  gesegnet, und unter den Schutz der Gottesmutter gestellt. Zur Klosterweihe kamen von nah und fern zahlreiche Pilger  und Gäste aus anderer Klöstern herbei. Die Kirche konnte die Besucher nicht fassen, sodass viele mit rohen Bänken vor der weit geöffneten Kirchentüre vorlieb nehmen mussten.

Es war am Fest von Christi Himmelfahrt und die Mönche sangen den Psalm „Viri galilaei“. Nach dem Segen zum Abschluss des feierlichen Gottesdienstes stimmten alle Gläubigen in das „Veni creator spiritus“ ein. Mancher Mönch oder Bruder mochte sich noch daran erinnern, dass sie unter diesem Hymnus einst ihr Mutterkloster verließen.

In seiner Predigt hob der Abt hervor,  dass er in der Nacht einen Traum hatte, der sehr gut zu diesem Festtage passe. Auf die Melodie des Psalms „Viri galilaei“ sei ihm der Text eingefallen  „selig, ja überselig, hüpft, ja hüpft mein Herz in Dir“. Er wagte es sogar, am Ende des Gottesdienstes diesen Text vorzusingen, und alle Gläubigen stimmten in diesen Psalm der Glückseligkeit ein. Vielleicht könnten Sie es, liebe Leser, auch versuchen, in den Gesang der Mönche einzustimmen, oder, wenn ihre Stimme versagt, anderen Menschen die Geschichte von der „Kalebstraube“ zu erzählen, die weiter gereicht werden will.

WP to LinkedIn Auto Publish Powered By : XYZScripts.com
Social media & sharing icons powered by UltimatelySocial