Der Birnbaum

Kein Laut ist zu vernehmen an diesem Morgen im November. Mensch und Natur gönnen sich eine Auszeit. Nichts stört das Schweigen. Die Stille erfasst auch mich. Durch die kahlen Bäume sind deutlich die verschlafenen Nachbarhäuser zu sehen. Es fehlt jede Spur eines Windhauches. Nur spärlich vorhandene, spätherbstlich-goldbraune Blätter, hängen schlaff und regungslos an den Ästen. Tief am Horizont, hinter Wolkenbänken versteckt, lässt die neblig leuchtende Sonne, die Konturen entlaubter Bäume kräftig hervortreten. Ihr schräges Licht fällt in unser Wohnzimmer, zaubert edlen Glanz auf die silberne Teekanne und belebt ab und zu im Spiel mit dem Schatten unsere Wohnung.

Wie im Rahmen eines Bildes, richtet sich vor mir, beim Blick durch das Fenster, majestätisch der hohe, ausladende Birnbaum auf. Er steht an der Grenze unseres Grundstückes zur Klinge hin, die uns immer frische Luft zufächert. Nur die Birke mit ihrem weiß-grauen, schartigen Stamm, ist annähernd gleich hoch. Sie gibt ihr Herbstkleid noch nicht preis und steht in reichlich bräunlich-grünem Blattwerk. Die schlanken Fichten zu ihrer Seite lassen lediglich an den überreifen krummen Zapfen die Jahreszeit erkennen. Sie legen keinen großen Wert auf Veränderung und halten jahrein, jahraus, an ihren dunkel- und hellgrünen stacheligen Zweigen fest. Zu Füßen des Birnbaums reihen sich, der Grenze entlang, wie Kinder im Reigen, herbstfarbene Büsche. Im Gegenlicht, tritt die natur – geschaffene Schönheit unseres „Nachbarn“ besonders deutlich hervor. Fest verwurzelt, Wind und Wetter trotzend, teilt sich der kräftige Stamm in einem formenreichen, bizarren Spiel, bis ins zarte äußerste Geäst. Wie eine Skulptur in ihrer nackten Schönheit, steht er entblättert vor meinen Augen. Staunend frage ich mich, welcher Künstler dieses vielgestaltige Astwerk auch nur annähernd darstellen könnte. Nun ist mehr als deutlich zu erkennen, dass er schon lange, wer weiß wie lange, seinen Platz behauptet, denn eine grüngraue Moosschicht bedeckt an der Wetterseite den kräftigen Stamm und die stabilen Äste bis hinauf in den Wipfel. Erhaben, stolz, steht er in seiner stillen Würde auf dem ihm eigenen Boden. Nur ab und zu bekommt der Birnbaum Besuch von einer Elster und einem Sperling. Dann zittern Zweige aufgeregt bei der Landung und winken den Freunden beim Abflug leise nach. Wenn ich unseren Nachbarn in einer gedachten Linie umgrenze, ist unschwer zu erkennen, dass er ein wahrer Birn- und kein Apfelbaum ist. Wer wollte ihm diesen Anspruch streitig machen?

Er war vor uns da. Seit einiger Zeit dürfen wir uns an seinem übers Jahr wechselnden Liebreiz erfreuen: Im Frühling hüllt er sich in ein weißes Blütenmeer, im Sommer spendet er Schatten, im Herbst einen unerschöpflichen Reichtum an Früchten. Danach zeigt er uns seine markante Statur. Er wird den Herbstwinden trotzen, diesen Winter überstehen und uns in unterschiedlicher Gestalt auch im nächsten Jahr an die Beständigkeit in aller Veränderung erinnern. Vielleicht freut sich unser stummer Freund ein wenig darüber, wenn wir ihn nicht übersehen und davon erzählen, wie reich er uns beschenkt. Wir dürfen mit seiner Verschwiegenheit rechnen. Er wird alle Worte in seinem „Herzen“ bewahren und hoffentlich auch die Menschen erfreuen, die nach uns kommen.

Herbststimmung

Anrufung

Brüder, Schwestern, Gottesmutter, alle Engel, Heiligen und Seligen, lasset uns beten!

Dem Gott unserer Väter,  Abrahams, Isaaks, Jakobs, Moses und den Propheten, sei unter SEINEM Allerheiligsten Namen „ICH BIN DER ICH BIN DA“ für SEINE Allmächtige Ewige Gegenwart und alles, was ER uns als Schöpfer und Vater gab, gibt und geben wird, aus ganzem Herzen und mit aller Kraft Lob und Dank gesagt. Und IHM, der mit Jesus Christus, SEINEM eingeborenen Gottes -und Menschensohn, und dem Heiligen Geist, unserem Tröster und Beistand, von Ewigkeit zu Ewigkeit herrscht, sei für die geoffenbarte Kirche, und deren  Heil und Segen, in diesem und im ewigen Leben, Lob und Ehre. Unser Dreifaltiger Gott sei allezeit und ewig für die Offenbarung, die Vergebung der Sünden, das Erbarmen, das Heil, den Segen, Trost und Beistand auch aller Geschöpfe im Himmel und auf Erden, gepriesen.

Mögen DEINE heiligen Engel, o Gott, im Namen des Vaters, Sohnes, und des Heiligen Geistes, alle unsere menschlichen Gedanken, Gefühle, und Worte der Demut, Ehrfurcht. und Frömmigkeit zu DIR, DU unendliche Hoheit und Allmacht, in den Raum DEINER ewigen Liebe bringen, zu dem uns verheißene Ort, an dem die Schleier fallen, und wir DICH in glückseliger Liebe ewig schauen dürfen.

Gott Vater Sohn und Heiliger Geist, stärke unseren Glauben, die Hoffnung und Liebe, dass wir im Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, nach dieser Zeit zu DIR gelangen.

Geborgen in der Kirche
Geborgen im Glauben Hoffen und Lieben.

 

Drei Kerzen

Drei Kerzen
Vater Sohn und
Geist geweiht
ein Zeichen
in der Zeit

Sie mögen
brennen
Schweigend

Ein verglühend
Wort Licht am
heilgen Ort wie

Wetterleuchten
eine Spur in
Dunkelheit

Drei kleine
Kerzen nur
Gott preisend
zum Geleit

Dreifaltigkeit

Heute ist ein schöner Sommertag. Ich habe gerade versucht, ein wenig zu schlafen. Gestern bin ich spät, gegen ein Uhr zu Bett gegangen.
Nach dem Erwachen, beschäftigte mich nur ein einziges Thema:
Das »Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit«. Ich konnte mich nicht von dem Drängen befreien, diesem Bedürfnis Raum zu geben. Gestern hatte ich noch in einem kleinen Büchlein geblättert, in dem darüber berichtet wird, wie sehr der heilige Ignatius gerade dieses Geheimnis betrachtete.

Ich versuchte in einem Gedicht auszudrücken, was ich nicht erfassen konnte. Es wollte mir aber nicht so recht gelingen. Unsagbar hilflos, wie geblockt und gehemmt, fühlte ich mich, vom Wichtigsten, vom Geheimnis der Betrachtung des dreifaltigen Gottes, etwas zu erzählen. Auf der anderen Seite kenne ich aus meinem Leben viele Situationen, in denen ich ohne nach zu denken, spontan sehr glücklich war in einer tiefen Erfahrung, als ob Gott mir und ich IHM nahe sein könnte.

Da die Worte versagen, ich aber mitteilen möchte, wie groß und erhaben ich die heiligste Dreifaltigkeit erlebe, versuche ich die damit verbundene, überwältigende Sehnsucht und Liebe, weder in einem Bild, noch auf andere Weise, zu berühren. Ich trete vielmehr einige Schritte zurück, lasse Stille werden, verneige mich tief, damit sich –wenn Gott will- ein Raum eröffne, in dem Liebe der Liebe begegnen kann.

Im Namen des Vaters Sohnes und Heiligen Geistes

Das Geheimnis

Im ärmsten
und im
reichsten
Kleid

Bringt
es Freude
in die Zeit

Es erhebt den
Augenblick
aus Armut

Hin zu
ewigem
Glück

In Liedern
Worten und
Gestalten

Bleibt
es uns
erhalten

Hoch gelobt sei ohne End das hochheilige Sakrament

Das Herz der Welt

Einem geistlichen “Lesebuch“ gibt Urs von Balthasar den Titel „Das Herz der Welt“ und es hält, was es verspricht. Ich habe während einer stationären Behandlung dieses Werk zum wiederholten Male gelesen. Für den Dienst der Ärzte und des Pflegepersonals im Krankenhaus danke ich diesen, für die spirituellen Anregungen in seinem Buch, Urs von Balthasar. Hier folgen nun einige Gedanken als Impuls zum Thema Herz-Liebe-Gott:

Wenn ein kleines Kind die zärtliche Berührung seiner Mutter spürt, öffnet es die Hand, und greift, als ob es darauf gewartet hätte, nach deren Fingern. Wir Erwachsenen bedürfen auch lebenslang liebender Zuwendung und wissen genau, was geschehen kann, wenn sie ausbleibt: In der Folge leidvoller Erfahrungen sehen wir in der Realität und in den Medien Proteste, erhobene Fäuste, Hass und Gewalt bis auf den heutigen Tag. Was aber ist der sichere Weg, damit Fäuste sich lösen, Menschen einander die Hände reichen, und „Schwerter sich in Pflugscharen verwandeln können?“

Unser himmlischer Vater, der dreifaltige Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, der wie Papst Franziskus unermüdlich betont, die Liebe ist, hat uns Menschen nach SEINEM Bild und Gleichnis die Liebe ins „Herz“ gebrannt, auf die unsere Brüder und Schwestern, die Welt und Schöpfung sehnsüchtig warten. Wir sollen einander als Zeugen Gottes diese Liebe reichlich schenken.

Das Leben

Es ist seltsam: In einem Alter, in dem Menschen das näher rückende Ende vor Augen, das Schwinden der Zeit beklagen, es als nötig erachten, ein Plädoyer für das Leben und die Wahrheit zu halten. Wer aber meine drei Bücher „Geschichten und Gedanken“ kennt und weiß, aus welchem Holz ich als Enkel eines Bildhauers geschnitzt bin, den wird es nicht überraschen, wenn ich in dieser Situation noch etwas zu sagen habe. Von meinem komplexen Lebensweg soll jedoch in diesem Text, nicht mehr eigens die Rede sein, obwohl er mir gelegentlich als Arbeitsmaterial dienen darf. Umso mehr will ich mir gestatten, mit einer Auswahl von Beispielen darauf zu verweisen, was im Leben von Menschen aus den verschiedensten Gründen leicht übersehen wird. Mit dem Schicksal eines „Spätberufenen“, das mein Leben prägt, habe ich mich versöhnt, denn alle wichtigen Entscheidungen fielen im Segen des Himmels zu rechten Zeit. Zu kurz gekommen bin ich daher bislang nicht. Seit einigen Jahren nutze ich als Pensionär den mir geschenkten Freiraum, um mit interessierten Lesern über die Fragen unserer Zeit ins Gespräch zu kommen. Es ist mir aber ein Anliegen, im letzten Lebensabschnitt, nur noch über Themen zu sprechen, die mir wichtig sind.

So trete ich, frei von beruflichen und gesellschaftlichen Zwängen, in Bindung an die mir bewussten Werte, für den Schutz des Lebens und der erkannten Wahrheit in allen Belangen unseres Daseins ein. Heute sehe ich mich eher in der Lage, ohne Scheu, über Erfahrungen zu reden, die bisher nicht im Zentrum meines Interesses lagen. Es gab Themen, bei denen es mir in den rückliegenden Jahren gelegentlich ratsam schien, zu schweigen. Die Abhängigkeit von der öffentlichen Meinung ist erheblich. Gleichzeitig lege ich Wert darauf, zu wichtigen Fragen unseres Umgangs mit einander und unserer Rolle in der heutigen Gesellschaft Stellung zu beziehen. Die eigene Urteils- und Kritikfähigkeit hierzu, verdanke ich familiären, beruflichen, religiösen und kulturellen Quellen meiner Biographie. Damit berühren wir einen wesentlichen Punkt meines Themas:
Wer kann es sich, einbezogen in das berufliche, gesellschaftliche, mediale und politisches Geschehen leisten, die eigene, dem Leben geschuldete Wahrheit, offen zu vertreten? Natürlich sprechen wir alle gern von der freien Meinungsäußerung in einer Demokratie. Dabei gehen wir davon aus, dass die öffentliche Meinung nur in autoritären Regimen unterdrückt wird. Das stimmt zuweilen, und wir beklagen zurecht jede Unterdrückung der Pressefreiheit. Es gilt aber bei unserer Betrachtung mit einem durch Erfahrung geschulten Blick, auch auf die in demokratisch verfassten Staaten bestehende, subtile Steuerung der öffentlichen Meinung zu achten.Hierzu einige Anmerkungen: Seit Jahren arbeite ich in meinem letzten und schönsten Beruf als freier Schriftsteller. Frei von direkten Zwängen, jedoch nicht unabhängig von aktuellen politischen und gesellschaftlichen Prozessen, hat sich die Palette der Interessen deutlich erweitert. Wenn sich auch die körperlichen Optionen mit dem Älterwerden reduzierten, so führte ein beständiges Lernen zu einer erheblichen Erweiterung meines Handlungsspielraums. So besehen, kann auch das Alter zu einer schönen, gestaltungsreichen Lebensphase werden. Ich liebe die Sprache, das Wort und die kreativen Fähigkeiten, seit ich denken kann. Meine Vorbereitung auf diesen letzten Beruf erfolgte zwar nicht durch ein Germanistik-Studium, anstelle dessen jedoch durch ein lebenslanges Lernen in der Familie, dem Studium, leitenden Funktionen in Beruf, Politik, Kirche, so wie durch Erfahrungen in einer eigenen Praxis. Der heimatliche Dialekt und der lebendige Umgang mit Sprachen und der Literatur, sind mir von Kindheit an vertraut. Ich sammelte aber auch Erfahrungen, in denen es nicht ratsam war, in offener Rede seine Meinung zu sagen.

Unsere Mutter hatte es in den entbehrungsreichen Jahren des letzten Krieges und danach nicht leicht, zwei temperamentvolle Söhne in Schranken zu weisen. Wir tauschten unsere Ansichten lautstark aus, bis dann einer der Beteiligten, die Kampfstätte verließ, um Trost und Verständnis bei Freunden zu suchen. Dies hielt uns aber nicht davon ab, in der Not zusammen zu stehen. Mein Bruder war ein besserer Bettler beim Hamstern; ich verstand mich auf das geschickte Verhandeln bei Tauschgeschäften. Unsere Mutter gestand uns aus ihrer eigenen Erfahrung genügend Freiraum zu. Wir lernten sehr früh zu entscheiden, wann wir von unseren nächtlichen Ausflügen zurück- kehren sollten. Sie schärfte uns als Verhaltensnorm lediglich ein, ihr „keine Schande zu machen“, was immer sie darunter verstand. Das Familienleben mit meiner Frau unseren drei Töchtern, und deren Familien, bot reichlich Anlass, die Fähigkeit zur Meinungsäußerung, zur Versöhnung, gelegentlich auch zum Schweigen zu schulen. Das Verständnis für einander und die Bereitschaft zur Offenheit wuchs auch gegenüber den Verwandten. Unser Großvater aus dem Hotzenwald, war als ein liberal gesinnter, politisch sehr engagierter Mann bekannt. Mein Stiefvater ging für seine Überzeugungen als Kommunist ins Konzentrationslager. Im damaligen politischen System des Dritten Reiches, bestimmte nur die nationalsozialistische Meinung das öffentliche Leben. Während des Krieges stand das Abhören ausländischer Radio-Sendern nach dem Motto “Feind hört mit” unter Strafe. Der Religionsunterricht fand nur in Privatwohnungen statt. Und dennoch wagte es unser damaliger Pfarrer öffentlich, politisches Unrecht an zu prangern. Der Schulunterricht passte sich nach 1945 an die gegebenen Verhältnisse und die Vorgaben der Besatzung an. Die Lehrer begrüßten uns nicht mehr mit „Heil-Hitler“. Zu unserer Überraschung hieß es nun „Grüß Gott“. Es brauchte nach dem schrecklichen Ende des zweiten Weltkrieges an die fünfzig Jahre, bis eine offene Aussprache über die Zustände im Dritten Reich einsetzte. Damals war es nicht opportun, als Deutscher zur eigenen, nicht nur schmerzlichen Geschichte, vor 1933 zu stehen. Über die Folgen der Besatzung, die Bombardements auf unsere Städte, den Einsatz von Atomwaffen, oder die Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung wurde geschwiegen.

Seit meiner Pensionierung schreibe ich, als Brückenbauer im Blick auf die Mitmenschen und unser Dasein Texte. Geprägt wurde ich im steten Dialog des Zusammenlebens mit anderen Menschen. Auch die Tatsache, dass ich es heute wage, über meinen wichtigsten Beruf, ein „Mensch zu sein“, offen zu reden, ist eine Frucht lebenslangen Nachdenkens und der Teilnahme an allem, was mir das Leben zu bieten hatte.
Sehr nahe ist mir dieses Thema in den rückliegenden Tagen begegnet. Zurzeit befinden wir uns bei unserer in Hamburg verheirateten mittleren Tochter und ihren drei Kindern und unserer jüngsten, ebenfalls in Hamburg verheirateten Tochter und unserer lebhaften Enkelin. So bekommen wir auch unter Beachtung der Pandemieregeln zu unserer Freude mit, wie das Leben weiter geht und eine neue Generation das Ruder des Lebensschiffes in die Hand nimmt. Bleiben wir für einen Moment bei diesem wichtigen Geschehen: Mit der Geburt beginnt immer wieder neu die Lebensuhr der Menschen für eine begrenzte Zeit zu ticken. Dies erfordert die tatkräftige Hilfe der Eltern und Erzieher solange Hilfe erforderlich ist um den Nachkommen ein selbständiges Leben zu ermöglichen. Es muss heute schon betont werden, dass es zu unserer vornehmsten Aufgabe gehört, menschliches Leben in jeder Form zu erhalten und weiter zu geben. Nicht viel erzählte ich in meinen drei Büchern davon, wie schwierig es für mich und alle, mit denen ich zusammen leben durfte war, zu unterscheiden, was für uns gut und böse war, und uns das anzueignen, was so lebensnotwendig und schön war, um es an die nächste Generation weiter zu geben. Es blieb mir auch lange Zeit nichts anderes übrig, als nach zu ahmen und zu übernehmen, was uns vorgelebt wurde. Sehr spät wurde mir die Erfahrung zuteil, dass es auf mich selbst ankommen würde, mit zu entscheiden, was für das Überleben unserer Gesellschaft wichtig ist. Dies erforderte die Fähigkeit und Bereitschaft, lebenslang zu lernen und zu unterscheiden was für mich und die anderen Menschen zum Überleben notwendig ist. Nicht alle menschlichen Vorbilder behielten ihre Bedeuting. Auch Ideale und Werthaltungen, die mir vorgelebt wurden, mussten nach und nach auf ihre Brauchbarkeit für das Leben überprüft und an neue Lebensverhältnisse angepasst werden. Dies waren für mich sehr schwierige Prozesse, denn es bestand für mich die Gefahr, immer dann als „Außenseiter“ zu gelten, wenn ich nicht der allgemeinen Meinung zu huldigen vermochte. Wer aber will schon gern ein Außenseiter sein?
Es begann schon in meiner Kindheit, dass ich zum Beispiel alte Menschen oder Bedürftigen zu achten begann. Aber auch diese Einstellung erforderte im Leben manche Korrekturen: Nicht jede Haltung eines alten Menschen oder eines Bedürftigen schien mir nachahmenswert. Das, was uns die Lehrer und Vorgesetzten in der Schule im „Dritten Reich“ vermittelten, musste bewertet und neu betrachtet werden. Auch die Not der Kriegs- und Nachkriegsjahre hinterließen Spuren. Was konnte nach Prüfung Bestand haben, was war als lebensfeindlich auszusondern? Der Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten im Berufsalltag führte zu neuen Erfahrungen: Wie funktioniert die Wirtschaft, was muss geschehen, damit Unternehmen am Markt bestehen können, und wie werden die Beziehungen der unterschiedlichen Berufsgruppen zu einander geregelt. Was bedeutet im beruflichen Umfeld Verantwortung, Pflichterfüllung, Treue und Hilfsbereitschaft und wie kann das Zusammenleben am Arbeitsplatz human erträglich gestaltet werden. Was geschieht, wenn Grenzen nicht beachtet und Menschen missbraucht werden? Wer traut es sich, in diesem Umfeld seine Meinung zu sagen? Das galt früher und sicher zu jeder Zeit.

Ich durfte ein funktionierendes Zusammenleben in den Familien, in der Nachbarschaft,n in der Gemeinde und in der Stadt erleben. Auch in diesen Bereichen hatten es Menschen mit einander zu tun, die in der Lage waren vorbildlich zu handeln. Es gab aber auch die bitteren Erfahrungen von Unrecht, Gemeinheit und Grenzüberschreitungen. Auf welche Seite sollte ich mich stellen. Welche Regeln zum gesellschaftlichen Zusammenleben konnte ich akzeptieren, wer gab mir Halt und Sicherheit beim Unterscheiden und Entscheiden? Es gab sehr viele Gruppierungen, die mit ihren unterschiedlichen Angeboten lockten – Erfahrungen, die ich gerne mit anderen Menschen teilte und Situationen, in denen ich gefordert war, Abstand zu halten. Mit welcher Gruppe und welcher Haltung kann ich mich solidarisieren, wann muss ich eine Gemeinsamkeit beenden, einen anderen Umgang pflegen. Sehr schwere Fragen für junge Menschen auch in unseren Tagen. Wo bin ich mit meinen Erfahrungen und Kenntnissen in einem Gemeinwesen nützlich und in welcher Form bringe ich mich ein? Wer hilft mir dabei, eine kritische Distanz zu halten, wenn Unrecht geschieht. Wie schütze ich mich vor Unrecht durch andere, welchen politischen Einfluss nehme ich, um die Gesellschaft in meinem Umfeld auch im erwünschten Sinne zu unterstützen? Fragen über Fragen, die einen jungen Menschen manchmal überfordern: Wann kann ich mich noch anpassen, wo und wie überschreite ich selbst Grenzen des Erlaubten? Welche Wertmaßstäbe halte ich für lebenstauglich, was schadet dem Leben. Wie lange kann ich mich in einer Gruppierung halten, wann muss ich an der Veränderung deren Haltungen mitwirken, wann wird es sinnlos, um nicht als „Michael Kohlhaas“ zu gelten? Wann wird es Zeit sich von einer gesellschaftlichen Gruppe, von Ansichten und Meinungen zu trennen, sich neu zu orientieren?
Fragen über Fragen stellten sich im Lauf des Lebens in immer reicherer Gestalt, und es bleibt selbst im Alter nicht alles beim Alten. Liebgewordene Werthaltungen müssen eine Differenzierung erfahren, wenn die Situation und die Umstände dies erfordern. Mit einer der schwierigsten Aufgaben überhaupt ist es, sich die Kraft eines freien Urteilens in einer zunehmenden Meinungsvielfalt zu erhalten. Wie leicht sind wir dann geneigt, der veröffentlichten Meinung sich ganz anzuschließen. Ja genau dann wird es sehr nötig, sich wieder Menschen zu suchen, mit denen in wichtigen Werthaltungen eine gewisse Übereinstimmung zu erzielen ist. Genau an diesem Punkt taucht aber auch die Frage auf, auf welche grundsätzliche Wertehaltung, die Zeiten überdauernd, Bedeutung haben muss, und wie erhalte ich mir auch innerhalb dieser Wertegemeinschaft eine gewisse Distanz zu gewissenhaftem Urteil? Über diese Fragen habe ich, in sehr lebensnaher Weise in meinen drei Büchern Rechenschaft abgelegt und verdeutlicht, welche Haltungen die Prüfung bestanden, um sie als gültige und überdauernde Normen akzeptieren zu können. Einem Wertekanon zu folgen, dem ich im Blick auf das ganze Leben als Geschenk des Daseins beipflichten kann. Ich gestehe offen, dass ich mich als Christ in eine gottgegebene Ordnung einfügen lasse, mir aber auch die Kritikfähigkeit gegenüber meinem eigenen Wertbewusstsein erhalte. Dies gehört wohl zum Schwersten: Zu erkennen wo und wann die eigen Werthaltung das Maß der Barmherzigkeit und Liebe verunstaltet. Sich gerade im Blick auf die eigenen Wertmaßstäbe zu erlauben, dort kritisch zu bleiben, wo diese gegen die Regeln der Lebenserhaltung verstoßen.
Mein ganzes Plädoyer, das ich bisher führte, gipfelt insofern in der unabdingbaren Aufgabe, sich in Verantwortung vor dem eigenen Gewissen, dem Leben und der Lebenserhaltung einen eigenen Standpunkt und eine Standfestigkeit zu sichern, die es erlaubt, im vollen Sinne ein Mensch genannt zu werden. Der Vorbilder, die diese Haltung vertreten, gibt es gelegentlich wenige, in Wirklichkeit aber sind sie in der Geschichte der Menschheit immer vorhanden Wir finden sie in den Familien, in den Nachbarschaften, in den gesellschaftlichen Vertretern, in der Arbeitswelt, in der Religion, im Glauben, in den Vertretern politischer Überzeugungen, manchmal im Strom der öffentlichen Meinung verborgen als redliche Journalisten in der Wirtschaft, Forschung, Politik und in allen gesellschaftlichen Schichten.

Die Geschichte der Menschheit gibt Zeugnisse von tiefster Schuld, von Verbrechen und Leid, aber auch immer wieder von Verantwortung, Pflichterfüllung Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft. Wer aber trägt mit dazu bei, dass unser Leben auf diesem Planeten Erde menschenwürdig und daseinserhaltend gelebt und weiter getragen wird? Wer ermuntert und schult die Menschen in unseren Tagen so, dass sie selbst in die Lage kommen, all das zu beurteilen, zu unterscheiden, festzuhalten und nötigenfalls zu verteidigen, was dem Leben in seiner Gesamtheit und im Miteinander auf unserer Erde dient? Das Plädoyer für das Leben, wie ich diesen Beitrag betitelt habe, soll nichts anderes darstellen, als einen Versuch, die Bedeutung des eigenen Urteils in unserer, wie in jeder Zeit vor uns hervor zu heben. Aber auch zu zeigen, wie schwer es ein kann – und das war zu allen Zeiten so, die Fähigkeit zur Distanz und zu einem vor dem Gewissen das Leben als Ganzes bewahrenden sittlichen Urteil zu erhalten.

Geborgen in der Kirche
Geborgen im Glauben Hoffen und Lieben.

Dank und Hoffnung

Dank strömt
als frische
Quelle

Aus der Seele
und begrünt
das Land

Lieder lassen
sich zum
Reigen nieder

UUnd es
tönt im
Chor

Das Schönste
stehe noch
bevor

Maria mit dem Kinde lieb uns allen Deinen Segen gib.
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