Die Traube

Vor vielen Jahren lebten fromme Mönche und Brüder an einem abgeschiedenen Ort in einem Kloster. Sie beteten und arbeiteten nach der Regel des Heiligen Benedikt. Einander im Glauben stärkend, teilten sie Freuden und Lasten des klösterlichen Alltages. In ihre Kukullen gehüllt, versammelten sie sich Tag für Tag vor Sonnenaufgang in einer Prozession im Kreuzgang, um dann, hinter dem Abt, in die von wenigen Kerzen erhellte Kirche einzuziehen. Vor dem Altar und dem schlichten Kreuz, verneigten sie sich tief, und nahmen ihre Plätze im Chorgestühl ein.

Wie alle Mönche vor ihnen, feierten sie das Stundengebet und die Heilige Messe. Ihr Gebet und Gesang stieg wie Weihrauch auf, erfüllte die schmucklose Kirche, und belebte die Stille der Nacht. Es herrschte Eintracht unter den alten und jungen Männern, die aus dem Leben genommen, ihrer Berufung folgten. Sie vertrauten darauf, dass Gottes Gnade allein genüge, um verbunden mit allen Geschöpfen, ihren Lobpreis zur Ehre des Allerhöchsten darzubringen. Alles, was ihrer Hände Arbeit hervorbrachte, teilten sie unter sich und unter vielen bedürftigen und kranken Menschen. Wenn die Glocke zu den Gebetszeiten rief, ließen die Mönche und Brüder, der Regel getreu, ihre Arbeit ruhen.

Die frommen, gastfreundlichen Mönche und Brüder, genossen hohes Ansehen bei den Menschen. Großzügige Gaben und Gesten der Zuneigung wurden ihnen zuteil: Bruder Martin versah eines Tages den Pfortendienst, als ein älterer Mann anklopfte. Der kahlköpfige Bruder öffnete mit einem frohen „Pax tecum“ das kleine Fenster. Auf einer Schale brachte der Besucher eine wunderschöne Traube und sagte: „In diesem Jahr ist die Weinlese üppig ausgefallen und wir möchten uns mit dieser Traube für die stets freundliche Aufnahmen im Kloster bedanken“. Hocherfreut nahm Bruder Martin mit einem „Gott segne Sie“, das Geschenk an und schloss das Fenster. Das Wasser lief ihm im Munde zusammen, als er die Traube vor sich auf der Schale  sah. Schon war seine Hand unterwegs, um wenigstens eine Traube zu naschen, da hielt er inne und dachte daran, wie sehr sich der Bruder Küchenmeister über diese Traube freuen würde. Dem Küchenmeister ging es ähnlich, und so wanderte die Traube von Hand zu Hand, bis sie zuletzt vor dem Vater Abt lag. Auch er freute sich über dieses Geschenk, dachte bei sich an die „Kalebs-Traube“ und entschied, sie als ein Symbol der Verbundenheit, für alle sichtbar, in einem Kästchen vor dem Altar aufzubewahren, um sie zur Gründung des ersten folgenden Klosters zu übergeben. So geschah es. Auf wunderbare Weise behielt aber die Traube zur Freude aller ihr frisches Aussehen.

Besonders die Wallfahrten zum Gnadenbild der Mutter Gottes, und zur  Kalebstraube, waren im Volke beliebt. Viele Votivtafeln zeugen noch heute vom Glauben der Pilger, die in den damaligen Zeiten der Not und Irrlehren, in ihrem Leben Trost und Hilfe erfahren durften. Schon nach wenigen Jahren lebten im Kloster so viele Mönche und Brüder, dass ein neues Kloster entstehen konnte.

Immer mehr drängte es die Mönche und Brüder, den Schutz des Mutterklosters zu verlassen, um die frohe Botschaft zu verkünden. Jenseits des Stromes, in der Mitte eines großen bergigen Landes, sollte eine kleine Gruppe einen Standort suchen und zur Klostergründung vorbereiten. Es galt dabei, nicht nur zahllose Hindernisse, sondern auch erhebliche Zweifel und Einwände der dort wohnenden Menschen zu überwinden. Man bewegte sich damals zu Pferde, in einfachen Planwagen, zu Fuß oder auf einem Floß, dem Verlauf von Flüssen folgend.

In der Morgenfrühe eines Sommertages war es so weit: Bei einem feierlichen Gottesdienst, unter dem Gesang des „Veni creator spiritus“, verabschiedeten sich ein Abt mit zwölf Mönchen und Brüdern zur ihrer Aufgabe im fernen Land. Zum Zeichen der Verbundenheit erhielten sie eine kleine Glocke und die Kalebstraube. Genau in dem  Augenblick, als  sie zum Reisesegen vor ihrem Abt knieten, durchbrachen Strahlen der aufgehenden Sonne das Fenster hinter dem Altar, und erfassten die Gruppe. Noch einmal hörten die Reisenden das volle Geläut ihrer Klosterkirche.  Als sie sich mit ihren Pferden und Planwagen immer mehr entfernten,  flossen manche Tränen bei den  zurück gebliebenen Brüdern. Der Erzähler vertraut der Fantasie der geneigten Leser, sich die Gefahr und Mühsal einer solchen Reise vorzustellen.

Endlich hatten die Mönche und Brüder, in der Mitte des gesuchten Landes den Ort gefunden, der zur geplanten Klostergründung geeignet schien. Grund genug, Gott für diese Gnade zu danken, und ihr weiteres Vorhaben der Fürbitte Mariens zu empfehlen. Ein warmer Sommertag begrüßte die Mönche und Brüder. Vor ihren Augen breitete sich mitten im Wald eine blumenübersäte Lichtung aus. Da verneigten sich der Abt und die Zwölf tief zum „Gloria „Patri et filio et spiritui sancto“, einem „Pater noster“ und „Ave maria“. Danach sangen die Mönche und Brüder hier zum ersten Mal die Mittagshore.

Bis zum Abend gelang es, mit den Planwagen, aus Holzstämmen und Ästen einen Kreis zu bilden, und ein Nachtlager einzurichten. Der offene Sternenhimmel bildete ihr Zelt, und das Schweigen nach dem Abendsegen umhüllte ihre müden Körper. Es war noch tiefe Nacht, als die Glocke sie zum  Stundengebet rief. Damit begann das klösterliche Leben auch hier nach der Regel Benedikts mit dem „ora et labora“.

Die erste Heilige Messe feierten sie, nicht weniger würdig, unter freiem Himmel. Ein kleiner Tisch vor dem Kreuz und Gnadenbild des Mutterklosters, diente als Altar. Hinter ihrem Abt stellten sie sich zur Prozession auf, zogen gemessenen Schrittes in ihre nach allen Seiten offene Kirche ein, verneigten sich tief und teilten sich beidseits des Altars, als wäre ein Chorgestühl vorhanden. Ihr Gebet und Gesang stieg zum offenen Himmel empor. Die Kalebstraube, legten sie vor den Altar und ihr Abt versicherte, dass sie einem nächsten Kloster übergeben  würde. Wie oft sich die frommen Missionare vor dem Kreuz, dem Gnadenbild Marias und der geschenkten Weintraube verneigten, weiß nur Gott allein.

Inzwischen vergingen Jahre, in denen mit Hilfe vieler Menschen aus der Umgebung ein schönes neues Kloster entstand, das dem aus ihrem Herkunftsland, wie ein Ei dem anderen glich. Endlich war der große Tag gekommen: Mit ihren Pferden und Wagen näherte sich eine Gruppe von Mönchen und Brüdern des Mutterklosters. Der Bruder Glöckner  musste die kleine Stundenglocke besonders lang und feierlich ertönen lassen, um den Mönchen und Brüdern  den Weg zu weisen. Die Freude über die Neuankömmlinge strahlte aus allen Gesichtern. Es gab bei der Begrüßung viel zu erzählen, denn der Abt hatte an diesem Tag alle  Mönche und Brüder vom Schweigen entbunden. Als Geschenk des Mutterklosters erhielten sie eine größere Glocke mit der Inschrift „Wort Gottes“.

Zum Festgottesdienst ertönte zum ersten Mal die neue Glocke. Der bisherige Abt wurde in seinem Amt bestätigt, Kirche, Altar und das neue Kloster  gesegnet, und unter den Schutz der Gottesmutter gestellt. Zur Klosterweihe kamen von nah und fern zahlreiche Pilger  und Gäste aus anderer Klöstern herbei. Die Kirche konnte die Besucher nicht fassen, sodass viele mit rohen Bänken vor der weit geöffneten Kirchentüre vorlieb nehmen mussten.

Es war am Fest von Christi Himmelfahrt und die Mönche sangen den Psalm „Viri galilaei“. Nach dem Segen zum Abschluss des feierlichen Gottesdienstes stimmten alle Gläubigen in das „Veni creator spiritus“ ein. Mancher Mönch oder Bruder mochte sich noch daran erinnern, dass sie unter diesem Hymnus einst ihr Mutterkloster verließen.

In seiner Predigt hob der Abt hervor,  dass er in der Nacht einen Traum hatte, der sehr gut zu diesem Festtage passe. Auf die Melodie des Psalms „Viri galilaei“ sei ihm der Text eingefallen  „selig, ja überselig, hüpft, ja hüpft mein Herz in Dir“. Er wagte es sogar, am Ende des Gottesdienstes diesen Text vorzusingen, und alle Gläubigen stimmten in diesen Psalm der Glückseligkeit ein. Vielleicht könnten Sie es, liebe Leser, auch versuchen, in den Gesang der Mönche einzustimmen, oder, wenn ihre Stimme versagt, anderen Menschen die Geschichte von der „Kalebstraube“ zu erzählen, die weiter gereicht werden will.

Die Rettung

Friedrich ist mit seiner Familie in eine belebte Stadt umgezogen. Dort wohnen sie schon mehrere Jahre. Er schätzt es nicht besonders, sich mit seiner Frau und den Kindern im Strom der Besucher durch die Straßen treiben zu lassen, um die jahreszeitlich wechselnden Auslagen der vielen Geschäfte zu betrachten. Aber an Musikern, die an manchen Orten in der Stadt, bei swingendem Jazz ihre Solisten in Szene setzen, kommt er selten vorbei, denn von Jugend an, gehört Musik zu seinem Alltag, und Rhythmus liegt ihm im Blut. Die Familie hat sich mit dieser Vorliebe des Vaters und auch damit versöhnt, dass Buchläden ihn magisch anziehen. Er schätzt nicht nur die feine Küche, sondern auch gute Bücher. Friedrich genießt es sehr, unter Menschen zu sein. Er sucht und findet oft ein ruhiges Plätzchen, um das pralle Leben in der Stadt auf sich wirken zu lassen.

Die Familie und Freunde kennen Friedrichs unersättliche Neugier, der mit Bedacht diese große Stadt mit ihrem reichen kulturellen Angebot als Wohnort wählte, um den Erwartungen aller am besten zu entsprechen: Es gab hier kurze Wege zur Arbeit, den Schulen, dem Markt, den Spielplätzen und Geschäften. Gelegentlich besuchte er als Gasthörer mit seiner Frau einige Vorlesungen an der Universität. Mit der Zeit entdeckte die Familie auch den zoologischen Garten und die Museen. Ihr besonderes Interesse galt aber der Musikhochschule. Es bereitete ihnen viel Vergnügen, dort bei den ersten öffentlichen Auftritten, die jungen, talentierten Studenten zu erleben, und sie bei ihren Konzerten mit ermutigendem Beifall zu belohnen. Die umsichtige Mutter verstand es, auch den Besuch des Theaters, Balletts und der Konzerte in den familiären Alltag einzuplanen. Trotz aller Vorteile, die das Stadtzentrum bot, entschloss sich aber die Familie noch einmal zu einem Umzug: Eine neue Wohnung am Rande der Stadt, sollte im nächsten Jahr bezugsfertig sein. Das Stadtzentrum und das nahe gelegene Erholungsgebiet, waren von hier aus leicht zu erreichen.

Es ist ein sonniger Herbsttag, gerade noch warm genug, um sich in einem der Straßencafés bei Kuchen und Tee vom heutigen Spaziergang zu erholen. Das Gespräch des Ehepaares verläuft träge; sie benötigen beide eine Pause, um die Eindrücke der letzten Stunden zu überdenken. Da richtete sich Friedrich plötzlich auf; er schien von irgendetwas fasziniert zu sein. Seine Frau bemerkte dies, und unterbrach das Schweigen mit der Frage: „Hast Du etwas entdeckt?“ Ohne sich umzuschauen, antwortete Friedrich, mit der Hand in eine bestimmte Richtung deutend: „Wenn mich meine Augen nicht trügen, dann sehe ich Peter und Doris, unsere Freunde. Es scheint, dass sie heute den schönen Herbsttag auch genießen. Schau, dort kommen sie direkt auf uns zu, schick gekleidet, Arm in Arm, wie ein verliebtes Paar. Doris hat uns schon gesehen, und winkt uns  freundlich zu. Wie schön, dass wir ihnen hier noch zwei freie Stühle anbieten können.“ Doris und Peter kommen näher, begrüßen Friedrich und die Kinder, nehmen Platz, und bestellen sich Kaffee. In Kürze ist ein munteres Gespräch im Gange.

Die beiden Damen rücken enger zusammen, führen das Wort, und beginnen unter lebhaften Gesten ein Gespräch über die aktuelle Herbstmode und die Möglichkeit, im endenden Sommerschlussverkauf ein „Schnäppchen“ zu machen. Ihre Männer hatten keine Chance, sich am Gespräch zu beteiligen, und zu wenige Kenntnisse im Detail, um sich in sinnvoller Weise in die Unterhaltung der Damen einzubringen. Sie fanden aber bald ihre Sprache wieder und ein Thema, das sie beidseits interessierte:

Friedrich und Peter kannten sich schon lange, sodass sie sich nicht mehr scheuten, einander auch persönliche Erlebnisse anzuvertrauen. In Rede und Gegenrede lief ihr Gespräch -wie von selbst- darauf zu, dass es unter Menschen im Alltag immer wieder Konflikte gebe, die zur Lösung einen Ausgleich der Interessen erforderten. „Solche Problem kenne ich gut, “ bemerkte Friedrich. „Ich erinnere mich aber gerade, wie schwer es mir früher gefallen ist, über eigene Konflikt mit anderen zu reden. Die Angst, missverstanden zu werden, verschloss mir oft den Mund. „Das kenne ich auch, entgegnete Peter, aber ich habe mich zum Glück in dieser Hinsicht geändert. Friedrich wackelte nachdenklich mit dem Kopf und entgegnete: „Es hängt bei mir davon ab, mit wem und über was ich spreche. Schwer wird es für mich nur dann, wenn es scheint, als wäre ein Konflikt nicht zu lösen und das Gespräch trage nicht dazu bei, sich zu verständigen. Bei einem derartig belastenden Konflikt, kam mir  aber zum Glück einmal ein Traum zur Hilfe.“ „Kannst Du, Friedrich, mir näher erklären, wie das geschah, damit ich Dich besser verstehen kann, entgegnete Peter?“ „Ich will es versuchen, antwortete Friedrich“. „Ich habe Dir vor einiger Zeit schon einmal davon erzählt, dass ich oft lebhaft träume und dadurch besser erkenne, was mich innerlich bewegt, und wie ich eventuell reagieren könnte.“ Dazu fällt mir folgendes ein:

„Nach einem schwierigen Konflikt, hatte ich in der Nacht einen Traum: Ich befinde mich in einer großen Stadt. Dort ist ein mehrstöckiges Wohn- und Geschäftshaus im Bau. Von der Planung, über den ersten Spatenstich, bis zur Vollendung der letzten Decke, verfolgte ich im Traum interessiert, den Fleiß und die Sorgfalt der Bauleute bei ihrer Arbeit. Der Dachstuhl des Gebäudes war noch nicht aufgerichtet.“ Friedrich machte hier eine kurze Pause, schaute sich nach den Damen um, und stellte befriedigt fest, dass ihnen der Gesprächsstoff noch nicht ausgegangen war.

Dann setzte er seinen Traumbericht fort: „Das besagte Haus lag in einem neu erschlossenen Gebiet am Rande einer Stadt. Die Zufahrten und die Parkplätze waren bereits vorhanden. In einiger Entfernung grenzten nur wenige, kleine Wohn- und Wochenendhäuser, an dieses Neubaugebiet. Zufrieden betrachtete ich im Traum den gelungenen Neubau, in den ich mit meiner Familie einziehen wollte. Dann ging ich daran, mich am Außengerüst empor zu hangeln. Ich gelangte glücklich oben an und blickte von dort aus, hoch erfreut, über die sich vor meinen Augen ausbreitende große Stadt. Nach einer Weile, versuchte ich im Traum wieder nach unten zu gelangen. Mit der linken Hand bekam ich aber eine Gerüststange nicht zu fassen, sodass ich nur noch an einer Hand über dem Abgrund hing. Der Schreck darüber legte sich erst wieder, als es mir gelang, mich mit Mühe wieder auf das Baugerüst hinauf zu schwingen. Ich dankte Gott für diese Rettung, und war erst wieder beruhigt, als ich nach dem sicheren Abstieg wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Dort traf ich im Traum mit einem Mann zusammen, dem ich spontan erzählte, wie ich soeben davor bewahrt wurde, vom Gebäude abzustürzen. Der Mann hörte mir aufmerksam zu und freute sich mit mir über die Rettung. Wir stellten dann in einem längeren Gespräch über das erstellte Gebäude fest, dass wir beide „Leute vom Bau“ waren. Er, als der verantwortliche Ingenieur, der den Neubau beaufsichtigte, und ich mit Kenntnissen aus langer Tätigkeit in einer Baufirma ausgestattet. Wir hatten leider kein Bier dabei, um darauf anzustoßen, vereinbarten aber, uns bald noch einmal bei mir zum -Fachsimpeln- zu treffen.“

Nach dieser Erzählung atmete Friedrich erleichtert auf, als ob er gerade noch einmal aus einer Notlage gerettet worden wäre. Peter fügte hinzu: „Ich danke Dir, Friedrich, für Dein Vertrauen, mir diesen Traum von Deiner glücklichen Rettung zu erzählen. Könnte es sein, dass Du, in Gestalt Deines Traumes, einen tröstlichen Hinweis auf Deine eigenen inneren Kräfte als Beistand erfahren durftest, auf die Du Dich wie auf Deinen Freund verlassen kannst, dem Du soeben ohne die Angst missverstanden zu werden, Deine Traumgeschichte erzählt hast?“ „Ich glaube, dass jeder Mensch in einer schwierigen Lage, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, und manchmal einen guten Freund zur Seite braucht, um einen Ausweg zu finden, entgegnete Friedrich; ich danke auch Dir, Peter, für Dein Verständnis!“. Das „Männergespräch“ war damit zu Ende.

„Wir sollten uns nun aber wieder unseren Frauen zuwenden, bemerkte Friedrich“. Darauf entgegnete Peter: „Schau einmal hin, wie vergnügt die beiden noch dabei sind, sich so lange, von uns ungestört, über die neueste Mode und andere Dinge unterhalten zu können. Mir scheint, Ihnen hat in der Zwischenzeit nichts gefehlt.“ „Da könntest Du Recht haben, entgegnet Friedrich.“ Es erübrigte sich für die Herren, die Damen nach möglichen Inhalten ihres noch andauernden Gesprächs zu befragen.

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Die Pappel

Vor dem Hause unsre Pappel
Blätter oh wie schön sie sind
Leise dreh´n sie sich und schwatzen
plappern munter mit dem Wind

Jetzt neigt sie den Kopf zu Seite
zupft ihr Blätterkleid zurecht
wie die Braut im Festtagskleide
die uns gut gefallen möcht

Wenn dann helle Sonnenstrahlen
auf die bewegten Blätter fallen
dann ist der Augenblick erfüllt
und tiefe Sehnsucht wird gestillt

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Der Roboter – ein Märchen

John, ein Elitesoldat, hatte eine sehr lange und harte Ausbildung hinter sich. Er gehörte zu einer global agierenden Einheit, die sehr gefährliche Einsätze ausführte. Als Einzelkämpfer oder in Gruppen, standen diese Männer, mit modernsten Waffen ausgerüstet, Tag und Nacht bereit, Leib und Leben zu wagen, um die Ihnen befohlenen Aufgaben zu erfüllen. John war stolz, zu dieser Elite zu gehören.

Bei einem Nachteinsatz wurde er schwer verwundet, und befand sich  seit Monaten an einem geheim gehaltenen Ort in einem klinischen Zentrum zur Behandlung. Dort versorgten speziell ausgebildete Ärzte und Therapeuten mit neuesten, aus der Roboterforschung bekannten medizinischen Geräten, die Verletzten.

Da bei John Arme, Beine und der Oberkörper betroffen waren, erhielt er modernste Prothesen. Ein über Monate andauernder, belastender Heilungsprozess, war nötig, um sich an diese Hilfen zu gewöhnen. Trotz der auftretenden Schmerzen und Verstimmungen, blieb aber Johns ausgeprägter Lebenswille ungebrochen. Wie hätte er auch ohne diese Prothesen und die Hilfe anderer Menschen überleben sollen? Immer wieder sammelte er daher seine Kräfte, wie einst bei der Ausbildung, um den Heilungsprozess zu unterstützen.

Soeben betritt Schwester Hilde, wie so oft gut gelaunt, Johns Zimmer; ordnet die Blumen in der Vase, lüftet den Raum, misst Blutdruck und Temperatur des Patienten, und erkundigt sich freundlich nach seinem Befinden.  Wenn sie in seiner Nähe ist, fühlt er sich in guten Händen. Ja, er schätzt die junge, hübsche Schwester, deren Gegenwart trübe Gedanken verscheucht. Im Gespräch mit ihr, vermag er sogar zu scherzen, als sei er seiner Sorgen enthoben. So schwärmt er heute davon, dass er ein guter Tänzer sei, und sich schon darauf freue, wenn die Heilung weiter fortschreite, die Schwester bald zu einem Tänzchen auffordern zu können. Schwester Hilde lächelt John vielsagend zu und entgegnet leicht errötend: „Vielen Dank für ihr Angebot. Es wird aber sicher noch eine Weile dauern, bis sie wieder tanzen können.“ Sie bewundert diesen Mann, der sich von seinem Missgeschick nicht erdrücken lässt, und findet ihn sympathisch. John, der dies bemerkt, entgegnet: „Wenn ich sie so vor mir sehe, fällt es mir schwer, die Klinik bald zu verlassen, denn sie tragen sehr zu meinem Wohlbefinden bei.“ Die Schwester antwortet lachend: „Herr John, ich bin nur ein Teil des therapeutischen Teams“. „Unter den Menschen, die sich hier um mich kümmern, sind sie, Schwester Hilde, für mich aber schon ein besonderer Teil des Teams, entgegnet John.“  Mit der Frage „soll das etwa ein Kompliment für mich sein“, verlässt die Schwester, ohne die Antwort abzuwarten, rasch den Raum. Ja, das stimmt, denkt John schmunzelnd, als sie das Zimmer verlässt;  mit ihr zu tanzen, das könnte schön sein.

Heute ist große Visite: Der Chefarzt und seine Mitarbeiter betreten das Zimmer. Er reicht John freundlich die Hand und sagt: „Die bisherige medizinische Behandlung und die Physiotherapie zeigen bei Ihnen eine erfreuliche Wirkung. Wenn Sie in den nächsten Wochen wie bisher den Heilungsprozess unterstützen, können wir bei Ihnen schon bald mit einem gezielten Belastungstraining beginnen, bemerkt der Chefarzt unter beifälligem Kopfnicken der Oberärzte.“ „Auf die Gelegenheit der meine Kraft wieder erproben zu können, freue ich mich. Mit den Prothesen komme ich mir aber zurzeit noch wie ein wandelnder Roboter vor,  bemerkt John lachend.“ „Es scheint, als hätten Sie Wind bekommen von den Vorbereitungen, die zurzeit in unserer Klinik im Gange sind, entgegnet der Chefarzt,  und fährt fort: In einigen Wochen findet wieder unser jährliches großes Turnier statt. Genesene Patienten zeigen dann mit sportlichen und gymnastischen Übungen, ihre wieder erworbene Beweglichkeit. Ein von uns ausgewählter Patient tritt dabei, gegen einen Roboter an, um seine Kraft und Geschicklichkeit zu demonstrieren. Wenn Sie sich weiter Mühe geben, sind Sie dabei!“  John richtet sich ein wenig im Bett auf und entgegnet ermutigt: „ Auf mich können Sie sich verlassen!“

Die Wochen aufregender Vorbereitungen auf das Turnier, sind wie im Fluge vergangen. Heute findet es auf dem festlich geschmückten Sportplatz des Klinikgeländes statt. Einige geladene Gäste, Ärzte und Therapeuten, sitzen an diesem schönen Sommertag auf einer besonderen  Ehrentribüne und die  Patienten stehen erwartungsvoll rund um den Turnierplatz. Militärmusiker in schicken Uniformen, ziehen soeben mit klingendem Spiel ein, stellen sich auf und unterhalten die Besucher mit Marschmusik. Einige Patienten in Sportkleidung sind eifrig dabei, sich mit Lockerungsübungen auf ihren Auftritt vorzubereiten. Nach einem letzten, schneidigen Marsch der Kapelle, begibt sich der Chefarzt ans Mikrophon, und eröffnet unter kräftigem Beifall aller Anwesenden, das diesjährige Turnier.

Nach den sportlichen und gymnastischen Übungen der einzelnen Gruppen, wird als Höhepunkt der Veranstaltung, der Kampf mit einem Roboter angesagt: John hatte Wort gehalten, und sein Leistungs- und Reaktionsvermögen so gebessert, dass ihn die Klinikleitung zum Kampf mit dem Roboter auswählte. Nun wärmt er sich vor seinem Kampf noch an verschiedenen Geräten im Fitnesscenter auf. Als er danach in Sportkleidung den Turnierplatz betritt, empfängt ihn unter lebhaftem Beifall der Gäste ein kräftiger Tusch des Orchesters. Trotz seiner Anspannung, entgeht John aber nicht, dass Schwester Hilde nach vorn drängt, ihm zuwinkt und aufgeregt applaudiert.

Der Chefarzt tritt noch einmal ans Mikrophon und wünschte John, der sichtlich bemüht ist, seine Angst zu kontrollieren, Mut und Glück zum Kampf mit dem Roboter. Da geht ein Raunen durch die Reihen der Gäste und John bemerkt, wie ihm die Knie zittern, als sein massiger Gegner leicht wankend auf den Turnierplatz rollt und sich ihm gegenüber aufstellt. In diesem Augenblick kommt sich John, wie David vor Goliath vor. Der Kolos ihm gegenüber, hatte kaum Ähnlichkeit mit einem Menschen. Erschreckend plump wirkte sein in der Sonne glänzender Metallkörper. Mit seelenlosen Augen, weit geöffnetem Maul und ausgebreiteten Fangarmen blickte ihn der Roboter an. Was konnte John gegen diesen Moloch unternehmen?  Als erfahrener Elitesoldat konnte er sofort erkennen, dass er dem Riesen unterlegen war. Wenn er diesen Fangarmen zu nahe kam, hatte er mit Sicherheit keine Chance. Da ertönt auch schon das Kommando des Chefarztes aus dem Lautsprecher: „fertig, los!“

Langsam wankte der massige Kolos, sein Maul abwechselnd öffnend und schließend, mit seinen Greifarmen weit ausholend, auf John zu. Doch einige Male konnte er  den wütend nach ihm greifenden Armen in letzter Sekunde entkommen, mit raschen Bewegungen ausweichend hinter den Roboter gelangen, und dessen elektronische Steuerung  kappen. Wie vom Blitz getroffen fielen dessen Fangarme herunter und der Roboter blieb starr und bewegungslos vor John stehen. Ein Riesenbeifall und ein kräftiger Tusch der Militärmusik belohnt dieses Husarenstück. Jetzt erst begriff auch John, dass er soeben eine große Gefahr überstanden hatte und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Der Chefarzt gratulierte John, erklärte ihn feierlich zum Sieger, und Schwester Hilde überreicht ihm freudestrahlend einen Blumenstrauß. Mit erhobenen Händen, überglücklich den Blumenstrauß schwenkend, dankte John allen unter lang anhaltendem Beifall. Hatte er doch soeben nicht nur einen an roher Kraft überlegenen Gegner ausgeschaltet, sondern auch erfahren, dass er sich auf sein Selbstvertrauen und die Hilfen anderer verlassen konnte.

Man hörte davon, dass sich John einige Monate später, mit Schwester Hilde verlobte, und Beide nach weiteren zwei Jahren heirateten. Unter Gottes gnädiger Obhut lebte das Paar noch viele Jahre glücklich und zufrieden zusammen. Der Kindersegen blieb nicht aus. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und tanzen sogar ab und zu miteinander.

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