Verlorenes Gesicht

Alles war in tiefes Dunkel gehüllt an diesem frühen Morgen. Das Dorf zog sich die Decke noch einmal kräftig über die Ohren und erwachte nur zögerlich. Er saß in seinem erleuchteten Arbeitszimmer. Der Kampf zwischen Dunkelheit und anbrechendem Tag weckte zusehends sein Interesse. Vor seinen Augen vollzog sich ein staunenswerter, fließender Übergang: Vor dunklem Hintergrund hoben sich die ersten schattige Umrisse der Tannen des Vorgartens ab. Die Konturen der umgebenden Häuser wagten sich nur zögernd aus den Schatten. Ein erleuchtetes Fenster da und dort, und hin und wieder Auto- und Zuggeräusche gaben zu erkennen, dass auch noch andere Menschen wach und unterwegs waren. Einige Laternen des nahen gelegenen Altersheims, brannten   Löcher in die diesige Luft regenschwerer Wolken. Die im vollen Maien-Grün mühsam erwachenden Bäume und Büsche rieben sich noch schlaftrunken die Augen. Gen Osten hatte aber „die Alte“, wie seine Großmutter die Sonne nannte, bereits ein Fenster in die Wolkenbänke gebrannt. In zart rosa orangenem Ornat kündigte sie an, dass sie in wenige Minuten bis zum Abend Licht und Wärme spenden werde. Gebannt verfolgte der Mann das immer mehr um sich greifende, Licht der aufgehenden Sonne. In diesem Augenblick erinnerte er sich an seine Großmutter. Er konnte sich aber auch an diesem Tag nicht an ihr liebes Gesicht. sondern nur an ihren Tod erinnern. Der Mann, von dem hier die Rede ist, hatte aber selbst schon längst das Alter überschritten, das die Großmutter erreichte, als er sie bei und nach ihrem Tode schmerzlich vermisste. Auch heute, zwischen Schlafen und Erwachen, erinnerte er sich wieder an ihren Tod und beschloss, zu erzählen, was er mit ihr erlebte:

Als Kind teilte er das Schlafzimmer mit der Großmutter. Sein Bett befand sich neben dem Eingang. Die Großmutter schlief, nicht weit von ihm beim Fenster, das zur Straße führte. Das Zimmer war schlicht eingerichtet. Die Tage und Nächte standen unter Gottes Schutz. Dies deutete die Großmutter vor dem Einschlafen an, wenn sie ihren Enkel mit Weihwasser segnete. Ihr Erbe, ein abgebeteter Rosenkranz, begleitete den Enkel lebenslang Tag und Nacht. Wie oft mochte die Großmutter, eine fromme Hotzenwälderin, diesen Rosenkranz für ihn gebetet haben. Zum Ende des Tages, betete er sich später selbst, an ihrer Stelle mit dem Rosenkranz in den Schlaf. Gelegentlich erinnerte er sich an die Kindheit und an seine Großmutter: Sie war eine stattliche Frau und trug Hausschuhe, die mit Klammern geschlossen werden konnten. Mit einen dunklen, langen Halb-Rock, blau getönter halber Schürze, und einem, die Brust umschließenden dunklen Mieder bekleidet, glich sie Ammen, wie sie van Gogh malte. Ihre sorgsam nach hinten gekämmten Haare waren zu einem Zopf geflochten, den sie jeden Tag säuberlich zu einer Schnecke zusammensteckte. Sie verkörperte für ihren Enkel Liebe und Geborgenheit. Gütig und friedfertig , sorgte sie für die Familie. In den Mußestunden griffen ihre, von der Arbeit schrundige Hände, zum Rosenkranz oder zur Heiligen Schrift. Ihr Enkel konnte sich aber nie erklären, welche Bedeutung ein mysteriöses Büchlein für sie hatte, das sie unter ihrem Mieder in einer Tuchtasche bei sich trug. Streng katholische Theologen würden sicher einige Zweifel an den Glaubensgrundlagen dieser Schrift angemeldet, und Einspruch erhoben haben. War sie doch, wenn auch nicht im streng katholischen Sinne, zu frommem Gebrauch bestimmt. Ihr Ehemann, ein stolzer Schwarzwälder, der als Stipendiat die großherzogliche Schnitzler Schule in Furtwangen absolvierte, verkaufte die aus Holz gefertigten Kunstwerke im süddeutschen Raum und in der Schweiz. Er war politisch interessiert und nahm am öffentlichen Leben regen Anteil. In der wirtschaftlichen Flaute nach dem ersten Weltkrieg, fanden sich aber kaum Abnehmer für seine Kunst. Er war daher gezwungen, Gebrauchsgegenstände herzustellen, und sprach dem Alkohol mehr zu, als ihm, und der Familie bekömmlich war. Sein Enkel bedauerte dies. Er hielt aber das Lebenswerk seines Großvaters hoch in Ehren. Dessen Kunstwerke waren in der Wohnung nicht zu übersehen. Tische, Stühle, Kommoden, Schränke und Bilder, hatte er kunstvoll von eigener Hand gefertigt. Nach seinem frühen Tod, tauschte aber die Mutter des Enkels, in den Hungerjahren nach dem zweiten Weltkrieg, schweren Herzens den Nachlass des Großvaters, und dessen Werkzeuge, gegen Butter, Kartoffeln, Mehl und andere Lebensmittel ein. In manchen schweren Stunden seines Lebens, versuchte der Enkel sich an das Gesicht  der „Großmame“, so nannte er sie im badischen Dialekt, zu erinnern. Sie war ihm aus dem Blick geraten, denn andere Geschäfte nahmen ihn in Anspruch. Erst in späteren Lebensjahren, gab seine Seele nach und nach preis, was ihr wichtig war, jedoch zur Seite geschoben wurde. Heute, in der Frühe des Tages, beim Erwachen aus dem Schlaf, drängten die Erinnerungen an die Großmutter mächtig ins Wort. Nun war es ihm wichtig, zu erzählen, was in dem oft schweigenden Miteinander zwischen ihm und ihr geschah:

Die beständige zugewandte Präsenz der Großmutter bewirkte, dass er sich von ihr wortlos wohlwollend geliebt und akzeptiert fühlte. Unter diesem Schutzmantel war es ihm möglich, ohne Angst, das bunte Leben um sich zu entdecken und zu erkunden. Es ging ja nach jedem Tag wieder zurück in den schützenden Hafen. Der Segen und das Weihwasser bewahrten den Enkel eben nicht nur im Dunkel der Nacht, sondern geleiteten ihn auch durch all seine kindlichen Abenteuer und Spiele. Dazwischen ertönte, sein drängender Ruf: „Großmame, Gutzischnitte!“ aus dem Hinterhof, wenn er hungrig war. Dann öffnete sich oben ein „Fenster“ und sie war da. Ihre kräftige Hand schnitt von einem runden Bauernbrot ein ordentliches Stück ab, belegte es mit Butter und Marmelade und gab es dem Knaben. So gestärkt ging er wieder hinaus ins „freundliche Leben“. Es fielen ihm mit der Zeit auch andere Erlebnisse mit der Großmutter ein, die nicht mehr in der Wortlosigkeit versinken sollten: Sie erlebten gemeinsam eine Kriegsweihnacht. Vorräte waren kaum vorhanden. Die Lebensmittel reichten nur für das Nötigste. Die Mutter und der jüngere Bruder waren zu Besuch bei Verwandten. Der Enkel und seine Großmutter befanden sich am Heiligen Abend in der Küche. Er war schon in dem Alter, um zu wissen, dass an diesem Tag Geschenke ausgeteilt würden. Sie aber besaßen nichts, rein gar nichts, nicht einmal einen Weihnachtsbaum. Dennoch gab es für den Enkel keinen Anlass zu übermäßiger Trauer. Seine Großmutter war ja da. Sie saß auf einem Stuhl und las, wie so oft, in der Heiligen Schrift. Er spielte zu ihren Füßen, die sie auf einem Hocker gelagert hatte. Plötzlich ging die Türe auf: Ein älteres „Fräulein“ trat ein. Mit einem lieben Gruß vom Pfarrer, und dessen Segenswünschen zum Fest, händigt sie der Großmutter eine schön verpackte Flasche Wein, dem Enkel eine Spielmaus zum Aufziehen, und eine Tafel Schokolade aus. Diese Überraschung war wirklich gelungen: Nun gehörten auch sie zu den Beschenkten. Die Weihnachtsengel trugen bestimmt ihren Dank vor Gottes Thron. Vielleicht freute sich sogar das „arme Kind in der Krippe“ ein wenig mit. Dem sorgsamen Josef und der Gottesmutter mit dem liebenden Herz, entging die Freude der Beschenkten sicher nicht. Gehörte die Familie des Enkels doch zu einer St Josefs-Pfarrei, und insofern mit zur Heiligen Familie. Viele Jahre hielt der Enkel als Mann, beharrlich an der Vorstellung fest, dies sei sein schönstes Weihnachtsfest gewesen. Und es war nicht zu leugnen, dass auch auf andere reich ausgestattete Feste im Kreise seiner Familie, immer ein wenig Glanz aus alten Zeiten fiel.

Die Großmutter, war einmal sehr krank. Der Enkel erkannte dies nur an den Vorbereitungen: Auf einen kleinen Tisch im gemeinsamen Schlafzimmer wurde ein Kreuz gestellt. Links und rechts davon brannten zwei Kerzen, die besondere Feierlichkeit ausstrahlten. Eine kleine weiße Decke wurde ausgelegt. Der Enkel war aufgeregt, denn der Pfarrer wurde zur Krankenkommunion erwartet. Es wollte nicht in den kleinen Kopf hinein, dass nicht nur der verehrte Pfarrer, sondern der liebe Gott selbst, zu Besuch käme. Dem Enkel war schon damals klar, dass ihre Familie nicht zu den Reichen und Begüterten der Stadt gehörte. Umso ergreifender war es für ihn, sich vorzustellen, dass Gott selbst sich auch bei Armen wohl fühlen könnte. Damals fehlten ihm die Worte, um auszudrücken, was dieser Krankenbesuch des Pfarrers für ihn bedeutete. Schweigend erlebte er diese Feier, ein Fest der Liebe, wie ein Stück Himmel auf Erden mit. Als Knabe suchte der Enkel immer wieder Gelegenheiten, um seine Großmutter zu unterstützen. Er übernahm Einkäufe, zog den kleinen Leiterwagen mit Kohlen und Briketts nach Hause, begleitete sie zu den Ämtern, und füllte stolz die Formulare aus. Er wurde immer sehr zornig, wenn Menschen sich „Alten“ gegenüber nicht ehrerbietig verhielten. Denn die Erwartung blieb in ihm immer lebendig, dass alle Menschen einmal gebrechlich, alt und hilfsbedürftig würden. Im Alter von zwölf Jahren zerriss aber der Schnitter Tod grausam diesen bis dahin ungetrübten Kinderhimmel:

Es geschah an einem warmen Sommertag. Die Großmutter kam hinunter in den Hof, um beim Holz-Sägen behilflich zu sein. Plötzlich griff sie sich wortlos an die Brust. Es war ihr offensichtlich nicht wohl. Den Enkel ergriff sofort größte Unruhe und Sorge. Es durfte ihr ja nichts geschehen, denn sie war unendlich wichtig für ihn. Unter ihrem Schutz war er ein gern gesehener Gast bei allen Händlern und Handwerkern, ein wissensdurstiger, lebendiger Junge und Anführer seiner Freunde, denn er fühlte sich geliebt. Was konnte er jetzt noch für sie tun? Er reichte seiner Großmutter den Arm, um sie einige Stufen  hinauf  bis zum ersten Treppenabsatz zu stützen.  Ohne ein Wort zu reden brach sie plötzlich in die Knie. Der Enkel fing sie in seinen Armen auf, ohne zu wissen, dass sie im Sterben lag. Lediglich der entsetzliche Aufschrei seiner Mutter, die herbeigeeilt, angesichts der Toten wie Espenlaub vor ihr zitterte, ließ ihn erahnen, dass etwas Schreckliches geschehen war. Wie von Furien gepeitscht. rannte er im Auftrag der Mutter durch die Stadt, damit der Hausarzt das Unheil wende. Als er mit dem Arzt zurückkam, lag sie still auf ihrem Bett.

Der Enkel war von unsagbaren Ahnungen gepeinigt, als ob ihn nun niemand mehr liebend durchs Leben begleiten würde. Er konnte von da an keine Kränze oder Friedhofs-Bepflanzungen mehr riechen. Die Beerdigung lief wie im Nebel an ihm vorüber. Er mied den Friedhof und das Totenhaus, in dem Großmutter gelegen hatte, fürchtete und hasste von Tag an den Tod, der so lebenswichtige Bindungen gewaltsam zerstören konnte. Mit zwölf Jahren fühlte er sich von der sorglosen Kindheit getrennt, entsetzlich erwachsen und allein gelassen. Wie sollte das Leben für ihn weiter gehen? Großmutters Tod war damals einfach zu viel für den Knaben. Und was hätte sie ihm noch sagen können? Vielleicht, dass es für sie auch sehr bitter war, ihn unversorgt zurück zu lassen? Oder die Hoffnung auszudrücken, dass auch für ihren Enkel einmal die Zeit kommen würde, um sich ins Unabwendbare zu ergeben, Abschied zu nehmen, und mit lieben Worten das Schweigen beenden zu können? Vielleicht hätte sie ihrem Enkel noch gern dafür gedankt, dass er sie nicht nur sterbend in die Arme nahm, sondern auch im liebenden Gedenken aufgefangen habe. Es lebte sich ja auch im Himmel leichter mit einem guten Freund auf Erden. Sie stelle sich für ihren Enkel gern an ein Himmelsfenster, damit er ihr Gesicht ab und zu sehen könne. Nie würde er ohne Weihwasser und ihren Segen sein. Er solle wie sie, den Rosenkranz beten und sich von der Heiligen Schrift und guten Menschen trösten lassen. Der Schnitter Tod habe sie zwar getrennt. Er habe aber keine Macht, all das was sie miteinander erleiden und erleben durften, zu zerstören. Damals traf den Enkel der Tod seiner Großmutter völlig unvorbereitet, und so überwältigend, dass er nur die Augen schließen und verstummen konnte. Jahrelang war es ihm unmöglich, sich an das Gesicht seiner Großmutter zu erinnern. Dieser Verlust hatte ihn lange Zeit unfähig gemacht, sich an die glücklichen Tage seiner Kindheit und an die schönen Erlebnisse vor deren Tod zu erinnern. Zu Zeiten war es ihm auch schwer gefallen zu glauben, dass die Liebe den Tod, wie die Sonne die Nacht besiegen könnte. Es war nicht leicht für ihn, sich auf das eigene Altern und die zunehmenden Begegnungen mit dem Sensenmann einzulassen. Der erwachsene Mann verstand es aber mit den Jahren besser, als der einstige Enkel, dass Abschied, Trennung und Tod unabwendbar zum Leben gehören. Nun war endlich ins Wort gefasst, in die Wahrheit gestellt, und für alle Freunde festgehalten, was im Grunde unzerstörbar ist. Jetzt konnte der Mann sich ab und zu wieder an die Großmutter erinnern und allen, die es wissen wollten erzählen, welche schöne Kindheit er unter ihrer Obhut erleben durfte. Sie hatte nun wieder ein Gesicht.

Bei alten Menschen
geborgen

 

 

 

 

 

Großmame

Großmame
ich weiß Du
hesch mich

Möge des
isch bis hüt
e Sege

Dem liebe
Gott un Dir
sag i vo

Herze
Dank
de für

Bei alten Menschen
geborgen

 

Wandlungen

Höhen und
Tiefen Tage
und Nächte

Lachen und
Weinen sich
vereinen

Trennen
und Binden
Geben und
Nehmen

Hoffen und
Bangen
finden
zusammen

Schlafend
und schaffend
träumend

Und wachend
gehalten vom
Segen Kräfte
sich regen

Liebend
gewoben im
Wandel der

Zeit ein
trefflich
Pilgerkleid

Pilgerreise

Dornbusch

Jegliches Bild von DIR, HERR, das mich hindern könnte, DEINER je neuen Wahrheit, Schönheit und Gestalt Raum zu lassen, muss in der Begegnung mit DIR am Dornbusch wie Zunder verbrennen. Ich ziehe die Schuhe aus, verstumme und beuge mich tief in den von DIR gewährten heiligen Augenblick. Dank quillt aus offenem Herzen und Hoffnung, DICH immer wieder neu erfahren zu dürfen, und DEINEM liebenden Blick Stand zu halten. Wenn DU, der ewig Heilige und Gegenwärtige Halt gewährst, weichen Bilder und Gedanken über DICH, denn ich bin Dein und Du bist mein. Unser Leben mit DIR am Dornbusch, HERR, ist dann wie Karfreitag und Ostersonntag zugleich: Jeden Augenblick stirbt, was wir nicht sind,m und neues Leben feiert Auferstehung. Ja, HERR, DU überragst alles Geschaffene unendlich, und birgst uns in DEINER wunderbaren Unfassbarkeit und Nähe. Mein ganzes Leben, alle Höhen und Tiefen halte ich DIR zum Dank und Opfer hin. Es ist mein Lied und DEIN Klang, unser Gesang; die Musik in allem Sein, DU im brennenden Dornbusch von den Toten wahrhaft Auferstandener. #DEUS
#Kirche #Corona #Jesus

Die Auferstehung der ewigen Liebe.

 

 

 

 

 

Der Stein

Ich bin da rund
geschliffen im
Tanz der Wellen
ein Kiesel im
Sand

Kinderhände
wortlos tasten
prüfen spielend
seine Form

Geneigten Hauptes
folgen das Herz
und die Sinne den
Worten in Stein

Sonne der Gerechtigkeit gehe auf in dieser Zeit.

 

Das Geheimnis

Im ärmsten
und im
reichsten
Kleid

Bringt
es Freude
in die Zeit

Es erhebt den
Augenblick
aus Armut

Hin zu
ewigem
Glück

In Liedern
Worten und
Gestalten

Bleibt
es uns
erhalten

Heilig heilig heili heilig ist der Herr

 

 

Dankgebet

O Gott mein
ganzes Leben

Verdank ich
DEINEM Segen

Reich hast DU
den Tisch gedeckt

Die Erinnerung
auferweckt

In DEINEM Tempel
unserem Haus

Geh ich täglich
ein und aus

DEINE Gaben
was ich bin

Halte ich DIR
zum Heile hin

Geborgen in der Kirche
Geborgen im Glauben Hoffen und Lieben.

Dankbarkeit

Wer hörte nicht als Kind die wohl gemeinten Worte der Eltern, dass es sich gezieme, für Gaben und Geschenke dankbar zu sein. Obwohl uns als Jugendliche manchmal, derartige Aufforderungen störten, lernten wir die Bedeutung der Dankbarkeit zu schätzen. Behält sie doch als ein verinnerlichter Anspruch zeitlebens ihre Gültigkeit. Im Dank erheben wir uns über ein reines Konsumentendasein, und bringen uns in eine persönliche Beziehung zu einander, zu den Dingen, der Natur, und entdecken den Reichtum der ganzen Schöpfung. In dieser Offenheit für alles kann es geschehen, dass wir unvermutet berührt und betroffen. den Geschenkcharakter unseres ganzen Daseins bemerken. Wir erfahren uns dann einbezogen in ein vielfältiges Netzwerk dynamischer Daseinsbezüge, in denen die einzelnen Begegnungen Bedeutung und Verbindlichkeit für uns gewinnen. Hier herrscht nicht mehr der reine Zufall. Alles kann immer wieder unmittelbar neu und lebendig erlebt werden. Im Laufe des Lebens gewinnen wir so immer mehr ein Gespür für die Fülle der uns begegnenden Ereignisse. Langweile kann da schwerlich aufkommen. Vom ersten Sonnenstrahl bis zur einbrechenden Dunkelheit und hinein in die Traumwelt der Nachtruhe ziehen vielfältige Bilder an uns vorbei. Manchmal halten wir überrascht inne, wenn uns ein Ereignis ob seiner Bedeutung anspricht. Achten wir einmal besonders auf das Spiel der Kinder, dann können wir leicht erkennen, mit welcher Neugier sie dabei sind, sich mit ihrer Umwelt spielerisch auseinanderzusetzen. Ich erinnere mich an die eigene Jugend: Wie roch das frische Gras so angenehm, wenn wir auf der kleinen Wiese in der Nähe des Elternhauses herumtollten. Handwerker wie der Schmied, der seinen Gesellen den Takt vorgab, wenn sie das glühende Stück Eisen in Form brachten, oder die Hufe der Pferde beschlugen, der Sattler, Maler, Blechner, oder Schuster, die in ihren Werkstätten hantierten, zogen uns Kinder magisch an. Wie Kletten hingen wir an den Handwerkern, die sich in unserer Nähe zu schaffen machten. Welche Kinderseligkeit begleitete unser Spiel, wenn es uns gelang zur Winterszeit den ersten Schnee zu begrüßen, mit steif gefrorenen Hosen eine Eisbahn auf der Strasse herzustellen, um vergnügt zu schlittern, oder im Licht der Straßenlaterne, die herunter zitternden Schneeflocken mit der Zunge aufzufangen. Ein alter Kinderwagen verwandelte sich unter unseren Händen zu einem Auto, ein alter Motorradseitenwagen zu einem Boot. Alle Gegenstände die wir vorfanden, wurden auf Brauchbarkeit getestet, und für gut befunden, unser Spiel zu bereichern. Metzger, Bäcker und Lebensmittelhändler gehörten zu unseren Freunden, denn dort fiel immer wieder eine Kleinigkeit zu naschen für uns ab. In den Küchen und Wohnungen unserer Nachbarn waren wir stets willkommen.

In der Schule und im kulturellen Leben unserer Stadt kam es zu unvergesslichen Begegnungen und reichlich Angeboten für unsere unersättliche Neugierde. So wurden wir zunehmend mit dem gesellschaftlichen und kirchlichen Leben unserer Gemeinde vertraut, in der wir uns im Laufe der Jahre beruflich und nach unseren Neigungen bei Sport, Tanz, Musikveranstaltungen und kommunalen Aufgaben einbrachten. Es bedurfte noch keiner Reflexion. Wie ein Schwamm nahmen wir all die vielfältigen Anregungen auf, die uns in der Summe das Gefühl der Geborgenheit und Zugehörigkeit in einem Gemeinwesen vermittelten. Im Grunde hat sich Jahr um Jahr der Erfahrungshintergrund auch im weiteren Leben stetig erweitert. Auf dem Weg zum Abitur wurden dann die Grundlagen gelegt, die es ermöglichten, am geistigen. kulturellen und geistlichen Leben in unserem Land auch bei wechselnden Wohnsitzen und Aufgaben zu partizipieren und in Beruf und Familie und Gemeinwesen Verantwortung mit zu übernehmen. Ich hatte das Glück noch im höheren Lebensalter über den zweiten Bildungsweg zu studieren, um die Voraussetzungen zu einem beruflich erfolgreichen Leben zu schaffen. Weit davon entfernt dies alles nur meinem persönlichen Können und Einsatz zuzuschreiben, erlebe ich auf der letzten Wegstrecke meines Lebens eine solche Fülle an Hilfen und glücklichen Umständen, dass ich mit tiefer Dankbarkeit auf all dies zurückschaue. Manchmal ging es mir wie den Jüngern von Emmaus, deren Herz jubelte, als ihnen der Herr die Schrift erklärte. Wie viel gute Worte waren und sind es bis zum heutigen Tag, die ich über die Literatur und die Kontakte zu den Mitmenschen oder in meinem Glaubensleben, als tröstliche und bestärkende Erfahrungen geschenkt bekam. Ich kann offen gestanden, die Fülle dieses Segens nicht fassen, und in meinem Text nur ein wenig andeuten. Und noch ist dieser Weg nicht zu Ende, aber Grund genug dankbar für diese Segensfülle zurückzuschauen. Manchmal öffnete mir die Betrachtung eines Ereignisses so den Raum, als ob es Grund und Anlass gäbe, die ganze Welt in Ordnung zu finden. Wer kennt nicht die Situation, im Kontakt mit einem Mitmenschen, von dem man sich verstanden fühlen konnte. dass gleichzeitig, die ganze Umgebung, in das Licht dieses Ereignisses einbezogen war. Die Jünger des Herrn kannten solche Augenblicke wohl auch, als sie vor Glück trunken, dem Herrn vorschlugen drei Hütten bauen zu wollen.

Wer ist aber im Leben nur auf Rosen gebettet? Die Realität des Alltags beginnt bereit in der Kindheit. Es besteht die Aufgabe, sich mit den Eltern und den eigenen Geschwistern zu arrangieren. Manche Träne fließt, wenn die eigenen Wünsche sich nicht erfüllen. Die befriedigten Interessen verlangen nach einem Ausgleich. Mit Beginn der Adoleszenz setzt bereits eine Ablösung von den Eltern ein. Wie oft wird dann den anderen Beteiligten die eigene Schuld zugeschoben. Geben und Nehmen will gelernt sein, und bleibt eine lebenslange Aufgabe. Die ersten Erfahrungen stellen sich ein, dass nicht alle Anstrengungen zum gewünschten Ziel führen. Herb können dann die Reaktionen ausfallen. Nicht nur die kleinen Kinder weinen ungeniert, wenn sie ihre Ziele verfehlen. Auch wir Heranwachsenden erleben Enttäuschungen und sind gekränkt, wenn wir uns unverstanden fühlen. Die eigene Familie ist tatsächlich die erste Arena, in der unterschiedliche Ansichten und die beteiligten Konflikte offen zutage treten. Oft treten dann Freunde in die Bresche und sind bereit, die Sorgen und Nöte zu verstehen. Ein längerer Prozess der Auseinandersetzung mit der eigenen Familie beginnt. Sind wir doch mit der Geburt unabdingbar in eine Herkunft hineingestellt, in eine Umgebung, eine Gesellschaft, in die religiösen und normativen Ansprüche einer Volksgemeinschaft. All dies können wir uns nicht aussuchen. Wir finden diesen Grund und Boden unseres Daseins vor, und haben die Aufgabe, den eigenen Standort in diesem Geflecht zu suchen. Spätestens an dieser Nahtstelle persönlicher Entwicklung, können erste Anzeichen der eigenen Grenzen und Todeserfahrungen sich einstellen. Der Tod oder die Trennung von nahestehender Menschen lösen schmerzliche Trauer aus.  Enttäuschungen über die Tatsache, selbst gesteckte Ziele nicht zu erreichen sind zu verarbeiten, Schuldzuschreibungen müssen zurückgenommen werden. Nähe und Abstand zu den eigenen Eltern und zu anderen Menschen erfordern ständige Korrekturen. All diese Erfahrungen sind von starken Gefühlen begleitet. Es braucht einen langen Prozess, um immer wieder einen Ausgleich zwischen den eigenen und den Interessen der anderen Menschen herzustellen.

Mit dem Eintritt in das Berufsleben stellen sich zusätzliche neue Aufgaben. Es gilt den eigenen Leistungsanspruch zu erkennen und in einem ständigen Lernprozess, die gesteckten Ziele zu verfolgen. Auch hier sind wieder Grenzen gesetzt Erfolge und Misserfolge zu verarbeiten. Es tauchen Fragen auf, wie hoch der eigene Anteil an den Problemen anzusetzen ist, und wann Schweigen oder Reden geboten ist. Erste herbe Erfahrungen mit inneren und äußeren Konflikten stellen sich bei der Aufgabe ein, eigene Lebensziele zu realisieren. Mit der Partnersuche, Gründung der eigenen Familie, Geburt der Kinder, sind neueHerausforderungen gegeben: Die Bestimmung des familiären Gleichgewichtes im Spannungsfeld der Erziehung der Kinder und dem Partner bei der Gestaltung des Wohnraumes und des Berufsalltages. Die Betreuung der alternden Eltern, deren Krankheit und Tod, stellen der Machbarkeit eine absolute Grenze. Allmählich tritt auch, bedingt durch eigene Krankheit, die Trennung von den Kindern, und die Aufgabe zur Gestaltung des Lebens auf der letzten Wegstrecke zutage. Die Trennung vom eigenen Berufsleben mit Erreichung der Altersgrenze, erfordert eine Anpassung an die sich ändernden physischen und psychischen Voraussetzungen zur Gestaltung der verbleibenden Lebenszeit. Von Geburt bis zu dem unausweichlichen eigenen Ende des Lebens, ist ein stetige  Auseinandersetzung mit eigenen Grenzen und Möglichkeiten gegeben. Die begleitenden Gefühle wie Angst, Sorge, Depression und Schuld können dann nicht mehr auf anderen Menschen projiziert werden. Sie sind als begleitende Umstände des eigenen Lebens und Sterbens anzusehen. Spätestens zu dieser Zeit tauchen verstärkt religiöse Fragen, die bereits das ganze Leben begleiteten, nach dem Sinn des Daseins angesichts des eigenen Todes mit Trauer, Kummer und Hoffnung über das Lebensende hinaus auf. Wie kann dann eine Versöhnung mit all dem geschehen? Mir scheint, dass nicht nur die Dankbarkeit für die Lebensfülle, sondern auch die Dankbarkeit für alle sie begleitenden Gefühle und Gefühlszustände hierzu gehört. Können wir uns doch weder für alle depressiven Erfahrungen allein schuldig sprechen noch unserer eigenen Macht allen positiven Gefühlen zusprechen. Alles, was unsere Erfahrungen übersteig und trägt, davon wollte ich andeutungsweise sprechen, ist letztlich Gottes Werk. Als ich mich dieser Erkenntnis näherte, hatte ich einen Aphorismus der “Gabe” im Herzen und auf der Zunge, der lautet: „Groß ist die Not, der Tod und ein Leben im Segen“. Mörike hat das, was ich auszudrücken versuchte, auf seine Weise wie folgt gesagt: Herr, schicke, was DU willst, ein Liebes oder Leides; ich bin vergnügt, dass beides aus deinen Händen quillt. Wollest mit Freuden   und wollest mit Leiden mich nicht überschütten, doch in der Mitten liegt holdes Bescheiden. Der Heilige Geist erleuchte und erneuere unser Leben und schenke uns Dankbarkeit.

 

 

 

 

 

Dem Heiligen Geist

Innige Freude und Dankbarkeit drängt sich aus einer meditativen Stille ins Wort. Im Anfang war das Wort und es wirkt in unser aller Leben in Zeit und Ewigkeit. Es ist der unfassbare und zugleich wirkmächtigste Geist Gottes, der Heilige Geist, von dem ich zu reden wage. Wir können nur SEINE Wirkungen erkennen. ER weht wo und wann ER will. Alles ist aber durch IHN belebt. Der Heilige Geist erneuert, drängt, bestärkt, durchwaltet uns Menschen und alles Geschaffene um es nach Gottes Willen in Form zu bringen.

In der Stille der Seele und im Handeln, fast unmerklich, wirkt diese kraftvolle Stimme, die unsere Herzen und den Verstand in alle Wahrheit einführt, und unsere schöpferischen Kräfte zum Dienst an einander in unserer Zeit ausrichtet. Es ist der Geist, der uns als Einzelne befähigt, das Wohl des Ganzen im Blick zu behalten. Der Heilige Geist der uns in der Liebe vereint und Standfestigkeit im Leben verleiht. ER vermag unser Vertrauen auf Gottes Wort und die Hoffnung auf ein ewiges Leben zu bestärken.

Der Heilige Geist möge mir verzeihen, dass ich SEIN lebendiges Wirken in meinem und unser aller Leben in Zeit und Ewigkeit so spät gewürdigt habe. Uns allen wünsche ich die Fülle SEINER Gaben.

Gott befohlen.
Euer Franz aus Oppenweiler

Komm Heiliger Geist
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