Gedanken eines Rentners

Manche Zeitgenossen fragen sich zu Recht, zu was die vielen Rentner und Pensionäre nütze sind, und wie deren Einkünfte bezahlt werden sollen. Ich spüre die Fragen und sie begleiten mich auch in den Schlaf und in die Träume. Als ich heute erwachte, erinnerte ich mich an ein Traumfragment, in dem es um dieses Thema ging in der Erkenntnis, dass wir alle voneinander abhängig sind. Man könnte auch fragen, was beschäftigt einen alten Mann, der sich aus vielen öffentlichen Verpflichtungen aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen musste. Man könnte fragen, was ein solcher Mensch der Gesellschaft aus der er hervorgegangen ist, in seinem Alter noch nütze. Natürlich ist es für ihn an der Zeit, sich mit der eigenen Biographie und dem, was er zustande brachte und dem Leben schuldig blieb auseinanderzusetzen. Hierbei geht es natürlich um Versöhnung der Gegensätze und um die Einheit einer Person mit allen Höhen und Tiefen. Auch um die dankbare Anerkennung all der Hilfen, die ihm im Leben durch Menschen und die Gesellschaft in ihren kulturellen und politischen Ausprägungen zuteilwurden. Insofern um Einheit und Vielfalt, Selbständigkeit und Abhängigkeit. Ich habe mich diesem Thema vor Jahren in meinem ersten Buch in einem Aufsatz zugewandt. Ich habe aber durch meinen Traum noch eine andere Betrachtungsebene gewonnen.

Der unschätzbare Vorteil eines älteren Menschen liegt darin begründet, dass er das eigene Ende vor sich sehend, und befreit aus der Enge beruflicher Verpflichtungen, den Blick frei bekommt auch für die Umstände und Abhängigkeiten in unserer heutigen Welt, deren Glied er ist. Er hat Zeit und damit auch die Verantwortung, was er mit dieser Zeit noch anfängt. In meinen Artikeln, Gedichten und Texten habe ich in den letzten Jahren versucht, dem Zeitgeist trotzend, die Hoffnung auf ein gelingendes Leben der Menschen miteinander, mit dem Dank an die Vorsehung zu verbinden. Davon werde ich auch künftig nicht absehen. Was aber noch gesagt werden muss ist, dass ich zeitlebens ein politischer Mensch bin. Ich habe mich in den vielen ruhigen Stunden meines Rentnerlebens nie getrennt gesehen von den politischen Rahmenbedingungen, die unser und das künftige Leben unserer Nachkommen bestimmen. Diese Fragen und Sorgen lenken meinen Blick auf die Geschichte und das Zeitgeschehen, in das ich eingebunden bin.

In meiner Kindheit sprach man von einem tausendjährigen Reich, und wir wissen alle, wie diese Geschichte endete und heute noch in vielfacher Weise weiterwirkt. Wer hätte gedacht, dass nach Ende des ersten und den Gräueln des zweiten Weltkrieges, das Morden in Europa und der Welt weiter geht. Wir jungen Menschen hatten uns nach 1945 geschworen, dass nie wieder Krieg kommen dürfe. Es ist eine Einigungsbewegung in Europa entstanden, die Jahrzehnte des ersehnten Friedens bescherte. Wir verdanken dies auch der politischen Vernunft, die uns die Einheit unseres Volkes wieder schenkte. Ich hatte die Hoffnung nie aufgegeben, dass das europäische Festland in einen friedlichen und wirtschaftlichen Austausch zusammenwirken könne. Was ist die Realität: Die Ereignisse der russischen Besetzung der Krim, und der grausame Krieg in der Ukraine bewirken, dass wie zu Zeiten des kalten Krieges, ein militärisches Gleichgewicht zur Friedenssicherung beschworen wird. Es besorgt einen Rentner, welche Mittel und Kräfte in diesem Wettstreit gebunden und für kulturellen Austausch verloren gehen. Im Abstand gesehen gibt es auch Zeichen europäischer Nationalismen in denke an das Thema der Unfähigkeit die Lasten der europäischen Einigung zum Beispiel in der Frage der Migration gerecht zu verteilen.

Warum, so frage ich, sind viele Menschen auf der Flucht, suchen das Heil primär in Deutschland. Während in unseren Landen die sogenannte „Zivilisation“ mit ihrem Wohlstandsgefälle, zu einer seit Jahrzehnten bekannten demographischen Veränderung führte, und die Zahl der gesunden Familien mit mehreren Kindern schwindet, suchen Menschen anderer Länder in ungeahnter Zahl mit ihren Familien und Kindern Zuflucht bei uns. Wir kennen die Brandherde des Nahen Ostens in Syrien, Israel und Palästina, die Iranfrage, den weltweiten Terror, Aphganistan, Afrika, und in der Türkei die Kurdenfrage. Und von überall drängen die schutzbedürftigen Menschen und Wirtschaftsflüchtlinge über das Mittelmeer und den Balkan nach Europa. Amerika ist seit langem im Nahen Osten als Friedensvermittler und mit militärischem Einsatz auch in Europa in der Nato zur Abwehr der russischen Bedrohung in der Ukraine präsent. Auch die Bundesrepublik beteiligt sich im erheblichen Umfang militärisch sowie bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten. Es kann nicht übersehen werden, dass auch Russland mit großem Aufwand in der Ukraine militärisch interveniert und Assad in Syrien stützt, während nicht zu erkennen ist, in welcher Größenordnung Migranten in Russland aufgenommen werden. Es ist auch fraglich, mit welcher Wirksamkeit der religiös motivierte Terrorismus bekämpft werden kann. Es muss auch gefragt werden dürfen, in welchem Ausmaß die Migrationsströme in Europa Aufnahme finden können, ohne die notwendige Integration zu bewältigen. Spannungen und Konflikte zwischen den unterschiedlichen kulturellen und religiösen Wurzeln der Migranten sind aktuell auch in Deutschland zu beobachten. Die Frage muss gelöst werden, wie die Belastungen der öffentlichen Ordnung durch die angedeuteten Konflikte in der Bundesrepublik zu bewältigen sind.

Wir dürfen festhalten, dass derzeit auf wirtschaftlichem Gebiet eine globale Veränderung der Märkte und politischen Interessen zu beobachten ist. Auch auf diesem Gebiet muss gesehen werden, dass wieder nationale Interessen bei der Behandlung von übergreifenden Themen eine große Rolle spielen. Aufstrebende Nationen wie China und Indien und Afrika bestimmen auf den Gebieten der Bildung, der demographischen Entwicklung und des wirtschaftlichen Einflusses eine beachtliche Rolle. Es darf auch nicht übersehen werden, in welcher Weise wirtschaftliche und politische Interessen sich verbinden. Dies gilt für Amerika, Russland, China, Asien ebenso wie für Deutschland, Frankreich England ja die gesamt europäische Union. Wie schwer sind zum Beispiel Einigungen im Bereich der globalen klimatischen Veränderungen und ihrer Folgen auch für die Entwicklungsländer einer politischen Lösung zuzuführen. Es scheint, als ob die Politik weniger in der Lage ist, vorausblickend zu gestalten, um die wirtschaftlichen und ökologischen Folgelasten der klimatischen Veränderungen zu minimieren, und Lösungen dieser Probleme in erstaunlichem Umfang fehlen. Hier zeigt sich für den besorgten Rentner die Notwendigkeit globaler Verständigung, die Anerkennung weltweiter gegenseitiger Abhängigkeit und das Suchen nach einer Einigung über nationale Interessen hinweg.

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind die Massenmedien und deren digitale Vernetzung, die in ihren Auswirkungen noch nicht einmal im Ansatz überschaubarsind. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung scheint mir zu beobachten wer mit welchen medialen Mitteln, die wirtschaftlichen und politischen Interessen beeinflusst. Nicht nur die politischen Kräfte in Amerika, und deren kriminelle Energie, sondern auch anderer Nationen, bedürfen einer kritischen Beobachtung. Die wissenschaftliche Forschung, und die Weiterentwicklung technischer, psychologischer und kultureller Vermittlung der Ergebnisse sowie die Kommunikationswege die unserem Alltag, bestimmen, sind ohne den technisch-medialen Zugang gar nicht mehr vorstellbar. In welchem Ausmaß wir durch den Einsatz der medialen Technikenn unseren Vorstellungen zu denken, auf die Größe des empirisch Machbaren reduzieren müssen, und dadurch die Fähigkeit zum kritischen Abstand einbüßen, lässt sich schwerlich einschätzen. In welcher Weise wir als Abhängige dieses Systems auch in unserem Denken beeinflusst sind, wird erst dann erkennbar, wenn die funktionale Einbindung in diese Systematik sich verändert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich diese Betrachtung gemacht hätte zu einer Zeit, da ich in die berufliche ökonomische Abhängigkeit eingebunden war. Erst als Rentner, und damit frei von wirtschaftlichen Zwängen, kann ich mir erlauben über alle Abhängigkeiten, in denen wir uns bewegen kritisch nachzudenken. Es sollte daher eine freiwillig übernommene Aufgabe gerade für ältere Menschen werden, auf diese Schaltstellen unserer globalen Abhängigkeit voneinander zu achten und mit den Menschen, die uns nachfolgen, in der Suche nach der Einheit in Vielfalt in Verantwortung für unser Leben auf Erden im Gespräch zu bleiben.

Morgengebet

O Gott DU hast
in dieser Nacht
so väterlich für
uns gewacht

DU hast uns
aus dem Schlaf
erweckt den
Gabentisch

So reich gedeckt
wir danken loben
preisen DICH für
alles Gute gnädiglich

Bewahre uns auch
diesen Tag dass uns
kein Leid geschehen
mag

Die Ehre sei dem
Vater Sohn und
Heiligen Geist jetzt
und in Ewigkeit

Sonne der Gerechtigkeit gehe auf in dieser Zeit.

Eine Reise nach Stuttgart

Wir sitzen im Wohnzimmer und meine Frau strickt. Es ist nur das leise aneinander Reiben der Nadeln zu hören. In der momentanen Stille erinnere ich mich an ähnliche Situationen in meiner Jugend. Damals fühlte ich mich manchmal sehr wohl und meiner Mutter innig verbunden, wenn sie in der Küche das Geschirr spülte und ich sie beim Klappern der Teller in der Nähe wusste. Im Augenblick geht es mir genau so. Schweigend genieße ich die Zweisamkeit mit meiner Frau. Ab und zu beobachte ich sie auf meinem Sessel hinter ihr und freue mich, sie so entspannt sitzend zu sehen. Ich weiß, wenn sie nadelt, geht es ihr gut – und mir dann auch. Ein wenig Himmel auf Erden. Verbindet uns doch unaussprechlich viel, seit wir uns vor über fünfzig Jahren das erste Mal sahen. Immer wieder bin ich dankbar, wenn ich sie an meiner Seite glücklich erlebe. Das nun aufkommende Gespräch, öffnet unsere Zweisamkeit. Wir reden mit einander über die vergangenen Tage.

Iris hatte am Abend zuvor aus Interesse an Märchen die Sendung „Alice im Wunderland“ eingeschaltet. Hingegeben verfolgt sie, um mir Ruhe zu gönnen, mit Kopfhörern das Geschehen. Ich beteiligte mich etwas halbherzig und genoß das beim Fernsehen übliche Schweigen, um meinen stets bereiten eigenen Fantasien freien Lauf zu lassen. Gelegentliche Stille, in der sich viel ereignet, ist für mich geradezu lebenswichtig. Immer wieder gönne ich mir deswegen eine Pause, um die vielen Eindrücke und Informationen, denen ich nicht entgehen kann, auf ihre Bedeutung für uns zu überdenken. Aber genau in dem Augenblick, als Alice im Märchen dem Hasen folgend, durch ein Loch im Wurzelwerk eines ausladenden Baumes, in ein weit verzweigtes unterirdisches Labyrinth hinabstürzt, tauche auch ich ab in ein kleines Nickerchen. Auf diese Weise verpasste ich den größten Teil der Sendung. Ab und zu muss ich aber doch wieder ein wenig zu mir gekommen sein. Nach einem jeweils kurzen Blinzeln schlossen sich aber die Lieder wieder, als ich bemerkte wie heftig Alice noch mit den schrecklichen Wesen der Unterwelt kämpfte. Die innere Uhr
weckte mich aber exakt in dem Augenblick, als Alice nach langer Irrfahrt wieder gesund, gestärkt und wohlbehalten aus dem Labyrinth auftauchte. Nach dieser Sendung drehte sich meine Frau um, sah mich etwas besorgt an und fragte: „Weinst Du, bist Du etwa traurig?“ Es mag durchaus sein, dass ich beim inneren „Wiederkäuen“ von Erlebnissen im Halbschlaf oder träumend auf wichtige Dinge gestoßen bin, die einer Träne Wert waren – wer weiß das schon genau. Wahrheitsgemäß antwortete ich: „Sollten Dir meine Augen feucht erscheinen, dann könnte das eher bedeuten, dass ich mich wie Alice im Märchen darüber freue, eigene Kämpfe und Trauer im Leben auch schadlos überstanden zu haben.“ Angeregt durch das Märchen, kamen wir auf gemeinsame Erlebnisse in den letzten Tagen zu sprechen, die uns überraschten und der Fantasie reichlich Nahrung boten. Diese kleinen Geschichten aus unserem Alltag möchten wir Ihnen, liebe Leser, nicht vorenthalten.

Vor Tagen fuhren wir mit der Regionalbahn nach Stuttgart. Iris nimmt dort an Vorlesungen über Karl den Großen teil. Da ich mich derzeit im Blick auf das Zeitgeschehen oft besorgt frage, was geschehen müsste, damit wir Europäer nicht wieder in National-Staatlichkeit zurückfallen, interessierte mich, was die heutige Forschung uns über Karl den Großen vorlegt. Hatte er doch damals in einer bedeutenden geschichtlichen Epoche, ähnlich wie wir heute, schwierige Aufgaben zu bewältigen, um das weit ausgedehnte Reich zu verwalten und zu einen. Die Frage, was heute zum Wohl Europas geschehen müsste, treibt mich schon lange um. Ich werde mich zu gegebener hierzu äußern. Dies ist aber dann eine andere Geschichte. Hier will ich nur andeuten, was mich veranlasste, meine Frau an diesem Tag zu begleiten.

Die Realität holte uns Altstudenten nach der Vorlesung wieder rasch ein, denn es galt, die Abfahrtszeit unseres Zuges zur Rückreise nach neuem Fahrplan zu bestimmen. Meine Frau kennt sich, der vielen Termine wegen, in der Stadt unstrittig besser aus als ich. Manchmal verlieh ich ihr schon insgeheim den Titel einer „Wahl-Stuttgarterin“ Deshalb lasse ich mich in der Regel gern von ihr durch die belebten Strassen führen. In dem aktuellen Falle geschah dies aber nicht. Denn ein kleines Teufelchen männlichen Aufbegehrens gab keine Ruhe, sodass ich sehr bestimmt, am Ende jedoch ineffektiv, darauf bestand, auch selbst auf irgendeine Weise die Abfahrtszeit des Zuges herausfinden zu können. Die Miene meiner Frau verhieß darauf hin nichts Gutes. In der Folge hatten wir einige Mühe, die etwas eingetrübte Stimmung wieder auszugleichen. Ich musste zu diesem Zweck, in meiner männlichen Ehre zwar etwas gekränkt, aber ohne ernstlichen Schaden zu nehmen, meine „Protestfahne“ wieder einrollen. Denn Iris führte mich im Bahnhof zielstrebig zu einem Stand, an dem die neusten Fahrpläne kostenlos angeboten wurden. Der Selbständigkeit halber versorgte ich mich auch mit den aktuellsten Informationen über die Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Züge. Ich muss gestehen, dass wir heute unsere unterschiedlichen Standpunkte weniger kämpferisch vertreten und bei geringerem Aufwand eher beidseits befriedigende Lösungen erzielen, als in früheren Jahren. Es lohnte sich daher für uns in vielen Versuchen geduldig zu lernen, was geschehen muss, um immer wieder einen Ausgleich der Interessen zu erreichen. Manche Menschen nennen diesen Umgang mit einander sogar Liebe.

Als ob uns das Schicksal an diesem Tage nicht besonders wohl gesonnen wäre, steuerten wir bereits ohne etwas davon zu ahnen, auf den nächsten Dissens zu: Ich stürmte, um unseren Zug nicht zu verpassen, entgegen sonst üblicher Praxis voraus. Ein Blick auf die Abfahrtstafel zeigte mir, dass Eile geboten war. Die Regionalbahn stand an unserem Bahnsteig schon bereit, um in drei Minuten Stuttgart zu verlassen. Die Erregung stieg zusehends, als ich zurückblickend meine Frau nirgends entdecken konnte. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Wütend steige ich, begleitet von dem wenig schmeichelhaften Gefühl, „möge sie nun nach Hause kommen, wann sie will“, in einen
der hinteren Wagen des Zuges ein. Eine unerklärliche Hoffnung auf ein Wunder ließ mich aber an der offenen Türe warten. Und siehe da, in letzter Sekunde vor Abfahrt des Zuges, taucht Iris auf, sieht mich, stürzt herbei und steht schwer atmend, aber wie ein unschuldiges Lämmchen neben mir. Ich wollte schon zu einer Gardinenpredigt ansetzen, da erklärte sie mir mit einem versöhnenden Blick, sie habe einen Blinden zum Zuge führen müssen. Nicht einmal meine durchaus berechtigt Wut konnte ich nun loswerden. Die Kritik an ihrer für mich unangenehmen Verspätung blieb mir bei diesem Sachverhalt im Halse stecken. Einem blinden Menschen hätte ich doch auch geholfen.

Die Gemüter beruhigten sich nicht wesentlich, als wir uns danach durch einige Wagen des voll besetzten Zuges hindurch quälen mussten, um im vorderen Bereich einen Platz zu ergattern, der für den Ausstieg am Zielbahnhof günstiger lag. Wir verzichteten weise auf eine grundsätzlichere Aussprache zum Thema Verspätung. Hatte doch mein Schwiegervater deswegen schon unter der Türe stehend zu leiden, um auch die letzte seiner Töchter vor der Abreise noch einzufangen. Was die Pünktlichkeit anbelangt, bin ich mit meiner Frau und drei Töchtern gesegnet, sein direkter Nachfahre. Auf der Rückreise aus Stuttgart, gelang uns aber auf elegante Weise, das Thema zu wechseln. Waren wir doch beide mehr an einem Gespräch über Details der interessanten Vorlesung interessiert, als daran, die Gründe zu erforschen, weshalb es in unserer Familie die betrübliche Neigung gibt, dass die Damen oft zu spät kommen. Wir wurden dabei durch ein unangenehmes Geräusch aus dem Lautsprecher so sehr gestört, dass wir in einen anderen Wagen flüchteten, um auch dieser Belästigung zu entgehen.

Bei der anschließenden anregenden Unterhaltung, verging die Zeit wie im Fluge. Irgendwann hielt der Zug irgendwo. Ich schaue kurz aus dem Fenster und behaupte, wir sind schon in Backnang, und damit bald zu Hause. Ein vergnügtes Kichern junger Damen neben uns, und deren Hinweis, dass wir uns bereits in Murrhardt befänden, und nun die anfahrende Regionalbahn nicht mehr verlassen könnten, überraschte uns nicht wenig. Die freundlichen Mädchen zückten hilfreich ihre Handys, nannten uns die nächste Station, und informierten uns über die Abfahrtszeiten zu einer möglichen Rückreise.

Der Zug hält, wie angesagt, in Fornsbach. Bei leichtem Nebel und anbrechender Dunkelheit, befinden wir uns auf einem menschenleeren Bahnsteig. Es ist ziemlich kalt an diesem Abend. In einsetzendem leichtem Schneefall bewegen wir uns im Schein einiger trüber Straßenlaternen, Richtung Ortsmitte. Wir freuen uns schon darauf, die etwa eineinhalb Stunden bis zur Rückreise, zu unserem Vergnügen nutzen zu kännen, und uns das kulinarische Angebot des empfohlenen Gasthaus „Krone“ munden zu lassen. Das Restaurant, das wir in einiger Entfernung erblicken, wirkte auch in der Nähe sehr einladend, hatte aber nur den Nachteil, dass es heute wegen des Ruhetages geschlossen war. Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir sehen uns um, und entdecken zum Glück eine kleine Imbissstube. Etwas durchgefroren, ging es uns wie Maria und Josef, die einst mit ihrem Kind auch ein Dach über dem Kopf suchten. Wir treten ein und werden in einem gut beheizten, mit einem Tresen, zwei Tischen, Stühlen und dem unvermeidlichen Fernseher ausgestattetem Raum, von einer freundlichen, mit Kochmütze dekorierten Bedienung empfangen. Unter den gegebenen Umständen entscheiden wir uns, nach Möglichkeit, eine Rückreise mit der verflixten Eisenbahn zu vermeiden.
Mit Hilfe eines anwesenden jüngeren Paares gelingt es, per Handy eine Taxe herbei zu rufen. Die Wartezeit bis zur Abfahrt reichte gerade noch zu einem Glas Bier. Unsere Bedienung wunderte sich sehr, als wir ihr, im Blick auf den zu erwartenden glücklichen Ausgang unseres Unternehmens, ein großzügiges Trinkgeld gaben. Die Frau mit der Kochmütze verneigte sich mehrmals erfreut dankend von ihren späten Gästen. Der Taxifahrer, der uns nach Oppenweiler zurückbrachte, erzählte kenntnisreich aus früheren Zeiten. Er habe beruflich schon oft mit uns zu tun gehabt, und wüsste genau, wo wir wohnten.

Einige „Schutzengel“ standen uns heute zur Seite, sodass wir, wie „Alice im Wunderland“, wieder den rechten Weg durch das Labyrinth unserer Reise nach Hause fanden. Auf diese Weise bestätigte sich auch der Volksmund, der behauptet: „Wenn einer eine Reise macht, dann kann er was erzählen!“

Heimatliche Stimmung

Morgenhymnus

Gottvater unser Schöpfer
der was ER gibt im Leben hält
und Himmel und Erde Tag
und Nacht schweigend bewacht

In der Stille heilig heilig
heilig ist SEIN Wille

Und alles was der Herr erschaffen
will vor IHM spielen tanzen
lachen und Gott im Himmel oben
auf Erden lieben und loben

Um IHN mit Altem und mit Neuen
den Allerhöchsten zu erfreuen

Der Vater der mit SEINEM Sohn
im Heiligen Geist auf ewigem
Thron Himmel und Erde schuf
und erhält

Hat auch Maria zur Mutter des
Sohnes und uns auserwählt

Nur ER kennt den Vater der Tag und
Nacht über SEINER Schöpfung wacht
und Gott Jesus Christus das Lamm den
Willen des Vaters am Kreuz zu erfüllen

Um uns von aller Sünde Schuld und
dem Bösen vollkommen zu erlösen

Damit wir IHM folgen in unserer
Zeit bis an den Saum der Ewigkeit hat
ER uns aus dem Schlaf erweckt den
Gabentisch so reich gedeck

Dass in allen Gottesreichen Neid Hass
und Zwietracht ewig weichen.

Geborgen in der Kirche
Geborgen im Glauben Hoffen und Lieben.

Gebet

Heilig der Ort
den Du erwählt
Herr Deine
Liebe zählt

Brich DU Herr
unser Schweigen
in armen Zeiten

Gebrochene
Worte öffnen
die Pforte

Und Blinde
sehen und
Lahme gehen

Das Kreuz der Erlösung und Hoffnung

Kirchenlied

Großer Gott wir
loben DICH Herr
wir preisen DEINE
Stärke

Vor DIR beugt die
Erde sich und
bewundert DEINE
Werke.

Wie DU warst vor
aller Zeit so bleibst
DU in Ewigkeit

Alles was DICH preisen
kann Cherubin und
Seraphinnen

Stimmen DIR ein
Loblied an alle Engel
die DIR dienen

Rrufen DIR stets
ohne Ruh heilig
heilig heilig zu

Heilig heilig heili heilig ist der Herr

Gottes Frieden

Erbarmen und Vergeben
sind Gnade in unserem
Leben wandeln Sünde und
Schuld wieder in Gottes Huld

SEIN ewig Reich kann dann
auf Erden im Verzeihen
wachsen und gedeihen und
Friede herrsche in der Zeit

Dass wir befreit von Hass
Zerstörung und Neid mit
unseren reichen Gaben
für alles unser Danke sagen

Geborgen in der Kirche
Geborgen im Glauben Hoffen und Lieben.

Sechzehn an einem Seil

Fünfundfünfzig Jahre sind vergangen, seit wir im Spätberufenenseminar St. Pirmin in Sasbach unser Abitur bestanden. Aus diesem Anlasse traf sich eine kleine Gruppe unseres Kurses zu einem Gedenken. Leider existiert unser Seminar nicht mehr. Die Heimschule Lender ist zwar noch ein Gymnasium, hat aber kein Internat mehr. Da sich in Sasbach manches verändert hat, stellt sich die Frage, was bleibt übrig und wirkt weiter. Hierzu habe ich mich vor einiger Zeit geäußert und füge diesen Text in dankbarer Erinnerung bei. Manches mag sich verändern, aber wir vergessen nicht:

Dankbar und mit großer Freude, wollten wir allen Menschen, die uns begleiteten, 1967 unseren Schulerfolg zeigen: Nach anstrengenden Jahren an einem Gymnasium hielten wir unsere Abitur-Zeugnisse in Händen. Das ersehnte Studium an der Universität war nun möglich, und die beruflichen Ziele lockten. Sechzehn Männer hatten es im Spätberufenenseminar St. Pirmin in Sasbach geschafft, den Grundstein für ihren weiteren Lebensweg zu legen. Noch einmal gingen wir einen kurzen Weg mit einander. Wir legten symbolisch Hand an ein Seil, damit man sehen konnte, dass wir einander viel bedeuten. Die Zeit blieb aber nicht stehen. Heute schaue ich nach vielen Jahren zurück und frage mich, was aus unserer verschworenen Gemeinschaft geworden ist? Bei diesem Rückblick möchte ich mich aber nicht wiederholen und auf unsere Lehrer zu sprechen kommen, die uns mit großer Sorgfalt, in allen Fächern auf die Reifeprüfung vorbereiteten. Ich möchte auch nicht erneut auf die Verdienste unseres Rektors, Schulleiters und all derer, die sich um unser Wohl kümmerten, eingehen. Es soll an dieser Stelle auch nicht die Rede sein von den rechtschaffenen Menschen, die im Umkreis des Seminars leben und arbeiten, auch nicht von den Weinbergen, gastlichen Lokalen, und der fruchtbaren Rheinebene. All dies ist an anderer Stelle gebührend geschehen und schwingt natürlich immer dann mit, wenn ich auf die Zeit in Sasbach zu sprechen komme. Denn wer könnte schon in dieser reichen Region länger wohnen, ohne all das zu lieben?

In dieser Geschichte geht es mir aber vor allem um die sechzehn Männer, mit denen ich fünfeinhalb Jahre auf engstem Raum zusammenlebte und lernte. Erst lange danach tauchten Ereignisse aus dieser Zeit wieder in meiner Erinnerung auf. Zunächst spontan, dann in ruhigen Stunden meines Berufslebens, besonders aber in der Zeit nach der Pensionierung. Ich lernte zu erkennen, dass längst aus einer verschworenen Gemeinschaft, Freunde fürs Leben wurden, die in meiner Seele auf geheimnisvolle Weise ihren Platz behaupten. Es ist und bleibt daher wahr: Jeder einzelne Schulkamerad mit seinen Stärken und Schwächen, hat für mich nach dem Abitur an Bedeutung gewonnen und ist mir in der Distanz nähergekommen, als je zuvor. Was in dieser reichen Zeit in Sasbach geschah, zeigt Wirkung und fühlt sich gut an. Wie oft habe ich an diese Freunde gedacht, und um deren Wohlergehen gebetet. Das »Seil« von dem ich sprach, ist für mich zu einem Symbol des Geistes geworden, der uns nach Sasbach, führte. Zu einer treibenden Kraft, die uns zum Abitur und zu einem erfolgreichen Leben verhalf, und mich auch zu dieser Geschichte veranlasste. Wer oder was könnte uns daher daran hindern, einander auch in Zukunft wohl gesonnen bleiben?

Dennoch ergab sich aber gelegentlich die Frage, ob ich genügend berücksichtigte, dass seit unserem Abitur einige Dezennien vergangen sind, die uns prägten und formten. Denn nur selten kam es zu Telefongesprächen, Briefwechseln und gegenseitigen Besuchen. Auch in den Gesprächen bei unseren Jahrgangstreffen, gab es wenig Raum, um uns über die unterschiedlichen Lebensgeschichten, und die dabei gewonnenen Einstellungen auszutauschen. Wir müssten uns daher berechtigterweise wieder fragen, was uns der gute Geist von Sasbach heute noch bedeutet oder wie es um unsere Freundschaft mit einander bestellt ist? Meine Antwort möchte ich jetzt folgen lassen:
Die Frage, wie Menschen zu tragfähigen Beziehungen, zur Erfahrung von Freundschaft und Nähe kommen, stellt sich doch nicht nur für uns Sasbacher. Sie verweist weit darüber hinaus, auf die Bereitschaft zu pfleglichem Umgang mit jeglichen Beziehungsangeboten. In unserem Zusammenhang könnte das bedeuten, Wege zu erkunden, wie wir, unabhängig davon, wie oft wir einander sehen und sprechen können, positive Erfahrungen in Gruppen, erinnern und reifen lassen könnten. Mir scheint, dass guter Wille, gegenseitige Achtung, Respekt und Liebe, die wir im Leben allen Menschen ohne Vorbedingungen schulden, wichtig sind, um trotz oder gerade nach längerer Trennung, Freundschaft und Nähe angstfrei zu erleben. Um Unsicherheit auszuräumen oder Unterschiede in den Einstellungen zu klären, empfiehlt es sich, nach dem uns allen bekannten Satz »carpe diem«, den ersten Schritt zu wagen. Wir wissen ja alle nicht, wie lange uns zum Handeln Zeit bleibt. So gehe ich einfach weiter davon aus, dass uns der Geist, der uns einmal in Sasbach zusammenführte, trotz denkbarer Unterschiede in den Sichtweisen, wie bisher weiter hin brüderlich vereint. Ob ich zu einer anderen Zeit, oder ohne so manche Enttäuschung und Entbehrung im Leben, in der Lage gewesen wäre, wie jetzt, deutlich zu machen, wie wichtig die »Sechzehn Freunde« in den vergangenen Jahren für mich waren, wage ich zu bezweifeln. Noch schwieriger würde es für mich sein, nachzuweisen, wann und wie genau es geschah, dass sich nach und nach eine Freundschaft zu jedem Einzelnen entwickelte. Mit dem Abitur war eben nicht alles zu Ende. Es brauchte aber seine Zeit und auch den eigenen Reifeprozess, bis ich zulassen konnte, dass nicht nur tragfähige Freundschaften unter einander, sondern auch Bindungen entstanden sind.
Selbst wenn ich wollte, ich könnte die Tatsache, dass uns der Herrgott einmal zusammenführte, nicht aus der Welt schaffen. Von Gott gefügte, und vom Menschen übernommene Freundschaft und Liebe, kann man eben nicht einfach auslöschen. Sie hat – und ich sage das mit Bedacht – bis in alle Ewigkeit Bestand. Etwas prosaischer ausgedrückt: Auch wenn wir uns nicht mehr sehen würden oder lange nicht gesehen hätten, wenn wir keine Briefe austauschen würden oder nicht genau wüssten, wie es denen, die einmal ihre Hand ans Seil legten in den vergangenen Jahren ergangen ist, würde ich dennoch die »Sechzehn« als Freunde in guter Erinnerung bewahren, und ihnen alles Gute in Zukunft gönnen. Solche oder andere, auf ähnliche Art entstandene Freundschaften, zu pflegen und über alle Trennungen hinweg lebendig zu erhalten, hat für mich auch etwas mit praktischem Christentum zu tun.

Geborgen in der Kirche
Geborgen im Glauben Hoffen und Lieben.

Segensbitte

O Gott mach unser
Leben zum Erbarmen
und DEINEM Segen

Und lass im Hause
DEIN uns all geborgen
sein

Es segne und behüte
uns der Vater Sohn
und Heilige Geist

Und schenk SEINEN
Frieden mit IHM
und uns hinieden

Im Frieden DEIN o
Herre mein lass ziehn
uns unsre Straßen

Wie mir DEIN Mund
gegeben Kund schenkst
Gnad DU ohne Maßen

Hast mein Gesicht das
selge Licht den Heiland
schauen lassen

Der Herr ist für uns gestorben und vom Tod auferstanden-
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