Vom Heiligen Thomas stammt der Wahrheitsbegriff: „ veritas est adaequatio intellectus ad rem“ – Wahrheit ist Anpassung der Erkenntnis an die Sache. Manchmal braucht es seine Zeit, bis sich der Kern einer solchen theologischen Aussage wieder so aus dem verdunkelnden Meinungsstreit herausschält, dass er sich dem wachen Bewusstsein der Gläubigen neu zu erschließen vermag. So ging es auch mir. Längere Zeit legte auch ich, dem modernen Verständnis folgend, die philosophisch und theologisch begründete Aussage des Heiligen Thomas, dass „Wahrheit eine Anpassung des Erkennens an die Sache“ sei, als überflüssig zur Seite. Die alte Pilatusfrage aber, „was ist Wahrheit“ behauptete sich hartnäckig und ließ sich nicht so leicht entsorgen. Sie tauchte aus der Dunkelheit der Verdrängung immer wieder auf.
Seit meiner Pensionierung vor Jahren, und dem dadurch gewonnenen Freiraum, bin ich Erfahrungen auf der Spur, die mir zunehmend gestatten, mein eigenes Fühlen, Denken und Urteilen zu gebrauchen, um der drängenden Suche nach Wahrheit, Weg und Leben folgend, auch philosophisch-theologische Aussagen auf ihre Tauglichkeit für uns heute zu prüfen. Dadurch kam es zu einer Veränderung meines Verhaltens, und der Einstellung zur Welt im Ganzen, die mich immer mehr ins Staunen versetzte. Ich erlebte mich in diesem Prozess zunehmend wie ein Geführter, der sich einer notwendigen Aufgabe nicht mehr entziehen durfte. Die Realität von Gut und Böse, Krieg und Frieden, Schuld und Sühne, Leben und Tod, die Sorge um die ökologischen, kulturellen und religiösen Daseinbedingungen der Menschen, verlangten meine Antwort. Der entscheidenden Frage, warum es mich und alles Seiende gibt, und der Erkenntnis, dass es in mir eine empirisch nicht zu erklärende Liebe zur Einheit und Vielfalt aller Phänomene im Mikro- und Makrokosmos gibt, konnte ich nicht mehr ausweichen. Diese Frage führte mich wieder in die Nähe der Erkenntnis des Heiligen Thomas, der die Meinung vertrat, dass Wahrheit sich in einem Prozess der Anpassung von Erkenntnis an die Sache, an das schon Da-Seiende ereignet. Es mag unseren Hochmut, selbst alles machen zu können zwar kränken, kann uns aber auch entlasten, wenn die widerständigen Dinge sich letztlich unserem erkennenden Zugriff in gewisser Weise entziehen. Wir erschaffen sie ja nicht auch wenn wir durchaus in der Lage sind, bereits Vorhandenes umzugestalten. Dem liebenden Blick gläubiger Erkenntnis erschließt sich aber darüber hinaus, in allen Dingen eine ihnen eignende Überfülle, die auf einen Schöpfer verweist. Nun wurde mir immer klarer, warum ich mein und aller Leben, die Einheit und Vielfalt, Gott und die Welt unbedingt liebe. Ich bemerkte in der Folge, wie sehr diese Erkenntnis mit meinen innersten Bedürfnissen übereinstimmte, und mich zu einem lebendigeren Bezug zu Menschen und Dingen führte. Pascal verweist in ähnlichem Zusammenhang sinngemäß darauf, dass unser Herz, die personale Mitte unserer selbst, seine eigenen Gründe hat. Vernunft Glauben und Liebe müssen daher keine unversöhnlichen Gegensätze sein. Sie können als treibende und steuernde Kraft, der in uns wirkenden und gestaltenden Gottebenbildlichkeit verstanden werden. Wohl den Menschen, die in Frieden mit sich, der Welt und allen Geschaffenen im Hause Gottes wohnen dürfen.
Mein Staunen über all diese Dinge, führte mich erneut zu den erhellenden Worten des Heiligen Thomas „veritas est adaequatio intellectus ad rem“. Ich erkannte aber nun die zeitlos wahre Botschaft, die sie enthalten. Ebenso klar wurde mir, dass wir die Dinge in ihrer Eigenart und Überfülle nur erkennen und lieben können, weil Gott der die Liebe ist, mit uns und durch uns liebt. Welch ein großes Wunder. Wer es fassen kann, der fasse es! Wie ein Paukenschlag zur Eröffnung der Symphonie des Himmels, berührt uns die Nähe Gottes, Seine Gegenwart, „die Fleischwerdung des Wortes“ in all Seinen Werken. Die ewige Wahrheit, die wir suchen, ist eben auch in den einfachsten Dingen der Welt verborgen. Glücklich der Mensch, dem diese Handschrift Gottes aufgeht. Gleichzeitig trat aber auch eine andere Erfahrung aus der Dunkelheit menschlicher Not, Angst und Zweifelns ins tröstliche Licht. Etwas noch viel Erhabeneres, nämlich die erschütternde Begegnung mit Gott selbst, dem DREIFALTIGEN, dem BARMHERZIGEN dem DEUS SEMPER MAIOR, dem immer GRÖSSEREN, der durch nichts zu beseitigen ist, dem VATER, der uns in Seinen offenen Armen bergen will. Alles in uns drängt nach IHM, das ist auch Teil der Wahrheit unseres Lebens. Es gibt demnach auch eine Annäherung menschlichen Erkennens an den Gott in uns, um uns und über uns, eine „adaequatio hominis ad deum“. Im Menschensohn, im wehrlosen Kind in der Krippe, wirbt ER, der Herr, um unsere Liebe. Die in uns allezeit begleitende Sehnsucht nach Glück und Frieden soll sich immer wieder neu erfüllen. Der Aussage des Heiligen Thomas füge ich daher beglückt hinzu: “veritas est adaequatio intellectus et sensus ad deum“. Die Wahrheit ist Anpassung des Erkennens und Fühlens an Gottes Gegenwart.Herr, von dem alles Gute kommt, verwandle das was wir sind und haben in eine Gabe. Lasse DU, dem wir immer schon gehören, nicht zu, dass wir Dich je verfehlen. Deine Worte mögen so in uns Fleisch werden, dass wir Menschen nicht all zu sehr erschrecken, wenn wir miteinander darüber reden.
Heute lade ich Sie ein, mit mir über das Phänomen der Zeit nachzudenken, die für uns alle mit der Geburt beginnt, und einmal todsicher endet. Wir finden uns als Menschen mit anderen Lebewesen in einem zeitlichen Gefüge von Vergangenheit. Gegenwart und Zukunft, im Kreislauf der Jahreszeiten und in einem kosmischen Geschehen vor, das mit Sicherheit einmal vor uns war, und nach uns existieren wird. Im Vergleich hiermit ist unsere individuelle Lebenszeit sehr kurz, und unser Gestaltungsraum wird durch die Endlichkeit des Daseins begrenzt. Mit unserem Tod geht aber unsere Zeit auf Erden endgültig zu Ende. Wir werden uns daher zu einem unbekannten Zeitpunkt unseres Lebens, von allen Beziehungen zu Menschen Lebewesen und Sachverhalten verabschieden müssen. Das Leben als Ganzes wird jedoch auch nach uns weiter gehen, und alle Ressourcen der Welt, unsere eigenen Werke und die kulturellen Leistungen der Menschen, werden die Nachkommen übernehmen. Das bedeutet: Nach unserem Lebensende werden die nächsten Generationen immer wieder einen Frühling, Sommer, Herbst und Winter erleben. Auch das Geschehen in den kosmischen Räumen des Universums, und im makro- und mikrokosmischen Prozess der Natur, wird bleiben. Unsere Nachkommen werden das religiöse, kulturelle, technische und künstlerische Erbe der Menschen auf Erden übernehmen, verwalten, und den nachfolgenden Generationen anvertrauen.
Das Leben als Ganzes mutet uns daher zu, nachzudenken und unsere Lebenszeit zu nutzen, um das Erbe unserer Väter und Mütter nach Kräften treu zu verwalten, die Ressourcen zu schonen, um einmal alles mit einem liebevollen Blick der Sorge und des Wohlwollens, an unsere Nachkommen weiter zu geben. Wir haben das Geschenk des Lebens mit seinen Chancen und Grenzen einmal ebenso übernommen. und müssen uns fragen lassen, wie wir mit diesem Erbe umgegangen sind. Wir erleben die Zeit von Geburt an als unsere persönliche und gesellschaftliche Geschichte. Ohne uns dessen immer bewusst zu sein verabschieden wir jedes Jahr, jedem Tag, jeder Stunde, Minute und Sekunde als Teil unserer Lebenszeit. Der Fluss der Zeit ist nicht aufzuhalten. Die begrenzte Lebenserwartung scheint uns zu ermahnen, unser Leben so zu führen, dass wir uns einmal von Freude und Leid in der Zeit, verabschieden können. Ich rede mit Ihnen von Mensch zu Mensch über unser Leben in seiner begrenzten Zeit die todsicher endet. Wir finden uns alle in einem zeitlichen Gefüge von Vergangenheit Gegenwart und Zukunft im Kreislauf der Jahreszeiten und kosmischen Abläufen vor
Entbunden von beruflichen, familiären und gesellschaftlichen Verpflichtungen bietet sich, wenn das eigene Einkommen gesichert ist, für Menschen nach der Berentung oder Pensionierung ein reiches Betätigungsfeld nach freier Wahl, im familiären, gesellschaftlichen
und sozialen Umfeld. Wie zu allen Zeiten besitzt die Weitergabe der
Lebenserfahrungen im Austausch mit den jüngeren Generationen hohe Priorität- Mit dem höchsten Lebensalter und der damit zwangsläufig verbundenen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen, engt sich der Bewegungs-und Aktionsraum erheblich ein. Im gleichen Maße stellt sich unvermeidlich eine vermehrte Abhängigkeit von anderen Menschen, die Erfordernis altersgerechten Wohnraumes, in einem sozialen und kulturellen Umfeldes und ärztlicher und pflegerischer Betreuung ein. All diese Anpassungsleistungen bedürfen einer ständigen Wachsamkeit, kognitiven und emotionalen Bereitschaft, sich so zu verhalten, dass die individuelle Kreativität zur Anpassung an die neuen Lebenssituationen, und die kognitive und emotional angemessenen Reaktionen möglichst erhalten bleiben. Im hohen und höchsten Lebensalter ist mit der Zunahme zu beobachtender Todesfälle die Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensende. und der damit gegebenen Umstände nicht zu vermeiden.
Diese Fragen haben mich motiviert, darüber nachzudenken, ob es Sinn
machen könnte, über eigene Lebenserfahrungen und die zu erwartenden Aufgaben zu reden, insofern sie als Aufgaben erkannt werden, die individuelle Erfahrungen übertreffen: Ich wage es daher mit Ihnen im Alter von bald vierundneunzig Jahren auch über meinen zu erwartenden Tod, und die sich daraus für mich ergebende Sachlage, als einer der wie Sie nicht weiß, was im Tod und danach genau geschieht, zu reden. Vermutlich bin ich kein Einzelfall, dem es schwer fällt, über das geheimnisvolle Geschehen des Anfangs und Endes des Lebens nachzudenken. Es gibt mich seit bald über dreiundneunzig Jahren und ich weiß, dass ich mein Leben zu Ende leben möchte, wann immer das geschieht. Die Frage aber ist. ob ich und wir als Schicksalsgefährten bereit sind, Geburt und Tod und die Lebenserfahrung näher anzuschauen:
Unsere Geburt haben wir nicht bewusst erlebt wohl aber die Freude bei der Geburt unserer Kinder, und den Schrecken beim Tod geliebter Menschen. Was könnte es uns schwer machen, unseren eigenen Abschied vom Leben anderer und vom eigenen Leben zu bedenken? Könnte es sein, dass uns der Tod, als der endgültige Abschied von allem was unserem Leben von Geburt bis in die gelebte Gegenwart Bedeutung und Sinn verlieh sehr schwer fällt. Dass dann die Angst auftaucht, als ob alles, was unser Leben in der Zeit erfüllte, im Tod vernichtet würde. Was wäre aber, wenn wir akzeptieren würden, dass auch nach unserem Lebensende die Welt in ihrer Gesamtheit und Zeitstruktur, mit großer Wahrscheinlichkeit weiter bestehen wird? Was könnte es dann fü uns und unsere Nachkommen bedeuten, wenn nach unserem Tod weder sie noch wir für unser zeitliches Wohl sorgen müssen. Könnte uns aber die Vorausschau auf das sichere Ende unseres individuellen Lebens ermuntern, in der uns verbleibenden Zeit all das zu tun, was uns möglich und dem Leben nach uns förderlich wäre?
Kann uns, wenn es um die ersten und letzten Fragen unseres Daseins in der Zeit geht, der christliche Glaube ermutigen, das Leben und den Tod in einer begrenzten individuellen Lebenszeit zu wagen? Dies bedeutet, Gott unserem Schöpfer und himmlischen Vater, der Himmel und Erde erschaffen und erhält, uns durch Jesus Christus den Gottes- und Menschensohn aus Sünde und Tod erlöste, auch die Zusage einhält, am Ende der Zeiten, den Gesegneten in einer neuen Schöpfung ewiges Leben zu schenken. Die leiblich-seelische Auferstehung vom Tode unseres Herrn Jesus Christus, der uns vom Vater Kunde brachte und unser Weg Wahrheit und Leben ist, bezeugt, dass auch wir nicht im Tode bleiben, sondern durch IHN zum ewigen Leben gelangen. Jeder Wimpernschlag erfahrener, gestalteter und liebender Zuwendung, zu allen Menschen und Geschöpfen schenkt uns im Glauben in der Hoffnung und Liebe zu IHM, auch Standfestigkeit und Vertrauen, in SEINE Zusage am Ende der Zeiten in einer neuen Schöpfung im Reich der Gerechtigkeit und des Friedens ewiges Leben zu erlangen.
Vor Jahren schrieb ich einen Artikel über „Einheit und Vielfalt“. Die Motivation zu diesem Nachdenken, konnte ich damals nur sehr vage, als „ein Drängen“ bestimmen. Heute bewegt mich diese Frage in anderer Weise: Erfüllt von lebenslanger Erfahrung im Umgang mit Freunden, drängt es mich im höheren Alter, dankbar von der treibenden Kraft und dem Trost wahrer Freundschaft zu erzählen. Ohne zu ahnen, was in mir vorging, hat sich der Kreis meiner Freunde und die Art mit Ihnen zu reden, erweitert. In meinen drei Büchern „Geschichten und Gedanken“ habe ich davon berichtet, auf welchen Reichtum und Segen ich in meinem Leben zurückblicken darf. Ich erinnere mich immer wieder mit Freude an viele Begegnungen und das respektvolle Geben und Nehmen. Schaue ich mich in der heutigen Welt, wie sie sich uns darbietet um, dann scheint ach so viel von dem, was mich beglückte, den Blicken entzogen. Und dennoch gibt es auch in unserer Zeit eine tiefe Sehnsucht nach Wahrheit und Geborgenheit in tragender Freundschaft.
Ich habe Sie, die ich jetzt anspreche, zum großen Teil noch nie gesehen; als ich aber vor Pfingsten beim Rasenmähen den Einfall hatte, einen Text über Freundschaft zu schreiben, standen Sie mir lebhaft vor Augen. Geld und Gut, das heute unser Leben zu beherrschen scheint, kann ich Ihnen nicht anbieten. Hier in Oppenweiler gibt es aber einen Menschen, der Ihnen als Freund respektvoll die Hand reicht, denn ewige Freundschaft ist über uns alle ausgegossen. Dieses Geschenk geleitet uns im Wohl und Wehe bis in die Ewigkeit, und keine Macht der Welt kann wahre Freundschaft jemals zerstören. Ich freue mich, mit Ihnen und all dem, was mir bisher lieb und teuer war, verbunden zu sein. Möge der Heilige Geist diese Freundschaft segnen. Nach dem heutigen Gottesdienst, sagte ich tief berührt zu unserem Priester: „Ich habe in einem reichen Leben so viel Segen erfahren, dass es mir im Blick auf alle diese Freundlichkeiten, die Sprache verschlagen hat“. Auf den nachfolgenden Satz, dass ich aber gewiss wieder schreibe, wenn ich mich innerlich dazu beauftragt fühle, entgegnete er mit einem erlösenden Lächeln nur: „Bitte!“ Liebe Freunde: Die Kraft und stille Macht des Heiligen Geistes, vermag sogar einem Menschen wie mich, der aus Dankbarkeit gegenüber der Güte des Dreifaltigen Gottes verstummte, wieder unverbrauchte neue Worte zu schenken. Der Herr lässt uns ja nie als Waisen zurück. ER offenbart uns im Heiligen Geist alles, was SEIN und des Vaters ist, damit wir als SEINE Freunde mit allem Geschaffenen in Freundschaft leben.
Verneigen wir uns daher vor Gott, seinen Werken und voreinander. Der Wahlspruch über der Heimschule Lender in Sasbach bei Achern: „INITIUM SAPIENTIAE TIMOR DOMINI“, dem ich folge, möge auch Sie trösten, bestärken und ermutigen.
Mit einem Drängen beschrieb ich vor Jahren die Motivation, eigene Texte zu veröffentlichen. Ein unbeschriebenes Blatt setzte mich damals den Fragen aus, ob mir etwas Sinnvolles einfallen könnte, und die Fähigkeiten ausreichten, um für mich und andere Menschen Texte zu schreiben. Es war auch fraglich, wer sich für meine künstlerischen und humanen Gedanken interessieren könnte? Diese Ungewissheit war von innerer Anspannung begleitet. In den Reaktionen auf meine Bücher und die Texte im Internet, zeigte sich aber, dass ein Interesse an religiösen, anthropologischen, philosophischen und künstlerischen Themen besteht. In einem Gespräch über Fragen, die sich bei der schöpferischen Arbeit eines Schriftstellers stellen, entschied ich, auch mit Ihnen darüber zu reden. Ich hoffe, dass es mir gelingt, Sie in geeigneter Weise, in gedrängter Form, in das Gespräch über Kreation einzubeziehen:
Im obigen Gespräch begegneten wir dem Phänomen, dass dem Schriftsteller, wie einem Psychotherapeuten, Lebenserfahrungen
begegnen, die im schöpferischen Prozess in eine neue Erzählung münden. Es entsteht im geschichtlichen Procedere des Individuums eine neue Momentaufnahme des Selbst- und Weltverständnisses. Wir wählten zur Veranschaulichung des kreativen Vorgangs, als Beispiele die im Leben erfahrenen Ereignisse des „Schönen“ und des „Übels“ aus: Wenn wir uns an Erfahrungen aus der Vergangenheit erinnern, ist dieser Vorgang von Gefühlen begleitet. Wir erleben diese erinnerten Ereignisse aber nicht mehr in ihren ursprünglichen Kontexten. In den Erinnerungen begegnet uns eine bereits überarbeitete Form dieser ehemaligen Ereignisse. Aus den einstigen Kontexten im kreativen Prozess auferweckt, stehen die Ereignisse dann als Elemente einer neuen Erzählung zur Verfügung. Das damalige Übel kann dadurch seinen Schrecken verlieren. Das Einfügen dieses Bausteines im neuen Sinnzusammenhang, entlastet und versöhnt mit der früheren Erfahrung, und das erinnerte Schöne oder Übel erfährt im kreativen Vorgang eine erweiterte Bedeutung.
Nun folgt ein intensiver Prozess des Prüfens und Vergleichens, ob
Inhalt und Form des neuen Textes dem gewünschten Ziel entsprechen. Nähert sich der schöpferische Prozess dem Wunsch des Autors, wie in diesem Artikel „über Kreation“ zu reden, löst sich die anfängliche Spannung auf in der Freude über das Entstehen eines neuen Textes. In weiteren Arbeitsschritten prüft der Autor, ob die gewählte inhaltliche Form dem Ziel entspricht, den kreativen Prozess verständlich zu erklären. In unseren Beispielen zeigt sich, dass sich das vergangenes „Übel” in neuem Licht darstellt, und das „Schöne“ im kreativen Prozess neue Bedeutung erfährt. Wie wir vermuten können, geschehen analoge kreative Prozesse beim Poeten, Künstler, Musiker, Therapeuten und ebenso in jeder ehrlichen Unterhaltung.
Als Ergebnis kreativer Prozesse entstehen immer wieder neue Momentaufnahmen des Selbst- und Weltverständnisses eines Menschen. Sie können wieder zu Bausteinen anderer Erzählungen oder künstlerisch-kreativen Handlungen dienen. Der schöpferische Prozess im Gedankenaustausch über vergangene und aktuelle Ereignisse, führt aber auch zu einem neuen Verständnis der sie begleitenden Emotionen. Ich hoffe, dass ich Sie in verständiger Form an dem obigen Gespräch über „über Kreation“ beteiligen konnte.
In einem gewissen Gegensatz zu einer etwas bedrückten Stimmung nach dem Erwachen, stand ein plötzlicher Impuls, als ich Gottfried Keller`s “Grüner Heinrich” heute las. Ich freue mich sehr über die Bereitschaft meiner Frau, solange sie nicht in ein seliges Nickerchen entschlummert, mir nach den Mahlzeiten beim Espresso zuzuhören, wenn ich ihr vorlese. Unsere Lektüre erfährt dadurch einen besonderen Reiz, dass wir sie immer wieder unterbrechen, wenn uns eine besondere Textstelle, zum Innehalten und Überdenken des Inhaltes einlädt. Wenn wir einem Schriftsteller begegnen, der sich einer besonders schönen Sprache bedient, dann bereitet uns das ein besonderes Vergnügen. Ich erinnere mich, dass wir vor einiger Zeit, eine lateinische Textpassage übersetzten, um uns an der knappen und präzisen Ausdrucksweise der Sprache zu ergötzen. Im Rentenalter angekommen, mit etwas mehr freien Raum zur Gestaltung des Tagewerks, vermitteln uns die Kenntnisse von so vielen Wissensbeständen, die wir miteinander teilen, oft Gelegenheit, ein anregendes Gespräch zu führen. So auch wieder heute beim Lesen des “Grünen Heinrich”.
Als wir eine Textstelle betrachteten, in der Keller sich zu seiner Liebe zur Sprache äußert, erlebte ich -wie auf einer zweiten Ebene- ein spontanes, besonderes Vergnügen. Es wurde mir nämlich bewusst, wie sehr mich die Sprache als Sprache fasziniert. Ich war immer sehr davon angetan, wenn ich eine Erzählung las oder einen Autor sprechen hörte, der sich Mühe gab, ein Deutsch zu sprechen, das dem Inhalt angemessen war. Als ich meine Frau kennen lernte -damals noch ein Theologie-Student- habe ich in überschäumender Verliebtheit sehr viel von mir erzählt. Sie schmunzelt gelegentlich heute noch, wenn sie davon spricht. Sprache ist aber nicht nur in unserem familiären Umfeld bedeutungsvoll. Mir ihrer Hilfe erschließen wir uns auch die gemeinsamen Erfahrungen aus unserer Studienzeit, die Kenntnisse aus unseren Berufen, sondern auch die kulturellen, politischen und religiösen Kontaktfelder in unserer Gesellschaft. Diente uns doch das Medium der Sprache während vieler Jahre, um in unserer Familie und mit unseren Patienten Beziehungen zu gestalten.
Für mich selbst bedeutete es eine erhebliche Umstellung, als ich von den Geisteswissenschaften herkommend, in meinem Beruf als Psychologischer Psychotherapeut auch Gutachten zu schreiben hatte, bei denen es, wie im Latein, auf eine knappe und präzise Darstellung des Sachverhaltes ankam. Erst als ich im höheren Lebensalter das Berufsleben hinter mir lassen konnte, entdeckte ich wieder meine Liebe zum sprachlichen Ausdruck, der nicht so sehr einer bestimmten Absicht diente, sondern gleichzeitig auf die Schönheit der Sprache an sich achten konnte, um mit deren Hilfe, frei und ungebunden, einfach nach Lust und Laune fabulieren und gestalten zu können. Ich habe diese Seite meines Wesens zwar immer dann, wenn ich mit anderen Menschen im direkten Gespräch war, erleben können; das mag auch mit ein Grund gewesen sein, warum ich mich zu einem sprechenden Beruf entschloss, der mir in dieser Hinsicht freie Räume bot, um das Medium der Sprache in der je angemessenen Weise zu nutzen. Von besonderer Bedeutung waren für mich aber immer die Momente, in denen mir oder meinen Partnern im Verlauf des Gesprächs überraschend neue Gedanken zufielen, die unsere Unterhaltung veränderten oder bereicherten. Auf die Idee aber, einmal einen Text zu schreiben, der sich nur mit der Sprache als Sprache befasst, bin ich bislang noch nicht gekommen. Ich muss aber gestehen, dass mich dieser Umstand heute sehr angeregt hat. Meine vorherige Müdigkeit ist verflogen und meine Finger fliegen nur so über die Tasten. Es ist als würden sie vor Freude tanzen. Übrigens war ich nie ein Tanzverächter. Die ersten Übungen in der Küche mit unsrer Mutter, die ebenfalls gern tanzte, und die vielen Erinnerungen an Frauen beim Tanzen, sind in mir ebenso wach, wie die Lust über meine Sprache zu schreiben. Von der Kindheit an, haben mich Worte, Geräusche, Gesang und Musik in allen Formen sehr berührt. Ich habe über diese Zeit in meinen drei Büchern ausdrücklich gesprochen. Als Bewohner des Grenzgebietes in der Nähe Basels zur Schweiz und zu Frankreich, mit der Muttermilch des alemannischen und Schweizer Dialektes aufgewachsen, habe ich diese Sprachmelodie so verinnerlicht, dass sie mir immer wieder in Mund und Feder schlüpft. Wenn ich in späteren Jahren nach Rheinfelden, meiner Heimatstadt fuhr und den nahe gelegenen Waidhof überquerte, stellte sich wie von selbst der Dialekt wieder ein. Meiner Mutter ging es wie den Einheimischen bis ins hohe Alter ähnlich. Das “Hochdeutsch” blieb ihrem Wesen fremd. Selbst wenn sie es ab und zu angestrengt versuchte, nach der Schrift zu sprechen, hörte man die alemannische Mundart heraus. Eine unserer Töchter brachte es auf den Punkt indem sie äußerte: “Unsere Oma ist ja eigentlich lieb – wenn sie nur ein wenig Deutsch reden könnte”. Meine Freunde äußerten sich während meiner Studien in Münster ähnlich: Ich solle so reden wie mir der Schnabel gewachsen sei. Es gelänge mir ja doch nicht meinen Dialekt zu verdrängen. Sie verständen mich auch so. Welch eine Erleichterung für mich.
Meine lebensgeschichtlich bedingt sehr spät einsetzenden Studien, ließen mir bei dem immer neu andrängenden Stoff, den es zu bewältigen gab, keine Zeit, um über das Geschenk meiner Sprache als Sprache nachzudenken. Ich benötigte sie zwar fortwährend, um mich mit anderen Menschen zu verständigen und um die vielen Lerninhalte aufzunehmen. Ich blieb es aber bis auf den heutigen Tag schuldig, mich für die Geschenke des Dialekts, der deutschen Sprache, des Latein Griechisch und Hebräisch und der eher rudimentären Kenntnisse in Französisch und Englisch, zu bedanken. Sprache wurde aber für mich als wissenschaftlicher Zugang zur Philosophie, Theologie und Psychologie sehr bedeutsam. Ich verdanke der Sprache auch den Zugang zum Abitur als Spätberufener und der Möglichkeit, mir Kenntnisse in den naturwissenschaftlichen Fächern von Mathematik, Chemie, Physik und Biologie zu erwerben und dadurch Grundlagen für eine solide Bildung zu schaffen. Ein schwacher Trost mag es für die Lehrer und Professoren sein, mit denen ich während der langen Zeit des Studiums zusammenarbeitete, dass ich meine Dankbarkeit ihnen gegenüber, hoffentlich noch nicht zu spät, in meinen Büchern zum Ausdruck bringen konnte. Wie wichtig diese allgemeine Bildung für mich wurde, konnte ich aber erst so richtig erfahren, als ich in späteren Jahren, von der beruflichen Bürde befreit, in meiner letzten Arbeitsphase die Möglichkeit zu literarischem Schaffen entdeckte. Hier erst, in freier kreativer Wahl und Gestaltung der Themen, die mich interessieren, kommt alles, was ich in meinem Leben erfahren und lernen durfte, noch einmal sprachlich zur Geltung. Denn in allen Feldern des Lernens und Arbeitens und in den eigenen politischen und gesellschaftlichen Unternehmungen benötige ich die Sprache als Brücke zur Verständigung mit anderen Menschen.
Schon in meinem ersten Band “Geschichten und Gedanken” unternahm ich in einem Essay über “Einheit und Vielheit” den Versuch, mir programmatisch klar zu werden, was die Aufgabe in meinem höheren Lebensalter sein könnte. Damals konnte ich Vieles, was in mir gärte, nur als ein Drängen beschreiben. Bessere Worte standen mir nicht zur Verfügung. Dass ich vor einem gewagten Unternehmen stand, konnte ich damals nur ahnen. Ich entdeckte aber beim literarischen Arbeiten immer neue Möglichkeiten, mich in Lyrik, Prosa auszudrücken und in Essays zu verschiedenen gesellschaftlichen oder religiösen Texten Stellung zu nehmen.Eine ernstlichere Erkrankung mit Klinikaufenthalten und rehabilitativen Maßnahmen nötigten mich zeitweise zu einer eingeschränkteren Gestaltung meines Alltagslebens. Zeitweise beeindruckte mich die Sorge, dass ich mich nicht mehr wie zuvor literarische betätigen könnte. Seltsamer Weise entstanden genau in dieser schwierigen Zeit sehr viele Aphorismen, und Sinnsprüche; eine Literaturgattung, mit der ich mich bislang noch nicht so intensiv beschäftigte. Diesem Arbeitsversuch stand ich eine gewisse Zeit sehr kritisch gegenüber. Ich bemerkte, dass ich mich sehr überwinden musste, um mit anderen Menschen in dieser reduzierten Form über Gefühlen und Inhalte zu reden. Eine Sammlung von Textentwürfen, verlockten mich nicht mehr, einem vierten Band meiner Geschichten und Gedanken zu schreiben. Erst heute beim Studium des “Grünen Heinrich” und in der Unterhaltmit meiner Frau über verschiedene Aspekte, die uns aufgefallen waren, platzte der Knoten. Ich entdeckte dabei neu die Lust am Fabulieren, Plaudern und Darstellen und Erzählen, Sprache zu gestalten und die Form entstehen zu lassen. Wenn Sie liebe Leser dieses Textes verstehen wollen, was ich zu sagen habe, dann achten Sie bitte nicht nur auf den Inhalt, der mir beim Schreiben zufiel sondern auf die zwischen den Zeilen aufbewahrt unbändige Lust und Freude und Dankbarkeit für die an der deutschen Sprache und den Sprachraum in den ich hineingeboren bin. Mit Hilfe dieser Sprache habe ich alles bekommen, was mir ein Leben in diesem Land bot und immer noch zu bieten kann. Ich habe keine Mütze auf dem Kopf, aber ich würde sie im Moment abnehmen, um mich in annähernd gebührender Weise vor meiner Muttersprache zu verneigen.
Gottfried Keller setzt sich im “Grünen Heinrich” mit seiner Jugend und der damaligen schulischen Erziehung auseinander, die wie vielfach auch heute noch, der Wissensvermittlung ein großes Gewicht beimisst. Keller hat sich sehr daran gestört, dass ihm auf diese Weise erschwert wurde, sich froh und frei den eigenen Gedanken zu überlassen. Das galt als Abwesenheit und verdiente Strafe. Wie oft ist es mir ähnlich ergangen, dass ich einen eigenen Gedanken hatte oder eine Idee, und mich nicht traute, das, was mir einleuchtete oder zu Herzen ging, auszusprechen. Worte sind für mich aber Musik und künstlerischer sprachlicher Ausdruck, um mit anderen Menschen in Austausch zu kommen; insofern Brücken zum Du und zur Gesellschaft in der wir leben. Ich betone es noch einmal, dass ich das alles nicht nur zu Papier bringe, um einen Sachverhalt möglichst genau darzustellen, sondern um zu zeigen, wie sehr mich die deutsche Sprache, der ich so viel verdanke und die Menschen, die sich in diesem Medium bewegen achte und respektiere. Wenn es nicht zu prosaisch klingen würde, dann müsste ich nun davon sprechen, dass mich der Versuch, der Sprache meine Referenz zu erbieten nicht unberührt lässt: Ich fühle mich ihr so verbunden, dass es mich zu Tränen rührt, wie sehr mich die Sprache zu bewegen vermag. Umso schwerer ist es für mich zu ertragen, wenn durch eine Erkrankung die Produktion von Texten stockt, oder ich befürchten muss, Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Ich habe ja in letzter Zeit kaum einen Prosatext schreiben können. Wenn ich Aphorismen schreibe oder Sinnsprüche festhalte, dann fehlt mir weitgehend die Freude an der sprachlich reichen Gestaltung der Gedanken. Sie nimmt aber dann die Form einer inneren Freude an in der Hoffnung, dass andere Menschen in der Lage wären die in knapper Form gehaltenen Erfahrungen auf ihre Weise zu deuten und zu verstehen. Ich bleibe dabei: Heute ist es so, dass ich zwar verschiedenes erzählte und mich freue, wieder einmal einen Prosatext geschrieben zu haben, aber wohl verstanden, lieber Leser, dies nur, um meiner unbändigen Freude an der Sprache als Sprache Ausdruck zu verleihen. Ich spüre eine wohlige Erregung in mir, als hätte ich eine große Entdeckung gemacht. Vielleicht können Sie, lieber Leser, sich lustvoll ein wenig anschließen und davon profitieren, dass Sprache nicht nur zur Vermittlung von Wissen und Tatsachen, sondern auch um des reinen Spiels mit freundlichen Worten von Bedeutung sein kann.
Der kleine Hans stellt sich vor seinen Vater, stemmt die Hände in die Hosentaschen und erklärt mit blitzenden Augen „ich will Zugführer werden.“ Gestern wünschte er noch begeistert, einmal zur Feuerwehr zu gehen und das Auto mit dem „ta tü ta ta“ , das ihm so sehr gefiel, zu steuern. Sein Vater gab ihm zu verstehen, dass sich seine Wünsche im Laufe der Jahre noch ändern könnten. Die zwei Jahre jüngere Alice meldete sich auch zu Wort und ließ ihren verblüfften Vater mit dem Wunsch, „ein Supermodell“ werden zu wollen, erahnen, dass künftig noch andere Überraschungen folgen könnten. Diese stellten sich danach auch in bunter Folge ein. Die Eltern beruhigten sich aber und ihre Kinder im sicheren Wissen, dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen werden. An die Kindheit schließt sich die Schule, Ausbildung, das Studium und die Berufswahl an. Die Einbettung in die gesellschaftlichen Lebensverhältnisse mit ihren Anforderungen und Grenzen sowie der Berufsalltag, führen in unerbittlicher Folge dazu, dass sich das Blickfeld des Handelns wieder verengt. Die Wünsche bekommen dann spezifischeren Zuschnitt, und richten sich auf die berufliche Karriere, Partnerwahl, Lebensgestaltung, die Sorge um die eigene Familie und die Kinder. In dieser Zeit kommen manche Wünsche, die unser Leben bereichern könnten, zu kurz und müssen als momentan unerfüllbar für einige Zeit aus dem Bewusstsein verdrängt werden. Es kann aber zuweilen geschehen, dass unvorhergesehene Ereignisse wie Krankheit, das Zerbrechen einer Beziehung oder Todesfälle uns nötigen, uns neu zu orientieren. In Situationen, in denen die vertrauten Erfahrungen und Wege nicht mehr tragen, können Wünsche und Vorstellungen wieder auftauchen, die hilfreich sind, unser seelisches Gleichgewicht in neuer Weise wieder zu finden. Aber nicht Kinder sondern auch Erwachsene müssen lebenslang lernen, mit erfüllbaren und unerfüllten Wünschen zu leben. Es bedarf daher großer Aufmerksamkeit, Geduld und gelegentlich einer schöpferischen Pause, um eigene Wünsche zu erkennen und in die Tat umzusetzen, oder mit unerfüllbaren Wünschen in geeigneter Form freundlich umzugehen.
Auf diesen Umstand bin ich seit meiner Pensionierung gestoßen. Wie ein Kind stand ich zunächst, befreit vom beruflichen Alltag, einem Universum von Möglichkeiten gegenüber. Ich hatte nun die Qual der Wahl. Nach welchem Maßstab sollte ich mich richten? Ich musste lernen auf meine innere Stimme zu achten, um für den nächsten Lebensabschnitt, den angemessenen eigenen Weg zu finden. Es fiel mir nicht leicht, meine Sporträder stehen zu lassen und den geliebten Tennisschläger in die Ecke zu stellen; zu lernen, anstrengenden Sport zu lassen und Freude beim Spaziergang in der Natur zu erleben. Ein Glück, dass ich geduldig warten konnte, bis sich in mir der als ein Drängen erlebte, Wunsch zu schreiben, immer deutlicher konstellierte. Ihn galt es zu hüten, und nach Mitteln und Wegen zu suchen, um diesem Anspruch in einer mir möglichen Weise folgen. Die Vorstellung, nach einem erfüllten Berufsleben, als spät berufener Pensionär noch einmal eine lebenswichtige Aufgabe anzugehen, gewann aber nur zögerlich Gestalt. Ich musste erhebliche innere und äußere Bedenken, die sich mir in den Weg stellten überwinden. Dies gelang nicht auf Anhieb, sondern wie so manches in meinem Leben durch Denkanstöße von außen. In diesem Falle waren es unsere Töchter und ein Freund, die mich davon überzeugten, dass all das, was ich bislang geschrieben hatte und aktuell schrieb, mir nicht allein oder der eigenen Familie gehörten. Auch andere Menschen hätten ein Recht darauf, meine Gedicht Gedanken und Geschichten zu lesen. Nachdem ich mich entschloss, die Finanzierung selbst zu übernehmen, fand ich einen professionell arbeitenden christlichen Verlag, um die wünschenswerte Begleitung meiner Arbeit als Autor zu gewährleisten. In acht Jahren sind so drei Bücher entstanden, die das zur Sprache bringen, was mir aus meinem früheren und heutigen Leben bedeutungsvoll erschien, und am besten zu meinem akademischen und beruflichen Profil passte. Ich bin selbst erstaunt, wohin mich der Wunsch zu schreiben bislang führte. Gott sei Dank reicht meine Gesundheit noch dazu aus, dieser Neigung auch im Internet mit einem Literaturblog weiter zu folgen. Ich deutete schon an, dass ich als Autor in besonderer Weise auf meine Lebenserfahrungen, Beobachtungen, Stimmungen, Fantasien und Wünsche achte. Aus der jeweiligen inneren Verfassung und den gegebenen äußeren Umständen ergibt sich dann ein aktueller thematischer Schwerpunkt, dem ich mich zuwende. Dem eigenen Anspruch, authentisch zu bleiben, und nur das zu schreiben, wonach es mich drängt, konnte ich bislang ausreichend folgen. Diese Vorgehensweise berücksichtigt auch die Erfahrung, dass ältere Menschen, zu denen ich zähle, daran erinnert werden, dass die Lebensuhr tickt. Umso wichtiger ist es für mich, auf ein Gleichgewicht von Muße und Arbeit zu achten. Bis zur Stunde ist dies einigermaßen gelungen. Ich führe nur das literarisch aus, was mir aus der Fülle der Optionen wichtig und realisierbar erscheint. Immer notwendiger wird es aber, einen Weg zu finden, um mit unerfüllbaren Wünschen freundlich umzugehen. Diese Erfahrung möchte ich mit Ihnen, liebe Leser, nachfolgend näher betrachten:
Ich stand in meiner Jugend und danach oft staunend unter dem Sternenhimmel, erlebte erschrocken manches Gewitter, beobachtete freudig erregt Sonnenaufgänge, Abendstimmungen und sprachlos glücklich, das Werden und Vergehen in der Natur. Mit immer größerer Dringlichkeit stellte sich mir dadurch angeregt, die Frage: »Warum gibt es das alles und nicht nichts«, die lange vor unserer Zeit bereits den Vorsokratiker Parmenides sehr beschäftigte. Ich habe Philosophen, Theologen, Naturwissenschaftler, Poeten und Künstlern, die auf ihre je eigene Weise über das Leben nachdachten, und sich mit den Lebensbedingungen und Bedürfnissen aller Lebewesen auf unserem Globus beschäftigen, viel zu verdanken. Das Anliegen, auch heute Brücken zu einander zu bauen, und das Gespräch über unser Dasein auf unserer Erde in einem nicht überschaubaren Weltall mit einander zu führen, wurde unüberhörbar. Es geht mir dabei darum, mit anderen Gefährten all das Schöne dankbar zu erleben, zu erhalten und so zu verwalten, dass auch die nächsten Generationen durch uns keinen Schaden erleiden. Bei meinem Nachdenken über meinen und unseren Standort im dynamischen Prozess des Geschehens im Ganzen, erweiterte sich stets das Blickfeld. Der Umstand des Werdens und Vergehens, den ich mit allen Sinnen so weit als möglich zu erfassen suchte, eben die Tatsache, dass etwas da ist, und sich uns zeigt, ist mir von Kindheit an vertraut, als Daseinsraum in dem wir alle leben. Wahrscheinlich teile ich mit vielen andern Menschen auch die Schwierigkeit, uns gedanklich der alten Frage zu nähern, wer diese Lebensvielfalt erschaffen und am Leben erhält.
Diese von vielen Menschen gemiedene Frage, trieb mich immer wieder um. Ich wich ihr nicht aus und überlegte mir, in welcher Weise ich mich ausdrücken müsste, um die Ehrfurcht zu zeigen, die mich befällt, wenn ich mich dem „Unerklärlichen“ nähere. Dies umso mehr, als sich eine Vorstellung immer drängender entwickelte, dass dies „Fülle“ zwar empirisch nicht zu fassen und dadurch undenkbar erscheint, aber nicht notwendig ein völlig leeres Nichts sein muss. Die aufkeimende Hoffnung, dass diese unser aller Leben ermöglichende und erhaltene Kraft wenigstens symbolisch angedeutet werden könnte, faszinierte mich. Gleichzeitig verlor das zuvor so bedrohliche Nichts ein wenig von seinem fatalistischen Schrecken, verdankt ihm doch, philosophisch betrachtet, alles sein Dasein. Dadurch näherte ich mich wieder neu ermutigt all dem, was mich zeitlebens auch im Glauben faszinierte; dass wie in der Genesis beschrieben, jegliches Leben auf unserem Globus und das Weltall von Gottes Gnaden erschaffen, und durch die Zeiten. als ein erfülltes Dasein am Leben erhalten wird. Nur eine vom Glauben erhellte Vernunft und ein vor der Vernunft bestehender Glaube, die sich nicht ausschließen müssen, können wie Papst Benedikt XVI immer wieder anmahnte, uns helfen, das große Geheimnis der Liebe zu aller Segen mit Gottes Hilfe zu wahren. Die Versöhnung von Glauben und Vernunft, und der Blick weg von mancherlei eigenen Vorstellungen hin zu einem Leben in einem dynamischen Ganzen, war aber angesichts all dessen, was dieser Auffassung heute entgegen steht, manchmal ein leidvoller Prozess. Allein der von Gott geschenkte Glaube, und die davon getragene Kunst, Musik und Poesie scheinen, als unzureichende Medien in der Lage, die Distanz und Nähe zum Unnsagbaren in einer lebendigen von Liebe durchwalteten Gottesbeziehung zu überbrücken. Nun war der Weg frei, dies andeutungsweise in einem selbst gemalten Bild zu symbolisieren.
Lange hatte ich nicht mehr gemalt, aber nun musste es geschehen. Da mir die Idee zwar hilfreich, meine praktischen Fertigkeiten im Malen aber schlicht erschienen, war ich mit dem ersten Ergebnis nicht zufrieden. Denn es gelang mir nur sehr unvollständig, die Erhabenheit dessen zu symbolisieren, nach dem meine schöpferische Sehnsucht Ausschau hielt. Daher versuche ich Ihnen, liebe Leser, in dürftigen Worten zu zeigen, was ich malen würde, um die in einer Gottesbegegnung waltende Ehrfurcht auszudrücken: Mein Bild hätte einen sehr differenzierten Hintergrund in Blautönen, die das Unerklärliche nicht als Schrecken, sondern als Quelle unsäglicher Liebe darstellen sollte. Einer Liebe, die uns in heiliger Begegnung unfassbar erhaben und zugleich unendlich nahe anspricht, und zur Antwort befähigt. Wie Moses am brennenden Dornbusch würde uns der Herr wenn wir Seinen heiligen Boden betreten, jeden Schrecken alle Not, ja selbst den Tod erträglich machen. Der dreifaltige, barmherzige und gute Gott würde uns gern Seine Liebe schenken, damit die Herrschaft des Dreifaltigen und Allmächtigen sichtbar würde. Wie schön müsste das für die entsetzlich hungrige und durstige Seele sein, endlich bei Gott Zuhause zu sein. Können sie sich, liebe Leser, ein solches Himmelsblau als Untergrund meines Bildes vorstellen, das wahrlich kein Künstler auf der weiten Welt schön genug malen könnte. Und dieses Blau umrahmte einen frei schwebenden, wunderschönen, mit Rubinen, Smaragden und einem schwarzen Onyx besetzten Kelch. Dieser Kelch, hätte keinen festen Grund. Er wäre einfach in seiner gottgegebenen Schönheit nur da als Symbol der Beziehung zu Gott und der ganzen Schöpfung. Dieser Kelch sollte die offenen Hände betender Menschen symbolisieren, die alles, was sie sind haben und erleiden vor Gott tragen und mit und für andere Menschen teilten, die ohne es zu wissen der Liebe Gottes entbehren. Vom Kelch und der Hostie würden lichtvolle Strahlen ausgehen, die das Dunkel des Bilduntergrundes österlich durchdringen, sodass Himmel und Erde wie in einer großen Symphonie vereint wären.
Wenn ich mir schon wie ein Kind jede Grenze überschreitend, unerfüllbare Wünsche auszusprechen erlaube, dann müsste, was auch der begabtesten Maler nicht wirklich malen könnte, auch die erhabenste Musik aller Zeiten, jegliche Kunst und Wissenschaft, ja selbst der Chor aller Heiligen und Engel aufgeboten werden, um mein Bild nur in Nuancen komplettieren zu können. Das würde offen gestanden, den Platz jeder Leinwand sprengen. Und dies alles würde nie genug sein, dem Dreifaltigen auch nur annähernd für seine Gaben zu huldigen. Wie tröstlich ist es für mich, alle Worte und Bilder als unangemessen zu erkennen, und im Glauben zu wissen, dass unser Vater im Himmel auf den guten Willen und nicht nur auf unsere Werke schaut, und es Seinem Sohn überlassen hat, für uns und an unserer Stelle bei Gott Fürbitte zu leisten, und uns im Heiligen Geist beisteht, damit uns zu seinen Ehren immer wieder ein gutes Wort oder eine Tat gelingt.
Diese Website benutzen Cookies. Wenn Sie die Website weiter nutzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.AkzeptierenReject
Privatsphäre & Cookies
Privacy Overview
This website uses cookies to improve your experience while you navigate through the website. Out of these, the cookies that are categorized as necessary are stored on your browser as they are essential for the working of basic functionalities of the website. We also use third-party cookies that help us analyze and understand how you use this website. These cookies will be stored in your browser only with your consent. You also have the option to opt-out of these cookies. But opting out of some of these cookies may affect your browsing experience.
Necessary cookies are absolutely essential for the website to function properly. This category only includes cookies that ensures basic functionalities and security features of the website. These cookies do not store any personal information.
Any cookies that may not be particularly necessary for the website to function and is used specifically to collect user personal data via analytics, ads, other embedded contents are termed as non-necessary cookies. It is mandatory to procure user consent prior to running these cookies on your website.